Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_793/2023
Urteil vom 19. März 2025
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Stadelmann, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Parrino, Beusch,
Gerichtsschreiber Nabold.
Verfahrensbeteiligte
Kantonales Steueramt St. Gallen,
Davidstrasse 41, 9001 St. Gallen,
Beschwerdeführer,
gegen
A.A________ und A.B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Bartl,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons St. Gallen und direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2014,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 23. November 2023 (B 2023/81 und B 2023/82).
Sachverhalt:
A.
Die Eheleute A.A.________ und A.B.________ waren Alleinaktionäre der B.________ AG. Mit Kaufvertrag vom 22. Oktober 2009 erwarb die Gesellschaft von einer Drittperson eine Stockwerkeigentumseinheit zum Kaufpreis von Fr. 2'500'000.-. Die Gesellschaft finanzierte diesen Kauf durch ein Darlehen der Alleinaktionäre in derselben Höhe; per 1. Januar 2010 aktivierte sie in ihrer Buchhaltung die Liegenschaft mit einem Wert von Fr. 2'500'000.- und schrieb als Gegenbuchung diesen Betrag dem Passivkonto "Darlehen A.________" gut. Diese Buchungen erfolgten ungeachtet der Tatsache, dass die Eheleute A.________ der Verkäuferschaft zunächst aufgrund von Mängelrügen lediglich den Betrag von Fr. 2'000'000.- überwiesen hatten. Nachdem das Kantonsgericht St. Gallen die B.________ AG mit Entscheid vom 18. Februar 2014 verpflichtet hatte, der Verkäuferschaft die Restschuld von Fr. 500'000.- zuzüglich Parteikosten und Zinsen zu bezahlen, beglichen die Eheleute A.________ am 12. März 2014 den ausstehenden Betrag von Fr. 642'639.20. Gleichentags schrieb die Gesellschaft dem Darlehenskonto der Eheleute denselben Betrag gut.
Am 27. Juli 2015 deklarierten die Eheleute A.________ in der Steuererklärung 2014 ein steuerbares Einkommen von Fr. 21'060.- und ein steuerbares Vermögen von Fr. 287'986.-. Demgegenüber veranlagte das Steueramt des Kantons St. Gallen die Eheleute mit Verfügungen vom 29. Dezember 2021 und Einspracheentscheide vom 19. Mai 2022 für die Kantons- und Gemeindesteuern 2014 mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 521'000.- und einem steuerbaren Vermögen von Fr. 317'000.- sowie für die direkte Bundessteuer mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 318'800.-. Die Diskrepanz zwischen Deklaration und Veranlagung erklärt sich unter anderem daraus, dass das Steueramt den Eheleuten eine geldwerte Leistung der B.________ AG in der Höhe von Fr. 500'000.- als Einkommen aufrechnete.
B.
Den von den Eheleuten A.________ hiergegen erhobenen Rekurs und die hiergegen erhobene Beschwerde hiess die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 3. April 2023 gut, hob die Einspracheentscheide auf und wies die Sache an das Steueramt zurück, da die geldwerten Leistungen in der Höhe von Fr. 500'000.- den Steuerpflichtigen nicht im Jahre 2014 zugeflossen seien. Die vom Steueramt hiergegen erhobenen Beschwerden wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 23. November 2023 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt das Kantonale Steueramt St. Gallen, es seien unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ihre Einspracheentscheide zu bestätigen.
Während die Eheleute A.________ auf Abweisung der Beschwerde, soweit auf sie einzutreten ist, schliessen, beantragt die Eidgenössische Steuerverwaltung deren Gutheissung.
In ihrer Eingabe vom 12. April 2024 halten die Eheleute A.________ an ihrem Antrag fest.
Erwägungen:
1.
1.1. Das kantonale Gericht bestätigte im angefochtenen Entscheid einen Entscheid der Verwaltungsrekurskommission, wonach die Sache an die Verwaltung zurückgewiesen wird. Da die Rückweisung einzig der rechnerischen Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient und demgemäss der Verwaltung keine Entscheidungsfreiheit bleibt, ist der angefochtene Entscheid als Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG zu behandeln (Urteil 9C_86/2021 vom 14. Juni 2021 E. 1.1; vgl. auch BGE 134 II 124 E. 1.3 mit Hinweisen).
1.2. Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht (Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG ) eingereicht und richtet sich gegen einen Entscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Das Kantonale Steueramt ist gemäss Art. 146 DBG (SR 642.11) bzw. Art. 73 Abs. 2 StHG (SR 642.14) i.V.m. Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG zur Beschwerde legitimiert.
2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG ).
3.
3.1. Streitig ist die Steuerveranlagung des Jahres 2014 für die Staats-, Gemeinde- und die direkten Bundessteuern. Zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es in Bestätigung des Entscheids der Verwaltungsrekurskommission feststellte, dass den Steuerpflichtigen im Jahre 2014 keine geldwerten Leistungen der B.________ AG zuflossen.
3.2. Die Vorinstanz behandelte die direkte Bundessteuer und die Staats- und Gemeindesteuern in einem einzigen Urteil, was zulässig ist, soweit die betroffenen Rechtsfragen im Bundesrecht und harmonisierten kantonalen Recht gleich geregelt sind. Auch das Bundesgericht behandelt die aufgeworfenen Fragen in einem Urteil, da sie auf demselben Sachverhalt beruhen und sich dieselben Rechtsfragen stellen (vgl. zum Ganzen BGE 142 II 293 E. 1.2; Urteil 2C_480/2016 vom 12. Januar 2017 E. 1.1, in: StE 2017 B 27.5 Nr. 21).
4.
Der Einkommenssteuer unterliegen gemäss Art. 16 Abs. 1 DBG und Art. 29 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons St. Gallen vom 9. April 1998 (StG SG; sGS 811.1; vgl. auch Art. 7 Abs. 1 StHG) alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte. Steuerbar sind gemäss Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG und Art. 33 Abs. 1 lit c StG SG insbesondere auch Dividenden, Gewinnanteile, Liquidationsüberschüsse und geldwerte Vorteile aus Beteiligungen aller Art (einschliesslich Gratisaktien, Gratisnennwerterhöhungen u. dgl.).
5.
5.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass gemäss den Buchhaltungsunterlagen der B.________ AG den Beschwerdegegnern als Alleinaktionären dieser Gesellschaft eine geldwerte Leistung in der Höhe von Fr. 500'000.- zugeflossen ist. Dieser Betrag ergibt sich daraus, dass einerseits bereits beim Erwerb des Stockwerkeigentums durch die Gesellschaft den Beschwerdegegnern eine Darlehensforderung von Fr. 2'500'000.- gutgeschrieben wurde, obwohl diese der Verkäuferschaft vorerst nur den Betrag von Fr. 2'000'000.- tatsächlich überwies. Andererseits wurde, nachdem die Gesellschaft mit Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 18. Februar 2014 verpflichtet wurde, die Restschuld von Fr. 500'000.- nebst Zinsen und Kosten (total Fr. 642'639.20) zu bezahlen, dieser von den Steuerpflichtigen direkt beglichenen Betrag ihnen wiederum als Darlehen gutgeschrieben. Unerheblich erscheint im vorliegenden Zusammenhang, ob die Beschwerdegegner diesbezüglich in Bereicherungsabsicht gehandelt haben. Streitig ist demgegenüber, in welchem Zeitpunkt den Beschwerdegegnern diese geldwerte Leistung zufloss.
5.2. Die Einkommensgeneralklausel von Art. 16 Abs. 1 DBG nennt die Gesichtspunkte nicht, nach denen zu entscheiden ist, in welchem Zeitpunkt ein Vermögenszugang eintritt, mithin ob eine bestimmte Einkunft der steuerpflichtigen Person in den Berechnungszeitraum einer Steuerperiode fällt oder nicht. Nach ständiger Praxis gelten Einkünfte als zugeflossen und sind sie zu besteuern, sobald und soweit die steuerpflichtige Person darüber tatsächlich verfügen kann und sie die Leistungsfähigkeit der steuerpflichtigen Person steigern; vorbehalten bleiben abweichende Regelungen in den Gesetzesbestimmungen zu den einzelnen Einkommensarten (Art. 17 ff. DBG; vgl. etwa Art. 17b Abs. 1 DBG; vgl. dazu und zum nachfolgenden die grundsätzlichen Ausführungen in BGE 149 II 400, mit Hinweisen). Der Erwerb einer Forderung vermag dann einen Vermögenszugang im Sinne der Reinvermögenszugangstheorie zu bewirken, wenn ihr Wert in Geld ausgedrückt werden kann. Davon ist nach der Praxis grundsätzlich auszugehen, wenn der Gläubiger einen festen Anspruch erwirbt, über den er tatsächlich verfügen kann. Fest ist der Anspruch, wenn die Forderung durchsetzbar ist und sowohl hinsichtlich ihres Bestands als auch hinsichtlich ihres Umfangs Gewissheit besteht, wobei es genügt, wenn ihre Höhe nach objektiven Kriterien bestimmbar ist. Von der Soll-Methode und damit der Besteuerung im Zeitpunkt des Erwerbs des festen Anspruchs wird abgewichen, wenn die Erfüllung der Forderung als unsicher betrachtet werden muss. In diesem Fall wird mit der Besteuerung bis zur Erfüllung der Forderung zugewartet.
5.3. Das kantonale Gericht hat im Wesentlichen erwogen, die verdeckte Gewinnausschüttung von Fr. 500'000.- sei bereits in jenem Zeitpunkt erfolgt, im welchem die Gesellschaft den Beschwerdegegnern den Betrag von Fr. 2'500'000.- gutgeschrieben habe, obwohl diese der Verkäuferschaft (zunächst) lediglich den Betrag von Fr. 2'000'000.- überwiesen habe. Das beschwerdeführende Steueramt macht demgegenüber geltend, die verdeckte Gewinnausschüttung sei erst am 12. März 2014 erfolgt, als die Beschwerdegegner im Nachgang des Entscheids des Kantonsgerichts der Verkäuferschaft weitere Fr. 642'639.20 überwies und ihnen dieser Betrag von der Gesellschaft wiederum vollumfänglich gutgeschrieben wurde. Es begründet dies damit, dass die Beschwerdegegner nach der ersten Buchung aufgrund der vertraglichen Abreden zwischen ihnen und der Gesellschaft zur Zahlung der Fr. 500'000.- an die Verkäuferschaft verpflichtet gewesen seien.
5.4. Diesen Überlegungen der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden. Vielmehr sind die Vorbringen der Beschwerdeführerin im Ergebnis zutreffend: Die Beschwerdegegner finanzierten der Gesellschaft das fragliche Liegenschaftsgeschäft, indem sie der von ihr beherrschten Gesellschaft ein Darlehen in der Höhe von Fr. 2'500'000,- gewährten, welches entsprechend auf einem Darlehenskonto gebucht wurde. Der konkrete Zahlungsfluss von den Beschwerdegegnern an die Verkäufer umfasste dagegen nur Fr. 2'000'000.-, weil wegen geltend gemachter Mängel Fr. 500'000.- noch nicht - von den Beschwerdegegnern an die Verkäufer - flossen. Angesichts der unter E. 5.2 vorstehend dargelegten Regelung zur Bestimmung des Zuflusszeitpunktes ergibt sich für die zu beurteilende Konstellation, dass im Zeitpunkt der ursprünglichen Darlehensgewährung die "zurückgehaltenen" Fr. 500'000.- der Gesellschaft noch nicht zugeflossen sind. Der fragliche Zufluss erfolgte vielmehr erst im Moment der neuerlichen Erhöhung des Darlehenskontos um - von den Beschwerdegegnern an die Verkäufer bezahlten - Fr. 642'639.20.
5.5. Die Beschwerde des Steueramtes ist daher gutzuheissen und seine Einspracheentscheide sind unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides zu bestätigen.
6.
6.1. Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdegegnern aufzuerlegen (vgl. Art. 66 BGG). Dem Kantonalen Steueramt St. Gallen steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).
6.2. Die Kosten- und Entschädigungsfolgen der kantonalen Rechtsmittelverfahren sind entsprechend dem Verfahrensausgang neu festzulegen. Die Sache wird diesbezüglich an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 67, Art. 68 Abs. 5 BGG ; Urteil 9C_165/2024 vom 28. Oktober 2024 E. 11.3).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 23. November 2023 wird aufgehoben und die Einspracheentscheide des Steueramts des Kantons St. Gallen vom 19. Mai 2022 werden bestätigt.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'500.- werden den Beschwerdegegnern unter solidarischer Haftung je zur Hälfte auferlegt.
3.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen der kantonalen Rechtsmittelverfahren an die Vorinstanz zurückgewiesen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung III, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 19. März 2025
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Stadelmann
Der Gerichtsschreiber: Nabold