Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_391/2025
Urteil vom 19. Mai 2025
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterin van de Graaf,
Bundesrichter Kölz,
Gerichtsschreiber Schurtenberger.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Kathrin Gruber,
Beschwerdeführer,
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Verlängerung der Sicherheitshaft,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 3. April 2025 (BK 25 125).
Sachverhalt:
A.
Die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland führte gegen A.________ ein Strafverfahren wegen versuchter schwerer Körperverletzung, Gewalt und Drohungen gegen Behörden und Beamte sowie weiterer Delikte. A.________ wurde am 19. Oktober 2023 festgenommen und befindet sich seither in Haft.
B.
Mit Urteil vom 7. März 2025 sprach das Regionalgericht Bern-Mittelland A.________ namentlich der versuchten schweren Körperverletzung sowie der Gewalt und Drohungen gegen Behörden und Beamte schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 41 Monaten, unter Anrechnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft von 506 Tagen.
Mit Beschluss vom gleichen Tag verlängerte das Regionalgericht die gegen A.________ angeordnete Sicherheitshaft bis zu seinem Eintritt in den Strafvollzug, längstens jedoch bis zum 7. Juni 2025. Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, mit Beschluss vom 3. April 2025 ab.
C.
Mit Eingabe vom 5. Mai 2025 erhob A.________ beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, als er unverzüglich aus der Haft zu entlassen sei. Subsidiär beantragt er die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Rückweisung der Sache zu neuem Entscheid. In prozessualer Hinsicht beantragt er sodann die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren.
Die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
Gemäss Art. 54 Abs. 1 BGG wird das bundesgerichtliche Verfahren in einer der Amtssprachen geführt, in der Regel in der Sprache des angefochtenen Entscheids. Von dieser Regel abzuweichen besteht hier kein Grund. Das Urteil des Bundesgerichts ergeht deshalb in deutscher Sprache, auch wenn der Beschwerdeführer die Beschwerde in französischer Sprache eingereicht hat, wie es Art. 42 Abs. 1 BGG zulässt.
2.
Der angefochtene kantonal letztinstanzliche Entscheid betrifft die Anordnung von Sicherheitshaft gemäss Art. 231 Abs. 1 StPO. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 ff. BGG offen. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und befindet sich, soweit aus den Akten ersichtlich, nach wie vor in Haft. Er ist deshalb nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb grundsätzlich auf die Beschwerde einzutreten ist.
3.
Beschwerden an das Bundesgericht sind hinreichend zu begründen, ansonsten kann darauf nicht eingetreten werden. Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist unerlässlich, dass die beschwerdeführende Partei auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsverletzung liegt (BGE 148 IV 205 E. 2.6; 146 IV 297 E. 1.2; 140 III 115 E. 2, 86 E. 2).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 148 IV 39 E. 2.3.5). Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Entscheid geradezu unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Für die Willkürrüge gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG ). Es genügt daher nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 148 V 366 E. 3.3; 137 II 353 E. 5.1).
4.
Nach Art. 221 StPO sind Untersuchungs- und Sicherheitshaft unter anderem zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie durch Verbrechen oder schwere Vergehen die Sicherheit anderer unmittelbar erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat (Abs. 1 lit. c; sog. Wiederholungsgefahr). An Stelle der Haft sind Ersatzmassnahmen anzuordnen, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen (Art. 212 Abs. 2 lit. c und Art. 237 ff. StPO ). Untersuchungs- und Sicherheitshaft dürfen nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe (Art. 212 Abs. 3 StPO).
Die Vorinstanz bejaht das Vorliegen sowohl eines dringenden Tatverdachts als auch des besonderen Haftgrunds der Wiederholungsgefahr. Sodann beurteilt sie die Haft als verhältnismässig, da namentlich noch keine Überhaft drohe.
5.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst insoweit eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs, als die Vorinstanz zu Unrecht nicht von einer Verletzung seines Rechts auf einen hinreichend begründeten Entscheid durch das Regionalgericht ausgegangen sei.
5.1. Die Begründungspflicht fliesst aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV (BGE 147 IV 340 E. 4.11.2 mit Hinweis). Die Begründung eines Entscheids muss alles enthalten, was für dessen nachträgliche Prüfung durch die Betroffenen und die Rechtsmittelinstanz erforderlich ist (BGE 148 II 30 E. 3.1 mit Hinweisen).
5.2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die Vorinstanz vorliegend zu Recht davon ausgegangen, das Regionalgericht habe seinen Entscheid betreffend die Anordnung von Sicherheitshaft hinreichend begründet. Zwar ist die Begründung, die in erster Linie auf frühere Entscheidungen in der Sache verweist, mit nur wenigen Zeilen ausserordentlich knapp. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es jedoch grundsätzlich zulässig, im Haftverfahren bei sich wiederholenden Streitgegenständen auf frühere Entscheide zu verweisen, sofern die Verhältnisse noch immer vergleichbar sind (Urteil 7B_410/2024 vom 24. April 2024 E. 4.2 mit Hinweisen).
5.3. Von vergleichbar gebliebenen Verhältnissen gehen sowohl das Regionalgericht als auch die Vorinstanz aus, womit sich die Rüge des Beschwerdeführers als unbegründet erweist. Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss vorbringt, der massgebliche Sachverhalt stelle sich entgegen der Vorinstanz nun gerade anders dar, rügt er damit nicht eine mangelnde Begründung des Entscheids, sondern die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachverhalts.
6.
Der Beschwerdeführer rügt weiter sinngemäss, es fehle an einem hinreichenden Tatverdacht.
6.1. Die Vorinstanz weist zutreffend darauf hin, dass bei Vorliegen eines Urteils des erstinstanzlichen Sachgerichts der dringende Tatverdacht grundsätzlich als erstellt gilt. Wer in solchen Fällen den dringenden Tatverdacht in Widerspruch zur Verurteilung bestreitet, hat darzulegen, weshalb das betreffende Urteil klarerweise fehlerhaft erscheint bzw. eine entsprechende Korrektur im Berufungsverfahren mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Urteil 7B_493/2024 vom 3. Juni 2024 E. 5.1 mit Hinweisen).
6.2. Dies gelingt dem Beschwerdeführer nicht. Zwar ist richtig, dass er in einigen Anklagepunkten vom Regionalgericht freigesprochen wurde. Bezüglich des schwersten Vorwurfs, jenen der versuchten schweren Körperverletzung, erfolgte indessen ein Schuldspruch. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dieser Schuldspruch erweise sich als unhaltbar, setzt er sich nicht hinreichend mit den diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz auseinander. Stattdessen stellt er dem von der Vorinstanz für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellten Sachverhalt primär seine eigene Version des Sachverhalts respektive Würdigung der Beweismittel gegenüber (siehe bereits Urteil 7B_269/2024 vom 9. Juli 2024 E. 3). Auf diese unzureichend begründeten Vorbringen ist nicht weiter einzugehen (vgl. E. 3 hiervor). Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers war bezüglich des dringenden Tatverdachts sodann zwar bislang von Bedeutung, aber nicht ausschlaggebend, dass der Beschwerdeführer ein Messer mit sich geführt haben soll. Vielmehr wurde bereits in früheren Entscheiden für die Annahme eines dringenden Tatverdachts bezüglich versuchter schwerer Körperverletzung als massgebend und für sich alleine hinreichend erachtet, dass davon ausgegangen werden müsse, der Beschwerdeführer habe "das mutmassliche Opfer geschlagen und mit Fusstritten gegen den Kopf traktiert" (siehe Urteil 7B_269/2024 vom 9. Juli 2024 E. 3). Aus dem Umstand, dass das Regionalgericht angeblich anlässlich der mündlichen Begründung des Urteils in der Sache zum Schluss gelangt sei, er habe kein Messer mit sich geführt, kann der Beschwerdeführer somit nichts zu seinen Gunsten ableiten.
7.
Der Beschwerdeführer bestreitet weiter den von der Vorinstanz festgestellten besonderen Haftgrund der einfachen Wiederholungsgefahr.
Auch diesbezüglich begnügt er sich indessen damit, seine eigene Sicht der Dinge darzulegen, wonach er nicht (mehr) als gefährlich eingestuft werden könne, da er erwiesenermassen kein Messer mit sich geführt habe. Demgegenüber setzt er sich in keiner Weise mit den ausführlichen und zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz auseinander. Soweit er darüber hinaus vorbringt, laut dem massgebenden forensisch-psychiatrischen Gutachten liege keine unmittelbare Gefährdung der Sicherheit anderer vor ("jamais admis de risque de récidive imminent mais seulement moyen"), ist darauf hinzuweisen, dass ihm dieses Gutachten "ein Rückfallrisiko von nahezu 100 % für Delikte wie Drohungen und einfache Körperverletzung sowie ein erhöhtes bzw. mittelhohes Risiko für schwere Gewaltdelinquenz" attestiert (siehe dazu Urteil 7B_269/2024 vom 9. Juli 2024 E. 4).
8.
Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, die Haft sei unverhältnismässig.
8.1. Auch insofern setzt er sich indessen nicht hinreichend mit den nicht zu beanstandenden Erwägungen der Vorinstanz auseinander. Vielmehr erschöpft sich seine Rüge über weite Strecken darin, erneut seine Verurteilung wegen versuchter schwerer Körperverletzung sowie die diesbezügliche Strafzumessung zu kritisieren. Darauf ist auch in diesem Kontext nicht einzugehen.
8.2. Bezüglich des Drohens von Überhaft kann der Beschwerdeführer sodann auch aus dem Umstand, dass er sich anscheinend im Rahmen mehrerer weiterer gegen ihn geführter (und teils rechtskräftig abgeschlossener) Strafverfahren bereits in Untersuchungs- und Sicherheitshaft befunden hat, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Die entsprechenden tatsächlichen Vorbringen, die der Beschwerdeführer erstmals vor Bundesgericht vorträgt, erweisen sich zudem ohnehin als unzulässig und sind daher nicht vertieft zu behandeln (Art. 99 BGG).
9.
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer insoweit eine Verletzung des Beschleunigungsgebots, als ihm die schriftliche Begründung des Urteils des Regionalgerichts vom 7. März 2025 entgegen der Grundregel von Art. 84 Abs. 4 StPO noch nicht zugestellt worden sei.
9.1. Ob diese erstmals vor Bundesgericht vorgetragene Rüge überhaupt zulässig ist (vgl. Art. 99 BGG), kann dahingestellt bleiben. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots führt lediglich dann zur Haftentlassung, wenn die Verfahrensverzögerung geeignet ist, die Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft gesamthaft in Frage zu stellen. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie besonders schwer wiegt und zudem die Strafverfolgungsbehörden erkennen lassen, dass sie nicht gewillt oder in der Lage sind, das Verfahren nunmehr wie für Haftfälle verfassungs- und konventionsrechtlich geboten voranzutreiben (BGE 140 IV 74 E. 3.2; 137 IV 118 E.2.2; 137 IV 92 E. 3.1; 136 I 274 E. 2.3). Dies ist hier nicht der Fall.
9.2. Darüber hinaus ist die Rüge, das Strafverfahren werde nicht mit der gebotenen Beschleunigung geführt, nicht im Haftverfahren zu prüfen, sondern durch die Sachgerichte zu beurteilen (Urteil 7B_289/2025 vom 24. April 2025 E. 3.1 mit Hinweisen).
10.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Verfahrensausgang ist der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er beantragt die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das Verfahren vor Bundesgericht. Deren Gewährung setzt jedoch insbesondere voraus, dass die gestellten Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheinen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, weshalb das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung abzuweisen ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, und dem Regionalgericht Bern-Mittelland schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 19. Mai 2025
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger