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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_787/2023  
 
 
Urteil vom 19. September 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Beusch, Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiberin Stanger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 16. November 2023 (IV 2023/21). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1968 geborene A.________, zuletzt als Nasslackierer tätig, meldete sich im Juli 2017 nach einer Früherfassung bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nachdem ein Arbeitsversuch scheiterte, lehnte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen berufliche Massnahmen ab (Mitteilung vom 14. September 2018). Die Verwaltung tätigte weitere Abklärungen, insbesondere veranlasste sie bei der SMAB AG Bern eine polydisziplinäre Begutachtung (Fachrichtungen: Allgemeine/Innere Medizin, Orthopädie, Pneumologie und Psychiatrie; Expertise vom 28. Oktober 2019). Gestützt auf die medizinische Akten wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 2. April 2020 ab, widerrief diese Verfügung jedoch im Laufe des kantonalen Beschwerdeverfahrens. Mit Zwischenverfügung vom 26. April 2021 ordnete die IV-Stelle eine medizinische Verlaufsbegutachtung an (Fachrichtungen: Allgemeine/Innere Medizin, Dermatologie, Neurologie, Orthopädie, Pneumologie und Psychiatrie). Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 10. November 2021 ab. Das polydisziplinäre Gutachten der MEDAS Bern wurde am 13. September 2022 erstattet. Mit Verfügung vom 12. Dezember 2022 verneinte die IV-Stelle einen Anspruch des Versicherten auf eine Invalidenrente (Invaliditätsgrad von 0 %). 
 
B.  
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 16. November 2023 ab. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Rechtsbegehren, der Entscheid vom 16. November 2023 sei aufzuheben und es sei ihm ab dem Zeitpunkt der Antragstellung und nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist eine ganze Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen; eventualiter sei ihm eine Teilrente zuzusprechen; subeventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Streitig ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Rente der Invalidenversicherung. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, als sie bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auf das Gutachten der MEDAS Bern vom 13. September 2022 abstellte.  
 
2.2. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Da die für den vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen dadurch nicht geändert wurden, erübrigt es sich, auf die Gesetzesänderungen weiter einzugehen (vgl. auch Urteil 9C_46/2023 vom 23. April 2024 E. 3.1).  
 
3.  
 
3.1. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit. Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG).  
 
3.2. Bei der Beurteilung der Arbeits (un) fähigkeit stützt sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Ärztliche Aufgabe ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Den von Versicherungsträgern im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten, den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechenden Gutachten externer Spezialärztinnen und Spezialärzte darf das Gericht rechtsprechungsgemäss grundsätzlich vollen Beweiswert zuerkennen, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4; 135 V 465 E. 4.4; 125 V 351 E. 3b/bb).  
 
3.3. Hinsichtlich des Beweiswerts eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3b/bb; Urteil 8C_53/2022 vom 5. Juli 2022 E. 2.3).  
 
3.4. Ob einer versicherungsmedizinischen Expertise oder einem ärztlichen Bericht Beweiswert zukommt, stellt eine durch das Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar (Urteil 9C_18/2019 vom 14. Juni 2019 E. 2.2 mit Hinweis). Demgegenüber um eine grundsätzlich verbindliche Tatfrage handelt es sich bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit sowie der konkreten Beweiswürdigung (BGE 132 V 393 E. 3.2).  
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht stellte für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auf das Gutachten der MEDAS Bern vom 13. September 2022 ab, wonach in der bisherigen Tätigkeit als Lackierer von einer "nahezu" uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit und in einer adaptierten Tätigkeit von einer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit auszugehen sei. Die Vorinstanz erwog, die Gutachter hätten plausibel begründet, dass in den einzelnen Fachgebieten keine objektiven Befunde zu erheben gewesen seien, welche schwerwiegende, invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkungen - vor allem die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Schmerzen - zu objektivieren vermöchten. Aufgrund der Befunde seien lediglich leichte Einschränkungen nachweisbar gewesen.  
 
4.2. Die Beschwerde richtet sich primär gegen den Beweiswert des Administrativgutachtens. Der Beschwerdeführer bringt vor, starke Rückenschmerzen - vor allem im Bereich der Brustwirbelsäule - würden ihn massiv einschränken, was im MEDAS-Gutachten nicht (hinreichend) berücksichtigt worden sei. Dieses sei in verschiedentlicher Hinsicht widersprüchlich und die Gutachter würden ihm zu Unrecht inkonsistentes Verhalten vorwerfen. Insoweit sich die Beschwerde überhaupt rechtsgenügend mit den vorinstanzlichen Erwägungen auseinandersetzt und so den gesetzlichen Anforderungen genügt (vgl. E. 1), erweisen sich die Ausführungen als nicht stichhaltig.  
 
4.2.1. Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdeführer, soweit seine Vorbringen darauf zielen, dass das Gutachten der MEDAS Bern in sich widersprüchlich sei. Die Experten begründeten in nachvollziehbarer Weise, weshalb aufgrund der von ihnen erhobenen Befunde nur leichte, für die Arbeitsfähigkeit in der angestammten wie auch in einer leidensangepassten Tätigkeit nicht relevante, Funktionseinbussen resultierten (vgl. insbes. interdisziplinäre Gesamtbeurteilung S. 5 ff.). Vor diesem Hintergrund zielt auch sein Einwand ins Leere, gemäss Gutachten könne er keine Nachtschichtarbeit ausüben, womit nachgewiesen sei, dass er nicht rundum gesund sei.  
 
4.2.2. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Einschätzung der Gutachter stünde im Widerspruch zu den Akten, insbesondere zur Beurteilung der behandelnden Ärzte. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Experten ihre abweichende Einschätzung nachvollziehbar begründeten. So äusserte sich der neurologische Gutachter ausführlich zu der vom Beschwerdeführer geschilderten Schmerzsymptomatik im Lenden- und Brustwirbelbereich und legte - insbesondere auch unter Berücksichtigung der medizinischen Akten - plausibel dar, weshalb nicht von einer neurologisch begründeten Schmerzsymptomatik ausgegangen werden könne. Dabei wies der Neurologe auch auf "deutliche und mehrfache Inkonsistenzen" hin. Er führte aus, die vergleichsweise geringen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule erklärten nicht die subjektiv so hochgradig und vermeintlich auf alle Therapiemassnahmen resistenten Schmerzen. Die Therapieaktivitäten seien auffallend gering. Das Aktivitätsniveau im Alltag erscheine nicht wesentlich reduziert. Entgegen der Ausfassung des Beschwerdeführers vermögen auch die Berichte der Dres. B.________ (vom 24. Januar 2020) und C.________ (vom 18. Februar 2020) - soweit deren Beurteilungen vom neurologischen MEDAS-Gutachter nicht ohnehin bestätigt wurden - nicht, konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise aufzuzeigen, zumal sich diese nicht zu den Auswirkungen der erhobenen Befunde auf die Arbeitsfähigkeit äusserten. Im Weiteren legt der Beschwerdeführer nicht dar, dass im - nach dem MEDAS-Gutachten ergangenen - Bericht des Röntgeninstituts D.________ vom 18. April 2023, wichtige (nicht rein subjektiver ärztlicher Interpretation entspringende) Aspekte benannt wurden, welche im Gutachten unerkannt oder ungewürdigt geblieben wären und die Anlass zu weiteren Abklärungen gegeben hätten (Urteil 9C_31/2024 vom 20. Juni 2024 E. 2.3.1 mit Hinweis).  
 
4.2.3. Der Beschwerdeführer macht sodann geltend, er leide an einer Psoriasis, welche im Körperinnern zu Entzündungsvorgängen führen könne, was nicht abgeklärt worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich gemäss neurologischem Gutachter im Bezug auf eine allfällige Psoriasis im klinischen Befund aktuell keine Zeichen arthritischer Veränderungen gezeigt hätten. Diese Beurteilung deckt sich mit jener des behandelnden Rheumatologen, welcher in seinem Bericht vom 15. Oktober 2020 ausführte, es ergäben sich derzeit keine Hinweise auf das Vorliegen einer entzündlich-rheumatologischen Systemerkrankung. Eine Psoriasis-Arthritis erscheine unwahrscheinlich.  
 
5.  
Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, als sie auf das Gutachten der MEDAS Bern vom 13. September 2022 abgestellt und gestützt darauf festgestellt hat, es bestehe eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit in einer leidensadaptierten Tätigkeit. Demzufolge durfte sie auch willkürfrei auf weitere Abklärungen verzichten. Die Beschwerde ist sowohl im Haupt- als auch in den Eventualanträgen abzuweisen. 
 
6.  
Dem Verfahrensausgang entsprechend werden die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 19. September 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Stanger