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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_467/2024  
 
 
Urteil vom 20. Januar 2025  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Moser-Szeless, Präsidentin, 
Bundesrichter Stadelmann, Beusch, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Helsana Versicherungen AG, 
Legal, Zürichstrasse 130, 8600 Dübendorf, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Spiegelgasse 6, 4001 Basel, 
2. A.________, 
beide vertreten durch Advokat Erich Züblin, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 11. April 2024 (KV.2024.1). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1977 geborene A.________ hielt sich vom 18. April 2018 bis 14. Februar 2022 in der forensischen Abteilung der Klinik B.________ auf, wobei der Eintritt aufgrund einer Massnahme nach Art. 59 StGB erfolgte. Die Helsana Versicherungen AG anerkannte als Krankenversicherer nach KVG mit Kostengutsprache vom 3. Juli 2019 die Akutspitalbedürftigkeit des Versicherten in der Zeit vom 18. April 2018 bis 10. Juli 2019; ab 11. Juli 2019 werde der Aufenthalt nach dem Pflegetarif vergütet. Nachdem die Helsana ein Wiedererwägungsgesuch für eine weitergehende Akutbehandlung abgelehnt hatte, verlangte das Amt für Justizvollzug des Kantons Basel-Stadt eine einsprachefähige Verfügung. Nach weiteren Abklärungen anerkannte die Helsana mit Verfügung vom 28. Dezember 2022 eine Akutspitalbedürftigkeit für die Zeit vom 18. April 2018 bis 31. Dezember 2019; ab 1. Januar 2020 werde der Aufenthalt nach dem Pflegetarif vergütet. Nachdem sowohl der Versicherte als auch das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt gegen die Verfügung Einsprache erhoben hatten, drohte ihnen die Helsana mit Schreiben vom 21. Juni 2023 eine reformatio in peius (Verneinung einer Akutspitalbedüftigkeit bereits ab Anfang 2019) an und machte auf die Möglichkeit des Rückzugs der Einsprache aufmerksam. In der Folge hielten die Einsprecher an ihrer Einsprache fest, worauf die Helsana diese mit Entscheid vom 5. Dezember 2023 abwies. 
 
B.  
Die von A.________ und vom Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 11. April 2024 gut, hob den Einspracheentscheid auf und wies die Sache zur Abklärung der Akutspitalbedürftigkeit des Versicherten in der Zeit vom 1. Januar 2020 bis 14. Februar 2022 mittels eines versicherungsexternen Gutachtens und zu anschliessendem Neuentscheid an die Helsana zurück. In seinen Erwägungen hielt das kantonale Gericht fest, die Helsana habe den Einprechern zwar bezüglich der Akutspitalbedürftigkeit für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2019 eine reformatio in peius angedroht, aber auf eine solche letztlich verzichtet, weshalb dieser Zeitraum vor kantonalem Gericht nicht mehr streitig gewesen sei. 
 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Helsana, es sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsurteils ihr Einspracheentscheid vom 5. Dezember 2023 zu bestätigen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 145 II 168 E. 1; 144 V 280 E. 1). Dies ändert indessen nichts daran, dass der Beschwerdeführer nach Art. 42 Abs. 1 BGG gehalten ist, die Erfüllung der Eintretensvoraussetzungen darzutun, wenn diese nicht offensichtlich gegeben sind (vgl. BGE 141 IV 289 E. 1.3 mit weiteren Hinweisen; Urteil 9C_366/2021 vom 3. Januar 2022 E. 1.1).  
 
1.2. Das BGG unterscheidet in Art. 90 bis 93 zwischen End-, Teil- sowie Vor- und Zwischenentscheiden und schafft damit eine für alle Verfahren einheitliche Terminologie. Ein Endentscheid ist ein Entscheid, der das Verfahren prozessual abschliesst (Art. 90 BGG), sei dies mit einem materiellen Entscheid oder Nichteintreten, z.B. mangels Zuständigkeit. Der Teilentscheid ist eine Variante des Endentscheids. Mit ihm wird über eines oder einige von mehreren Rechtsbegehren (objektive und subjektive Klagehäufung) abschliessend befunden. Es handelt sich dabei nicht um verschiedene materiellrechtliche Teilfragen eines Rechtsbegehrens, sondern um verschiedene Rechtsbegehren. Vor- und Zwischenentscheide sind alle Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen und daher weder End- noch Teilentscheid sind; sie können formell- und materiellrechtlicher Natur sein. Voraussetzung für die selbstständige Anfechtbarkeit materiellrechtlicher Zwischenentscheide ist gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG zunächst, dass sie selbstständig eröffnet worden sind. Erforderlich ist sodann alternativ, dass der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).  
 
1.3. Bei Entscheiden, mit welchen ein kantonales Gericht die Sache zu neuem Entscheid an die Verwaltung zurückweist (Rückweisungsentscheide), sind folgende Konstellationen zu unterscheiden: Dient die Rückweisung einzig noch der Umsetzung des vom kantonalen Gericht Angeordneten und verbleibt dem Versicherungsträger somit kein Entscheidungsspielraum mehr, handelt es sich materiell nicht um einen Zwischenentscheid, gegen den ein Rechtsmittel letztinstanzlich bloss unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG zulässig ist, sondern um einen sowohl von der betroffenen versicherten Person wie auch von der Verwaltung anfechtbaren Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG. Enthält der Rückweisungsentscheid demgegenüber Anordnungen, die den Beurteilungsspielraum der Verwaltung zwar nicht gänzlich, aber doch wesentlich einschränken, stellt er einen Zwischenentscheid dar. Dieser bewirkt in der Regel keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, weil die rechtsuchende Person ihn später zusammen mit dem neu zu fällenden Endentscheid wird anfechten können (vgl. Art. 93 Abs. 3 BGG). Anders verhält es sich für den Versicherungsträger, da er durch den Entscheid gezwungen wird, eine seines Erachtens rechtswidrige Verfügung zu erlassen. Während er sich ausserstande sähe, seinen eigenen Rechtsakt anzufechten, wird die versicherte Person im Regelfall kein Interesse haben, einem zu ihren Gunsten lautenden Endentscheid zu opponieren. Der kantonale Rückweisungsentscheid könnte mithin nicht mehr korrigiert werden. Der irreversible Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG wird in diesen Fällen deshalb regelmässig bejaht. Das gilt aber nur, soweit der Rückweisungsentscheid materiellrechtliche Vorgaben enthält, welche die untere Instanz bei ihrem neuen Entscheid befolgen muss. Erschöpft sich der Rückweisungsentscheid darin, dass eine Frage ungenügend abgeklärt und deshalb näher zu prüfen ist, ohne dass damit materiellrechtliche Anordnungen verbunden sind, so entsteht der Behörde, an die zurückgewiesen wird, kein nicht wieder gutzumachender Nachteil. Die Rückweisung führt lediglich zu einer das Kriterium nicht erfüllenden Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens (BGE 140 V 282 E. 4.2 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 9C_236/2021 vom 3. September 2021 E. 1.3).  
 
1.4. Im angefochtenen Urteil hat das kantonale Gericht die Sache zu weiteren Abklärungen betreffend die Akutspitalbedürftigkeit des Versicherten in der Zeit vom 1. Januar 2020 bis 14. Februar 2022 an die beschwerdeführende Krankenversicherung zurückgewiesen. Bezüglich dieses Zeitraums liegt somit ein Rückweisungsentscheid vor. Es ist jedoch weder geltend gemacht noch ersichtlich, dass dieser materiellrechtliche Vorgaben enthalten würde, welche den Entscheidungsspielraum der Versicherung einschränken und diese unter Umständen verpflichten würden, eine ihres Erachtens rechtswidrige Verfügung zu erlassen. Soweit diesen Zeitraum betreffend, liegt somit ein - mangels nicht wieder gutzumachenden Nachteils - nicht anfechtbarer Zwischenentscheid vor; auf die Beschwerde ist diesbezüglich nicht einzutreten.  
 
1.5. Die Beschwerdeführerin beantragt, es sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsurteils ihr Einspracheentscheid zu bestätigen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerdeschrift ergibt sich jedoch (vgl. zur Auslegung von Rechtsbegehren nach Treu und Glauben: BGE 123 IV 125 E. 1; Urteil 9C_234/2024 vom 12. August 2024 E. 1.1), dass sie das vorinstanzliche Urteil auch insoweit anfechten will, als das kantonale Gericht darin festgehalten hat, betreffend der Akutspitalbedürftigkeit des Versicherten in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2019 habe die Helsana zwar den Einsprechern eine reformatio in peius angedroht, in ihrem Entscheid auf eine solche jedoch verzichtet. Diesbezüglich liegt ein anfechtbarer (Teil-) Endentscheid vor, weshalb - da die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen zu keinen Bemerkungen Anlass geben - insoweit auf die Beschwerde einzutreten und zu prüfen ist, ob die vorinstanzliche Sichtweise Recht im Sinne von Art. 95 f. BGG verletzt.  
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 52 Abs. 1 ATSG (SR 830.1) kann gegen Verfügungen innerhalb von 30 Tagen bei der verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden; davon ausgenommen sind prozess- und verfahrensleitende Verfügungen. Laut Art. 12 ATSV (SR 830.11) ist der Versicherer an das Begehren der Einsprache führenden Person nicht gebunden. Er kann die Verfügung zu Gunsten oder zu Ungunsten der Einsprache führenden Partei abändern (Abs. 1). Beabsichtigt er, die Verfügung zu Ungunsten der Einsprache führenden Person abzuändern, gibt er ihr Gelegenheit zum Rückzug der Einsprache (Abs. 2). Rechtsprechungsgemäss ist es der Verwaltungsbehörde möglich, ihre einspracheweise angefochtene Verfügung auch zu Ungunsten der Einsprache führenden Person abzuändern, ohne dass dies die offensichtliche Unrichtigkeit der Verfügung oder eine erhebliche Bedeutung der Korrektur voraussetzen würde (BGE 142 V 337 E. 3).  
 
2.2. Der Gehalt eines Entscheides ergibt sich in erster Linie aus dem Dispositiv. Demgemäss ist grundsätzlich nur das Dispositiv eines Entscheides anfechtbar; die Erwägungen nur dann, wenn im Dispositiv auf diese verwiesen wird (nicht publ. E. 1.3 des Urteils BGE 137 I 327, veröffentlicht in SVR 2012 IV Nr. 26 S. 107; Urteil 9C_308/2024 vom 4. Dezember 2024 E. 3.3.2). Entsprechend unterliegt auch nur das Dispositiv einer Erläuterung oder einer Berichtigung (Urteil 9C_1/2024 vom 14. Mai 2024 E. 1.2); in einem Revisionsverfahren bestimmt sich der Streitgegenstand nach dem Dispositiv des zu revidierenden Urteils (BGE 150 I 99 E. 1.3).  
 
2.3. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese allgemeinen Grundsätze nicht auch dann gelten sollen, wenn ein Versicherer gedenkt, in Anwendung von Art. 12 Abs. 1 ATSV eine Verfügung zu Ungunsten der Einsprache führenden Person abzuändern. Die Rechtssicherheit gebietet, dass sowohl die Adressaten eines Einspracheentscheides als auch allfällig mitinteressierte Dritte sich möglichst einfach ein Bild über den Gehalt eines Entscheides machen können; demgegenüber bietet der Verzicht auf eine ausdrückliche Anordnung einer reformatio in peius im Dispositiv eines Entscheides für den Versicherer keinen Vorteil. Somit kann von einem Versicherer grundsätzlich verlangt werden, dass er eine Abänderung der Verfügung zu Ungunsten der Einsprache führenden Person auch im Dispositiv festhält.  
 
2.4. Vorliegend steht fest, das die Beschwerdeführerin in ihrer Verfügung vom 28. Dezember 2022 eine Akutspitalbedürftigkeit des Versicherten bis 31. Dezember 2019 anerkannt hat. Weiter drohte sie im Einspracheverfahren den Einsprechenden bezüglich des Zeitraums vom 1. Januar bis 31. Dezember 2019 eine reformatio in peius an, womit die formellen Voraussetzungen für einen Entscheid zu Ungunsten der versicherten Person an sich erfüllt wären. In den Erwägungen des Einspracheentscheides selbst erwähnte die Beschwerdeführerin zwar, streitig sei nunmehr die Akutspitalbedürftigkeit ab 1. Januar 2019; im Dispositiv des Entscheides beschränkte sie sich indessen darauf, die Einsprache abzuweisen, ohne die Verfügung (ausdrücklich) zu Ungunsten des Versicherten abzuändern. Im Dispositiv wird nicht auf die Erwägungen verwiesen, womit diese rechtsprechnungsgemäss nicht an der Rechtskraft der Entscheidformel teilnehmen. Auch ist das Dispositiv nicht unklar oder zweideutig, so dass der Versicherte nach Treu und Glauben gehalten gewesen wäre, zur Auslegung des Dispositives die Erwägungen heranzuziehen. Vor diesem Hintergrund verstösst die vorinstanzliche Sichtweise, wonach die Beschwerdeführerin in ihrem Einspracheentscheid die Verfügung nicht zu Ungunsten des Versicherten abänderte und vor kantonalen Gericht somit lediglich noch die Akutspitalbedürftigkeit für die Zeit ab 1. Januar 2020 streitig war, nicht gegen Bundesrecht.  
 
 
2.5. Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Nicht näher geprüft zu werden braucht somit, ob die Beschwerdeführerin berechtigt gewesen wäre, ohne Anrufung eines Rückkommenstitels nicht nur ihre Verfügung vom 28. Dezember 2022 zu Ungunsten des Versicherten abzuändern, sondern auch auf ihre Kostengutsprache vom 3. Juli 2019, worin sie eine Akutspitalbedürftigkeit des Versicherten bis 10. Juli 2019 anerkannt hatte, zurückzukommen.  
 
3.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde ohne Durchführung eines Schriftenwechsels erledigt wird (vgl. Art. 102 Abs. 1 BGG e contrario) und den Beschwerdegegnern damit kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden ist, ist von der Zusprache von Parteientschädigungen abzusehen (vgl. Urteile 9C_293/2023 vom 21. Juni 2023 E. 5 und 9C_508/2022 vom 15. Mai 2023 E. 6). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 20. Januar 2025 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Moser-Szeless 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold