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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_302/2024  
 
 
Urteil vom 20. Dezember 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, 
Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Mischa Hostettler, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Arbeitsfähigkeit, Neuanmeldung, Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. März 2024 (IV.2023/77). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die 1961 geborene A.________ arbeitete seit März 1991 bis zu einem Velounfall vom 15. Juni 2007 als Näherin bei der B.________ AG. Im Januar 2009, Mai 2012, Oktober 2014 und November 2017 meldete sie sich bei der IV-Stelle des Kantons St. Gallen zum Rentenbezug an. Die ersten drei Gesuche wies diese jeweils mit Verfügungen vom 3. Januar 2011, 21. August 2013 und 14. Dezember 2016 mangels eines rentenbegründenden Invaliditätsgrads ab. Auf das vierte Gesuch trat die IV-Stelle mit Verfügung vom 14. Februar 2018 nicht ein, da eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten Verfügung nicht glaubhaft gemacht worden sei.  
 
A.b. Am 26. April 2019 meldete sich die Versicherte bei der IV-Stelle erneut zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 20. Januar 2022 verneinte diese den Rentenanspruch, da der Invaliditätsgrad bloss 20 % betrage. Hiergegen erhob die Versicherte beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen Beschwerde. Am 3. Mai 2022 widerrief die |V-Stelle diese Verfügung. Am 10. Mai 2022 schrieb das kantonale Gericht das Beschwerdeverfahren ab. Die IV-Stelle holte ein interdisziplinäres Gutachten der ABI Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH, Basel, vom 17. Oktober 2022 mit Ergänzung vom 9. November 2022 ein. Mit Verfügung vom 7. März 2023 verneinte sie den Rentenanspruch, da der Invaliditätsgrad nur 30 % betrage.  
 
B.  
Die hiergegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 28. März 2024 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, in Aufhebung des kantonalen Entscheids sei ihr seit 14. Dezember 2016 oder seit wann rechtens durchwegs eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Eventuell seien die Akten zu einem neuen Entscheid in der Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, verbunden mit der Anweisung, den rechtserheblichen Sachverhalt im Rahmen einer medizinischen (mit Schwerpunkt Psychiatrie, Orthopädie und Rheumatologie) und berufspraktischen Begutachtung vollständig und widerspruchsfrei feststellen zu lassen. Es sei ihr sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Das Bundesgericht verzichtet auf den Schriftenwechsel. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 21. Oktober 2024 weist das Bundesgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab und verpflichtet A.________ zur Bezahlung eines Kostenvorschusses von Fr. 800.- innert Frist. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Da der angesetzte Kostenvorschuss fristgemäss bezahlt wurde, kann in der Sache entschieden werden (Urteil 8F_14/2017 vom 9. Februar 2018 E. 1). 
 
2.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
Rechtsfrage ist, ob die rechtserheblichen Tatsachen vollständig festgestellt und ob der Untersuchungsgrundsatz bzw. die Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG beachtet wurden. Bei den Feststellungen zum Gesundheitszustand sowie zur Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 2 des Urteils BGE 148 V 397, veröffentlicht in SVR 2023 IV Nr. 16 S. 53). Frei überprüfbare Rechtsfrage ist hingegen, ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der Indikatoren nach BGE 141 V 281 auf Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (BGE 141 V 281 E. 7). 
 
3.  
Streitig ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Verneinung des Rentenanspruchs vor Bundesrecht standhält. 
 
3.1. Am 1. Januar 2022 traten im Zuge der Weiterentwicklung der IV revidierte Bestimmungen im IVG (SR 831.20) sowie im ATSG (SR 830.1) samt entsprechendem Verordnungsrecht in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Hier ist strittig, ob bereits vor Inkrafttreten dieser Änderung ein Leistungsanspruch bestand, so dass insoweit - entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsätzen (BGE 148 V 174 E. 4.1; 144 V 210 E. 4.3.1) - das bisherige Recht zur Anwendung gelangt (vgl. Urteil 8C_435/2023 vom 27. Mai 2024 E. 4.2, zur Publikation vorgesehen). Dieses gilt hier zudem auch nach dem 1. Januar 2022, da die Beschwerdeführerin in diesem Zeitpunkt das 55. Altersjahr bereits vollendet hatte (vgl. lit. c der Übergangsbestimmungen des IVG zur Änderung vom 19. Juni 2020; Urteil 8C_621/2023 vom 7. August 2024 E. 3).  
 
3.2. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), den Rentenanspruch (Art. 28 Abs. 1 IVG), die bei der Neuanmeldung der versicherten Person analog anwendbaren Revisionsregeln (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 88a Abs. 2 IVV; BGE 144 I 103 E. 2.1), die Invaliditätsbemessung nach dem Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG) und den massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 271 E. 4.4) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
4.  
In medizinischer Hinsicht erwog die Vorinstanz mit einlässlicher Begründung zusammengefasst, das interdisziplinäre (allgemein-internistische, psychiatrische, rheumatologische und neurologische) ABI-Gutachten vom 17. Oktober 2022 mit Ergänzung vom 9. November 2022 sei beweiswertig, weshalb darauf abzustellen sei. In psychischer Hinsicht habe bei der Beschwerdeführerin keine Arbeitsunfähigkeit bestanden. In somatischer Hinsicht sei ihr die angestammte Tätigkeit als Näherin nicht mehr zumutbar. Hingegen sei sie in einer adaptierten, körperlich leichten, wechselbelastenden Tätigkeit noch zu 70 % arbeitsfähig. 
 
5.  
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf den Bericht des Prof. Dr. med. C.________, Spezialarzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie, vom 16. April 2024. Hierbei handelt es sich, da erst nach dem angefochtenen Entscheid vom 28. März 2024 entstanden, um ein unzulässiges echtes Novum. Dieser Bericht und die darauf basierenden Vorbringen der Beschwerdeführerin können vom Bundesgericht somit nicht berücksichtigt werden (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 148 V 174 E. 2.2; Urteil 8C_242/2024 vom 14. Oktober 2024 E. 5). 
 
6.  
Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin nahm die Vorinstanz auf den Bericht der Klinik für Rheumatologie D.________ vom 22. Juni 2016 Bezug. Insgesamt kam die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht rechtsgenüglich nach (vgl. BGE 148 III 30 E. 3.1). Die Beschwerdeführerin zeigt nicht hinreichend begründet auf (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG) und es ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass der vorinstanzliche Entscheid infolge ungenügender Begründung nicht sachgerecht anfechtbar gewesen wäre (SVR 2021 ALV Nr. 13 S. 46, 8C_56/2021 E. 5.2; Urteil 8C_122/2024 vom 18. November 2024 E. 4.2.1). 
 
7.  
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die im ABI-Gutachten vom 17. Oktober 2022 festgestellten Tätigkeitsprofile seien realitätsfremd und nicht verwertbar. Denn zwischen der IV-Stelle und der ABI bestehe eine auftragsrechtliche Nähe. Dem ist entgegenzuhalten, dass im Rahmen der administrativen Sachverhaltsabklärung für sich allein genommen selbst dann kein formeller Ausstandsgrund vorläge, wenn von wirtschaftlicher Abhängigkeit der ABI-Gutachter von der Invalidenversicherung auszugehen wäre. Denn ein Ausstandsgrund besteht nicht schon deshalb, weil jemand Aufgaben für die Verwaltung erfüllt, sondern erst bei persönlicher Befangenheit (BGE 137 V 210 E. 1.3.3; Urteil 8C_73/2023 vom 28. Juni 2023 E. 7). Hier sind keine Gründe ersichtlich, die auf Voreingenommenheit und mangelnde Objektivität der ABI-Gutachter bzw. auf diesbezügliche Zweifel am Beweiswert ihres Gutachtens schliessen liessen. 
 
8.  
Die Beschwerdeführerin ruft weiter zahlreiche Arztberichte an, die nach ihrer Auffassung das ABI-Gutachten vom 17. Oktober 2022 in somatischer und psychischer Hinsicht in Frage stellten. 
 
8.1. Sie macht geltend, es sei nicht nachvollziehbar, dass der psychiatrische ABI-Gutachter in einer Begutachtung von 45 Minuten Dauer beweiskräftiger aussagen solle als die Fachärzte, die sie während über 10 Jahren behandelt hätten. Die gegenteilige Einschätzung der Vorinstanz sei treuwidrig und verfange nicht.  
Die Dauer der Exploration unterliegt grundsätzlich der Fachkenntnis und dem Ermessensspielraum des Experten. Nach konstanter Rechtsprechung kommt ihr allein nicht entscheidende Bedeutung zu. Massgebend ist vielmehr, ob der Bericht inhaltlich vollständig und im Ergebnis schlüssig ist (Urteil 8C_96/2024 vom 25. November 2024 E. 5.3 mit Hinweisen). Dies trifft vorliegend zu. Gegenteiliges zeigt die Beschwerdeführerin nicht substanziiert auf. Insbesondere legt sie nicht konkret dar, inwiefern eine längerdauernde Exploration unabdingbar gewesen wäre oder sich die Dauer von 45 Minuten nachteilig ausgewirkt haben könnte. 
 
8.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie leide seit Jahren an einer mittelgradig bis schweren Depression, die zweifelsfrei die Arbeitsfähigkeit mit 50-100 % einschränke. Sie beruft sich u.a. auf ärztliche Berichte vom 13. März 2008 sowie 26. Mai und 18. Juni 2014. Aus diesen Berichten kann sie nichts zu ihren Gunsten ableiten. Denn die Vorinstanz stellte richtig fest, dass sie im Auftrag der IV-Stelle bereits in den Jahren 2010, 2012 und 2015 durch die MEDAS Zentralschweiz, Luzern, begutachtet wurde. In den entsprechenden Gutachten vom 25. Juni 2010, 19. Dezember 2012 und 30. September 2015 wurde aus psychiatrischer Sicht keine wesentliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit festgestellt. Die gestützt auf diese Gutachten ergangenen Verfügungen der IV-Stelle vom 3. Januar 2011, 21. August 2013 und 14. Dezember 2016 erwuchsen jeweils unangefochten in Rechtskraft.  
 
8.3.  
 
8.3.1. Im Weiteren lässt es die unterschiedliche Natur von Behandlungsauftrag des therapeutisch tätigen (Fach-) Arztes einerseits und Begutachtungsauftrag des amtlich bestellten fachmedizinischen Experten anderseits (BGE 124 I 170 E. 4) nicht zu, ein Administrativgutachten stets in Frage zu stellen und zum Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn behandelnde Ärzte zu anderslautenden Einschätzungen gelangen. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen sich eine abweichende Beurteilung aufdrängt, weil diese wichtige Aspekte benennen, die bei der Begutachtung unerkannt oder -gewürdigt geblieben sind (nicht publ. E. 6.2 des Urteil BGE 142 V 342, veröffentlicht in SVR 2016 IV Nr. 41 S. 131; SVR 2023 IV Nr. 17 S. 57, 8C_150/2022 E. 12.3; Urteil 8C_174/2023 vom 5. Oktober 2023 E. 5.3.1 mit Hinweis). Dass die ABI-Gutachter von den behandelnden Arztpersonen festgestellte wichtige Aspekte nicht erkannt hätten, ist nicht ersichtlich und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht substanziiert dargelegt. Soweit sie sich auf die von den behandelnden Arztpersonen gestellten Diagnosen beruft, ist dem entgegenzuhalten, dass es in der Invalidenversicherung für die Bestimmung des Rentenanspruchs letztlich grundsätzlich unabhängig von der diagnostischen Einordnung eines Leidens und unbesehen der Ätiologie ausschlaggebend ist, ob und in welchem Ausmass eine Beeinträchtigung der Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit vorliegt (vgl. BGE 148 V 49 E. 6.2.2; 143 V 409 E.4.2.1 f.; Urteil 8C_288/2024 vom 29. Oktober 2024 E. 8.6.2).  
 
8.3.2. Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, der psychiatrische ABI-Gutachter habe ein deutlich aggravatorisches Verhalten festgestellt. Welche Verhaltensweisen effektiv aggravatorisch gewesen seien, sei im ABI-Gutachten nicht festgehalten worden. Dass sie mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Stuhl hin und her gerückt sei, sei entgegen dem Gutachter bei den erheblichen Rückenschmerzen kaum überraschend. Dass sie die Unterlagen zu Hause vergessen habe, sei Zeichen der Depression und kaum einer Aggravation.  
Wie es sich hiermit verhält, braucht nicht weiter geprüft zu werden. Denn der psychiatrische ABI-Gutachter stellte auch fest, ein deutlicher Leidensdruck sei bei der Beschwerdeführerin in der Untersuchung nicht spürbar gewesen. In der Alltagsgestaltung fänden sich keine höhergradigen Einschränkungen. Sie sei in der Lage, grossteils den Haushalt und die Einkäufe zu erledigen. Sie gehe mehrfach am Tag spazieren, fahre Velo und begebe sich regelmässig mehrmals pro Woche zu Fuss zu einer Kapelle. Letztlich kann aber offen bleiben, ob von einem Ausschlussgrund nach BGE 141 V 281 E. 2.2.1 auszugehen ist. So oder anders konnte im ABI-Gutachten vom 6. April 2022 ein erhebliches psychisches Krankheitsgeschehen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Diese Beweislosigkeit geht zu Lasten der Beschwerdeführerin (vgl. BGE 138 V 218 E. 6; Urteil 8C_288/2024 vom 29. Oktober 2024 E. 8.7). 
 
9.  
 
9.1. Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, sie sei mehrfach beruflich abgeklärt worden, zuletzt vom 22. Juni bis 18. September 2020 (vgl. Schlussbericht über die berufliche Abklärung, Eingliederungsberatung der Institution E.________ vom 22. September 2020). Laut diesem Bericht sei ihre psychische und physische Belastbarkeit als niedrig zu bewerten. Ihre Arbeitsfähigkeit sei mit maximal 50 % angegeben worden. Es habe keine Chance auf eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt bestanden.  
 
9.2. Die abschliessende Beurteilung der sich aus einem Gesundheitsschaden ergebenden funktionellen Leistungsfähigkeit obliegt in der Hauptsache dem Arzt oder der Ärztin, nicht den Fachleuten der Berufsberatung/beruflichen Eingliederung. Mit Blick auf die praxisgemäss enge, sich gegenseitig ergänzende Zusammenarbeit zwischen der Ärzteschaft und der Berufsberatung ist jedoch einer konkret leistungsorientierten beruflichen Abklärung nicht jede Aussagekraft für die Beurteilung der Restarbeitsfähigkeit abzusprechen. Steht eine medizinische Einschätzung der Leistungsfähigkeit in offensichtlicher und erheblicher Diskrepanz zu einer Leistung, die während einer ausführlichen beruflichen Abklärung bei einwandfreiem Arbeitsverhalten/-einsatz der versicherten Person effektiv realisiert wurde und gemäss Einschätzung der Berufsfachleute objektiv realisierbar ist, vermag dies ernsthafte Zweifel an den ärztlichen Annahmen zu begründen und ist das Einholen einer klärenden medizinischen Stellungnahme grundsätzlich unabdingbar (SVR 2023 UV Nr. 26 S. 85, 8C_427/2022 E. 3.3).  
Den ABI-Gutachtern war im Rahmen der Expertise vom 17. Oktober 2022 das Ergebnis des Schlussberichts über die berufliche Abklärung, Eingliederungsberatung der Institution E.________ vom 22. September 2020 bekannt, wonach die Beschwerdeführerin maximal zu 50 % arbeitsfähig sei. Die ABI-Gutachter stellten eine 70%ige Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit fest. Von einer offensichtlichen und erheblichen Diskrepanz der Beurteilungen kann mithin nicht gesprochen werden, weshalb der Berufsabklärungsbericht das ABI-Gutachten nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen vermag. 
 
10.  
Insgesamt zeigt die Beschwerdeführerin mit ihren Einwänden keine konkreten Indizien gegen die Zuverlässigkeit des ABI-Gutachtens vom 17. Oktober 2022 mit Ergänzung vom 9. November 2022 auf (BGE 137 V 210 E. 1.3.4). Sie gibt im Wesentlichen die eigene Sicht wieder, wie die medizinischen Akten zu würdigen und welche Schlüsse daraus zu ziehen seien. Dies genügt nicht, um den angefochtenen Entscheid in Frage zu stellen (BGE 143 V 208 E. 6.3.2). Die Beschwerdeführerin legt nicht dar und es ist nicht ersichtlich, inwiefern die nach Würdigung der Beweise ergangene vorinstanzliche Beurteilung, wonach sie gestützt auf dieses Gutachten in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 70 % arbeitsfähig sei, in tatsächlicher Hinsicht offensichtlich unrichtig (unhaltbar, willkürlich; vgl. BGE 147 IV 73 E. 4.1.2), unvollständig oder sonst wie bundesrechtswidrig sein soll (vgl. auch Urteil 8C_288/2024 vom 29. Oktober 2024 E. 9 mit Hinweis). 
Da von weiteren medizinischen Abklärungen keine entscheidungsrelevanten Resultate zu erwarten waren, durfte die Vorinstanz nach willkürfreier Einschätzung davon absehen. Dies verstösst weder gegen den Untersuchungsgrundsatz noch gegen die Ansprüche auf freie Beweiswürdigung sowie Beweisabnahme (Art. 61 lit. c ATSG) und rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; antizipierte Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5; Urteil 8C_122/2024 vom 18. November 2024 E. 7). 
 
11.  
Strittig ist weiter, ob die Resterwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihr Alter noch verwertbar ist. 
 
11.1.  
 
11.1.1. Das fortgeschrittene Alter stellt einen invaliditätsfremden Faktor dar. Dennoch kann es verursachungsgemäss zusammen mit weiteren persönlichen und beruflichen Gegebenheiten dazu führen, dass die einer versicherten Person verbliebene Resterwerbsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt realistischerweise nicht mehr nachgefragt wird, und dass ihr deren Verwertung auch gestützt auf die Selbsteingliederungslast nicht mehr zumutbar ist (vgl. BGE 145 V 2 E. 5.3.1; 138 V 457 E. 3.1 f.). Massgebend können dabei die Art und Beschaffenheit des Gesundheitsschadens und seiner Folgen, der absehbare Umstellungs- und Einarbeitungsaufwand sowie in diesem Zusammenhang auch Persönlichkeitsstruktur, vorhandene Begabungen und Fertigkeiten, Ausbildung, beruflicher Werdegang oder Anwendbarkeit von Berufserfahrung aus dem angestammten Bereich sein (BGE 145 V 2 E. 5.3.1; Urteil 9C_755/2023 vom 20. Februar 2024 E. 5.2.1).  
 
11.1.2. Unverwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit ist anzunehmen, wenn die zumutbare Tätigkeit in nur so eingeschränkter Form möglich ist, dass sie der ausgeglichene Arbeitsmarkt praktisch nicht kennt oder sie nur unter nicht realistischem Entgegenkommen eines durchschnittlichen Arbeitgebers möglich wäre und das Finden einer entsprechenden Stelle daher zum Vornherein als ausgeschlossen erscheint. Fehlt es an einer wirtschaftlich verwertbaren Resterwerbsfähigkeit, liegt eine vollständige Erwerbsunfähigkeit vor, die einen Anspruch auf eine ganze Invalidenrente begründet. Der Einfluss des Lebensalters auf die Möglichkeit, das verbliebene Leistungsvermögen auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu verwerten, lässt sich nicht nach einer allgemeinen Regel bemessen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGE 145 V 2 E. 5.3.1; 138 V 457 E. 3.1 mit Hinweisen; Urteil 9C_755/2023 vom 20. Februar 2024 E. 5.2.2 mit weiteren Hinweisen).  
 
11.1.3. Die Rechtsfrage, ob der versicherten Person die Verwertung ihrer Restarbeitsfähigkeit auf dem massgebenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt nach allgemeiner Lebenserfahrung noch zumutbar ist, prüft das Bundesgericht frei (BGE 140 V 267 E. 2.4; SVR 2022 IV Nr. 57 S. 185, 8C_52/2022 E. 2.2; Urteil 8C_771/2023 vom 28. August 2024 E. 5.4).  
 
11.2. Die Vorinstanz erwog, auf dem allgemeinen und ausgeglichenen Arbeitsmarkt existierten Arbeitsplätze für die im Verfügungszeitpunkt 61 Jahre alt gewesene Beschwerdeführerin. Die lange Abwesenheit vom Berufsleben sei bei Hilfsarbeiten, die in der Regel eben gerade keinen grossen Einarbeitungsaufwand erforderten, irrelevant. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien in der Arbeitsfähigkeitsschätzung berücksichtigt worden, beeinflussten die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit in der Regel jedoch nicht. Dies sei nur dann möglich, wenn eine versicherte Person wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung jedem Arbeitgeber unzumutbar wäre, beispielsweise weil sie wegen einer Schizophrenie eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen würde. Eine solche Konstellation liege hier jedoch nicht vor. Hilfsarbeiten erforderten in der Regel auch keine intellektuellen Fähigkeiten. In den Akten seien keine Hinweise dafür vorhanden, dass die geistigen Fähigkeiten der Beschwerdeführerin stark eingeschränkt wären. Auf den psychiatrischen ABI-Gutachter habe sie vielmehr normintelligent gewirkt. Die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit sei demnach zu bejahen.  
 
11.3.  
 
11.3.1. Für den Zeitpunkt, in welchem die Frage nach der Verwertbarkeit der (Rest-) Arbeitsfähigkeit bei vorgerücktem Alter beantwortet wird, ist auf das Feststehen der medizinischen Zumutbarkeit einer (Teil-) Erwerbstätigkeit abzustellen (BGE 146 V 16 E. 7.1; Urteil 9C_755/2023 vom 20. Februar 2024 E. 5.3). Zieht man die ABI-Stellungnahme vom 9. November 2022 als Zeitpunkt des Feststehens der medizinischen Zumutbarkeit heran (vgl. auch Urteil 8C_192/2022 vom 7. Juli 2022 E. 7.2.1), war die am 4. Dezember 1961 geborene Beschwerdeführerin 60 Jahre 11 Monate alt. Es verblieben ihr somit noch rund viereinhalb Jahre bis zum Erreichen des ordentlichen Pensionsalters (Jahrgang 1961: Referenzalter 64 Jahre 3 Monate gemäss "AHV 21 Reform"). Diese Aktivitätsdauer reicht - selbst bei einer Restarbeitsfähigkeit im Umfang von 70 % (vgl. E. 10 hiervor) - grundsätzlich aus, um eine neue einfache Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sich einzuarbeiten und die Arbeit auszuüben (vgl. auch Urteil 8C_535/2021 vom 25. November 2021 E. 5.4.1).  
 
11.3.2. Auch die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte mangelhafte Schulbildung und fehlende berufliche Ausbildung wirken sich in den von der Vorinstanz als zumutbar erachteten Tätigkeiten als Hilfsarbeiterin nicht negativ aus (vgl. auch Urteil 8C_192/2022 vom 7. Juli 2022 E. 7.2.2 mit Hinweis).  
 
11.3.3. Nicht stichhaltig ist schliesslich das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe seit 15. Juni 2007 bzw. seit über fünfzehn Jahren nicht mehr gearbeitet. Gemäss den früheren, von der IV-Stelle veranlassten MEDAS-Gutachten vom 25. Juni 2010, 19. Dezember 2012 und 30. September 2015 (hierzu vgl. auch E. 8.2 hiervor) war sie nämlich in der angestammten und in einer leidensangepassten Tätigkeit je zu 80 % arbeitsfähig. Unter diesen Umständen kann sie mit Blick auf ihre Schadenminderungspflicht (vgl. BGE 141 V 642 E. 4.3.2) aus ihrer langjährigen Nichterwerbstätigkeit nichts zu ihren Gunsten ableiten (siehe auch Urteil 8C_192/2022 vom 7. Juli 2022 E. 7.2.3 mit Hinweisen).  
 
11.3.4. Nach dem Gesagten ist es nicht bundesrechtswidrig, wenn die Vorinstanz die Restarbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin als verwertbar erachtete.  
 
12.  
Gegen den vorinstanzlichen Einkommensvergleich, der einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von maximal 37 % ergab, bringt die Beschwerdeführerin keine Einwände vor. Weiterungen hierzu erübrigen sich somit. 
 
13.  
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 20. Dezember 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar