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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_359/2024  
 
 
Urteil vom 20. Dezember 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Estermann, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Rechtsabteilung, Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 22. Mai 2024 (5V 23 318). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1977 geborene A.________ war ab 15. April 2019 bei der B.________ AG als Verkäuferin zu einem Pensum von ca. 40 % angestellt und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Daneben war sie bis Dezember 2021 Gesellschafterin und Geschäftsführerin mit Einzelunterschrift der C.________ GmbH, welche Tätigkeit sie zu einem 20%igen Pensum ausübte. Sie erlitt bei einem Überfall am Arbeitsplatz der B.________ AG am 27. Februar 2020 eine Schnittverletzung an der rechten Hand (über Metakarpale Dig. Il; Notfallbericht der Chirurgischen Klinik des Spitals U.________ vom 27. Februar 2020; Schadenmeldung vom 11. März 2020). Die Suva erbrachte die gesetzlichen Leistungen in Form von Taggeld und Heilbehandlung. Am 18. März 2020 wurden die Nervenläsionen mittels mikrochirurgischer Nervennaht operativ versorgt sowie ergo- und schmerztherapeutisch behandelt. 
Gestützt auf die Beurteilung ihres Dr. med. D.________, Facharzt für Neurologie, vom 27. Juli 2022 stellte die Suva die vorübergehenden Leistungen (mit Ausnahme einer medikamentösen Therapie gemäss Schreiben vom 7. September 2022) auf den 31. August 2022 ein. Ausbildungsadäquate Bürotätigkeiten seien ganztags unter Anwendung von Kompensationsstrategien mit zusätzlichen Pausen im Umfang von einer Stunde zumutbar. Am 18. Oktober 2022 präzisierte Dr. med. D.________ seine Zumutbarkeitsbeurteilung hinsichtlich einer angepassten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dahingehend, dass leichte Tätigkeiten ganztags mit zusätzlichen Pausen von einer Stunde zumutbar seien. 
Mit Verfügung vom 4. November 2022 sprach die Suva A.________ eine Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 15 % ab 1. September 2022 und eine Integritätsentschädigung für die Handverletzung bei einer Integritätseinbusse von 10 % zu. In teilweiser Gutheissung der hiergegen erhobenen Einsprache erhöhte die Suva mit Einspracheentscheid vom 29. September 2023 den Invaliditätsgrad auf 16 %. 
 
B.  
Die dagegen geführte Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 22. Mai 2024 ab. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, in Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sei ihr eine Invalidenrente auf der Grundlage eines höheren Invaliditätsgrads als 16 % zuzusprechen. Die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.1; 145 V 57 E. 4.2; je mit Hinweis). 
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin ab 1. September 2022 Anspruch auf eine höhere als die von der Vorinstanz zugesprochene Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 16 % hat. Im Zentrum stehen nebst der Frage nach den weiterhin zumutbaren Verweisungstätigkeiten die erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung und dabei die Gewährung eines leidensbedingten Abzugs von dem auf statistischer Basis ermittelten Invalideneinkommen (vgl. nachfolgende E. 2.2).  
 
2.2. Richtig wiedergegeben werden im angefochtenen Urteil die Ausführungen zur Ermittlung des Invaliditätsgrads bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG), insbesondere zur Bemessung der hypothetisch erzielbaren Vergleichseinkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen: BGE 144 I 103 E. 5.3; 134 V 322 E. 4.1) und mit Invalidität (Invalideneinkommen: BGE 143 V 295 E. 2.2). Gleiches gilt für die im Rahmen der Ermittlung des Invaliditätsgrads nach der Einkommensvergleichsmethode massgebliche Rechtsprechung zum behinderungs- beziehungsweise leidensbedingten Abzug (BGE 148 V 174; 135 V 297 E. 5.2; 126 V 75 E. 5). Darauf wird verwiesen.  
 
3.  
In einlässlicher Würdigung der medizinischen Aktenlage stufte die Vorinstanz die Beurteilungen des Suva-Versicherungsmediziners Dr. med. D.________ vom 27. Juli 2022 und 18. Oktober 2022 als beweiskräftig ein. Gestützt darauf erwog sie, die Schmerzbeschwerden seien nicht im geklagten Ausmass objektivierbar, sodass Dr. med. D.________ eine Symptomverdeutlichung festhalte. Sie prüfte und verneinte einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen diesen nicht objektivierbaren Beschwerden und dem Unfallereignis nach den bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133) anzuwendenden Kriterien (vgl. Urteil 8C_592/2023 vom 30. Januar 2024 E. 6). 
In Bezug auf die an der rechten Hand bestehenden Beschwerden mit organischem Korrelat ging die Vorinstanz gestützt auf das von Dr. med. D.________ formulierte Zumutbarkeitsprofil von einer vollen Arbeitsfähigkeit in der angestammten Bürotätigkeit und in einer angepassten leichten Tätigkeit mit jeweils zusätzlichen Pausen von einer Stunde aus. Dem Einkommensvergleich legte die Vorinstanz einen Validenlohn von Fr. 56'916.95 zugrunde, den die Beschwerdeführerin ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen im massgebenden Jahr des Rentenbeginns (2022) mutmasslich an den beiden angestammten Arbeitsstellen in einem gesamthaften Arbeitspensum von 60 % erzielt hätte. Das Invalideneinkommen ermittelte die Vorinstanz gestützt auf die Tabellenlöhne gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE). Dabei stellte sie, wie bereits die Beschwerdegegnerin, auf den Medianlohn von Frauen auf dem untersten Kompetenzniveau 1 gemäss Zeile "TOTAL" laut Tabelle TA1 der LSE 2020 ab. Unter Berücksichtigung der betriebsüblichen durchschnittlichen Arbeitszeit von 41,7 Wochenstunden und der Nominallohnentwicklung resultiere für das Jahr 2022 ein Einkommen von Fr. 47'732.66.-. Mit einem angenommenen zumutbaren Pensum von 88 % trug sie den notwendigen Pausen und der damit verminderten Leistungsfähigkeit Rechnung. Einen leidensbedingten Abzug vom Tabellenlohn nahm die Vorinstanz nicht vor. In Gegenüberstellung der beiden Vergleichseinkommen ergab sich ein Invaliditätsgrad von 16 %. 
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen das Profil der noch zumutbaren Arbeiten und den nicht gewährten Tabellenlohnabzug. Die Vorinstanz habe ihre Begründungspflicht verletzt, indem sie nicht dargelegt habe, weshalb ihr Tätigkeiten im kaufmännischen Bereich vollumfänglich (mit Abzug der zugestandenen Pausen) zumutbar sein sollen.  
 
4.2. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin betonte die Vorinstanz, dass nicht nur Tätigkeiten im kaufmännischen Bereich, sondern sämtliche leichten Tätigkeiten unter Berücksichtigung des Zumutbarkeitsprofils ausübbar seien, worunter auch ausbildungsadäquate Bürotätigkeiten unter Anwendung von Kompensationsstrategien. Die Vorinstanz hielt weiter zutreffend fest, dass die Beschwerdeführerin ihre rechte (dominante) Hand mit Blick auf die unfallkausalen Beschwerden durchaus zu Hilfe nehmen könne. Dr. med. D.________ habe eine vollständige Gebrauchsunfähigkeit als nicht plausibel erachtet. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass lediglich die unfallkausalen Restbeschwerden bei der Beurteilung der zumutbaren Tätigkeiten zu berücksichtigen und die geklagten Beschwerden hinsichtlich der Intensität und des neuroanatomischen Verteilungsmusters nicht vollständig durch die beschriebenen Nervenläsionen zu erklären sind, wie Dr. med. D.________ schlüssig darlegte.  
Wie die Vorinstanz weiter zutreffend erkannte, sind, was die objektivierbare Schädigung angeht, in der Befundlage keine aktenkundigen Widersprüche auszumachen. Es steht mithin ärztlicherseits fest, dass nicht objektivierbare Schmerzbeschwerden vorliegen. Hiervon ging auch der behandelnde Dr. med. E.________ in seiner Stellungnahme vom 20. September 2022 aus, indem er auf nicht objektiv messbare Schmerzbeschwerden hinwies und eine erneute Ermittlung der Funktionalität anhand "subjektiver Fragebogen" anregte, wie die Vorinstanz in nicht zu beanstandender Weise bereist festhielt. Der vorinstanzliche Verzicht auf weitere medizinische Abklärungen verletzt daher kein Bundesrecht. 
Dr. med. D.________ anerkannte die unfallkausale Pathologie als Grundlage für die neuropatischen Schmerzen durchaus und trug dieser Schmerzkomponente mit einem erhöhten Pausenbedarf im Rahmen des Zumutbarkeitsprofils nachvollziehbar Rechnung. Die darüber hinaus bestehenden Schmerzbeschwerden waren jedoch aufgrund der fehlenden Unfallkausalität anlässlich der Umschreibung der noch ausübbaren Tätigkeiten ausser Acht zu lassen. Die Vorinstanz durfte daher das von Dr. med. D.________ umschriebene Tätigkeitsprofil, ohne Bundesrecht zu verletzen, als schlüssig erachten. Die gerügte Verletzung der Begründungspflicht durch die Vorinstanz ist in diesem Zusammenhang nicht auszumachen. 
 
4.3.  
 
4.3.1. Das medizinische Anforderungs- und Belastungsprofil stellt praxisgemäss eine zum zeitlich zumutbaren Arbeitspensum hinzutretende qualitative oder quantitative Einschränkung der Arbeitsfähigkeit dar, wodurch in erster Linie das Spektrum der erwerblichen Tätigkeiten (weiter) eingegrenzt wird, welche unter Berücksichtigung der Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung der versicherten Person realistischerweise noch in Frage kommen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob mit Bezug auf eine konkret in Betracht fallende Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage verglichen mit einem gesunden Mitbewerber nur bei Inkaufnahme einer Lohneinbusse reale Chancen für eine Anstellung bestehen. Lediglich wenn auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung solcher Einschränkungen, die personen- oder arbeitsplatzbezogen sein können, kein genügend breites Spektrum an zumutbaren Verweisungstätigkeiten mehr besteht, rechtfertigt sich allenfalls ein (zusätzlicher) Abzug vom Tabellenlohn (Urteil 8C_48/2021 vom 20. Mai 2021 E. 4.3.3). An dieser Voraussetzung ist mit Blick auf die Erwägungen des Urteils 8C_823/2023 vom 8. Juli 2024 auch weiterhin festzuhalten (Urteil 8C_243/2023 vom 5. September 2024 E. 7.6; Urteil 8C_91/2024 vom 11. November 2024 E. 5.3). Inwiefern sie im vorliegenden Fall bei dem von der Vorinstanz bundesrechtskonform festgestellten Belastungsprofil gegeben sein sollte, wird beschwerdeweise nicht hinreichend dargetan und ist auch nicht erkennbar. Zu wiederholen ist sodann, dass der Tabellenlohn im Kompetenzniveau 1 eine Vielzahl leichter Tätigkeiten umfasst, weshalb dieser Umstand allein keinen Abzug vom Tabellenlohn rechtfertigt.  
 
4.3.2. Soweit sich die Beschwerdeführerin erneut auf das Urteil 8C_462/2020 vom 27. August 2020 bezieht, ist dies nicht stichhaltig. Dort gelangte das Bundesgericht bei einem Versicherten mit einer nur noch minimal belastbaren linken Schulter zum Schluss, dass bei einer angepassten Tätigkeit mit ausschliesslichem Einsatz des gesunden rechten Arms eine verminderte Belastbarkeit des linken adominanten Arms nicht zwingend einen Tabellenlohnabzug rechtfertige (E. 5.4). Hieraus lässt sich demnach nichts zu Gunsten der Beschwerdeführerin gewinnen. Eine vergleichbare Sachlage liegt nicht vor, nachdem ihre rechte (dominante) Hand gemäss der durch Dr. med. D.________ beim Neurologen Dr. med. F.________ veranlassten Abklärung (mit apparativer Zusatzdiagnostik) vom 27. Mai 2022 keine klinisch-neurologisch nachweisbare motorische Schwäche aufweist und über die zusätzlichen Pausen von einer Stunde bei leichten Tätigkeiten ganztags hinaus keine weiteren unfallbedingten funktionellen Einschränkungen bestehen. Entgegen den Einwendungen der Beschwerdeführerin ergibt sich solches auch nicht aus dem von Dr. med. D.________ aufgrund der Schmerzen und der Sensibilitätsstörung im Dig. II rechts (ohne motorische Defizite) festgesetzten Integritätsschaden von 10 %. Dass die Beschwerdeführerin mit Bezug auf die noch in Betracht fallenden Tätigkeiten bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage verglichen mit einer gesunden Mitbewerberin nur bei Inkaufnahme einer Lohneinbusse reale Chancen für eine Anstellung hat, legt sie insgesamt nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Es ist somit nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz keinen leidensbedingten Abzug gewährte. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
5.  
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 20. Dezember 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla