Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_1047/2024
Urteil vom 22. Oktober 2024
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hurni,
Gerichtsschreiberin Mango-Meier.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Cao,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich.
Gegenstand
Entlassung aus Untersuchungshaft,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 28. August 2024 (UB240131-O/U/AEP>PFE).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Ill des Kantons Zürich führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen mehrfachen Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB, banden- und gewerbsmässigen Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 3 lit. a und b StGB , mehrfacher Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB, mehrfacher (teilweise versuchter) Hehlerei im Sinne von Art. 160 Ziff. 1 StGB sowie mehrfachen Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB. Das Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Bülach versetzte A.________ mit Verfügung vom 8. Juni 2021 in Untersuchungshaft. Nachdem das Obergericht des Kantons Zürich am 29. Oktober 2021 ein Haftentlassungsgesuch des Beschwerdeführers gutgeheissen hatte, ordnete das Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Bülach mit Verfügung vom 18. September 2023 erneut Untersuchungshaft an. Am 6. Juni 2024 verlängerte das Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Bülach die strafprozessuale Haft bis zum 6. September 2024.
B.
A.________ stellte am 21. Juli 2024 ein Gesuch um Haftentlassung. Das Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Bülach wies dieses mit Verfügung vom 30. Juli 2024 ab. Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 28. August 2024 ab.
C.
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 30. September 2024 beantragt A.________, es sei der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. August 2024 aufzuheben und er sei aus der Untersuchungshaft zu entlassen, eventualiter unter Anordnung von Ersatzmassnahmen im Sinne von Art. 237 StPO.
Die Staatsanwaltschaft Ill des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtet auf eine Stellungnahme und reicht die kantonalen Akten ein.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend Entlassung aus der Untersuchungshaft. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht gemäss Art. 78 ff. BGG offen. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und befindet sich nach wie vor in Haft. Er hat folglich ein aktuelles, rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids und ist somit gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.
Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 BV ) wegen strafprozessualer Haft erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung der StPO frei. Art. 98 BGG gelangt bei strafprozessualen Zwangsmassnahmen nicht zur Anwendung. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 143 IV 316 E. 3.3, 330 E. 2.1; je mit Hinweis).
3.
3.1. Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts nicht. Er rügt allerdings, dass entgegen der willkürlichen und unzutreffenden Annahme der Vorinstanz nicht von einer Fluchtgefahr (sowohl durch eine Flucht ins Ausland wie auch durch ein Untertauchen im Inland) ausgegangen werden dürfe.
3.2. Die Untersuchungshaft ist nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie sich namentlich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht (Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO). Eine solche Fluchtgefahr darf nicht schon angenommen werden, wenn die Möglichkeit der Flucht in abstrakter Weise besteht (BGE 125 I 60 E. 3a). Es braucht vielmehr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich die beschuldigte Person, wenn sie in Freiheit wäre, dem Vollzug der Strafe durch Flucht entziehen würde. Im Vordergrund steht dabei eine mögliche Flucht ins Ausland, denkbar ist jedoch auch ein Untertauchen im Inland. Zu berücksichtigen sind die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere der Charakter der beschuldigten Person, ihre moralische Integrität, ihre finanziellen Mittel, ihre Verbindungen zur Schweiz, ihre Beziehungen zum Ausland und die Höhe der ihr drohenden Strafe (BGE 145 IV 503 E. 2.2). Die Schwere der drohenden Strafe darf als Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden, genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen (BGE 145 IV 503 E. 2.2; 143 IV 160 E. 4.3; je mit Hinweisen). Die Wahrscheinlichkeit einer Flucht nimmt in der Regel mit zunehmender Verfahrens- bzw. Haftdauer ab, da sich auch die Länge des allenfalls noch zu absolvierenden Strafvollzugs mit der bereits erstandenen prozessualen Haft, die auf die mutmassliche Freiheitsstrafe anzurechnen wäre, kontinuierlich verringert (BGE 143 IV 160 E. 4.3 mit Hinweis; vgl. Art. 51 StGB). Anklageerhebungen oder gerichtliche Verurteilungen können allerdings, je nach den Umständen des Einzelfalls, im Verlaufe des Verfahrens auch neue Fluchtanreize auslösen (zum Ganzen: Urteil 7B_112/2024 vom 13. Mai 2024 E. 3.3).
3.3. Was der Beschwerdeführer einwendet, lässt den besonderen Haftgrund der Fluchtgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO nicht dahinfallen. Ihm wird namentlich vorgeworfen, im Zeitraum zwischen Oktober 2019 bis Oktober 2022 mehrere Einbruchdiebstähle mit Sachschäden an Gebäuden und Einrichtungen begangen zu haben, wobei sich der Deliktsbetrag unbestrittenermassen auf über mehrere Hunderttausend Franken belaufen soll (angefochtener Beschluss E. I.1 und II.4.4.3; Beschwerde S. 6). Der Beschwerdeführer ist teilweise einschlägig vorbestraft und delinquierte wenige Wochen nach seiner Haftentlassung während der laufenden Strafuntersuchung erneut. Die Vorinstanz durfte entsprechend willkürfrei auf dessen erhebliche kriminelle Energie schliessen.
Aus den Ausführungen der Vorinstanz lässt sich ausserdem ein äusserst starker Bezug des Beschwerdeführers - welcher deutscher Staatsangehöriger ist und hier die Niederlassungsbewilligung C besitzt (Beschwerde S. 7 f.) - zu Österreich entnehmen. Anlässlich der Grenzkontrolle vom 17. August 2022 beschleunigte der Beschwerdeführer sein Auto und lenkte es auf österreichisches Staatsgebiet, wodurch eine Nacheile nicht mehr möglich war. Dieser Vorfall ereignete sich, nachdem sich der Beschwerdeführer bereits am 6. Juni 2022 einer Fahrzeugkontrolle entzogen hatte. In Österreich war der Beschwerdeführer wegen Diebstahls und Hehlerei für etwa 9,5 Monate inhaftiert, bevor er an die Schweiz ausgeliefert und am 18. September 2023 erneut in Untersuchungshaft versetzt wurde. Vor seiner Verhaftung war der Beschwerdeführer zuletzt in Österreich gemeldet, weil er - gemäss eigener Aussage - dorthin ausgewandert war (angefochtener Beschluss E. II.4.4.2). Der Beschwerdeführer gab als Grund für seinen Wegzug die damalige "grosse Liebe" in Österreich an, von der er nicht wisse, ob er noch in einer Beziehung mit ihr sei. Unklarheiten bestehen auch hinsichtlich der konkreten Aufenthaltsorte in Österreich, da der Beschwerdeführer sich in U.________ anmeldete (April bis Oktober 2022) und zu gleicher Zeit bei den schweizerischen Behörden nach V.________ abmeldete (September 2022). Im November 2022 soll er in W.________ in Deutschland offiziell wohnhaft gewesen sein. Einige Tage später im Dezember 2022 wurde der Beschwerdeführer in V.________ verhaftet. Gemäss eigener Aussage hatte er das Deliktsgut fast immer an eine Person verkauft, welche in Moldawien wohnt und er in Rumänien persönlich getroffen hatte. Einige Fahrräder hatte er zudem nach Österreich gebracht und teilweise von dort weiterverkauft (angefochtener Beschluss E. II.4.4.2).
Im Gegensatz zu den wiederkehrenden Aufenthalten in Österreich ist aufgrund der vorinstanzlichen Ausführungen nicht von einer vergleichbaren Bindung zur Schweiz auszugehen. Vielmehr sind seit der Wohnsitznahme in V.________ keine häufigeren Aufenthalte in der Schweiz bekannt. Der Beschwerdeführer hat zwar Familienangehörige in der Schweiz (Mutter und Grossmutter), pflegt aber hier mit niemandem seines privaten Umfelds unmittelbaren persönlichen Kontakt. Ebensowenig besteht derzeit eine berufliche Anbindung an die Schweiz und er hat Schulden in der Höhe von Fr. 70'000.-- bis Fr. 80'000.--. Sodann ist die vorinstanzliche Einschätzung nicht zu beanstanden, dass - nachdem er bereits zuvor in Österreich für mehrere Monate inhaftiert war - die drohende unbedingt vollziehbare Freiheitsstrafe von mindestens 3 Jahren und die im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. c und lit. d StGB obligatorisch anzuordnende Landesverweisung von 5 bis 15 Jahren einen erheblichen Fluchtanreiz darstellen. Der Beschwerdeführer könnte bereits deshalb versucht sein, die Schweiz vorzeitig zu verlassen oder hier unterzutauchen, um sich dem Vollzug der zu erwartenden Freiheitsstrafe sowie der Wegweisung zu entziehen. Bei dieser Sachlage verletzt es kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz den besonderen Haftgrund der Fluchtgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO bejaht.
4.
4.1. Der Beschwerdeführer macht des Weiteren geltend, dass die Haft unverhältnismässig sei, da Ersatzmassnahmen (wie beispielsweise Kontakt- und Rayonverbot, Ausweis- und Schriftensperre, regelmässiges Melden bei der Polizei) ausreichen würden, um einer allfälligen Fluchtgefahr zu begegnen.
4.2. Die Haft muss verhältnismässig sein (Art. 10 Abs. 2 BV in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 BV , Art. 197 Abs. 1 lit. c und lit. d sowie Art. 212 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 StPO ). Strafprozessuale Haft darf nur als "ultima ratio" angeordnet oder aufrechterhalten werden. Wo sie durch mildere Massnahmen ersetzt werden kann, muss von ihrer Anordnung oder Fortdauer abgesehen werden und an ihrer Stelle müssen solche Ersatzmassnahmen verfügt werden (Art. 212 Abs. 2 lit. c StPO in Verbindung mit Art. 237 f. StPO; Urteil 7B_365/2024 vom 16. April 2024 E. 4.2.1; vgl. BGE 145 IV 503 E. 3.1; je mit Hinweis). Nach Art. 237 Abs. 2 StPO fallen als Ersatzmassnahmen insbesondere die Ausweis- und Schriftensperre (lit. b), die Auflage, sich nur oder sich nicht an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Haus aufzuhalten (lit. c), oder die Auflage, sich regelmässig bei einer Amtsstelle zu melden (lit. d), in Betracht.
Zwar können solche mildere Ersatzmassnahmen für Haft geeignet sein, einer gewissen Fluchtneigung genügend Rechnung zu tragen. Bei ausgeprägter Fluchtgefahr erweisen sie sich nach der Rechtsprechung jedoch angesichts der Grenznähe und der fehlenden Personenkontrollen an den Landesgrenzen im Schengenraum regelmässig als nicht ausreichend (BGE 145 IV 503 E. 3.2; Urteil 7B_365/2024 vom 16. April 2024 E. 4.2.1; je mit Hinweis). In Anbetracht der oben beschriebenen besonderen Umstände besteht beim Beschwerdeführer eine ausgeprägte Fluchtgefahr, der mit Ersatzmassnahmen nicht hinreichend begegnet werden kann. Es sind keine Momente erkennbar oder dargetan, welche die Fortdauer der Untersuchungshaft als derart unverhältnismässig erscheinen liessen, dass der Beschwerdeführer entlassen werden müsste.
5.
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, und dem Bezirksgericht Bülach Zwangsmassnahmengericht schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Oktober 2024
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Die Gerichtsschreiberin: Mango-Meier