Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_522/2023
Urteil vom 23. August 2024
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Müller, Merz,
Gerichtsschreiber Vonlanthen.
Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Fey,
gegen
Gemeinde Vaz/Obervaz,
Plam dil Roisch 2, 7078 Lenzerheide/Lai,
vertreten durch Rechtsanwältin Caterina Ventrici,
Gegenstand
Nutzungsänderungsgesuch,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer,
vom 27. Juni 2023 (R 22 31 ang).
Sachverhalt:
A.
Die A.________ AG ist Pächterin auf dem Grundstück Nr. 5641 in Vaz/Obervaz und betreibt dort das Hotel B.________. Das Grundstück befindet sich gemäss kommunalem Zonennutzungsplan in der Touristikzone A und im Baubereich Hotel.
B.
Am 6. bzw. 7. April 2022 stellte die A.________ AG bei der Gemeinde Vaz/Obervaz für das Hotel B.________ ein Gesuch um Umnutzung eines Aufbewahrungsraums für Fahrräder in eine Servicestation für Sportgeräte mit Vermietung. Zudem sollen gewisse Ergänzungsprodukte für die Sportgeräte verkauft werden.
Die Gemeinde Vaz/Obervaz verweigerte mit Entscheid vom 10. Mai 2022 die beantragte Umnutzung des Veloraums. Gegen diesen Entscheid erhob die A.________ AG Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, welches ihr Rechtsmittel mit Urteil vom 27. Juni 2023 abwies.
C.
Die A.________ AG gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. Juni 2023 aufzuheben und die Baubewilligung für die Umnutzung des Veloraums in eine Servicestation für Sportgeräte mit Vermietung zu erteilen. Eventualiter sei die Sache zur Erteilung der Baubewilligung an die Gemeinde Vaz/Obervaz zurückzuweisen.
Die Gemeinde Vaz/Obervaz beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die A.________ AG reichte eine weitere Stellungnahme ein, zu der sich die übrigen Verfahrensbeteiligten nicht mehr äusserten.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer Angelegenheit des Bau- und Raumplanungsrechts. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG ). Ein Ausnahmegrund nach Art. 83 BGG ist nicht gegeben. Mit dem angefochtenen Entscheid wurde die Verweigerung der Bewilligung für die beantragte Nutzungsänderung des Veloraums bestätigt. Als Gesuchstellerin des Umnutzungsgesuchs und Teilnehmerin am vorinstanzlichen Verfahren ist die Beschwerdeführerin zur Beschwerde berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb grundsätzlich auf die Beschwerde einzutreten ist.
2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf Rechtsverletzungen hin, welche die beschwerdeführende Partei vorbringt und begründet (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Erhöhte Anforderungen an die Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Anwendung von kantonalem Recht überprüft das Bundesgericht vorbehältlich Art. 95 lit. c-e BGG im Wesentlichen auf Willkür und bloss insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzis vorgebracht und begründet wird (Art. 95 BGG i.V.m. Art. 9 BV und Art. 106 Abs. 2 BGG). Diese Beschränkung gilt auch für die Prüfung der Auslegung und Anwendung von kommunalem Recht (Urteile 1C_112/2024 vom 6. Juni 2024 E. 2.1; 1C_647/2021 vom 15. September 2022 E. 3.4).
Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 148 II 106 E. 4.6.1; 146 II 111 E. 5.1.1; 145 II 32 E. 5.1; 144 I 170 E. 7.3; je mit Hinweisen).
3.
Strittig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie die Verweigerung der Umnutzung des im Hotel B.________ gelegenen Veloraums zu einer Servicestation für Sportgeräte mit Vermietung bestätigt hat.
3.1. Grundlage für die vorinstanzlichen Beurteilungen bildete insbesondere Art. 66 des Baugesetzes der Gemeinde Vaz/Obervaz (nachfolgend: BauG), welcher wie folgt lautet (Auszug) :
1 In der Touristikzone sind Bauten und Anlagen von touristischen Beförderungsanlagen wie Bergbahnen, Skilifte sowie damit verbundene Büros, Einstellhallen für Fahrzeuge, Reparaturwerkstätten und dergleichen zulässig. Ebenso sind Bauten und Anlagen für Schneesportschulen, für Sportgeräte (Vermietung, Verkauf in Verbindung mit Vermietung, Service und Einstellhallen), für Beherbergungsbetriebe und für Restaurants zulässig.
2 In der Touristikzone A richtet sich Art und Mass der Nutzung sowie die Erschliessung nach den Festlegungen im Generellen Gestaltungsplan und den nachfolgenden Bestimmungen:
[...]
b) Der Baubereich Hotel dient der Erstellung der Hauptbaute. Es sind ausschliesslich Hotels mit dazugehörigen Infrastrukturen wie Restauration etc. zulässig. Eine Umnutzung in ein Aparthotel oder als Wohnung ist ausgeschlossen. [...]
3.2. Den kantonalen Entscheiden lag die Auffassung zugrunde, dass ausschliesslich Art. 66 Abs. 2 BauG für das in der Touristikzone A gelegene Hotel B.________ als lex specialis anwendbar sei, währenddessen Abs. 1 für die Touristikzone gelte und somit nicht einschlägig sei. Laut der Gemeinde Vaz/Obervaz sind im Hotelbereich keine Dienstleistungsbetriebe zulässig, sondern lediglich ein Hotel mit dazugehörigen Infrastrukturen (vgl. Art. 66 Abs. 2 lit. b BauG). Die beantragte Umnutzung gehe dabei über das zulässige Mass hinaus. Im Rahmen der projektbezogenen Nutzungsplanung sei einschränkend festgelegt worden, dass im Hotelbereich keine Dienstleistungsbetriebe entstehen sollen. Zulässig sei die Servicestation mit Vermietung und Verkauf, wenn diese lediglich Hotelgästen zur Verfügung stehen würde. Betriebe mit Angeboten, die von jedermann in Anspruch genommen werden könnten, würden jedoch über den zulässigen Zonenzweck in der Touristikzone A und im Baubereich Hotel hinausgehen. Anders als in der Touristikzone seien Dienstleistungsbetriebe und Verkaufslokale nicht zulässig. Sie qualifizierte daher die allen Personen offenstehende Servicestation für Sportgeräte mit Vermietung und Verkauf von Ergänzungsprodukten als eine nicht zu einem Hotel gehörende Infrastruktur. Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, dass sich die Gemeinde mit dieser Beurteilung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens bewegt. Für sie sei nicht erkennbar, inwieweit sich die Beschwerdegegnerin von sachfremden Erwägungen hätte leiten lassen oder in willkürlicher Art und Weise ihr Ermessen überschritten hätte. Weder die Begründung noch das Ergebnis erscheine unhaltbar.
3.3. Unumstritten ist, dass für die beantragte Umnutzung des Veloraums im Hotel der Beschwerdeführerin Art. 66 Abs. 2 lit. b BauG einschlägig ist. Die Beschwerdeführerin vertritt jedoch die Auffassung, die in dieser kommunalen Bestimmung aufgeführten zulässigen Nutzungen seien nicht abschliessend. Der Zusatz "etc." suggeriere, dass neben Restauration auch noch weitere Nutzungen zulässig sein könnten, solange sie zum Hotel gehören. Dienstleistungsbetriebe, die den Kernbetrieb des Hotels ergänzen würden, müssten zulässig sein. Die Vorinstanz verkenne, dass auch alle anderen dazugehörigen Serviceangebote wie Restauration oder Spa-/Wellness in einem Hotel regelmässig Dritten zur (kostenpflichtigen) Benützung offenstünden. Dies gelte auch für das hoteleigene Restaurant der Beschwerdeführerin. Warum die Vorinstanz diese Serviceangebote unterschiedlich behandelt, begründe sie nicht. Die Vorinstanz habe dadurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), das Willkürverbot (Art. 9 BV) sowie das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) verletzt.
3.3.1. Aus den Vorbringen der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass sie, soweit sie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend macht, insbesondere die daraus fliessende Begründungspflicht anspricht. Damit eine Behörde ihrer Begründungspflicht nachkommt, ist nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 148 III 30 E. 3.1 mit Hinweisen). Das angefochtene Urteil entspricht diesen Voraussetzungen ohne Weiteres. Die Vorinstanz hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie die Verweigerung der beantragten Nutzungsänderung durch die Gemeinde nicht beanstandet. Im Umstand, dass die Vorinstanz nicht jedes einzelne Argument der Beschwerdeführerin aufgenommen hat, kann keine Verletzung der aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör fliessenden Begründungspflicht erblickt werden.
3.3.2. Hinsichtlich der Rüge der Verletzung des Willkürverbots ist auf die eingangs erwähnte Rechtsprechung hinzuweisen, wonach für die Annahme von Willkür nicht ausreicht, dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint (vgl. E. 2. hiervor). Die Beschwerdeführerin mag zu Recht einwenden, der Wortlaut von Art. 66 Abs. 2 lit. b BauG würde an sich auch die Interpretation zulassen, dass in der betreffenden Zone nebst Restaurationsbetrieben weitere Serviceangebote zur Verfügung gestellt werden dürfen. Die Vorinstanz hat indes überzeugend dargelegt, weshalb die Gemeinde die Auffassung vertreten durfte, dass die geplante Servicestation für Sportgeräte mit Vermietung und Verkauf von Ergänzungsprodukten nicht als eine zum Hotel gehörende Infrastruktur betrachtet werden kann, wenn die Dienstleistung nicht nur den Hotelgästen zur Verfügung gestellt wird. Die Gemeinde hat namentlich auf die speziell für die Erstellung des Hotels durchgeführte Nutzungsplanung hingewiesen, bei der einschränkend festgelegt wurde, dass im Hotelbereich keine Dienstleistungsbetriebe entstehen sollen. Anders als in der Touristikzone nach Art. 66 Abs. 1 BauG, wo Dienstleistungsbetriebe, die den Kernbetrieb des Hotels allenfalls ergänzen, zulässig sind, sollen in der Touristikzone A offensichtlich strengere Anforderungen gelten. Es ist nicht unhaltbar, wenn die Vorinstanzen davon ausgehen, die beantragte Nutzung würde einen solchen Dienstleistungsbetrieb darstellen und somit über die zulässige Nutzungsart in der Touristikzone A und im Baubereich Hotel hinausgehen.
Nichts zu ihren Gunsten abzuleiten vermag die Beschwerdeführerin sodann aus dem von ihr erwähnten Urteil R 2004 84 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden. Das zitierte kantonale Urteil beruht auf einer unterschiedlichen kommunalen Zonenvorschrift einer anderen Gemeinde und ist mit dem vorliegenden Fall von vornherein nicht vergleichbar.
Demzufolge vermag die Beschwerdeführerin mit ihren Vorbringen keine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) darzulegen.
3.3.3. Was die Rüge der Beschwerdeführerin anbelangt, es liege eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV) vor, legt diese nicht substanziiert dar, inwieweit die genannte Verfassungsbestimmung verletzt sein soll. Soweit sich die Beschwerdeführerin daran stört, dass das hoteleigene Restaurant auch aussenstehenden Personen offensteht, jedoch die Servicestation für Sportgeräte mit Vermietung nur Hotelgästen zur Verfügung stehen dürfe, vermag sie damit keine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 BV darzulegen. Insbesondere verkennt sie dabei, dass Restaurants typischerweise nahe mit einem Hotelbetrieb zusammenhängen, was für eine Servicestation für Sportgeräte mit Vermietung und Verkauf von Ersatzprodukten grundsätzlich nicht gesagt werden kann. Es liegen zwei unterschiedliche Situationen vor, die eine differenzierte Behandlung rechtfertigen. Wenn nun die kantonalen Instanzen eine entsprechende Servicestation, die nicht typischerweise als zum Hotel gehörende Infrastruktur betrachtet werden kann, nur insoweit unter Art. 66 Abs. 2 lit. b BauG subsumieren, als sie ausschliesslich den Hotelgästen angeboten werden, kann darin keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots gesehen werden. Soweit die Rüge der Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht überhaupt den Begründungsanforderungen entspricht (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; E. 2. hiervor), erweist sie sich daher als unbegründet.
3.4.
Als unbegründet erweist sich infolgedessen auch die Rüge der Beschwerdeführerin, ihr Anspruch auf Erteilung der Baubewilligung (Art. 22 RPG) sei verletzt. Da die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht zum Schluss gelangen durfte, die beantragte Nutzungsänderung sei nicht zonenkonform, hat die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Erteilung der Baubewilligung.
4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Gemeinde obsiegt in ihrem amtlichen Wirkungskreis, weshalb ihr keine Parteientschädigung zusteht (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'00 0.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Gemeinde Vaz/ Obervaz und dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. August 2024
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Der Gerichtsschreiber: Vonlanthen