Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_39/2024
Urteil vom 23. Oktober 2024
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichterin Moser-Szeless, Bundesrichter Beusch, Bundesrichterin Scherrer Reber,
Gerichtsschreiberin Dormann.
Verfahrensbeteiligte
Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt
im Bauhauptgewerbe (FAR),
Obstgartenstrasse 19, 8006 Zürich, vertreten durch
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lukasz Grebski,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt André Weber,
Beschwerdegegnerin,
Stiftung VRM Maler - Gipser,
Oberwiesenstrasse 2, 8304,Wallisellen.
Gegenstand
Berufliche Vorsorge,
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 15. November 2023 (VKL.2021.12).
Sachverhalt:
A.
A.a. Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV), die GBI Gewerkschaft Bau & Industrie (heute: Unia) und die Gewerkschaft SYNA (heute und nachfolgend: Syna) schlossen am 12. November 2002 einen Gesamtarbeitsvertrag für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR), mit dessen Vollzug die Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (Stiftung FAR) betraut ist. Durch Beschluss des Bundesrates vom 5. Juni 2003 wurde der GAV FAR erstmals teilweise allgemeinverbindlich erklärt.
A.b. Der Schweizerische Maler- und Gipserunternehmer-Verband (SMGV), die Gewerkschaft Unia und die Gewerkschaft Syna schlossen im Mai 2016 einen Gesamtarbeitsvertrag Vorruhestandsmodell im Schweizerischen Maler- und Gipsergewerbe (GAV VRM Maler - Gipser), mit dessen Vollzug die Stiftung VRM Maler - Gipser betraut ist. Durch Beschluss des Bundesrates vom 5. Dezember 2016 wurde der GAV VRM Maler - Gipser erstmals teilweise allgemeinverbindlich erklärt.
A.c. Die A.________ AG bezweckt laut Handelsregistereintrag insbesondere die Ausführung sämtlicher Arbeiten im Bereich des Fassadenbaus. Sie entrichtete der Stiftung FAR die von dieser gestützt auf den GAV FAR erhobenen Vorsorgebeiträge für die Jahre 2014 und 2015 sowie Akontobeiträge für das Jahr 2016. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2016 teilte die A.________ AG der Stiftung FAR mit, dass sie sich "vom GAV FAR abmelde", weil sie ab dem 1. Januar 2017 dem allgemeinverbindlich erklärten GAV VRM Maler - Gipser unterstellt sei.
B.
Mit Klage vom 21. Mai 2021 beantragte die Stiftung FAR insbesondere, die A.________ AG sei zu verpflichten, ihr Fr. 7'061.70 als Vorsorgebeiträge für das Jahr 2016 und in der Höhe noch festzulegende Vorsorgebeiträge für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2020, jeweils nebst Zins, zu bezahlen. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess die Klage mit Urteil vom 15. November 2023 teilweise gut. Es verpflichtete die A.________ AG, der Stiftung FAR Fr. 7'061.70 nebst Zins zu 5 % seit dem 1. Januar 2017 zu bezahlen; im Übrigen wies es die Klage ab.
C.
Die Stiftung FAR lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, unter entsprechender Aufhebung des Urteils vom 15. November 2023 sei ihre Klage vom 21. Mai 2021 auch soweit, als sie Vorsorgebeiträge für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2020 und entsprechenden Zins betrifft, gutzuheissen; eventualiter sei die Angelegenheit zu neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Die A.________ AG lässt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist, beantragen. Die Stiftung FAR lässt eine weitere Eingabe einreichen. Die Stiftung VRM Maler - Gipser und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
1.1. In der nachträglichen Eingabe der Beschwerdeführerin wird überzeugend dargelegt, dass die Beschwerdeschrift rechtsgültig unterzeichnet ist. Anders als die Beschwerdegegnerin glauben machen will, sind die Argumente in der Beschwerde nicht "grob widersprüchlich" resp. "rein appellatorischer Natur". Vielmehr führt die Stiftung FAR substanziiert aus, inwiefern sie die Erwägungen der Vorinstanz für bundesrechtswidrig hält (vgl. nachfolgende E. 3.2). Sodann liegt kein Rechtsmissbrauch darin, wenn die Beschwerdeführerin zur Durchsetzung des behaupteten Anspruchs auf Beitragszahlungen den dafür vorgesehenen Rechtsweg (Klage und anschliessende Beschwerde) beschreitet. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.
1.2. Ob die Ausführungen in der Beschwerdeschrift zum "Berufsbild der Mitarbeiter der Beschwerdeführerin" (recte: Beschwerdegegnerin), zum Vergleich der Leistungen, wie sie in den allgemeinverbindlich erklärten GAV FAR und GAV VRM Maler - Gipser vorgesehen sind, und zur Unterstellung der Beschwerdegegnerin unter den Landesmantelvertrag für das schweizerische Bauhauptgewerbe (LMV) als neu im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG (vgl. BGE 143 V 19 E. 1.2) zu qualifizieren sind, wie die Beschwerdegegnerin geltend macht, kann offenbleiben: Sie sind ohnehin nicht von entscheidender Bedeutung für den Ausgang dieses Verfahrens.
1.3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 148 V 209 E. 2.2). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ).
2.
2.1. Der Bundesratsbeschluss vom 5. Juni 2003 über die Allgemeinverbindlicherklärung des GAV FAR (AVE GAV FAR [BBl 2003 4039]) trat auf den 1. Juli 2003 in Kraft und wurde durch Beschlüsse vom 8. August und 26. Oktober 2006, 1. November 2007, 6. Dezember 2012, 10. November 2015, 14. Juni 2016, 7. August 2017, 29. Januar 2019 und 20. August 2024 verlängert resp. angepasst (BBl 2006 6751, 8865; 2007 7881; 2012 9763; 2015 8307; 2016 5033; 2017 5823; 2019 1891; 2024 2191).
Der betriebliche Geltungsbereich nach Art. 2 Abs. 1 lit. e und f GAV FAR sowie Art. 2 Abs. 4 lit. d und e AVE GAV FAR umfasst insbesondere "Fassadenbau- und Fassadenisolationsbetriebe [resp. selbstständige Betriebsteile; vgl. zu diesem Begriff Urteil 9C_717/2023 vom 7. August 2024 E. 6.5.1 mit Hinweis auf BGE 141 V 657 E. 4.5.2], ausgenommen Betriebe, die in der Gebäudehülle tätig sind. Der Begriff «Gebäudehülle» schliesst ein: geneigte Dächer, Unterdächer, Flachdächer und Fassadenbekleidungen (mit dazugehörendem Unterbau und Wärmedämmung) " sowie "Abdichtungs- und Isolationsbetriebe für Arbeiten an der Gebäudehülle im weiteren Sinn [...]".
Das Bundesgericht erkannte mit Urteil 9C_378/2011 vom 9. Dezember 2011 Folgendes: Ein Betrieb (resp. selbstständiger Betriebsteil), dem die Erstellung von verputzten und kompakten Fassaden das Gepräge gibt, fällt als "Fassadenbau- und Fassadenisolationsbetrieb" in den Geltungsbereich des GAV FAR resp. AVE GAV FAR (SVR 2012 BVG Nr. 23 S. 92, 9C_378/2011 E. 7.2).
2.2. Der Bundesratsbeschluss vom 5. Dezember 2016 über die Allgemeinverbindlicherklärung des GAV VRM Maler - Gipser (AVE GAV VRM Maler - Gipser [BBl 2016 8845]) trat auf den 1. Januar 2017 in Kraft und wurde durch Beschlüsse vom 17. Oktober 2017 und 21. Oktober 2021 angepasst (BBl 2017 6727; 2021 2642).
Der betriebliche Geltungsbereich nach Art. 2 GAV VRM Maler - Gipser und Art. 2 Abs. 2 AVE GAV VRM Maler - Gipser (in der bis Ende 2021 geltenden und hier massgeblichen Fassung) ergibt sich insbesondere aus der Ausführung von Maler- und Gipserarbeiten. Zu Letzteren gehören "Wand-, Decken- und Bodenkonstruktionen, Verkleidungen, Isolationen aller Art, Innen- und Aussenputze und Stukkaturen, Sanieren von Bauten und Schützen von Bauteilen sowie von Werkstücken gegen physikalische und chemische Einflüsse und solche gefährlicher Werkstoffe".
2.3. Die am GAV FAR, am (ebenfalls im Mai 2016 geschlossenen) Gesamtarbeitsvertrag für das Maler- und Gipsergewerbe (GAV Maler - Gipser) und am GAV VRM Maler - Gipser beteiligten Sozialpartner erkannten, dass sich die Geltungsbereiche der genannten Gesamtarbeitsverträge und der entsprechenden Allgemeinverbindlicherklärungen insbesondere im Bereich der Erstellung von verputzten und kompakten Fassaden überschneiden. Daher trafen sie die Vereinbarung vom 14. November 2018 "zur Regelung der Unterstellung von Betrieben und Betriebsteilen, die im Bereich der Erstellung von verputzten und kompakten Fassaden tätig sind" (nachfolgend: Abgrenzungsvereinbarung). Die Abgrenzungsvereinbarung trat gemäss deren Ziff. 7 rückwirkend auf den 1. Januar 2017 in Kraft.
Ziff. 2 Abgrenzungsvereinbarung enthält folgenden Grundsatz:
"Betriebe, die ausschliesslich verputzte und kompakte Fassaden erstellen (ausgenommen Betriebe, die in der Gebäudehülle tätig sind), unterstehen grundsätzlich dem GAV FAR."
Ziff. 3 Abgrenzungsvereinbarung regelt die Ausnahmen wie folgt:
"Ausgenommen sind Betriebe, welche kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllen:
- Sie sind mit ihrem gesamten Produktionspersonal seit dem 01.01.2017 dem Vorruhestandsmodell für das Maler- und Gipsergewerbe angeschlossen;
- Sie haben bis zu diesem Zeitpunkt für ihr Personal oder für Teile ihres Personals nie Beiträge an die Stiftung FAR (Bauhauptgewerbe) bezahlt;
- Sie waren seit Aufnahme ihrer Tätigkeit dem GAV MaGi unterstellt und dem GimaFonds angeschlossen;
- Sie erfüllen die Mindestanforderungen gemäss den einschlägigen Verordnungen des SBFI zur Ausbildung von Malerinnen/Malern bzw. Gipserinnen-Trockenbauerinnen/Gipsern-Trockenbauern."
Diese Vorgaben gelten laut Ziff. 4 Abgrenzungsvereinbarung auch für "unechte Mischbetriebe", die zwar nicht ausschliesslich verputzte und kompakte Fassaden erstellen, bei denen aber die prägende Tätigkeit bei der Erstellung von verputzten und kompakten Fassaden liegt (Ziff. 4 lit. a Abgrenzungsvereinbarung), und für eigenständige Betriebsteile eines "echten Mischbetriebs", die verputzte und kompakte Fassaden erstellen (Ziff. 4 lit. b Abgrenzungsvereinbarung; zu den Begriffen des echten resp. unechten Mischbetriebs vgl. auch Urteil 9C_717/2023 vom 7. August 2024 E. 6.5.1 und den seit dem 1. Mai 2008 geltenden Art. 2bis LMV [abrufbar unter www.svk-bau.ch/landesmantelvertrag]).
3.
3.1. Die Vorinstanz hat insbesondere festgestellt, die Beschwerdegegnerin sei nicht Mitglied des SBV und habe sich dem GAV FAR auch nicht freiwillig angeschlossen. Sie habe im Jahr 2017 resp. 2020 88 % resp. 80 % des Umsatzes im Bereich "Kompaktfassaden/verputzte Fassaden" erwirtschaftet, und die Angestellten hätten durchschnittlich 86,2 % resp. 90 % ihrer Arbeitsleistungen in diesem Bereich erbracht. Somit gebe der Bereich "Kompaktfassaden/verputzte Fassaden" dem Betrieb der Beschwerdegegnerin das Gepräge.
Weiter hat das kantonale Gericht erwogen, die Beschwerdegegnerin werde (im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2020) vom zeitlichen, räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich gemäss AVE GAV FAR erfasst. Für die in den persönlichen Geltungsbereich fallenden (d.h. nicht in der Geschäftsführung oder Administration tätigen) Mitarbeitenden hat es somit die umstrittene Beitragspflicht gemäss GAV FAR im Grundsatz bejaht. Weiter hat das Gericht erkannt, dass die Beschwerdegegnerin - ab dem 1. Januar 2017 - auch vom zeitlichen, räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich gemäss AVE GAV VRM Maler - Gipser erfasst werde und der entsprechende persönliche Geltungsbereich mit jenem gemäss AVE GAV FAR übereinstimme. Damit bestehe ab dem 1. Januar 2017 Konkurrenz zwischen zwei (als Branchenverträge zu qualifizierenden) Gesamtarbeitsverträgen.
Sodann hat das Berufsvorsorgegericht ausgeführt, den beiden Allgemeinverbindlicherklärungen lasse sich keine vertragliche Kollisionsregel resp. Subsidiaritätsbestimmung entnehmen. Der AVE GAV VRM Maler - Gipser habe als lex specialis Vorrang vor dem AVE GAV FAR. Die zwischen den beteiligten Sozialpartnern erzielte Abgrenzungsvereinbarung ändere daran nichts. Die jeweiligen GAV seien mit deren Allgemeinverbindlicherklärung der Deutungshoheit der Parteien entzogen und der ordentlichen Gesetzesauslegung sowie der Rechtsprechung zum Vorgehen bei Konkurrenz zweier Gesamtarbeitsverträge unterworfen worden. Zudem seien die Vorgaben der Abgrenzungsvereinbarung nicht sachgerecht: Insbesondere könne für die Beitragspflicht nicht von Bedeutung sein, dass ein Betrieb in der Vergangenheit Beiträge an die Stiftung FAR entrichtet habe. Die gegenteilige Regelung in Ziff. 3 Abgrenzungsvereinbarung habe die abstruse Konsequenz, dass die Beschwerdegegnerin ihre Unternehmung "schliessen", eine neue Unternehmung gründen und mit der gleichen Belegschaft weiterarbeiten könnte, um sich so ihrer Beitragspflicht gegenüber der Stiftung FAR zu entledigen. Auch hinsichtlich der Rechtssicherheit und Erkennbarkeit der Pflichten sei es angezeigt, sämtliche Maler- und Gipserbetriebe unabhängig von ihrer konkreten Tätigkeit dem GAV VRM Maler - Gipser (resp. dessen allgemeinverbindlich erklärten Teilen) zu unterstellen. Folglich hat die Vorinstanz den Anspruch der Stiftung FAR auf Vorsorgebeiträge (samt Zins) gegenüber der Beschwerdegegnerin für die Zeit bis Ende 2016 bejaht und ab dem 1. Januar 2017 (Inkrafttreten des AVE GAV VRM Maler - Gipser) verneint.
3.2. Die Stiftung FAR macht im Wesentlichen geltend, die (vom betrieblichen Geltungsbereich des AVE GAV FAR erfasste) Beschwerdegegnerin habe ihr früher Vorsorgebeiträge entrichtet, weshalb zumindest die zweite Voraussetzung von Ziff. 3 Abgrenzungsvereinbarung für eine Ausnahme von der Unterstellung unter die allgemeinverbindlich erklärten Teile des GAV FAR nicht erfüllt sei. Die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie die in der Abgrenzungsvereinbarung statuierten Kollisionsregeln nicht angewandt habe. Bei der Abgrenzungsvereinbarung handle es sich für die hier interessierende GAV-Konkurrenz um einen Unterordnungswillen der GAV-Parteien bezüglich des GAV VRM Maler - Gipser. Diese Subsidiaritätserklärung müsse auch beachtet werden, wenn sie nicht im GAV selbst, sondern in einer später separat getroffenen Vereinbarung enthalten sei. Diesbezüglich gelte das Primat des Parteiwillens. Es gebe auch keinen Grund, anders zu verfahren, wenn die Konkurrenzsituation nicht aus einem (neuen) GAV, sondern aus einer entsprechenden Allgemeinverbindlicherklärung entstehe. Diese werde durch die (nachträgliche) vertragliche Subsidiaritätsregelung nicht beendet oder ausser Kraft gesetzt. Zudem stehe es dem Gericht nicht zu, die durch die Sozialpartner einvernehmlich festgelegten Abgrenzungskriterien einer inhaltlichen Kontrolle zu unterziehen. Ohnehin könne nicht von fehlender Sachgerechtigkeit gesprochen werden, verlören doch die Arbeitnehmenden, für die bereits Beiträge an die Stiftung FAR entrichtet worden seien, mit dem Wechsel zum GAV VRM Maler - Gipser alle ihre Anwartschaften auf Leistungen gemäss GAV FAR. Bei der von der Vorinstanz aufgezeigten Möglichkeit der "Schliessung" und Neugründung eines Unternehmens handle es sich nicht um eine abstruse Konsequenz, sondern um rechtsmissbräuchliches Vorgehen, das keinen Rechtsschutz verdiene. Die Rechtssicherheit und Erkennbarkeit der Unterstellung unter einen allgemeinverbindlich erklärten GAV werde nicht durch die Anwendung des Spezialitätsprinzips oder durch generelle Unterstellung sämtlicher Maler- und Gipserbetriebe unter den GAV VRM Maler - Gipser erhöht. Für einen Betrieb wie jenen der Beschwerdegegnerin sei die Zugehörigkeit zum Bauhauptgewerbe (resp. zum betrieblichen Geltungsbereich gemäss AVE GAV FAR) ebenso leicht erkennbar wie jene zum Maler- und Gipsergewerbe (resp. zum betrieblichen Geltungsbereich gemäss AVE GAV VRM Maler - Gipser), weshalb sich Klarheit über die Unterstellung aus der Abgrenzungsvereinbarung ergeben hätte.
3.3. Die Beschwerdegegnerin behauptet, weder dem LMV unterstellt zu sein noch zum Bauhauptgewerbe zu gehören; vielmehr führe sie ein reines Maler- und Gipsergeschäft. Damit stellt sie weder substanziiert noch mit eigener Beschwerde (vgl. zur Unzulässigkeit einer Anschlussbeschwerde BGE 145 V 57 E. 10.2; 144 V 264 E. 1.2; 138 V 106 E. 2.1) ihre (vorinstanzlich bejahte) Beitragspflicht gemäss GAV FAR bis Ende 2016 in Abrede. Davon abgesehen setzt die Erfassung durch den betrieblichen Geltungsbereich gemäss AVE GAV FAR keine "formelle" Unterstellung des betroffenen Betriebs unter die allgemeinverbindlichen Bestimmungen des LMV voraus, auch wenn sich der betriebliche Geltungsbereich gemäss Art. 2 Abs. 3 des Bundesratsbeschlusses vom 10. November 1998 über die Allgemeinverbindlicherklärung des LMV (AVE LMV [BBl 1998 V 5643]) ebenfalls auf "Fassadenbau- und Fassadenisolations-Betriebe" erstreckt.
4.
4.1. Massgebliches Kriterium für den betrieblichen Geltungsbereich ist die Branche, der ein Betrieb zuzuordnen ist. Dafür ausschlaggebend sind die Tätigkeiten, die ihm das Gepräge geben, nicht hingegen der Handelsregistereintrag oder die Art und Weise, wie die Tätigkeiten ausgeführt resp. welche Hilfsmittel dabei eingesetzt werden (BGE 142 III 758 E. 2.2; 141 V 657 E. 4.5.2.1; 139 III 165 E. 3.1; Urteil 9C_298/2024 vom 14. August 2024 E. 4.1.2; 4A_402/2023 vom 26. Februar 2024 E. 4.2.2). Allfällige Nebentätigkeiten, die neben der prägenden Tätigkeit auch noch ausgeführt werden, sind diesbezüglich ohne Belang. Dass die vorinstanzlichen Feststellungen betreffend das Gepräge der Beschwerdegegnerin (vorangehende E. 3.1 Abs. 1) auf einer Rechtsverletzung beruhen oder offensichtlich unrichtig (unhaltbar, willkürlich: BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 144 V 50 E. 4.2; 135 II 145 E. 8.1) sein sollen, wird nicht (substanziiert) geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Sie bleiben daher für das Bundesgericht verbindlich (vgl. vorangehende E. 1.3). Ein Anhaltspunkt für einen erheblichen Unterschied hinsichtlich Organisation oder prägender Tätigkeit der Beschwerdegegnerin vor und nach dem 1. Januar 2017 fehlt. Folglich ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass die Beschwerdegegnerin (als "unechter Mischbetrieb" ohne eigenständigen Betriebsteil; vgl. vorangehende E. 2.3) vor und nach dem 1. Januar 2017 ein Fassadenbau- und Fassadenisolationsbetrieb im Sinne von Art. 2 Abs. 4 lit. d AVE GAV FAR war resp. ist.
4.2. Unbestritten ist, dass ab dem 1. Januar 2017 grundsätzlich ebenfalls die allgemeinverbindlich erklärten (mithin "gleichrangigen") Bestimmungen des GAV VRM Maler - Gipser auf die Beschwerdegegnerin resp. auf deren Mitarbeitende anwendbar sind, und dass in diesem Sinn hinsichtlich des flexiblen Altersrücktritts resp. des Vorruhestands (zufolge Kongruenz in räumlicher, zeitlicher, persönlicher, betrieblicher und sachlicher Hinsicht) eine (echte) GAV-Konkurrenz besteht (vgl. Urteil 4C.350/2000 vom 12. März 2001 E. 3a; PORTMANN/RUDOLPH, in: Basler Kommentar, 7. Aufl. 2019, N. 37 zu Art. 357 OR). Zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des GAV VRM Maler - Gipser als vorrangig gegenüber jenen des GAV FAR betrachtet hat.
4.3. Wenn die Vorgaben der Abgrenzungsvereinbarung zu berücksichtigen sind, ist die Rechtslage klar: Die Beschwerdegegnerin, deren Betrieb durch die Erstellung von "Kompaktfassaden/verputzte Fassaden" geprägt ist, untersteht laut Ziff. 2 und 4 Abgrenzungsvereinbarung den allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des GAV FAR; angesichts der an die Stiftung FAR entrichteten und bis Ende 2016 geschuldeten Beitragszahlungen fällt sie nicht unter die Ausnahmeregelung von Ziff. 3 Abgrenzungsvereinbarung.
4.4.
4.4.1. Die Vorinstanz ist zumindest implizit davon ausgegangen, dass der Inhalt der Abgrenzungsvereinbarung deren Anwendung von vornherein entgegensteht. Daher ist zunächst die Gültigkeit der Abgrenzungsvereinbarung zu untersuchen.
4.4.2. Die Abgrenzungsvereinbarung erklärt einerseits - im Grundsatz - den GAV VRM Maler - Gipser als subsidiär gegenüber dem GAV FAR. Anderseits enthält sie - für den Ausnahmefall, wenn genau definierte Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind - eine umgekehrte Subsidiaritätserklärung. Anders als die Beschwerdegegnerin anzunehmen scheint, kann in diesem Zusammenhang nicht von einem Vertrag zu Lasten Dritter ausserhalb der Zulässigkeit von gesamtarbeitsvertraglichen Regelungen (vgl. Art. 356 ff. OR) gesprochen werden. Die Abgrenzungsvereinbarung statuiert denn auch keine unzulässige Prioritätsbestimmung (vgl. Urteil 4C.350/2000 vom 12. März 2001 E. 3a).
Die Regelung gemäss Abgrenzungsvereinbarung bedeutet, dass insbesondere bei Betrieben, die (wie jener der Beschwerdegegnerin) bis Ende 2016 dem GAV FAR unterstanden, über dieses Datum hinaus die Anwartschaften der Mitarbeitenden auf entsprechende Überbrückungsleistungen (vgl. dazu die allgemeinverbindlich erklärten Art. 13 ff. GAV FAR und zu den Leistungsvoraussetzungen insbesondere Art. 14 Abs. 1 lit. c GAV FAR) gewahrt bleiben. Wohl weist die Vorinstanz zutreffend darauf hin, dass die bei der Beschwerdegegnerin angestellten Gipser bei einem Stellenwechsel zu einem nicht dem GAV FAR unterstellten (Gipser-) Betrieb möglicherweise nie in den Genuss entsprechender Leistungen kommen. Allerdings müssen deswegen Betriebe, denen die Erstellung von verputzten und kompakten Fassaden das Gepräge gibt, nicht zwingend (ab 2017) den Bestimmungen des GAV VRM Maler - Gipser unterstellt werden: Einerseits droht der Verlust von Anwartschaften auf FAR-Leistungen bei jedem Branchenwechsel (und damit erst recht, wenn die Branchenzugehörigkeit des Betriebs selbst ändert); anderseits bleibt auch für Gipser eine Neuanstellung bei einem dem GAV FAR unterstellten Betrieb möglich, und zwar umso eher, als die Grundsatzregel gemäss Abgrenzungsvereinbarung greift. Sodann trifft zu, dass die vorrangige Unterstellung unter den GAV VRM Maler - Gipser bewerkstelligt werden könnte, indem die beitragspflichtige Gesellschaft liquidiert und der Betrieb durch eine neu zu bildende Organisationseinheit, die alle Voraussetzungen von Ziff. 3 Abgrenzungsvereinbarung erfüllt, weitergeführt würde. Ob ein solches Vorgehen als rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 2 ZGB zu qualifizieren wäre, kann offenbleiben. Jedenfalls wäre es nicht nur mit erheblichem (finanziellen und administrativen) Aufwand, sondern auch mit beträchtlichen Risiken verbunden: Eine "blosse" Vermögensübertragung im Sinne von Art. 69 ff. des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG; SR 221.301) mit Übergang von Rechten und Pflichten wäre nicht zielführend; vielmehr müsste die neue Organisationseinheit sämtliche Verträge neu aushandeln. Ob die vorinstanzlichen Argumente die Abgrenzungsvereinbarung per se als "nicht sachgerecht" erscheinen lassen, ist somit zweifelhaft. Wie es sich damit verhält, braucht aber letztlich nicht beantwortet zu werden, wie sich sogleich ergibt.
Die Abgrenzungsvereinbarung hat weder einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt, noch verstösst dieser gegen die guten Sitten. Dass die Vereinbarung nichtig sein soll (vgl. Art. 20 OR), ist denn auch weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Das gilt insbesondere auch hinsichtlich deren rückwirkender Inkraftsetzung. Eine Ungültigkeit der Abgrenzungsvereinbarung etwa aufgrund eines Willensmangels (vgl. Art. 23 ff. OR) steht ebenfalls ausser Diskussion. Die Vorinstanz hat daher zu Unrecht die Anwendbarkeit der Abgrenzungsvereinbarung aufgrund deren Inhalts verneint. Soweit die Beschwerdegegnerin moniert, die nachträglich getroffene Abgrenzungsvereinbarung sei nicht "im Text der zwei konkurrierenden GAV integriert" worden, deutet sie zwar deren Formungültigkeit an; eine solche ist indessen nicht ersichtlich (vgl. Art. 11 ff. und Art. 356c Abs. 1 OR ). Damit steht fest, dass für die hier interessierende Konstellation (Konkurrenz zwischen GAV FAR und GAV VRM Maler - Gipser) eine gültige und unmissverständliche gesamtarbeitsvertragliche Kollisionsregelung besteht. Diese kommt einer Einschränkung des im zurücktretenden GAV festgelegten Geltungsbereichs gleich.
4.5.
4.5.1. Fraglich ist sodann, welche Bedeutung der Abgrenzungsvereinbarung mit Blick auf die in concreto ebenfalls kongruenten Anwendungsbereiche gemäss AVE GAV FAR und AVE GAV VRM Maler - Gipser zukommt.
4.5.2. Zwar trifft zu, dass die hier interessierenden Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE GAV FAR und AVE GAV VRM Maler - Gipser) selbst keine Kollisionsregel enthalten. Die Abgrenzungsvereinbarung schlug sich weder in den Verlängerungen des AVE GAV FAR vom 29. Januar 2019 und 20. August 2024 noch in der Anpassung des AVE GAV VRM Maler - Gipser vom 21. Oktober 2021 (vgl. vorangehende E. 2.1 und 2.2) nieder und wurde in diesem Sinn "nicht allgemeinverbindlich erklärt". Das bedeutet indessen nicht, dass die gesamtarbeitsvertraglich vereinbarten Kollisionsregeln von vornherein bedeutungslos sein sollen, wenn es um die Frage geht, welchem von zwei konkurrierenden GAV, die beide allgemeinverbindlich und in diesem Rahmen grundsätzlich anwendbar sind, der Vorrang zukommen soll. Diesbezüglich sind die im angefochtenen Urteil erwähnten Erwägungen des kantonalen Versicherungsgerichts in dessen Urteil VKL.2015.40 vom 10. April 2018, das weder aktenkundig noch öffentlich zugänglich ist, von vornherein ohne Belang.
Die Allgemeinverbindlicherklärung eines GAV bezweckt die Ausweitung seines Geltungsbereichs auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer des betreffenden Wirtschaftszweiges oder Berufes (Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen [AVEG; SR 221.215.311] ). Nur in diesem Sinne - Ausdehnung der Geltung auf nicht den vertragsschliessenden Sozialpartnern angeschlossene "Aussenseiter" - kann die Allgemeinverbindlicherklärung über die Vorgaben des GAV hinausgehen; Verpflichtungen, die von den am GAV beteiligten Sozialpartnern nicht vorgesehen waren, sind der Allgemeinverbindlichkeit nicht zugänglich (BGE 142 III 758 E. 4.4.2; Urteil 9C_374/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 2.7.2.1; PORTMANN/RUDOLPH, a.a.O., N. 20 zu Art. 357 OR; GIACOMO RONCORONI, Kommentar zu Art. 1-21 AVEG , in: Handbuch zum kollektiven Arbeitsrecht, 2008, S. 393 N. 1, S. 445 N. 188). Daraus folgt, dass die durch die Sozialpartner für den Fall einer Konkurrenz zwischen zwei GAV gültig vereinbarten Kollisionsregeln auch dann zu berücksichtigen sind, wenn die konkurrierenden GAV im Rahmen von Allgemeinverbindlicherklärungen grundsätzlich gleichermassen anwendbar sind (so auch PORTMANN/RUDOLPH, a.a.O., N. 38 zu Art. 357 OR; RONCORONI, a.a.O., S. 447 N. 195, S. 460 N. 243; VISCHER/ALBRECHT, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2006, N. 144 zu Art. 356 OR). Entgegen der vorinstanzlichen Auffassung bleibt in einer solchen Konstellation kein Raum für eine Auflösung der GAV-Konkurrenz nach dem Spezialitätsprinzip. Daran ändert auch das Erfordernis der leichten Erkennbarkeit einer GAV-Unterstellung, dem ohnehin keine eigenständige Bedeutung zukommt (Urteil 9C_298/2024 vom 14. August 2024 E. 4.3 und 4.4.4, zur Publikation vorgesehen), nichts.
4.6. Nach dem Gesagten sind in concreto die Vorgaben der Abgrenzungsvereinbarung massgeblich, weshalb die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des GAV FAR jenen des GAV VRM Maler - Gipser vorgehen (vgl. vorangehende E. 4.3). Damit steht fest, dass die Beschwerdegegnerin der Stiftung FAR grundsätzlich auch für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2020 Vorsorgebeiträge und entsprechenden Zins schuldet. Die Vorinstanz, die sich bisher nicht zu deren Höhe zu äussern brauchte, wird diese festzulegen haben. Insoweit ist die Beschwerde begründet.
5.
Hinsichtlich der Prozesskosten gilt die Rückweisung der Sache zu neuem Entscheid als volles Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG , unabhängig davon, ob sie beantragt oder das Begehren im Haupt- oder Eventualantrag gestellt wird (BGE 146 V 28 E. 7; 141 V 281 E. 11.1). Die unterliegende Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. D as Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 15. November 2023 wird aufgehoben, soweit es Vorsorgebeiträge an die Stiftung FAR für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2020 und entsprechenden Zins betrifft, und die Sache wird im gleichen Umfang zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Stiftung VRM Maler - Gipser, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 23. Oktober 2024
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Parrino
Die Gerichtsschreiberin: Dormann