Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_273/2023  
 
 
Urteil vom 25. September 2023  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin May Canellas, 
Gerichtsschreiber Leemann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch 
Rechtsanwälte Dr. Andri Hess und Julian Schwaller sowie Rechtsanwältin Dr. Angelika Murer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Andrea Mondini, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Patentrecht; Äquivalenzprüfung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundespatentgerichts vom 20. April 2023 (O2021_004, O2021_005). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ AG (Beschwerdeführerin) ist eingetragene Inhaberin der europäischen Patente EP xxx und EP yyy "oral formulations of deferasirox". Die beanspruchte Erfindung betrifft eine Formulierung des Wirkstoffs Deferasirox, nämlich eine spezifische Hilfsstoffe aufweisende, schluckbare Filmtablette mit einem relativen Gewichtsanteil von Deferasirox von 45-60%. Ein relativer Gewichtsanteil von 45-60% bedeutet, dass vom Gesamtgewicht der Tablette 45-60% auf den Wirkstoff Deferasirox entfallen. 
Die B.________ AG (Beschwerdegegnerin) verfügt über die Swissmedic-Zulassung Nr. zzz betreffend das Arzneimittel Deferasirox B.________ ®. 
 
B.  
Die Beschwerdegegnerin erhob am 19. April 2021 beim Bundespatentgericht Klage gegen die Beschwerdeführerin, mit der sie im Wesentlichen die Nichtigerklärung der schweizerischen Teile der europäischen Patente EP xxx und EP yyy "oral formulations of deferasirox" beantragte. 
Mit einer als Widerklage erhobenen Patentverletzungsklage verlangte die Beschwerdeführerin daraufhin die Anordnung eines im Wesentlichen dahingehenden Verbots an die Beschwerdegegnerin, das Arzneimittel Deferasirox B.________® (Swissmedic-Zulassung Nr. zzz) in der Schweiz und in Liechtenstein auf den Markt zu bringen. 
Auf Gesuch der Beschwerdeführerin hin verbot das Bundespatentgericht der Beschwerdegegnerin mit Urteil vom 15. Dezember 2021 mittels einer vorsorglichen Massnahme, dieses Arzneimittel zu vertreiben. 
Mit Urteil vom 20. April 2023 wies das Bundespatentgericht sowohl die Nichtigkeitsklage als auch die Widerklage ab. Mit Beschluss vom 12. Mai 2023 ergänzte es das Dispositiv des Urteils vom 20. April 2023 dahingehend, dass die mit Urteil vom 15. Dezember 2021 angeordneten vorsorglichen Massnahmen aufgehoben werden. 
Die Vorinstanz erachtete die Streitpatente für rechtsbeständig und wies demzufolge die Nichtigkeitsklage ab. Die Verletzungs (wider) klage der Beschwerdeführerin wies sie ab, weil sie die dritte Frage der Äquivalenzprüfung (Gleichwertigkeit) verneinte. 
 
C.  
Die Beschwerdeführerin erhebt gegen dieses Urteil Beschwerde in Zivilsachen, mit der sie die Gutheissung ihrer Widerklage beantragt: 
 
"Es sei der Beschwerdegegnerin unter Androhung einer Busse von CHF 1'000 für jeden Tag der Zuwiderhandlung gemäss Art. 343 Abs. 1 lit. c ZPO, mindestens aber CHF 5'000 gemäss Art. 343 Abs. 1 lit. b ZPO, sowie der Bestrafung ihrer Organe nach Art. 292 StGB mit Busse im Widerhandlungsfall zu verbieten, das Arzneimittel Deferasirox-B.________, Lactab, in den Stärken 90 mg, 180 mg und 360 mg (Swissmedic-Zulassung Nr. zzz) herzustellen, in die Schweiz und nach Liechtenstein einzuführen, aus der Schweiz und aus Liechtenstein auszuführen und in der Schweiz und in Liechtenstein anzubieten, zu verkaufen, anderweitig in Verkehr zu bringen, zu bewerben, zu gebrauchen oder bei einer solchen Handlung mitzuwirken." 
Ferner verlangt sie eine andere Verteilung der Prozesskosten des Massnahme- und des Hauptverfahrens, indem die Gerichtskosten vollumfänglich der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen seien, und diese ihr für das Haupt- bzw. das Massnahmeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 100'000.-- bzw. von Fr. 40'000.-- und eine Entschädigung für patentanwaltliche Unterstützung von Fr. 85'300.-- bzw. von Fr. 46'983.-- zu bezahlen habe. 
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen. Die Vorinstanz verzichtete auf eine Vernehmlassung. 
 
D.  
Mit Präsidialverfügung vom 29. Juni 2023 wurde das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung und um Anordnung von vorsorglichen Massnahmen abgewiesen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen das angefochtene Endurteil (Art. 90 BGG) des Bundespatentgerichts (Art. 75 Abs. 1 BGG) ist die Beschwerde in Zivilsachen streitwertunabhängig zulässig (Art. 74 Abs. 2 lit. e BGG). Die Beschwerdeführerin ist mit ihrer Widerklage unterlegen und daher zur Beschwerde legitimiert (Art. 76 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Unter Vorbehalt einer hinreichenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) ist auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
Eine Patentverletzung begeht, wer die patentierte Erfindung widerrechtlich benützt, wobei als Benützung auch die Nachahmung gilt (Art. 66 lit. a PatG [SR 232.14]). Eine Nachahmung im Sinne von Art. 66 lit. a zweiter Halbsatz PatG begeht, wer den patentgemässen Erfolg im Wissen um die patentierte Lehre in abweichender oder abgewandelter Form verwirklicht (BGE 143 III 666 E. 5.1; 142 III 772 E. 6.2 mit Hinweisen). Nach Art. 2 des Protokolls über die Auslegung des Artikels 69 des Europäischen Patentübereinkommens vom 29. November 2000 (SR 0.232.142.25; nachfolgend: Auslegungsprotokoll) ist bei der Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind (BGE 143 III 666 E. 5.1). 
Der Beurteilung, ob die patentierte Lehre mit äquivalenten Mitteln verwendet wird, werden regelmässig drei Fragen zugrunde gelegt. Es wird erstens verlangt, dass das abgewandelte Merkmal objektiv die gleiche Funktion für die Verwirklichung der technischen Lehre erzielen muss wie das im Patent beanspruchte (sog. Gleichwirkung); zweitens wird gefordert, dass das abgewandelte Merkmal dem Fachmann durch die patentierte Lehre nahegelegt sein muss (sog. Auffindbarkeit) und als drittes Kriterium wird die Gleichwertigkeit verlangt in dem Sinne, dass der Fachmann die abgewandelte Ausführung als gleichwertige Lösung in Betracht zieht (BGE 143 III 666 E. 5.1; 142 III 772 E. 6.2). 
Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass nach Art. 1 des Auslegungsprotokolls unter dem Schutzbereich des europäischen Patents nicht nur das zu verstehen ist, was sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt, dass aber ebenso wenig die Patentansprüche lediglich als Richtlinie dienen, und der Schutzbereich sich auch auf das erstreckt, was sich dem Fachmann nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt. Die Auslegung soll vielmehr zwischen diesen extremen Auffassungen liegen und einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbinden (BGE 143 III 666 E. 5.1). 
 
3.  
Die Vorinstanz hat das erste und das zweite Kriterium der Äquivalenzprüfung bejaht, nicht aber das dritte Kriterium (Gleichwertigkeit). Einzig dagegen richtet sich die Beschwerde. 
 
3.1. Die Vorinstanz erwog hierzu was folgt (Erwägung 80) :  
 
"Nach der dritten Frage ist eine Verletzung durch äquivalente Mittel ausgeschlossen, wenn der Fachmann bei objektiver Lektüre der Patentschrift zum Schluss gelangt, der Patentinhaber habe den Anspruch - aus welchen Gründen auch immer - so eng formuliert, dass er den Schutz für eine gleichwirkende und auffindbare Ausführung nicht beansprucht. 
Vorliegend offenbart die Beschreibung der Streitpatente einen bevorzugten Wirkstoffanteil von 56% (Abs. [0016] von EP 202, Abs. [0017] von EP 018). Im Anspruch wird aber nicht dieser Punktwert genannt, sondern eine erkennbar um diesen Punktwert gelegte Bandbreite von 45% bis 60%. Unter diesen Umständen nimmt der Fachmann an, dass die Patentinhaberin den beanspruchten Bereich gezielt verbindlich um den bevorzugten Zahlwert gelegt hat, mithin sich die Patentinhaberin bewusst entschieden hat, die Erfindung auf diesen Bereich zu spezifizieren und somit auf den ausserhalb dieser Bandbreite liegenden Schutzbereich zu verzichten. Es bleibt unter diesen Umständen und im Lichte der vorstehenden Erwägungen kein Raum, diese Bandbreite unter dem Titel der Äquivalenz durch die Berücksichtigung darüber noch weiter hinausgehender allgemein akzeptierter Toleranzen zu erweitern, denn der Fachmann nimmt an, dass die Patentinhaberin mögliche Toleranzen bereits bei der Festlegung der beanspruchten Bandbreite berücksichtigt hat. Wenn sie wollte, dass auch Ausführungsformen, die noch weiter vom bevorzugten Wert von 56% entfernt sind, vom Schutzbereich erfasst werden, so hätte sie die beanspruchte Bandbreite weiter fassen müssen. 
Obwohl es regelmässig nicht darauf ankommen kann, wo innerhalb der beanspruchten Bandbreite sich der bevorzugte Wert befindet, ist es vorliegend doch bemerkenswert, dass die obere Grenze von 60% bedeutend näher am bevorzugten Wert von 56% liegt als die untere Grenze von 45%. Hätte die Patentinhaberin einen gleich grossen Bereich ober- wie unterhalb des bevorzugten Werts beansprucht, läge die Bandbreite bei 46% bis 66%. Dass der obere Wert näher am bevorzugten Wert liegt, darf der Fachmann als weiteren Hinweis darauf sehen, dass der Wirkstoffanteil gerade eben nicht weiter gesteigert werden kann und es sich bei 60% um eine kritische und einzuhaltende Grenze handelt. 
Nach dem Gesagten ergibt sich, dass die angegriffenen Ausführungsformen, die gemäss den Produktinformationen 64,3 Gewichtsprozent Deferasirox enthalten, auch unter gebührender Berücksichtigung solcher Elemente, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind, nicht in den Schutzbereich der geltend gemachten Ansprüche fallen, denn der Fachmann darf annehmen, dass die Patentinhaberin auf den Schutz für Ausführungsformen mit weniger als 45% oder mehr als 60% Wirkstoffanteil verzichtet hat. Dies gilt selbst dann, wenn sie nur den zwischen den Parteien umstrittenen, von der Beklagten angeblich gemessenen Wert von 60,8% Deferasirox enthielten, denn auch dies liegt oberhalb der oberen Grenze von 60%." 
In der Quintessenz hielt die Vorinstanz demnach fest, dass wenn ein bevorzugter Wert offenbart und im Anspruch eine zahlenmässige Bandbreite präzisiert wird, die den bevorzugten Wert umfasst, der Fachmann annimmt, dass die Patentinhaberin auf den Schutz für Werte ausserhalb der beanspruchten Bandbreite verzichtet hat. Da das streitbetroffene Medikament der Beschwerdegegnerin einen Wirkstoffanteil oberhalb der beanspruchten Bandbreite aufweist, verneinte die Vorinstanz die dritte Äquivalenzfrage, mithin die Gleichwertigkeit. 
 
3.2. Das wird von der Beschwerdeführerin angefochten. Sie rügt eine Verletzung von Art. 8, Art. 51, Art. 66 lit. a PatG, Art. 69 des Europäischen Patentübereinkommens vom 5. Oktober 1973, revidiert in München am 29. November 2000 (EPÜ; SR 0.232.142.2) und des Protokolls zur Auslegung von Art. 69 EPÜ sowie eine Verletzung von Art. 106 ZPO. Sie ist der Auffassung, bei bundesrechtskonformer Anwendung dieser Bestimmungen hätte die Vorinstanz die dritte Äquivalenzfrage dahingehend beantworten müssen, dass der Fachmann bei objektiver Lektüre der Patentschrift nicht zum Schluss gelangt, die Patentinhaberin habe die Ansprüche so eng formuliert, dass sie auf den Schutz für Ausführungsformen mit mehr als 60% Wirkstoffanteil verzichte.  
Zur Begründung macht sie geltend, die Vorinstanz verletze den Grundsatz des Anspruchsprimats, indem sie ihren Erwägungen den in der Beschreibung enthaltenen bevorzugten Wirkstoffanteil von 56% voranstelle, anstatt vom anspruchsgemässen Bereich "45-60 Gewichtsprozent" auszugehen. Ausgehend von dem in der Beschreibung erwähnten Punktwert leite sie dann fälschlicherweise ab, der Fachmann erkenne, dass die anspruchsgemässe Bandbreite von 45-60 Gewichtsprozent gezielt um diesen Punktwert gelegt sei und folglich denkbare Toleranzen bereits berücksichtige. 
Ferner ignoriere die Vorinstanz mit ihrer Vorgehensweise den Gesamtoffenbarungsgehalt der Beschreibung, indem sie sich einseitig auf den einen ausgewählten Hinweis in der Beschreibung bezüglich eines bevorzugten Punktwerts konzentriere, aber die weiteren Hinweise in den Streitpatenten bezüglich der Wirkstoffkonzentration in den erfindungsgemässen Tabletten ignoriere. Aus der Gesamtoffenbarung werde deutlich, dass der beanspruchte Bereich nicht in Abhängigkeit vom bevorzugten Wert definiert und um diesen herum gelegt worden sei, und dass es in sich stimmig, konsequent und logisch sei, dass der bevorzugte Wert von 56% gemäss der Beschreibung näher an der oberen als an der unteren Bereichsgrenze liege. 
 
3.3. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Angabe einer exakten und nicht bloss einer ungefähren Bandbreite für eine genau bestimmbare Grösse, wie sie hier für den Wirkstoff Deferasirox mit der genauen Bandbreite von 45-60% beansprucht wird, durfte von der Vorinstanz ohne Bundesrechtsverletzung als Verzicht auf Wirkstoffanteile ausserhalb der genau definierten Bandbreite interpretiert werden. Dass der innerhalb dieser Bandbreite liegende Präferenzwert von 56% nicht im Anspruch selbst, sondern in der Beschreibung enthalten ist, ändert daran nichts. Die Vorinstanz hat mit ihrer Argumentation den Grundsatz des Anspruchsprimats nicht verletzt. Obwohl sie ihre diesbezügliche Erwägung 80 mit dem in der Beschreibung genannten Präferenzwert einleitete, wird aus den folgenden Überlegungen klar, dass sie sich auch bei der Prüfung der dritten Äquivalenzfrage am Anspruchswortlaut und dem dort zahlenmässig definierten Rahmen für den Wirkstoffanteil orientierte. Sie würdigte diesen aber korrekterweise auch im Lichte der Beschreibung, um festzustellen, dass der dort genannte Präferenzwert innerhalb des anspruchsgemässen Zahlenrahmens liegt, und zwar deutlich mehr an der oberen Zahlengrenze. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin leidet das angefochtene Urteil nicht "an demselben Mangel, den das Bundesgericht in seinem Urteil 'Urinalventil' (BGE 142 III 77[2]) konstatieren musste". Im genannten Entscheid ging es nicht um eine Zahlenangabe, sondern um ein verbal umschriebenes Anspruchsmerkmal. Das Anspruchsprimat bedeutet nicht, dass Hinweise in der Beschreibung bei der Auslegung unberücksichtigt bleiben müssten. Auch für das dritte Kriterium der Gleichwertigkeit, mit dem gefragt wird, ob aus fachmännischer Sicht der Patentinhaber, der die Ansprüche formuliert hat, auch für die abgewandelte Form Schutz beansprucht, muss der Wortlaut des Anspruchs im Lichte des fachmännischen Verständnisses von Beschreibung und Zeichnung ausgelegt werden (vgl. dazu BGE 142 III 772 E. 6.2.3). Die Vorinstanz durfte daher im Lichte der Beschreibung prüfen, welche Bedeutung der Fachmann dem im Anspruch definierten Zahlenrahmen beimisst. Eine Verletzung des Anspruchsprimats ist nicht ersichtlich.  
Ebenso wenig überzeugt der Vorwurf, die Vorinstanz habe den Gesamtoffenbarungsgehalt der Beschreibung ignoriert und sich einseitig auf den darin angegebenen Präferenzwert konzentriert. Die Beschwerdeführerin unterbreitet dem Bundesgericht lediglich die eigenen Schlüsse, die sie aus den Hinweisen in der Beschreibung zieht, ohne aber aufzuzeigen, dass die Auffassung der Vorinstanz bundesrechtswidrig wäre, wonach der Fachmann unter den festgestellten Umständen annehme, dass die Patentinhaberin den beanspruchten Bereich gezielt verbindlich um den bevorzugten Zahlwert gelegt habe. Namentlich erklärt die Beschwerdeführerin nicht, welchen Sinn die im Anspruch zahlenmässig genau definierte Bandbreite, welche den präferierten Wert in der Beschreibung umfasst, sonst haben soll, als den Verzicht auf Werte ausserhalb der exakten Bandbreite. Möchte die Patentinhaberin sich nicht auf eine solche festlegen lassen und darüber hinausgehende allgemeine Toleranzen nicht ausschliessen, hat sie es selbst in der Hand, ihren Anspruch entsprechend zu formulieren. Die Beschwerdeführerin hat es sich selber zuzuschreiben, dass sie im Anspruch keinen weiter gefassten bzw. offen formulierten Zahlenrahmen definiert hat, ohne eindeutige Hinweise zu beschreiben, dass der Rahmen überschritten werden könne. 
Die Vorinstanz hat zudem nicht ausschlaggebend einzig berücksichtigt, dass der bevorzugte Wert von 56% näher an der oberen Bereichsgrenze liegt. Sie hat das bloss als zusätzliches Argument angeführt, indem sie darin einen "weiteren" Hinweis an den Fachmann erblickte, dass der Wirkstoffanteil nicht weiter gesteigert werden kann und es sich bei 60% um eine kritische und einzuhaltende Grenze handelt. Die Beschwerdeführerin vermag nicht überzeugend zu widerlegen, dass die Tatsache, dass der Vorzugswert deutlich näher an der Obergrenze des beanspruchten Zahlenrahmens liegt, gerade im Hinblick auf das angestrebte Ziel einer Erhöhung des Wirkstoffanteils bemerkenswert ist und dem Fachmann nahelegt, dass es oberhalb des Zahlenrahmens Probleme geben könnte. Die Beschwerdegegnerin bemerkt dies zutreffend.  
 
3.4. Die Beschwerdeführerin moniert in diesem Zusammenhang einen Widerspruch in der Begründung des angefochtenen Entscheids, indem die Vorinstanz bei der Prüfung der zweiten Äquivalenzfrage (Auffindbarkeit) in den Erwägungen 77 und 78 ausgeführt habe, der Anteil in der angegriffenen Ausführungsform von 64,3% Deferasirox sei für den Fachmann sogar dann auffindbar, wenn die Streitpatente allein als Ausgangspunkt genommen würden. Gemäss Beschwerdeführerin ist damit erstellt, dass die technische Anleitung in den Streitpatenten den Fachmann anweise, dass die Erfindung über den Wortsinn hinaus mit einem Wirkstoffgehalt von 64,3% verwirklicht werden könne. In einem solchen Fall müsse nach BGE 143 III 666 E. 5.5.3 Schutz gewährt werden.  
Auch die Beschwerdegegnerin, die ihrerseits die Bejahung der zweiten Äquivalenzfrage bekämpft, ist der Auffassung, dass die von der Beschwerdeführerin angerufenen Erwägungen 77 und 78 des angefochtenen Urteils eine gewisse Inkonsistenz zu den übrigen Erwägungen aufweisen, wo die Vorinstanz durchgehend auf den im Anspruch definierten Wirkstoffgehalt von 45-60% abstellt. Nachdem das Bundesgericht hier ausschliesslich zu überprüfen hat, ob die Vorinstanz die dritte Äquivalenzfrage bundesrechtskonform verneint hat, ist auf die diesbezüglichen Feststellungen und Erwägungen der Vorinstanz abzustellen und nicht auf die - von der Beschwerdegegnerin substantiiert bestrittenen - Ausführungen zur zweiten Äquivalenzfrage. Es bleibt somit dabei, dass die Vorinstanz bei der dritten Äquivalenzfrage auf die eindeutige Zahlenangabe in den Patentansprüchen abstellen durfte. Darauf muss sich die Beschwerdeführerin behaften lassen. Dem Patent ist nicht zu entnehmen, dass es nicht auf die Einhaltung der spezifisch beanspruchten Zahlenwerte ankomme. Insofern stimmt die vorinstanzliche Beurteilung mit dem angerufenen BGE 143 III 666 E. 5.5.3 überein, wo ausgeführt wird, die Beschränkung des Schutzbereichs auf die wortsinngemässe Ausführung rechtfertige sich insoweit, als der fachmännische Dritte die Patentschrift so verstehen darf, dass der Inhaber den Schutz für die äquivalente Ausführung ausgeschlossen hat. Wer seinen Willen ausdrücklich oder sinngemäss äussere, habe sich auf dem Sinn seines Verhaltens behaften zu lassen, den der Adressat dieser Äusserung in guten Treuen zumessen dürfe. Das trifft hier auf die exakte zahlenmässige Definition der im Anspruch genannten Bandbreite des Wirkstoffanteils zu, zumal der in der Beschreibung bevorzugte Wert innerhalb dieser Bandbreite situiert ist. 
 
3.5. Schliesslich beanstandet die Beschwerdeführerin das angefochtene Urteil im Lichte von Art. 69 EPÜ und des Auslegungsprotokolls, wonach ein angemessener Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbunden werde. Der Beschwerdeführerin sei es mit der erfindungsgemässen Formulierung gelungen, die Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs Deferasirox erheblich zu steigern, was bedeute, dass neu weniger Wirkstoff erforderlich sei, um in Patienten die gleiche therapeutische Wirkung zu erzielen wie mit den früheren Tabletten, was namentlich bei Langzeiteinnahmen für die Patienten bedeutsam sei. Die Formulierung des Generikums der Beschwerdegegnerin sei nicht nur ohne weiteres als durch die patentierte Lehre inspiriert erkennbar, sie sei direkt der beanspruchten Lehre entnommen. Sie habe lediglich den relativen Wirkstoffgehalt in der Tablette leicht verändert, und zwar präzise in die Richtung, welche die Streitpatente lehrten, nämlich nach oben, von beansprucht 60% auf 64,3%. Im Lichte der Umstände sei es angemessen, den Schutz der Streitpatente auf die Formulierung der Beschwerdegegnerin zu erstrecken. Dies sei auch mit dem Erfordernis einer ausreichenden Rechtssicherheit für Dritte vereinbar.  
Die Beschwerdegegnerin bestreitet die von der Beschwerdeführerin angeführten "Umstände". Zu Recht macht sie in grundsätzlicher Hinsicht geltend, dass die Beanspruchung eines "angemessenen Patentschutzes" (vgl. dazu E. 2 mit Hinweis auf BGE 143 III 666 E. 5.1) gerade nicht von der Äquivalenzprüfung entbindet und gewissermassen Schutz für einen allgemeinen Erfindungsgedanken erheischt. Hat sich aber bei der dritten Äquivalenzfrage ergeben, dass die Beschwerdeführerin nach fachmännischem Verständnis auf Schutz für Ausführungsformen ausserhalb des beanspruchten Zahlenrahmens verzichtet hat, bleibt auch im Lichte von Art. 69 EPÜ und des Auslegungsprotokolls kein Raum für eine Ausweitung des Patentschutzes über den beanspruchten Bereich. 
 
3.6. Zusammenfassend hat die Vorinstanz die dritte Äquivalenzfrage auch nach der Beurteilung des Bundesgerichts zu Recht verneint, ohne die anwendbaren Normen zu verletzen. Damit erübrigt es sich, auf die Vorbringen der Beschwerdegegnerin einzugehen, die - für den Fall, dass das Bundesgericht die dritte Äquivalenzfrage bejahen sollte - die vorinstanzliche Bejahung der ersten und der zweiten Äquivalenzfrage in Abrede stellt.  
 
4.  
Die Anträge betreffend Kosten, Parteientschädigung und Patentanwaltskosten im Massnahme- und im Hauptverfahren stellt die Beschwerdeführerin nur für den Fall der Gutheissung der Beschwerde. Nachdem die Beschwerde abgewiesen wird, bleibt es auch diesbezüglich beim Entscheid der Vorinstanz. 
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 23'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 25'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundespatentgericht schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. September 2023 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Leemann