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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_732/2024  
 
 
Urteil vom 25. September 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiber Stadler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Diego R. Gfeller, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Jugendanwaltschaft Zürich-Stadt, 
Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Zwangsmassnahmengericht, vom 18. Juni 2024 (GT240096-L / U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Jugendanwaltschaft Zürich-Stadt führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts auf Vergewaltigung, Tätlichkeiten, Filmen von sexuellen Handlungen, Drohungen und Vollzug von sexuellen Handlungen mit Kindern. In diesem Zusammenhang wurde am 30. April 2024 das Mobiltelefon iPhone 14 von A.________ sichergestellt. Anlässlich der Sicherstellung wie auch anlässlich der durchgeführten polizeilichen Einvernahme verlangte A.________ die Siegelung des Mobiltelefons. 
 
B.  
Am 17. Mai 2024 ersuchte die Jugendanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Zürich um Entsiegelung des sichergestellten Mobiltelefons. Mit Verfügung vom 28. Mai 2024 wurde A.________ Frist angesetzt, um zum Entsiegelungsantrag der Jugendanwaltschaft Stellung zu nehmen. Mit Verfügung vom 18. Juni 2024 trat das Zwangsmassnahmengericht auf das Entsiegelungsgesuch mangels eines gültigen Siegelungsantrags nicht ein und ordnete die Freigabe des Geräts an die Jugendanwaltschaft zur Durchsuchung und weiteren Verwendung in der laufenden Strafuntersuchung an. 
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht, die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 18. Juni 2024 sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. 
Mit Verfügung vom 24. Juli 2024 erkannte der Präsident der II. strafrechtlichen Abteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu. 
Die kantonalen Akten wurden beigezogen. Das Zwangsmassnahmengericht hat sich nicht vernehmen lassen, die Jugendanwaltschaft auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein nach Art. 248a StPO in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009 (SR 312.1) kantonal letztinstanzlicher Entscheid eines Zwangsmassnahmengerichts. Dagegen steht gemäss Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht grundsätzlich offen. Der angefochtene Entsiegelungsentscheid schliesst die gegen den Beschwerdeführer geführte Strafuntersuchung nicht ab und betrifft weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren im Sinne von Art. 92 BGG
Wird im Entsiegelungsverfahren ausreichend substanziiert geltend gemacht, dass einer Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen, droht nach der Praxis des Bundesgerichts im Fall der Entsiegelung ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, weil die Offenbarung eines Geheimnisses nicht rückgängig gemacht werden kann (so aus der jüngeren Rechtsprechung etwa die Urteile 7B_132/2024 vom 19. August 2024 E. 1.2; 7B_106/2022 vom 16. November 2023 E. 1.2; 7B_301/2023 vom 11. September 2023 E. 2.1; 7B_58/2023 vom 10. Juli 2023 E. 2.1; 1B_155/2023 vom 10. Mai 2023 E. 1.2; teilweise mit weiteren Hinweisen). Dies ist hier der Fall, macht der Beschwerdeführer doch geltend, auf dem Mobiltelefon in den Mails befinde sich geschützte Anwaltskorrespondenz. 
Da auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
 
3.  
 
3.1. Die siegelungsberechtigte Person trifft im Entsiegelungsverfahren die prozessuale Obliegenheit, allfällige Geheimhaltungsinteressen bzw. Entsiegelungshindernisse im Sinne von Art. 248 Abs. 1 und Art. 264 StPO ausreichend zu substanziieren. Dagegen wird nicht verlangt, dass sie die Siegelungsgründe bereits im Rahmen ihres Siegelungsantrags im Detail begründet. Eine übertriebene prozessuale Strenge bei der Handhabung formeller Anforderungen für die Siegelung (etwa betreffend rechtzeitige Erhebung oder "Begründung" von Siegelungsbegehren) würde den im Gesetz vorgesehenen Rechtsschutz von betroffenen Personen gegenüber strafprozessualen Zwangsmassnahmen aushöhlen. Damit eine Siegelung durch die Strafverfolgungsbehörde erfolgt, muss die betroffene Person aber immerhin einen spezifischen Siegelungsgrund sinngemäss anrufen bzw. glaubhaft machen (so etwa die Urteile 7B_22/2024 vom 9. April 2024 E. 3.2; 7B_300/2023 vom 4. April 2024 E. 2; je mit weiteren Hinweisen).  
 
3.2. Ausgehend von der dargestellten bundesgerichtlichen Rechtsprechung erwägt die Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe weder anlässlich der Siegelung noch in der polizeilichen Einvernahme Siegelungsgründe geltend gemacht. Insofern habe er im Siegelungsantrag keine Geheimnisschutzinteressen geltend gemacht. Der Siegelungsantrag sei damit ungültig, weshalb keine gültige Siegelung stattgefunden habe.  
Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, das Siegelungsbegehren sei rechtzeitig und mehrfach mit dem Anwaltsgeheimnis begründet worden, nämlich im Rahmen eines Telefonats und in einer E-Mail-Nachricht an die zuständige Jugendanwältin, welche die Kenntnisnahme vom Siegelungsbegehren und seiner Begründung bestätigt habe. Indessen tut er nicht dar, dass er zu einer dahingehenden Sachverhaltsergänzung im bundesgerichtlichen Verfahren berechtigt wäre (vgl. E. 2 hiervor), und dies ist auch nicht ersichtlich. Im Gegenteil wurde der Beschwerdeführer im Verfahren vor der Vorinstanz mit Verfügung vom 28. Mai 2024 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er die Siegelung ohne Angabe von Siegelungsgründen verlangt habe, weshalb sich die Frage der Gültigkeit des Siegelungsbegehrens stelle, und es wurde ihm Frist eingeräumt, um zum Entsiegelungsantrag und "insbesondere zur Gültigkeit des Siegelungsbegehrens Stellung zu nehmen". In seiner Stellungnahme widersprach der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer der Feststellung, wonach er keine Siegelungsgründe genannt habe, nicht und äusserte sich nicht zur Frage der Gültigkeit des Siegelungsbegehrens. Unter diesen Umständen kann er der Vorinstanz aber keinen Vorwurf machen, wenn diese ohne weitere Nachforschungen von einem ungültigen Siegelungsantrag ausgeht und auf das Entsiegelungsbegehren demzufolge nicht eintritt, und zwar unabhängig davon, dass die Jugendanwaltschaft keinen dahingehenden Antrag gestellt hat. 
 
4.  
Die Beschwerde ist unbegründet und abzuweisen. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG). Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Situation ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Jugendanwaltschaft Zürich-Stadt und dem Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmengericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. September 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Stadler