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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_962/2023  
 
 
Urteil vom 26. Februar 2024  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Muschietti, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter von Felten, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Eveline Roos, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung; (teil-) bedingter Strafvollzug, Widerruf (Widerhandlungen gegen das BetmG), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 15. Mai 2023 
(SK 22 58). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ hat in der Zeit vom 1. August 2018 bis zum 24. Juli 2019 gemeinsam mit zwei weiteren Personen Cannabispflanzen angebaut, hergestellt, besessen und Anstalten zum Verkauf getroffen. Ferner hat er in der Zeit vom 22. Oktober 2018 bis Juni 2019 Haschisch und Marihuana konsumiert. 
 
B.  
Das Regionalgericht Emmental-Oberaargau verurteilte A.________ am 22. Oktober 2021 wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, teilweise bandenmässig qualifiziert begangen, zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten und einer Busse von Fr. 200.--. Es verzichtete auf die Anordnung einer Landesverweisung und widerrief den mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg vom 21. August 2018 für eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 50.-- gewährten bedingten Vollzug. Es regelte die Kosten- und Entschädigungsfolgen und traf die weiteren Verfügungen. 
A.________ erhob gegen dieses Urteil Berufung, beschränkt auf die unbedingte Freiheitsstrafe, den Widerruf des bedingten Vollzugs der Vorstrafe und die Auferlegung der Verfahrenskosten für das Widerrufsverfahren. Die Generalstaatsanwaltschaft verzichtete auf eine Anschlussberufung. 
 
C.  
Das Obergericht des Kantons Bern stellte am 15. Mai 2023 zunächst die teilweise Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils fest. Es verurteilte A.________ gestützt auf die rechtskräftigen erstinstanzlichen Schuldsprüche zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, widerrief den ihm mit dem obgenannten Strafbefehl für eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 50.-- gewährten bedingten Vollzug, auferlegte ihm die Verfahrenskosten und traf die notwendige Verfügung. 
 
D.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
E.  
Das Obergericht beantragt mit Verweis auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil die Abweisung der Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern lässt sich nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde an das Bundesgericht ist ein reformatorisches Rechtsmittel (Art. 107 Abs. 2 BGG). Ein blosser Antrag auf Rückweisung ist nicht zulässig, es sei denn, das Bundesgericht könnte ohnehin nicht reformatorisch entscheiden (BGE 137 II 313 E. 1.3; 136 V 131 E. 1.2; 134 III 379 E. 1.3; je mit Hinweisen). Da die Beschwerdebegründung zur Interpretation des Rechtsbegehrens beigezogen werden kann, genügt nach der Rechtsprechung ein Begehren ohne einen Antrag in der Sache dann, wenn sich aus der Begründung zweifelsfrei ergibt, was mit der Beschwerde angestrebt wird (BGE 136 V 131 E. 1.2; Urteile 6B_594/2022 vom 9. August 2023 E. 3; 6B_119/2023 vom 1. Mai 2023 E. 1). 
Der Beschwerdeführer stellt keinen materiellen Antrag, sondern verlangt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung an die Vorinstanz. Jedoch ergibt sich aus seiner Beschwerdebegründung, dass er die Gewährung des bedingten, eventualiter teilbedingten Vollzugs der ausgesprochenen Freiheitsstrafe begehrt, und sich gegen den Widerruf des für die Geldstrafe von 150 Tagessätzen gewährten bedingten Vollzugs wendet. Das Rechtsbegehren ist in diesem Sinne auszulegen und die Beschwerde dementsprechend entgegenzunehmen. Hinzu kommt, dass vorliegend angesichts des vorinstanzlichen Ermessens bei der Strafzumessung gar kein reformatorischer Entscheid ergehen könnte (vgl. E. 2.4.4). 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die Vorinstanz die Freiheitsstrafe unbedingt ausspricht. Er macht geltend, sie lasse den Vorstrafen bei der Beurteilung der Legalprognose entgegen den gesetzlichen Bestimmungen eine vorrangige Bedeutung zukommen und nehme keine Gesamtwürdigung aller Prognosefaktoren vor, womit sie Art. 42 Abs. 1 StGB verletze. Eventualiter argumentiert er, die Vorinstanz prüfe die Voraussetzungen für die Gewährung des teilbedingten Vollzugs nicht und verletze damit Art. 43 Abs. 1 StGB. Schliesslich wendet er sich gegen den Widerruf des für die Geldstrafe von 150 Tagessätzen gewährten bedingten Vollzugs und rügt, die Vorinstanz berücksichtige nicht sämtliche massgebenden Umstände und nehme keine Gesamtbeurteilung aller prognoserelevanten Faktoren vor.  
 
2.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer sei am 7. Dezember 2015 von der Regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland wegen Fahrens eines Motorfahrzeuges in fahrunfähigem Zustand sowie wegen einer Übertretung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Geldstrafe von 15 Tagessätzen sowie einer Busse und am 21. August 2018 von der Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg wegen eines Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen sowie einer Busse verurteilt worden. Die letztgenannte Verurteilung habe ebenfalls den Aufbau einer Indooranlage betroffen. So habe der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 21. November 2016 bis 3. Februar 2017 gemeinsam mit einem Komplizen und weiteren Helfern eine Indooranlage in einer Industrieanlage zur Aufzucht von 761 Marihuana-Pflanzen betrieben. In die Anlage habe er rund Fr. 10'000.-- investiert. Im Rahmen des dortigen Verfahrens sei der Beschwerdeführer im Februar 2017 für 22 Tage in Untersuchungshaft gewesen. Noch vor Abschluss dieses Verfahrens habe er am 1. August 2018 erneut mit dem Aufbau einer Indooranlage begonnen - diesmal in noch grösserem Umfang. Weder die am 24. August 2018 ausgesprochene bedingte Geldstrafe noch die im Jahre 2017 erlittene Untersuchungshaft hätten ihn vom deliktischen Treiben abbringen lassen. Wer vor Abschluss des vorherigen Strafverfahrens wiederum einschlägig deliktisch tätig werde, zeige eine Unbelehrbarkeit, welche eine negative Legalprognose förmlich aufdränge. Neutral zu werten sei demgegenüber, dass der Beschwerdeführer während des vorliegenden Verfahrens nicht mehr aktenkundig geworden sei. An dieser Beurteilung vermöge auch seine aktuelle Lebenssituation nichts zu ändern: Beruflich oder familiär lägen keine Umstände und insbesondere keine zwischenzeitlich veränderten Gegebenheiten vor, welche - trotz der einschlägigen strafrechtlichen Vorbelastung - auf eine positive Prognose schliessen liessen. So sei der Beschwerdeführer - auch aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes - beruflich nicht integriert. Die Betreuung seines Sohnes habe nicht dazu geführt, dass er - nachdem gegen ihn ein Verfahren gelaufen bzw. er vorbestraft gewesen sei und er gar 22 Tage in Untersuchungshaft verbracht habe - auf weitere deliktische Tätigkeit verzichtet habe. Es sei nicht einzusehen, weshalb dies nunmehr anders sein sollte. Ebenso habe der Beschwerdeführer im Verfahren angegeben, glücklich verheiratet zu sein. Die zwischenzeitliche Scheidung und die erneute baldige Heirat vermöge die Prognose nicht zu verbessern, zumal die Kinderplanung im Wissen um eine drohende unbedingt zu vollziehende Freiheitsstrafe erfolgt sei. Vielmehr befinde sich der Beschwerdeführer im Grossen und Ganzen in einer Situation - bald verheiratet, Bezieher einer IV-Teilrente, keine Arbeitstätigkeit -, die jener vor einigen Jahren entspreche und die ihn nicht von den Taten abgehalten habe. Im Grundsatz zutreffend seien die Ausführungen der Verteidigung, wonach eine unbedingte Freiheitsstrafe auch das gesamte Umfeld des Beschwerdeführers betreffen würde, da dieses in der Folge die gesamte Kinderbetreuung übernehmen müsse. Es liege jedoch in der Natur der Sache, dass bei familiär gebundenen Tätern Dritte durch den Vollzug einer Freiheitsstrafe mitbetroffen seien. Dies vermöge an der Legalprognose nichts zu ändern. Bezüglich der konkreten Situation sei festzuhalten, dass die Mutter seines Sohnes am gleichen Ort wie der Beschwerdeführer wohne, dass sie bereits heute 35 % der Obhut übernehme und dass der Sohn eine Sonderschule besuche, welche ganztags eine Betreuung anbiete. Weiter sei auch eine teilweise Betreuung durch die neue Ehefrau des Beschwerdeführers denkbar, zumal diese derzeit keiner Arbeitstätigkeit nachgehe. Die Vorinstanz hält abschliessend fest, dass gestützt auf diese Umstände eine negative Prognose vorliege und die Freiheitsstrafe von 21 Monaten zu vollziehen sei (Urteil S. 14 f.).  
Hinsichtlich der Prüfung des Widerrufs führt die Vorinstanz aus, vorliegend falle ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer noch vor Abschluss des Verfahrens, das zur Verurteilung zu der bedingt zu vollziehenden Geldstrafe geführt habe, wieder mit einschlägiger Delinquenz begonnen und während der Probezeit seine illegale Tätigkeit sogar noch mit grösserer Professionalität und Intensität betrieben habe. Dies zeige eine Uneinsichtigkeit, die zu einer Schlechtprognose führe, woran auch die im vorliegenden Verfahren ausgesprochene Freiheitsstrafe nichts zu ändern vermöge. So habe denn auch die im Verfahren im Kanton Freiburg angeordnete Untersuchungshaft von 22 Tagen nicht dazu geführt, dass der Beschwerdeführer sich dem Ernst der Lage bewusst geworden und er von seinem deliktischen Treiben abgelassen habe. Infolge der negativen Legalprognose sei der mit Strafbefehl des Kantons Freiburg vom 21. August 2018 für eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 50.-- bedingt gewährte Vollzug zu widerrufen (Urteil S. 16). 
 
2.3.  
 
2.3.1. Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Es kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen (Art. 43 Abs. 1 StGB). Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen (Art. 43 Abs. 2 StGB). Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen (Art. 43 Abs. 3 Satz 1 StGB).  
 
2.3.2. Für die Gewährung des bedingten Strafvollzuges im Rahmen von Art. 42 Abs. 1 StGB genügt die Abwesenheit der Befürchtung, der Täter werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen. Vom Strafaufschub darf deshalb grundsätzlich nur bei ungünstiger Prognose abgesehen werden (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2, 97 E. 7.3). Bei Freiheitsstrafen von höchstens zwei Jahren ist im Rahmen von Art. 42 Abs. 1 StGB der vollständige Strafaufschub daher die Regel. Der teilbedingte Vollzug kommt nur (subsidiär) zur Anwendung, wenn der Aufschub wenigstens eines Teils der Strafe aus spezialpräventiver Sicht erfordert, dass der andere Strafteil unbedingt ausgesprochen wird. Ergeben sich - insbesondere aufgrund früherer Verurteilungen - ganz erhebliche Bedenken an der Legalbewährung des Täters, die bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände eine eigentliche Schlechtprognose noch nicht zu begründen vermögen, so kann das Gericht an Stelle des Strafaufschubs den teilbedingten Vollzug gewähren. Auf diesem Wege kann es im Bereich höchst ungewisser Prognosen dem Dilemma "Alles oder Nichts" entgehen. Art. 43 StGB hat die Bedeutung, dass die Warnwirkung des Teilaufschubes angesichts des gleichzeitig angeordneten Teilvollzuges für die Zukunft eine weitaus bessere Prognose erlaubt. Erforderlich ist aber stets, dass der teilweise Vollzug der Freiheitsstrafe für die Erhöhung der Bewährungsaussichten unumgänglich erscheint (BGE 144 IV 277 E. 3.1.1; 134 IV 1 E. 5.5.2). Besteht hingegen keinerlei Aussicht, dass der Täter sich durch den - ganz oder teilweise - gewährten Strafaufschub im Hinblick auf sein zukünftiges Legalverhalten positiv beeinflussen lässt, ist die Strafe in voller Länge zu vollziehen (BGE 144 IV 277 E. 3.1.1; 134 IV 1 E. 5.3.1; zum Ganzen: Urteile 6B_1157/2022 vom 24. Februar 2023 E. 2.3.2; 6B_1070/2018 vom 14. August 2019 E. 5.2.2).  
 
2.3.3. Begeht die verurteilte Person während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass sie weitere Straftaten verüben wird, so widerruft das Gericht die bedingte Strafe oder den bedingten Teil der Strafe. Sind die widerrufene und die neue Strafe gleicher Art, so bildet das Gericht nach Art. 46 Abs. 1 StGB (in der ab 1. Januar 2018 gültigen Fassung) in sinngemässer Anwendung von Art. 49 StGB eine Gesamtstrafe. Die Bildung einer Gesamtstrafe ist nur bei Strafen gleicher Art möglich; ungleichartige Strafen sind kumulativ zu verhängen (BGE 145 IV 146 E 2.1 ff.). Ein während der Probezeit begangenes Verbrechen oder Vergehen führt nicht zwingend zum Widerruf des bedingten Strafaufschubs (vgl. Art. 46 Abs. 2 Satz 1 StGB). Dieser soll nach Art. 46 Abs. 1 StGB nur erfolgen, wenn wegen der erneuten Straffälligkeit eine eigentliche Schlechtprognose besteht (BGE 134 IV 140 E. 4.3). Die mit der Gewährung des bedingten Vollzugs abgegebene Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters ist somit unter Berücksichtigung der neuen Straftat frisch zu formulieren. Das Nebeneinander von zwei Sanktionen erfordert eine Beurteilung in Varianten: Möglich ist, dass der Vollzug der neuen Strafe erwarten lässt, der Verurteilte werde dadurch von weiterer Straffälligkeit abgehalten, weshalb es nicht notwendig erscheine, den bedingten Vollzug der früheren Strafe zu widerrufen. Umgekehrt kann der nachträgliche Vollzug der früheren Strafe dazu führen, dass eine Schlechtprognose für die neue Strafe im Sinne von Art. 42 Abs. 1 StGB verneint und diese folglich bedingt ausgesprochen wird (vgl. BGE 144 IV 277 E. 3.2; 134 IV 140 E. 4.5 mit Hinweisen; zum Ganzen: Urteile 1376/2022 vom 12. September 2023 E. 1.3; 6B_244/2021 vom 17. April 2023 E. 5.3.5; 6B_355/2021 vom 22. März 2023 E. 2.3.1; je mit Hinweisen).  
 
2.3.4. Bei der Prüfung des künftigen Wohlverhaltens bzw. der Bewährungsaussichten sind alle wesentlichen Umstände zu beachten. Zu berücksichtigen sind neben den Tatumständen namentlich das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Ein relevantes Prognosekriterium ist insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung, die Sozialisationsbiografie, das Arbeitsverhalten oder das Bestehen sozialer Bindungen. Dabei sind die persönlichen Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Entscheids miteinzubeziehen. Es ist unzulässig, einzelnen Umständen eine vorrangige Bedeutung beizumessen und andere zu vernachlässigen oder überhaupt ausser Acht zu lassen (vgl. zu Art. 42 f. StGB: BGE 135 IV 180 E. 2.1; Urteile 6B_1308/2023 vom 22. Januar 2024 E. 4.3.3; 6B_563/2023 vom 6. Dezember 2023 E. 7.2.3; 6B_1485/2022 vom 23. Februar 2023 E. 2.3; siehe zu Art. 46 StGB: BGE 134 IV 140 E. 4.4; Urteile 1376/2022 vom 12. September 2023 E. 1.3; 6B_244/2021 vom 17. April 2023 E. 5.3.5; 6B_355/2021 vom 22. März 2023 E. 2.3.1; je mit Hinweisen).  
 
2.3.5. Dem Gericht steht bei der Prüfung der Prognose des künftigen Legalverhaltens ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur korrigierend ein, wenn eine Überschreitung oder ein Missbrauch des Ermessens und damit eine Verletzung von Bundesrecht gegeben ist (BGE 145 IV 137 E. 2.2; 134 IV 140 E. 4.2; Urteile 6B_1308/2023 vom 22. Januar 2024 E. 4.3.3; 6B_563/2023 vom 6. Dezember 2023 E. 7.2.3; 6B_1485/2022 vom 23. Februar 2023 E. 2.3; je mit Hinweisen).  
 
2.4.  
 
2.4.1. Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die vorinstanzliche Einschätzung, wonach bei ihm im Hinblick auf die Frage des bedingten Strafvollzugs eine negative Prognose vorliege. Entgegen seinem Einwand übersieht die Vorinstanz nicht, dass vorliegend grundsätzlich eine günstige Prognose vermutet wird und kein Fall von Art. 42 Abs. 2 StGB gegeben ist. Aufgrund der nachfolgenden Ausführungen kann offenbleiben, ob die Vorinstanz der einschlägigen Vorstrafe des Beschwerdeführers unzulässigerweise eine vorrangige Bedeutung zukommen lässt, indem sie ausführt, die Vorstrafe bzw. die einschlägige Delinquenz während hängigem Verfahren lasse auf eine Unbelehrbarkeit schliessen, die auf eine negative Prognose hindeute, woran die übrigen zu berücksichtigenden Kriterien nichts zu ändern vermöchten. Festzustellen ist einzig, dass das vorinstanzliche Vorgehen bzw. der Aufbau und die Formulierung ihrer Begründung eine Interpretation im Sinne des beschwerdeführerischen Vorbringens zumindest zulassen würden.  
Entgegen dem Ansinnen des Beschwerdeführers war die Vorinstanz nicht gehalten, bei der Beurteilung der Legalprognose den von ihm dargelegten Veränderungen seiner Lebensverhältnisse in positiver Hinsicht Rechnung zu tragen. Ihre Einschätzung, dass seine persönliche Situation zum Urteilszeitpunkt mit jener vor der Deliktsbegehung vergleichbar sei, die ihn ebenfalls nicht von den Taten abgehalten habe, ist vertretbar. Zwar ist er zwischenzeitlich geschieden, (bald) wieder verheiratet und seine (neue) Ehefrau war - zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils - mit Zwillingen schwanger. Jedoch war er bereits vor bzw. bei der Deliktsbegehung verheiratet, Vater eines Sohnes, nicht arbeitstätig und bezog eine IV-Teilrente. Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, vermochten diese Umstände sowie die im Verfahren im Kanton Freiburg ausgestandene Untersuchungshaft von 22 Tagen den Beschwerdeführer nicht davon abzuhalten, während hängigem Verfahren bzw. kurz nach der Verurteilung zu einer bedingten Geldstrafe einschlägig (weiter) zu delinquieren. 
Allerdings lässt die Vorinstanz unberücksichtigt, dass der Beschwerdeführer auch während des aktuellen Strafverfahrens 63 Tage in Untersuchungshaft verbrachte und sich - soweit ersichtlich - erstmals mit der Landesverweisung konfrontiert sah. Es ist mit ihm davon auszugehen, dass der die Schwelle eines kurzen Arrests eindeutig überschreitende Freiheitsentzug und die Erkenntnis, dass ihm bei einer weiteren Straftat allenfalls auch migrationsrechtliche Konsequenzen drohen, eine erhebliche Schock- und Warnwirkung auf ihn hatten, wovon letztlich auch der Umstand zeugt, dass er während des aktuellen Strafverfahrens, mithin während vier Jahren, nicht mehr aktenkundig wurde (vgl. BGE 134 IV 140 E. 5.3). Indem die Vorinstanz einzig festhält, weder die ausgesprochene bedingte Geldstrafe noch die im Jahr 2017 erlittene Untersuchungshaft hätten ihn vom deliktischen Treiben abbringen lassen, ohne die Wirkung der drohenden Landesverweisung und der im Jahr 2019 erstandenen längeren Untersuchungshaft miteinzubeziehen, lässt sie massgebende Prognosekriterien, die zugunsten des Beschwerdeführers zu gewichten sind, unberücksichtigt. 
Ferner ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass sich die Vorinstanz bei der Prüfung des bedingten Vollzugs für die neue Strafe nicht dazu äussert, wie sich der Vollzug der früheren Geldstrafe auf die Prognose auswirken könnte. Darauf ist nachfolgend näher einzugehen (siehe E. 2.4.2). 
Insgesamt nimmt die Vorinstanz keine ausgewogene Würdigung aller für die Legalprognose relevanten Umstände vor, sondern geht insbesondere in Berücksichtigung der einschlägigen Vorstrafe von einer negativen Legalprognose aus, womit sie Bundesrecht verletzt. 
 
2.4.2. Ist - wie im vorliegenden Fall - über die Gewährung des (teil-) bedingten Vollzugs für die neu ausgesprochene Strafe und den Widerruf des bedingten Vollzugs einer früheren Strafe zu befinden, ist nach dem Ausgeführten eine Beurteilung in Varianten vorzunehmen (vgl. E. 2.3.2 f.; BGE 144 IV 277 E. 3.2; 134 IV 140 E. 4.5). Bestehen insbesondere aufgrund von Vorstrafen erhebliche Bedenken an der Legalbewährung des Täters bzw. wäre isoliert betrachtet grundsätzlich von einer Schlechtprognose auszugehen, ist zu prüfen, ob ein (teilweiser) Vollzug einer der Strafen eine genügende Warnwirkung erzielt, um den Täter von weiteren Delikten abzuhalten und seine Legalprognose hinsichtlich der anderen Strafe oder eines Teils der gleichen Strafe zu verbessern. Der unbedingte Vollzug der (ganzen) neuen Strafe und der Widerruf der früheren Strafe werden regelmässig nur anzuordnen sein, wenn das Gericht in einer Gesamtwürdigung aller relevanten Prognosekriterien zum Schluss gelangt, dass auch der (teilweise) Vollzug einer der Strafen die schlechte Legalprognose nicht zu verbessern vermag. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Beschwerdeführer war zwar zweimal in Untersuchungshaft und wurde zweimal zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Jedoch hatte er bisher noch nie eine unbedingte Strafe zu gewärtigen. Dies sowie die zu erwartende Warnwirkung einer erstmals ausgesprochenen unbedingten Strafe berücksichtigt die Vorinstanz nicht. Zwar legt sie dar, weshalb die Voraussetzungen ihrer Ansicht nach nicht gegeben seien, um den Vollzug der (neuen) Freiheitsstrafe vollumfänglich aufzuschieben, jedoch prüft sie nicht, ob der nachträgliche Vollzug der früheren Strafe und/oder ein teilbedingter Vollzug der neuen Strafe geeignet wäre (n), um den Beschwerdeführer von weiteren Straftaten abzuhalten und seine Prognose zu verbessern. Ihr blosser Hinweis in Zusammenhang mit dem Widerrufsverfahren, wonach die zu vollziehende Freiheitsstrafe nichts daran ändere, dass die Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers zu einer Schlechtprognose führe, vermag sowohl die hinsichtlich des (teil-) bedingten Vollzugs als auch des Widerrufs geforderte Beurteilung in Varianten nicht zu ersetzen.  
 
2.4.3. Als begründet erweist sich auch die Rüge, dass die Vorinstanz bei der Prüfung des Widerrufs keine ausgewogene Würdigung aller für die Legalprognose relevanten Umstände vornimmt, sondern die Schlechtprognose hauptsächlich auf die erneute einschlägige Delinquenz während hängigem Verfahren stützt. Zur Begründung kann auf das vorstehend Ausgeführte verwiesen werden (vgl. E. 2.4.1 f.).  
 
2.4.4. Im Ergebnis überschreitet die Vorinstanz ihr Ermessen und verletzt Bundesrecht, indem sie in jeder Hinsicht von einer negativen Legalprognose ausgeht, sowohl den bedingten als auch den teilbedingten Vollzug der neu ausgefällten Freiheitsstrafe verweigert und den für die frühere Geldstrafe gewährten bedingten Vollzug widerruft. Dabei lässt sie insbesondere massgebende Prognosekriterien unberücksichtigt und begründet nicht hinreichend, dass bzw. weshalb der Vollzug einer Strafe bzw. eines Teils einer Strafe nicht genügen würde, um den Beschwerdeführer von weiteren Straftaten abzuhalten. Da der Vorinstanz bei der Prüfung des künftigen Legalverhaltens und der Beurteilung in Varianten ein Ermessensspielraum zusteht, kann das Bundesgericht vorliegend nicht selbst darüber befinden, für welche Strafe (n) der (teil-) bedingte Vollzug zu gewähren ist.  
 
3.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Bern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 15. Mai 2023 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Bern hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. Februar 2024 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Muschietti 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres