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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_192/2023  
 
 
Urteil vom 26. April 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, Kölz, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Fürsprecher Pasquino Bevilacqua, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg, Riburgerstrasse 4, Postfach, 4310 Rheinfelden. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Anordnung von Untersuchungshaft, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 6. März 2023 (SBK.2023.48). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts der versuchten vorsätzlichen Tötung, begangen am 13. Januar 2023. Sie wirft ihm vor, er sei im Verlauf einer erst verbalen, dann körperlichen Auseinandersetzung (Ohrfeigen, Faustschläge) mit B.________ "ausgerastet" und habe diesem mehrfach mit maximaler Kraft ins Gesicht geschlagen, ihn zu Boden gebracht und schliesslich mehrmals mit dem Fuss mit voller Kraft gegen seinen Kopf getreten ("fest wie ein Fussballschuss"). A.________ wurde am 20. Januar 2023 vorläufig festgenommen und mit Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Aargau vom 23. Januar 2023 bis zum 20. April 2023 in Untersuchungshaft versetzt. Dagegen erhob A.________ am 3. Februar 2023 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau. Dieses wies die Beschwerde am 6. März 2023 ab. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 6. April 2023 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, der Entscheid der Vorinstanz vom 6. März 2023 sei aufzuheben und er sei umgehend aus der Untersuchungshaft zu entlassen. 
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend die Anordnung der Untersuchungshaft. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 ff. BGG offen. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und befindet sich, soweit ersichtlich, nach wie vor in Haft. Er ist deshalb nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. 
 
2.  
Nach Art. 221 StPO sind Untersuchungs- und Sicherheitshaft unter anderem zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (Abs. 1 lit. b; sog. Kollusionsgefahr). An Stelle der Haft sind Ersatzmassnahmen anzuordnen, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen (Art. 212 Abs. 2 lit. c und Art. 237 ff. StPO). 
Die Vorinstanz bejahte den dringenden Tatverdacht betreffend mindestens einer (allenfalls versuchten) schweren Körperverletzung nach Art. 122 StGB, allenfalls einer versuchten Tötung gemäss Art. 111 StGB und ging von Kollusionsgefahr aus. Das Bestehen eines dringenden Tatverdachts wird vom Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht bestritten. Er wendet sich allerdings gegen die vorinstanzliche Annahme der Kollusionsgefahr und rügt diesbezüglich eine Verletzung von Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO
 
3.  
 
3.1. Verdunkelung kann nach der bundesgerichtlichen Praxis insbesondere in der Weise erfolgen, dass sich die beschuldigte Person mit Zeugen, Auskunftspersonen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten ins Einvernehmen setzt oder sie zu wahrheitswidrigen Aussagen veranlasst oder dass sie Spuren und Beweismittel beseitigt. Untersuchungshaft wegen Kollusionsgefahr soll verhindern, dass die beschuldigte Person die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhalts vereitelt oder gefährdet. Die theoretische Möglichkeit, dass sie kolludieren könnte, genügt indessen nicht, um Untersuchungshaft unter diesem Titel zu rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für die Annahme von Verdunkelungsgefahr sprechen. Das Vorliegen des Haftgrundes ist nach Massgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen (BGE 137 IV 122 E. 4.2; 132 I 21 E. 3.2; Urteil 1B_15/2023 vom 24. Januar 2023 E. 3.1; je mit Hinweisen). Konkrete Anhaltspunkte für Kollusionsgefahr können sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts namentlich ergeben aus dem bisherigen Verhalten des Beschuldigten im Strafprozess, aus seinen persönlichen Merkmalen, aus seiner Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhalts sowie aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihn belastenden Personen. Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine massgebliche Beeinträchtigung des Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, ist auch der Art und Bedeutung der von Beeinflussung bedrohten Aussagen bzw. Beweismittel, der Schwere der untersuchten Straftaten sowie dem Stand des Verfahrens Rechnung zu tragen (BGE 132 I 21 E. 3.2.1 mit Hinweisen). Je weiter das Strafverfahren vorangeschritten ist und je präziser der Sachverhalt bereits abgeklärt werden konnte, desto höhere Anforderungen sind an den Nachweis von Verdunkelungsgefahr zu stellen (BGE 137 IV 122 E. 4.2; 132 I 21 E. 3.2.2; Urteil 1B_15/2023 vom 24. Januar 2023 E. 3.1; je mit Hinweisen). Das Haftgericht hat auch zu prüfen, ob einem gewissen Kollusionsrisiko schon mit geeigneten Ersatzmassnahmen für strafprozessuale Haft ausreichend begegnet werden könnte (Art. 212 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 237 f. StPO; vgl. BGE 140 IV 74 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
3.2. Die dem Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft vorgeworfene (versuchte) vorsätzliche Tötung wird gemäss Art. 111 StGB mit einer Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft, wobei das Gericht die Strafe bei Versuch mildern kann (Art. 22 StGB). Es handelt sich dementsprechend um ein Verbrechen. Dasselbe gilt auch für die (versuchte) schwere Körperverletzung, welche gemäss Art. 122 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft wird. Dem Beschwerdeführer droht gestützt darauf eine empfindliche Strafe. Diese stellt grundsätzlich einen erheblichen Anreiz für Kollusionshandlungen dar. Solche wären nach den Ausführungen der Vorinstanz bei der Freilassung des Beschwerdeführers konkret zu befürchten. Sie erwog, er sei versucht, auf die anlässlich des Vorfalls vom 13. Januar 2023 ebenfalls anwesenden und mutmasslich Beteiligten C.________, D.________ und E.________ Einfluss zu nehmen. Bei diesen handelt es sich um Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren, die mit dem Beschwerdeführer kollegial verbunden waren bzw. sind. Sie gaben sodann zumindest sinngemäss zu Protokoll, sie würden sich vor dem Beschwerdeführer fürchten und hätten den Vorfall nicht melden wollen, da der Beschwerdeführer "trotzdem" ein Kollege sei. Weiter gilt es auch das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Dieser soll namentlich E.________ aufgefordert haben, ein Video des Vorfalls zu löschen, was Letzterer mit "okay" beantwortet habe. Damit hat der Beschwerdeführer aufgezeigt, dass er nicht davor zurückschreckt, die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen, indem er seine "Kollegen" auffordert, Beweismittel zu vernichten. Mit der Vorinstanz ist daher einig zu gehen, dass die konkrete Gefahr besteht, die Kollegen des Beschwerdeführers könnten einem (erneuten) derartigen Beeinflussungsversuch zugänglich sein bzw. würden allfälligen Kollusionsversuchen des Beschwerdeführers nicht widerstehen und diese auch nicht melden.  
Daran ändert denn auch nichts, dass nach Auffassung des Beschwerdeführers aufgrund der bereits durchgeführten Einvernahmen der "äussere Geschehensablauf aktenmässig erstellt sei" und folglich der Ereignisablauf nicht mehr durch angebliche Kollusionseinwirkungen nachträglich verwischt bzw. verschleiert werden könne. Wie die Vorinstanz erwog, divergieren die Aussagen der bisher einvernommenen Personen in wichtigen Einzelpunkten, unter anderem hinsichtlich des Beginns der Auseinandersetzung. In diesem Zusammenhang ist insbesondere noch unklar, von wem die ursprünglichen Aggressionen ausgegangen sind. Wenn die Vorinstanz erwog, es bestehe noch ein unklares Bild der mutmasslichen Gewalttat und es sei folglich ernsthaft mit der nochmaligen Einvernahme zu rechnen, ist dies zum jetzigen Zeitpunkt der erst seit drei Monaten dauernden Strafuntersuchung jedenfalls nicht zu beanstanden. 
 
3.3. Es verletzt deshalb kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz die Kollusionsgefahr bejahte und Ersatzmassnahmen als nicht ausreichend erachtete. Aktuell befindet sich der Beschwerdeführer seit etwas mehr als drei Monaten in Haft. Im Falle einer Verurteilung wegen versuchter vorsätzlicher Tötung bzw. schwerer Körperverletzung droht ihm wahrscheinlich eine Freiheitsstrafe (vgl. E. 3.2 hiervor). Die angeordnete Untersuchungshaft erweist sich folglich auch als verhältnismässig.  
 
4.  
Die Beschwerde ist aus diesen Erwägungen abzuweisen. 
Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann dem Gesuch entsprochen werden (Art. 64 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen. 
 
2.1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
2.2. Fürsprecher Pasquino Bevilacqua wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter eingesetzt und für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- aus der Bundesgerichtskasse entschädigt.  
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. April 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier