Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_420/2024
Urteil vom 26. Mai 2025
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Viscione, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Scherrer Reber,
Gerichtsschreiber Hochuli.
Verfahrensbeteiligte
A.________ AG, in Liquidation,
vertreten durch Rechtsanwälte
Peter Haas und Sarah Leutwiler,
Beschwerdeführerin,
gegen
Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO),
Direktion, Arbeitsmarkt/Arbeitslosenversicherung, TCJD, Holzikofenweg 36, 3003 Bern,
vertreten durch Rechtsanwälte
Aline Nussbaumer und Tobias Zemp,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 2024
(B-4229/2023).
Sachverhalt:
A.
Die A.________ AG in Liquidation (seit Konkurseröffnung vom 5. November 2024) mit Sitz in B.________ (fortan: AG oder Beschwerdeführerin) erbrachte Informatik und IT-Dienstleistungen für Unternehmen im Bereich Human Resources und Personalwesen. Sie bezog im Zeitraum vom März 2020 bis Mai 2021 Kurzarbeitsentschädigungen im Umfang von Fr. 1'027'959.30. Gestützt auf die Ergebnisse einer Arbeitgeberkontrolle vom 6. Februar 2023 und nach Prüfung der von der AG bis zum 10. Februar 2023 ergänzend zugesicherten Unterlagen, forderte das Staatssekretariat für Wirtschaft (fortan: SECO oder Beschwerdegegner) aus dem Bezugszeitraum unrechtmässig bezogene Versicherungsleistungen in der Höhe von Fr. 211'042.45 zurück (Revisionsverfügung vom 10. Mai 2023). Auf die Einsprache vom 23. Juni 2023 trat das SECO infolge versäumter Einsprachefrist nicht ein (Einspracheentscheid vom 12. Juli 2023).
B.
Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Urteil vom 12. Juni 2024).
C.
Die AG lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 2024 und der Einspracheentscheid des SECO vom 12. Juli 2023 seien aufzuheben und die Sache sei zur materiellen Prüfung der Einsprache vom 23. Juni 2023 an das SECO zurückzuweisen. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Während das SECO auf Abweisung der Beschwerde und des Gesuches um aufschiebende Wirkung schliesst, verzichtet das Bundesverwaltungsgericht auf eine Stellungnahme.
D.
Mit Verfügung vom 25. Oktober 2024 wies der Instruktionsrichter das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG ; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4).
2.
2.1. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie den Einspracheentscheid vom 12. Juli 2023 bestätigte, womit der Beschwerdegegner auf die gegen dessen Revisionsverfügung vom 10. Mai 2023 erhobene, vom 23. Juni 2023 datierende Einsprache infolge versäumter Einsprachefrist nicht eintrat.
2.2. Gemäss angefochtenem Urteil ist in tatsächlicher Hinsicht unbestritten, dass die Schweizerische Post der Beschwerdeführerin am 11. Mai 2023 eine Abholungseinladung für die Sendung mit der Revisionsverfügung mit einer Abholfrist bis zum 18. Mai 2023 meldete, dass die Beschwerdeführerin die Abholfrist am 17. Mai 2023 bis zum 8. Juni 2023 verlängerte und sie die Sendung sodann am 24. Mai 2023 abholte.
2.3. Demgegenüber dreht sich der Streit in diesem Verfahren einzig um die Frage, ob die Beschwerdeführerin gemäss Bundesverwaltungsgericht aufgrund der bei ihr durchgeführten Arbeitgeberkontrolle mit der Zustellung einer Verfügung durch das SECO rechnen musste und der Beginn der 30-tägigen Einsprachefrist gegen die Revisionsverfügung daher unter Berücksichtigung der Zustellfiktion nach Art. 38 Abs. 2bis ATSG zu berechnen ist, so dass die Einsprachefrist am 19. Juni 2023 unbenutzt verstrich.
3.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die hier nach Gesetz und Rechtsprechung massgebenden Grundlagen richtig dargestellt. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).
4.
4.1. Die Vorinstanz hat nach bundesrechtskonformer Beweiswürdigung mit in allen Teilen zutreffender Begründung - worauf verwiesen wird (Art. 109 Abs. 3 BGG) - zutreffend erkannt, der Beschwerdegegner habe der Beschwerdeführerin den vereinbarten Termin für die Arbeitgeberkontrolle zwecks Rechtmässigkeitsprüfung der bezogenen Kurzarbeitsentschädigungen unter Hinweis auf die einschlägigen gesetzlichen Grundlagen mit E-Mail vom 11. Januar 2023 auf den 6. Februar 2023 bestätigt. Damit sei das erstinstanzliche Verwaltungsverfahren, welches auf den Erlass einer Verfügung abziele, praxisgemäss eröffnet worden (vgl. BGE 140 II 298 E. 5.4 mit Hinweisen). Anlässlich der Arbeitegeberkontrolle habe die Beschwerdeführerin das Dokument "Arbeitgeberkontrolle betr. Kurzarbeitsentschädigung geprüfte Unterlagen" unterzeichnet, womit sie sich verpflichtete, dem Beschwerdegegner ausstehende Bankbelege von ausgewählten Lohnzahlungen und die Datenauszüge aus "Pipedrive" bis zum 10. Februar 2023 nachzureichen. Sie habe folglich nicht davon ausgehen können, dass die Kontrolle am 6. Februar 2023 zu keinen Beanstandungen Anlass gegeben habe. Das Ergebnis der Arbeitgeberkontrolle sei der Beschwerdeführerin gemäss Art. 111 Abs. 2 AVIV (in der seit 1. Juli 2003 geltenden Fassung) mittels Verfügung vom 10. Mai 2023 eröffnet worden (vgl. BARBARA KUPFER BUCHER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AVIG, 6. Aufl. 2025, S. 334). Die kontrollierte Arbeitgeberin habe nach geltendem Verordnungsrecht damit rechnen müssen, dass ihr nach durchgeführter Kontrolle das Ergebnis mittels Verfügung mitgeteilt werde. Nach Zustellung der Abholungseinladung für die Verfügung vom 10. Mai 2023 am darauf folgenden 11. Mai 2023 (vgl. BGE 142 III 599 E. 2.4.1 mit Hinweisen; 141 III 29) sei die nicht erstreckbare gesetzliche Einsprachefrist in Anwendung von Art. 38 Abs. 2bis ATSG am 19. Juni 2023 (vgl. BGE 134 V 49) unbenutzt abgelaufen.
4.2. Was die Beschwerdeführerin hiergegen vorbringt, ist offensichtlich unbegründet.
4.2.1. Die Vorinstanz hat das angefochtene Urteil entgegen der Beschwerdeführerin in tatsächlicher Hinsicht nicht auf die - unbestritten nicht echtzeitlich schriftlich dokumentierten - Angaben des Beschwerdegegners abgestützt, wonach Letzterer Erstere anlässlich der Schlussbesprechung informiert habe, im Falle der Rückforderung von Leistungen würde eine Revisionsverfügung ergehen.
4.2.2.
4.2.2.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, die E-Mail vom 11. Januar 2023 empfangen zu haben. Sie macht lediglich geltend, diese E-Mail sei ihr im Rahmen des Akteneinsichtsgesuches vom 1. Juni 2023 am 5. Juni 2023 vom Beschwerdegegner nicht ediert worden. Bei diesem erstmals vor Bundesgericht neu geäusserten Vorbringen handelt es sich um ein grundsätzlich unzulässiges unechtes Novum (vgl. dazu BGE 148 V 174 E. 2.2 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin legt nicht dar und es ist nicht ersichtlich, weshalb erst das angefochtene Urteil dazu Anlass gegeben haben soll, obwohl der Beschwerdegegner bereits seine Vernehmlassung vom 21. September 2023 auf diese E-Mail abgestützt hatte. Mit Replik vom 10. Oktober 2023 nahm die Beschwerdeführerin vor Bundesverwaltungsgericht mit keinem Wort darauf Bezug.
4.2.2.2. Selbst wenn dieses Vorbringen vor Bundesgericht zulässig wäre, bleibt die im Zusammenhang mit der E-Mail vom 11. Januar 2023 erstmals vor Bundesgericht erhobene Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 42 ATSG) unbegründet. Diese Verletzung ist nicht als besonders schwerwiegend zu bezeichnen und war jedenfalls vor Bundesverwaltungsgericht ausnahmsweise heilbar (vgl. dazu SVR 2021 IV Nr. 16 S. 45, 9C_174/2020 E. 4.2 i.f.; vgl. auch Urteil 8C_18/2024 vom 9. Juli 2024 E. 5.5 mit Hinweisen). Letzteres hatte die notwendigen Beweise zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts von Amtes wegen zu erheben und war nach Art. 61 lit. c ATSG in der Beweiswürdigung frei (anwendbar in Verbindung mit Art. 37 VGG, Art. 3 lit. d bis VwVG, Art. 2 ATSG und Art. 1 Abs. 1 AVIG).
4.2.3. Hätte die Beschwerdeführerin am gesetzmässigen Zweck der mit E-Mail vom 11. Januar 2023 auf den 6. Februar 2023 bestätigten Arbeitgeberkontrolle zur Rechtmässigkeitsprüfung der bezogenen Kurzarbeitsentschädigung gezweifelt, hätte diese Prüfung am 6. Februar 2023 wohl auch nicht grundsätzlich planmässig vor Ort durchgeführt werden können. Dass jedoch diese Rechtsmässigkeitsprüfung am 6. Februar 2023 mangels vollständiger Unterlagen nicht abgeschlossen werden konnte, sondern sich die Beschwerdeführerin gemäss Dokument "Arbeitgeberkontrolle betr. Kurzarbeitsentschädigung geprüfte Unterlagen" gleichentags unterschriftlich zur Nachreichung der ausstehenden Belege bis zum 10. Februar 2023 verpflichten musste, ist unbestritten. Soweit die Beschwerdeführerin unter appellatorischer Kritik am angefochtenen Urteil (vgl. dazu BGE 148 V 366 E. 3.3 mit Hinweisen) an ihrem Standpunkt festhält, sie habe nach Treu und Glauben annehmen dürfen, dass das Ergebnis der Kontrolle positiv ausfalle und sie keine Verfügung erhalten werde, zeigt sie nicht in einer der qualifizierten Rügepflicht genügenden Weise auf und ist nicht ersichtlich, inwiefern das Bundesverwaltungsgericht bei der Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung das Willkürverbot verletzt haben soll.
4.2.4. Dass die Rechtmässigkeitsprüfung der bezogenen Kurzarbeitsentschädigung im Rahmen einer Arbeitgeberkontrolle keinen Selbstzweck verfolgt, sondern der Beschwerdegegner das Ergebnis dieser Kontrolle nach Art. 111 Abs. 2 AVIV direkt mittels Revisionsverfügung der kontrollierten Arbeitgeberin eröffnet, hat die Vorinstanz im angefochtenen Urteil bundesrechtskonform zutreffend dargelegt. Demgegenüber ist entgegen der Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdegegner das unter Mitwirkung der kontrollierten Arbeitgeberin durchgeführte Kontrollverfahren bei Feststellung eines unrechtmässigen Bezugs von Kurzarbeitsentschädigung gestützt auf Art. 111 Abs. 2 AVIV nicht direkt mittels Revisionsverfügung hätte abschliessen dürfen. Dass der Aspekt der Verfahrensökonomie bei der Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs von unrechtmässig bezogener Kurzarbeitsentschädigung irrelevant sei, ist schon mit Blick auf Art. 25 Abs. 2 ATSG offensichtlich unzutreffend.
4.2.5. Mit der Vorinstanz und entgegen der Beschwerdeführerin bildete die Revisionsverfügung nicht das verfahrenseinleitende, sondern das verfahrensabschliessende Schriftstück (vgl. Art. 111 Abs. 2 AVIV), wobei das rechtliche Gehör erst im nachgelagerten Einspracheverfahren zu gewähren war (vgl. Art. 42 ATSG). Demgegenüber betraf BGE 130 III 396 die Frage der Zustellungsfiktion hinsichtlich eines Rechtsöffnungsentscheides auf dem Gebiet des Schuldbetreibungsrechts, in welchem praxisgemäss der Rechtsöffnungsprozess, der auf ein durch Rechtsvorschlag eingestelltes Betreibungsverfahren folgt, ein neues Verfahren darstellt (BGE 138 III 225 E. 3.1 mit Hinweisen). Ebenso vermag die Beschwerdeführerin aus dem vor Bundesgericht wiederholten Hinweis auf BGE 116 Ia 90 nichts zu ihren Gunsten abzuleiten, wie das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Urteil bereits zutreffend dargelegt hat.
5.
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil erledigt wird (Art. 109 Abs. 3 BGG).
6.
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 26. Mai 2025
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Viscione
Der Gerichtsschreiber: Hochuli