Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_602/2024
Urteil vom 27. Januar 2025
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Hurni, Präsident,
Gerichtsschreiber Widmer.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin A. Kessler,
Beschwerdeführerin,
gegen
1. B.B.________,
2. C.B.________,
3. C.________,
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Leu,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Mietvertrag; Sistierungsverfügung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 8. Oktober 2024 (ZBR.2024.25).
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerdeführerin erhob in der zwischen ihr und den Beschwerdegegnern hängigen mietrechtlichen Streitsache beim Obergericht des Kantons Thurgau Berufung gegen den Entscheid B.2021.10 des Bezirksgerichts Arbon vom 28. September 2023.
Am 7. Oktober 2024 stellte die Beschwerdeführerin ein Ausstandsgesuch gegen alle Richterinnen und Richter (einschliesslich Ersatzrichterinnen und Ersatzrichter) des Obergerichts. Gleichzeitig beantragte sie, das Berufungsverfahren sei bis zu einem rechtskräftigen Entscheid über das Ausstandsgesuch zu sistieren.
Das Obergericht wies dieses Sistierungsgesuch mit Verfügung vom 8. Oktober 2024 ab.
1.2. Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 15. November 2024 Beschwerde in Zivilsachen. Gleichzeitig ersuchte sie darum, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren. Ferner ersuchte sie um Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens "bis zu einem rechtskräftigen Entscheid in dem vom Bundesstrafgericht Bellinzona ans Obergericht Zürich angewiesenen Ausstandsverfahren der Beschwerdeführerin gegen die Staatsanwaltschaft See / Oberland".
Die Gesuche um Erteilung der aufschiebenden Wirkung und um Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens wurden mit Präsidialverfügung vom 20. November 2024 abgewiesen.
Auf die Einholung von Vernehmlassungen zur Beschwerde wurde verzichtet.
2.
Bei der Verfügung des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 8. Oktober 2024, mit der dieses eine Sistierung des Berufungsverfahrens abgelehnt hat, handelt es sich um einen Entscheid, der das Berufungsverfahren nicht abschliesst und der weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betrifft. Er stellt deshalb einen "anderen selbständig eröffneten" Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG dar.
2.1. Gegen Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).
2.2. Die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 150 III 248 E. 1.2; 134 III 188 E. 2.2; 133 III 629 E. 2.1, je mit Hinweisen). Diese Ausnahme ist restriktiv zu handhaben, zumal die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, wenn sie einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG nicht selbstständig anfechten, können sie ihn doch mit dem Endentscheid anfechten, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 150 III 248 E. 1.2; 144 III 475 E. 1.2; 138 III 94 E. 2.2; 135 I 261 E. 1.2; 134 III 188 E. 2.2; 133 III 629 E. 2.1; 133 IV 288 E. 3.2). Dementsprechend obliegt es der beschwerdeführenden Partei darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 BGG erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich in die Augen springt (BGE 150 III 248 E. 1.2; 137 III 324 E. 1.1; 134 III 426 E. 1.2 in fine; 133 III 629 E. 2.3.1 und 2.4.2).
2.3. Die Beschwerdeführerin hält dafür, dass ihr durch den angefochtenen Entscheid ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG droht.
Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung rechtlicher Natur sein, was voraussetzt, dass er durch einen späteren günstigen Entscheid nicht oder nicht mehr vollständig behoben werden kann (BGE 150 III 248 E. 1.2; 148 IV 155 E. 1.1; 136 IV 92 E. 4; 134 III 188 E. 2.1; 133 III 629 E. 2.3.1, je mit Hinweisen; der von der Beschwerdeführerin angerufene Entscheid 1C_119/2008 vom 21. November 2008 = BGE 135 II 30 E. 1.3.4, nach welchem auch rein tatsächliche Nachteile in Betracht fallen, ist vorliegend nicht einschlägig, da er nur spezielle Konstellationen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren betrifft). Rein tatsächliche Nachteile wie die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens reichen nicht aus (BGE 150 III 248 E. 1.2; 148 IV 155 E. 1.1; 141 III 80 E. 1.2; 138 III 190 E. 6; 137 III 380 E. 1.2.1 mit Hinweisen).
2.3.1. Die Beschwerdeführerin sieht einen durch den angefochtenen Entscheid drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil zunächst darin, dass es ohne Sistierung des Hauptverfahrens ZBR.2024.25 bis zu einem rechtskräftigen Entscheid im Ausstandsverfahren ZPR.2024.5 zu einem Urteil im Hauptverfahren kommen könnte, an welchem Personen mitwirken, die vom Ausstandsgesuch der Beschwerdeführerin vom 7. Oktober 2024 betroffen sind. Würde die Berufung gegen den erstinstanzlichen Entscheid im Hauptverfahren ZBR.2024.25 in einer solchen richterlichen Besetzung abgewiesen, so die Beschwerdeführerin, würde einer Beschwerde ans Bundesgericht gegen das abweisende Urteil grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommen, was zur Folge hätte, dass sie, die nachweislich schwer erkrankte Beschwerdeführerin, die Mietwohnung verlassen müsste, womit ihr auch die Möglichkeit genommen würde, die geltend gemachten Schadenersatzansprüche sowie die noch bestehenden Mängel in der Wohnung unter anderem durch die als Beweismittel offerierten, aber erstinstanzlich nicht abgenommenen Augenscheine nachzuweisen.
Damit vermag die Beschwerdeführerin von vornherein keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil darzutun. Der Beschwerdeführerin stünden im Fall der Abweisung ihrer Berufung die Möglichkeit einer Beschwerde an das Bundesgericht offen, in der sie - wie sie selber vorbringt - auch die Verletzung von Ausstandsvorschriften rügen könnte. Sie könnte dabei um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ersuchen, welche der Beschwerde bei einem Ausweisungsentscheid in der Regel gewährt wird, soweit das Rechtsmittel nicht aussichtslos erscheint. Der Beschwerdeführerin droht somit bei Abweisung ihrer Berufung ohne vorherige rechtskräftige Prüfung einer Verletzung von Ausstandsvorschriften nicht unmittelbar die Ausweisung aus ihrer Wohnung und damit kein nicht wiedergutzumachender Nachteil.
2.3.2. Weiter macht die Beschwerdeführerin sinngemäss geltend, sie habe in ihrer Berufung im Hauptverfahren beanstandet, dass die Erstinstanz beantragte Beweismittel in antizipierter Beweiswürdigung nicht abgenommen habe. Würde die Berufung abgewiesen und in der Folge eine von ihr dagegen wegen Befangenheit von Gerichtspersonen im Berufungsverfahren erhobene Beschwerde vom Bundesgericht gutgeheissen, wäre nicht nur das zweitinstanzliche Verfahren, sondern im Fall einer Rückweisung der Sache an die Erstinstanz zur Durchführung des Beweisverfahrens auch das erstinstanzliche Verfahren zu wiederholen. Aufgrund der dadurch entstehenden zusätzlichen, durch eine Sistierung aber vermeidbaren Verfahrensdauer bestehe die Gefahr, dass rechtlich relevante Tatsachen durch die Befragung des von der Beschwerdeführerin beantragten Hauptzeugen D.________ nicht mehr bewiesen werden könnten. Infolgedessen werde ohne Sistierung des Hauptverfahrens die Existenz von Beweismitteln der Beschwerdeführerin gefährdet, was als nicht wieder gutzumachender Nachteil zu betrachten sei.
Es trifft zwar zu, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur drohen kann, wenn durch den angefochtenen Entscheid die Abnahme eines Beweismittels, dessen Existenz gefährdet ist, verweigert oder verzögert wird (Urteil 4A_396/2023 vom 1. September 2023 E. 2.3.1 mit Hinweisen). Um einen entsprechenden Nachteil im Zusammenhang mit dem drohenden Verlust eines Zeugenbeweises darzutun, muss die beschwerdeführende Partei indessen besondere Umstände substanziieren, aufgrund der im konkreten Fall zu befürchten ist, dass der angerufene Zeuge im Zeitpunkt einer späteren Einvernahme nicht mehr zur Verfügung stehen oder sich nicht mehr hinreichend an zu beweisende erhebliche Tatsachen erinnern könnte, namentlich weil er hochbetagt ist oder an einer Krankheit leidet, die sich negativ auf sein Erinnerungsvermögen auswirkt. Es reicht beispielsweise nicht aus, sich bloss pauschal auf das mit dem Zeitablauf nachlassende Erinnerungsvermögen von Zeugen zu berufen (Urteil 4A_396/2023 vom 1. September 2023 E. 2.3.3).
Im vorliegenden Fall macht die Beschwerdeführerin bloss geltend, der von ihr im Mietverfahren als Hauptzeuge offerierte D.________ sei - obwohl geistig noch bei bester Gesundheit - gesundheitlich bzw. körperlich stark beeinträchtigt, weshalb nur spekuliert werden könne, inwiefern seine Zeugenaussagen im Falle einer Wiederholung des zweitinstanzlichen Berufungsverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens noch möglich und verwertbar wären. Mit diesen Vorbringen, namentlich mit der blossen Behauptung, der Zeuge sei gesundheitlich bzw. körperlich stark beeinträchtigt, genügt die Beschwerdeführerin den Anforderungen an die Substanziierung von besonderen Umständen, aufgrund der ein Verlust des Beweismittels zu befürchten ist, offensichtlich nicht.
Im Übrigen könnte gegen einen die Berufung im Hauptverfahren abweisenden Entscheid beim Bundesgericht auch aus anderen Gründen als wegen Befangenheit von am Entscheid mitwirkenden Oberrichtern Beschwerde erhoben werden, und zwar auch dann, wenn der Entscheid erst nach einer Sistierung des Berufungsverfahrens und nach einem rechtskräftigen Entscheid über das Ausstandsbegehren vom 7. Oktober 2024 erginge. Auch in einem solchen Fall wäre der von der Beschwerdeführerin im Falle der Nichtsistierung befürchtete Verfahrensverlauf mit Wiederholung des erst- und des zweitinstanzlichen Verfahrens und einer stark verzögerten Einvernahme von Zeugen nicht ausgeschlossen. Es könnte gar eine zusätzliche, durch eine Sistierung des Berufungsverfahrens bewirkte Verfahrensverzögerung dazukommen. Insoweit ist auch nicht ersichtlich, dass der angefochtene Entscheid für den geltend gemachten drohenden Verlust des Beweismittels überhaupt ursächlich sein kann.
2.3.3. Ein drohender nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist damit nicht dargetan und springt auch nicht offensichtlich in die Augen.
3.
Zusammenfassend ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Den Beschwerdegegnern ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da ihnen im Zusammenhang mit dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand erwachsen ist (Art. 68 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt der Präsident:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Januar 2025
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Hurni
Der Gerichtsschreiber: Widmer