Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_612/2024
Urteil vom 27. Januar 2025
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Moser-Szeless, Präsidentin,
Bundesrichter Stadelmann, Beusch,
Gerichtsschreiber Williner.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Eidgenössische Ausgleichskasse, Schwarztorstrasse 59, 3003 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt
vom 26. September 2024 (AH.2024.2).
Sachverhalt:
A.
Die am 18. Juli 1953 geborene A.________ blieb über das ordentliche Rentenalter (bzw. über das Referenzalter) hinaus erwerbstätig und schob den Bezug ihrer Altersrente bis zum maximal zulässigen Zeitpunkt per Ende Juli 2022 auf. Ende Januar 2024 beantragte sie die einmalige Neuberechnung ihrer Alterstrente nach dem Referenzalter. Mit Verfügung vom 7. Februar 2024 wies die Eidgenössische Ausgleichskasse diesen Antrag ab mit der Begründung, A.________ habe bei Antragsstellung das 70. Altersjahr bereits vollendet gehabt. Diesen Entscheid bestätigte die Verwaltung mit Einspracheentscheid vom 11. März 2024.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 26. September 2024 ab.
C.
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es sei das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 26. September 2024 aufzuheben und die Eidgenössische Ausgleichskasse anzuweisen, per Februar 2024 eine einmalige Neuberechnung der Altersrente unter Berücksichtigung der von Januar 2018 bis Juli 2022 erzielten Einkommen vorzunehmen.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Stützt sich der angefochtene Entscheid auf mehrere selbstständige Begründungen bzw. eine Haupt- und eine Eventualbegründung, die je für sich für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidend sind, müssen sämtliche Begründungen ausreichend substanziiert angefochten werden (BGE 133 IV 119 E. 6.3 mit Hinweisen).
2.
Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es den Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 11. März 2024 bestätigte, mit welchem diese den Antrag der Beschwerdeführerin auf eine einmalige Neuberechnung der Altersrente per Februar 2024 abgewiesen hatte.
3.
3.1. Nach der am 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Fassung des Art. 29bis Abs. 3 AHVG kann eine rentenberechtigte Person, die nach Erreichen des Referenzalters AHV-Beiträge entrichtet hat, einmal eine neue Berechnung ihrer Rente verlangen. Bei der Neuberechnung werden die Erwerbseinkommen berücksichtigt, welche die rentenberechtigte Person während der zusätzlichen Beitragsdauer erzielt und auf denen sie Beiträge entrichtet hat. Nach Erreichen des Referenzalters entrichtete Beiträge begründen keinen Anspruch auf eine Rente. Gemäss Abs. 4 können unter näher erläuterten Voraussetzungen Beitragslücken geschlossen werden mit Beiträgen, die die rentenberechtigte Person zwischen dem Erreichen des Referenzalters und fünf Jahre danach einzahlt.
Gemäss den Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 17. Dezember 2021 (AHV 21; nachfolgend: Übergangsbestimmungen) können Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung das 70. Altersjahr noch nicht vollendet haben und über das Alter von 65 Jahren hinaus Beiträge entrichtet haben, eine Neuberechnung ihrer Rente nach Art. 29bis Abs. 3 und 4 beantragen.
3.2. Im Gesetz besteht eine Lücke, wenn eine Regelung unvollständig ist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Eine echte Gesetzeslücke, die vom Gericht zu füllen wäre, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Rechtssinn eine Vorschrift entnommen werden kann (BGE 141 IV 298 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Von einer unechten oder rechtspolitischen Lücke ist demgegenüber die Rede, wenn sich dem Gesetz zwar eine Antwort, aber keine befriedigende, entnehmen lässt. Echte Lücken zu füllen, ist dem Gericht aufgegeben, unechte zu korrigieren, bleibt ihm nach traditioneller Auffassung grundsätzlich verwehrt, es sei denn, die Berufung auf den als massgeblich erachteten Wortsinn der Norm stelle einen Rechtsmissbrauch dar (zum Ganzen: BGE 149 V 156 E. 7.2.1; BGE 148 V 397 E. 6.2.1; je mit Hinweisen).
4.
Die Vorinstanz schloss, die von der Beschwerdeführerin kritisierten Übergangsbestimmungen verstiessen nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV). Zudem müssten diese augrund von Art. 190 BV selbst bei Vorliegen einer solchen Verletzung angewendet werden. Weder aus der BV noch aus der EMRK würden sich Grundlagen ergeben, welche ein Abweichen von den vom Gesetzgeber bestimmten Abgrenzungskriterien in Bezug auf das Inkrafttreten des Leistungsbezugsrechts gemäss der per 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Rerform zur Stabilisierung der AHV erlaubten.
5.
Die Beschwerdeführerin räumt ein, nach dem Wortlaut von lit. b der Übergangsbestimmungen könnten nur erwerbstätige Rentnerinnen und Rentner der Jahrgänge 1954 und jünger, welche ausserdem nach Erreichen des jeweiligen Referenzalters Lohnbeiträge einbezahlt hätten, einen Antrag auf Neuberechnung der Rente stellen. Gleichzeitig macht sie geltend, es fehle eine ausdrückliche (Übergangs-) Regelung für Personen, welche im Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 29bis AHVG am 1. Januar 2024 das 70. Altersjahr bereits vollendet und innerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs der Norm Lohnbeiträge erbracht hätten. Aus den Materialien ergebe sich, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung von Art. 29bis AHVG Anreize zur Erwerbstätigkeit über das Referenzalter hinaus habe schaffen wollen. Dabei habe er aber die Frage der Berücksichtigung der innerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs von Art. 29bis AHVG erbrachten Beiträge erwerbstätiger Rentnerinnen und Rentner der Jahrgänge 1953 bis 1949 übersehen. Das Bundesgericht sei gemäss Art. 190 BV wohl an die Bundesgesetze gebunden, (echte) Lücken wie die vorliegende seien aber nach herkömmlicher richterlicher Rechtsfortbildung verfassungskonform zu schliessen.
6.
6.1. Die Übergangsbestimmungen halten unmissverständlich fest, dass nur Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung das 70. Altersjahr noch nicht vollendet und über das Alter von 65 Jahren hinaus Beiträge entrichtet haben, eine Neuberechnung ihrer Rente nach Art. 29bis Abs. 3 und 4 AHVG beantragen können. Der Umkehrschluss, dass von dieser Möglichkeit somit ausgeschlossen ist, wer am 1. Januar 2024 das 70. Altersjahr bereits vollendet hat, ist offensichtlich (so im Übrigen ausdrücklich die von der Beschwerdeführerin zitierte Botschaft des Bundesrats zur Stabilisierung der AHV [AHV 21] vom 28. August 2019 [BBl 2019 6386 Ziff. 5.2, 6396]) und bedurfte keiner expliziten Erwähnung im Gesetz. Es kann folglich keine Rede davon sein, der Gesetzgeber habe Konstellationen wie jene der Beschwerdeführerin übersehen und die Regelung bliebe diesbezüglich jede Antwort schuldig. Damit verbietet sich die Annahme einer vom Richter zu füllenden echten Gesetzeslücke. Dass indessen eine unechte Lücke vorliegen und die Berufung auf den Wortsinn der Norm einen Rechtsmissbrauch darstellen würde (vgl. dazu E. 3.2 hievor), ist weder ersichtlich noch von der Beschwerdeführerin geltend gemacht. Weiterungen dazu erübrigen sich (zum Rügeprinzip vgl. E. 1 hievor).
6.2. Gegen die vorinstanzliche Eventualbegründung, den Übergangsbestimmungen könnte aufgrund von Art. 190 BV selbst dann die Anwendung nicht versagt werden, wenn diese gegen das Gleichbehandlungsgebot verstiessen, bringt die Beschwerdeführerin nichts bzw. nichts Stichhaltiges (vgl. E. 6.1 hievor) vor. Weiterungen dazu erübrigen sich. Damit ist grundsätzlich auch nicht näher auf die vom kantonalen Gericht verneinte Frage einzugehen, ob eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots vorliegt. Immerhin sei aber mit der Vorinstanz darauf hingewiesen, dass Änderungen von Erlassen zwangsläufig bewirken, dass für die Rechtsunterworfenen unterschiedliche Regelungen gelten, je nachdem, ob der rechtlich erfasste Tatbestand für sie vor oder nach der Revision wirksam wird. In den damit verbundenen Ungleichbehandlungen liegt an sich noch kein Verfassungsverstoss. Auch im Lichte des Rechtsgleichheitsgebots ist es nicht Sache des Gerichts, sein Ermessen an die Stelle desjenigen des Gesetz- oder Verordnungsgebers zu stellen (vgl. BGE 150 V 105 E. 6.3; 127 V 448 E. 3b).
7.
Zusammenfassend hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, indem sie den Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine einmalige Neuberechnung der Altersrente per Februar 2024 verneint hat.
8.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 27. Januar 2025
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Moser-Szeless
Der Gerichtsschreiber: Williner