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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_268/2025, 1C_269/2025  
 
 
Urteil vom 27. Mai 2025  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Haag, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Müller, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1C_268/2025 
A.________ AG, 
c/o B.________ AG, 
Beschwerdeführerin 1, 
vertreten durch C.C.________, 
 
und 
 
1C_269/2025 
C.C.________, 
Beschwerdeführerin 2, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Rohanstrasse 5, 7000 Chur. 
 
Gegenstand 
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland, Herausgabe von Beweismitteln, 
 
Beschwerden gegen die Entscheide des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer, 
vom 5. Mai 2025 (RR.2024.90 und RR.2024.89). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen D.C.________ (im Folgenden: D.C.________) und weitere Personen im Zusammenhang mit sogenannten "CumEx-Geschäften", u.a. wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall, des gewerbsmässigen Bandenbetrugs und der Geldwäsche in einem besonders schweren Fall. Gegen C.C.________ (nachfolgend: C.C.________), Ehefrau von D.C.________ und Verwaltungsratspräsidentin der A.________ AG, wird wegen des Verdachts der mehrfachen gemeinschaftlichen Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall ermittelt. 
 
B.  
Am 20. August 2021 bewilligte das Bundesamt für Justiz (BJ) die Auslieferung von D.C.________ an Deutschland, unter Bejahung der beidseitigen Strafbarkeit wegen gemeinrechtlichen Betrugs. Dies wurde vom Bundesstrafgericht am 20. Dezember 2021 bestätigt (TPF 2022 24). Das Bundesgericht trat auf die dagegen gerichtete Beschwerde nicht ein (Urteil 1C_3/2022 vom 16. Februar 2022; vgl. auch Nichteintretensentscheid 1C_725/2024, 1C_726/2024, 1C_727/2024 vom 8. Januar 2025 betreffend die rechtshilfeweise Herausgabe von Unterlagen). 
 
C.  
Am 13. April 2022 gelangte die Staatsanwaltschaft Köln an das Bundesamt für Justiz (BJ) und ersuchte u.a. um die Durchsuchung der Geschäftsräume der A.________ AG sowie der Bank E.________. 
Mit Schlussverfügung vom 5. Juli 2024 bewilligte die (mit der Ausführung des Rechtshilfegesuchs betraute) Staatsanwaltschaft Graubünden die rechtshilfeweise Herausgabe der von der Bank E.________ edierten Bankunterlagen betreffend Konten der A.________ AG sowie von C.C.________ und D.C.________. Diese Schlussverfügung wurde dem Rechtsvertreter von C.C.________ zugestellt. 
 
D.  
Gegen die Schlussverfügung erhob C.C.________ am 1. August 2024 sowohl im eigenen Namen als auch namens der A.________ AG Beschwerde an das Bundesstrafgericht. Dieses wies beide Beschwerden in separaten Entscheiden vom 5. Mai 2025 ab. 
 
E. Gegen den jeweils sie betreffenden Entscheid haben die A.________ AG (Beschwerdeführerin 1, Verfahren 1C_268/2025) und C.C.________ (Beschwerdeführerin 2, Verfahren 1C_269/2025) am 16. Mai 2025 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, die angefochtenen Entscheide des Bundesstrafgerichts und die diesen zugrundeliegende Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden seien aufzuheben und die Herausgabe der darin genannten Dokumente und Beweismittel zu untersagen. Eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an die Staatsanwaltschaft Graubünden oder an das Bundesstrafgericht zurückzuweisen.  
 
F.  
Es wurden die vorinstanzlichen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Beide Beschwerden betreffen dieselbe Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden und stimmen inhaltlich überein. Es rechtfertigt sich daher, die Verfahren zu vereinigen und die Sache in einem einzigen Urteil zu behandeln. 
 
2.  
Angefochten sind zwei Endentscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 86 Abs. 1 lit. b und Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerinnen sind als Kontoinhaberinnen unmittelbar von der Rechtshilfeleistung betroffen und damit zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdefrist wurde eingehalten (Art. 100 Abs. 2 lit. b BGG i.V.m. Art. 44 f. BGG). 
Die Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist nur zulässig, wenn diese u.a. eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 BGG). Die erste Voraussetzung ist vorliegend erfüllt; fraglich ist dagegen, ob der Fall besonders bedeutend ist. 
 
3.  
Nach Art. 84 Abs. 2 BGG liegt ein besonders bedeutender Fall "insbesondere" vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist. Das Gesetz enthält eine nicht abschliessende, nur beispielhafte Aufzählung von möglichen besonders bedeutenden Fällen. Darunter fallen nicht nur Beschwerden, die Rechtsfragen von grundsätzlicher Tragweite aufwerfen, sondern auch solche, die aus anderen Gründen besonders bedeutsam sind (BGE 145 IV 99 E. 1.1 mit Hinweisen). Nach der Praxis des Bundesgerichts kann auch die Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze im schweizerischen Rechtshilfeverfahren (und nicht nur im ausländischen Verfahren) einen besonders bedeutenden Fall begründen (BGE 145 IV 99 E. 1.3). Indessen genügt das pauschale Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, die Behörden hätten ihr rechtliches Gehör oder andere elementare Verfahrensgrundsätze verletzt, nicht, um einen Rechtshilfefall als besonders bedeutend erscheinen zu lassen. Vielmehr müssen dafür ernsthafte Anhaltspunkte objektiv vorliegen (BGE 145 IV 99 E. 1.4; 133 IV 125 E. 1.4; je mit Hinweisen; vgl. dazu MARC FORSTER, in: Basler Kommentar zum BGG, 3. Aufl., 2018, Art. 84 N. 31). 
Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist, steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu. Gerade im Bereich der sogenannten "kleinen" (akzessorischen) Rechtshilfe kann ein besonders bedeutender Fall nur ausnahmsweise angenommen werden (BGE 145 IV 99 E. 1.2 mit Hinweisen). 
Die besondere Bedeutung des Falles ist in der Beschwerdeschrift darzulegen; hierfür gilt eine qualifizierte Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BGG; FORSTER, a.a.O., Art. 84 N. 33). 
 
4.  
Vorliegend behaupten die Beschwerdeführerinnen, dem Fall komme grundsätzliche Bedeutung zu, und begründen dies mit einer Auflistung verschiedener von ihnen erhobener Rügen, ohne allerdings substanziiert darzulegen, weshalb elementare Verfahrensgrundsätze verletzt wurden, die aufgeworfenen Rechtsfragen von grundsätzlicher Tragweite sind oder dem Fall aus anderen Gründen besondere Bedeutung zukommt. Dies liegt auch nicht auf der Hand: 
 
4.1. Es ist unstreitig, dass die (nur) dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin 2 zugestellte Schlussverfügung an diese weitergeleitet wurde, mit der Folge, dass sie davon auch in ihrer Funktion als Verwaltungsratspräsidentin der Beschwerdeführerin 1 Kenntnis erlangte und sie deshalb die Schlussverfügung auch namens der Beschwerdeführerin 1 rechtzeitig anfechten konnte. Der Beschwerdeführerin 1 ist daher kein Nachteil entstanden, weshalb deren Verfahrensrechte nicht in schwerwiegender Weise verletzt worden sind.  
 
4.2. Die von den Beschwerdeführerinnen aufgeworfenen Sachverhalts- und Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Strafbarkeit wegen Geldwäscherei nach schweizerischem und deutschem Recht im konkreten Fall lassen keine grundsätzliche Bedeutung erkennen, zumal die Rechtshilfebehörden grundsätzlich an die Sachverhaltsschilderung des Rechtshilfeersuchens gebunden sind (BGE 142 IV 250 E. 6.3 mit Hinweisen), sie die Strafbarkeit nach inländischen Recht nur "prima facie" prüfen (vgl. BGE 145 IV 294 E. 2.2; 142 IV 250 E. 5.2; je mit Hinweisen) und die Strafbarkeit im ersuchenden Staat grundsätzlich nicht zu prüfen haben (vgl. Art. 64 Abs. 1 IRSG; BGE 145 IV 294 E. 2.2; 116 Ib 89 E. 3c/aa; je mit Hinweisen). Für die (von den Beschwerdeführerinnen unterstellte) bewusste Verfälschung des Sachverhalts durch das Bundesstrafgericht fehlt jeglicher Anhaltspunkt.  
 
4.3. Das Abkommen vom 26. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten anderseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Hand-  
lungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen (BBA; SR 0.351.926.81), soll die Amtshilfe und die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Vertragsparteien ausdehnen und nicht einschränken (Art. 1 und Art. 25 Abs. 1 BBA). Der Ausschluss der direkten Steuern vom Anwendungsbereich des Abkommens (in Art. 2 Abs. 4 BBA) schliesst daher die Leistung von Rechtshilfe gestützt auf andere Übereinkommen bzw. dem Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) offensichtlich nicht aus (sog. Günstigkeitsprinzip; vgl. auch Art. 25 Abs. 2 BBA). In diesem Zusammenhang stellen sich keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. 
 
4.4. Die beanstandete Erwägung der Vorinstanz, wonach es nicht Aufgabe der Schweizer Behörden sei, nach Eingang eines Rechtshilfeersuchens im ersuchenden Staat ergangene Entscheide (hier: Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Köln vom 25. Juli 2024 im Verfahren 113 Js 241/16) zu interpretieren, sondern das Rechtshilfeersuchen zu vollziehen ist, solange es nicht zurückgezogen wurde, entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil 1C_624/2022 vom 21. April 2023, in BGE 149 IV 376 nicht publ. E. 7). Im Übrigen wurde nur eines von mehreren Ermittlungsverfahren eingestellt. Ob es sich um das einzige Verfahren wegen Betrugs handelte, wie die Beschwerdeführerinnen geltend machen, ist insofern irrelevant, als es für die vorliegend streitige "kleine Rechtshilfe" genügt, wenn eines von mehreren im Rechtshilfeersuchen geschilderten Delikte von einem (nicht notwendigerweise identischen) Straftatbestand des schweizerischen Rechts erfasst wird (vgl. 1C_138/2007 vom 17. Juli 2007 E. 2.3.2 mit zahlreichen Hinweisen; ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 5. Aufl., 2019, Rz. 580 S. 622).  
 
5.  
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde im Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 1 und 3 BGG nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführerinnen kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Verfahren 1C_268/2025 und 1C_269/2025 werden vereinigt. 
 
2.  
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, und dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Mai 2025 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Haag 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber