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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_173/2023  
 
 
Urteil vom 27. September 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Bank B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Meuwly, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Provisorische Rechtsöffnung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Einzelrichter für Beschwerden SchKG, 
vom 27. Januar 2023 (BES.2022.71-EZS1). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Entscheid vom 25. Oktober 2022 erteilte das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland der Bank B.________ antragsgemäss provisorische Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 1'391'351.95 nebst Zins zu 5 % seit dem 30. Juni 2021 sowie für die Betreibungskosten. 
 
B.  
Gegen diesen Rechtsöffnungsentscheid gelangte A.________ an das Kantonsgericht St. Gallen, welches seine Beschwerde am 27. Januar 2023 abwies. 
 
C.  
A.________ hat am 3. März 2023 Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben und das Rechtsöffnungsgesuch der Bank B.________ (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) abzuweisen. Zudem ersucht er um unentgeltliche Prozessführung. 
Mit Präsidialverfügung vom 20. März 2023 hat das Bundesgericht das Gesuch des Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung, gegen welches nicht opponiert wurde, gutgeheissen. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, in der Sache hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts, das als Rechtsmittelinstanz über ein Gesuch um provisorische Rechtsöffnung für eine Forderung weit über der Streitwertgrenze von Fr. 30'000.-- befunden hat. Gegen diesen Endentscheid in einer Schuldbetreibungs- und Konkurssache ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 1 lit. b und Art. 75 Abs. 2, Art. 90 BGG; BGE 134 III 115 E. 1.1).  
 
1.2. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 337 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 II 283 E. 1.2.2).  
 
2.  
Der Beschwerdeführer wehrt sich im vorliegenden Rechtsöffnungsverfahren gegen die Inanspruchnahme durch die Beschwerdegegnerin, gegenüber welcher er sich im öffentlich beurkundeten Bürgschaftsvertrag vom 9. Oktober 2012 als Solidarschuldner verpflichtet hat. 
 
2.1. Die Vorinstanz bejahte mit der Erstinstanz das Vorliegen eines formgültigen Bürgschaftsvertrags sowie eines tauglichen provisorischen Rechtsöffnungstitels auch für die Hauptschuld. Sie nahm weiter an, es liege Solidarbürgschaft im Sinne des Art. 496 OR vor und erachtete die in Art. 496 OR geforderten Voraussetzungen für die Belangung des Beschwerdeführers aus Solidarbürgschaft als gegeben. Im Übrigen sei die Gläubigerin im Rahmen der Verwertung des Grundstücks der Hauptschuldnerin im Spezialliquidationsverfahren gemäss Art. 230a SchKG belegtermassen für den Betrag von Fr. 2'038'952.90 ungedeckt geblieben, wobei dieser Betrag insbesondere auch den Kredit, für welchen der Schuldner die Solidarbürgschaft eingegangen sei, d.h. die Hauptschuld, umfasse, während von Seiten des Schuldners eine angebliche vollständige Tilgung der Hauptschuld sowie ein angeblich gewinnabwerfender Weiterverkauf des Grundstückes durch die Gläubigerin nicht habe hinreichend glaubhaft gemacht werden können. Demgegenüber hält der Beschwerdeführer vor Bundesgericht an seiner Auffassung fest, dass er als Folge der Ersteigerung der Liegenschaft durch die Beschwerdegegnerin von seiner Haftung befreit worden sei.  
 
2.2. Nach Art. 82 Abs. 1 SchKG erteilt das Gericht die provisorische Rechtsöffnung, wenn die Forderung auf einer durch öffentliche Urkunde festgestellten oder durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung beruht, sofern der Betriebene nicht nach Art. 82 Abs. 2 SchKG Einwendungen, welche die Schuldanerkennung entkräften, sofort glaubhaft macht. Für einen Bürgschaftsvertrag wird Rechtsöffnung erteilt, wenn die Hauptschuld und die Voraussetzungen für das Vorgehen gegen den Bürgen feststehen (STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 3. Aufl. 2021, N. 134 zu Art. 82 SchKG; VEUILLET/ABBET, in: La mainlevée de l'opposition, 2. Aufl. 2022, N. 200 zu Art. 82 SchKG). Gemäss herrschender Praxis bedarf es zusätzlich zur öffentlich beurkundeten Bürgschaftsverpflichtung einer unterschriebenen oder in öffentlicher Urkunde ausgestellten Schuldanerkennung für die Hauptschuld, welche ihrerseits einen Titel (mindestens) zur provisorischen Rechtsöffnung darstellt (BGE 122 III 125 E. 2b; Urteile 5A_1036/2018 vom 15. Mai 2019 E. 4; 5A_450/2012 vom 1. November 2012 E. 3; 5A_477/2011 vom 10. Oktober 2011 E. 4.3.1).  
 
2.3. In sachverhaltsmässiger Hinsicht steht fest, dass der Solidarbürgschaftsvertrag vom 9. Oktober 2012 für einen Höchstbetrag von Fr. 1'500'000.-- vom Beschwerdeführer und seiner Ehefrau unterzeichnet und von einem Notar öffentlich beurkundet wurde. Nachdem die Formvorschriften von Art. 493 Abs. 1 und 2 OR erfüllt sind, liegt ein formgültiger Bürgschaftsvertrag vor. Erstellt ist zudem, dass die Beschwerdegegnerin zusammen mit dem Rechtsöffnungsgesuch auch eine Schuldanerkennung der Hauptschuldnerin C.________ AG, nämlich die Kreditverträge vom 10. Oktober 2012 und 9. Dezember 2014, eingereicht hat.  
 
2.4. Was die Voraussetzungen für die Belangung des Bürgen anbelangt, kann bei der Solidarbürgschaft die Gläubigerin den Solidarbürgen bereits in Anspruch nehmen, wenn die Hauptschuldnerin mit ihrer Leistung im Rückstand und erfolglos gemahnt worden oder ihre Zahlungsunfähigkeit offenkundig ist; auch allfällige Grundpfänder müssen nicht vorher verwertet werden (Art. 496 Abs. 1 OR). Folglich muss die Hauptschuldnerin weder in Konkurs gefallen sein noch Nachlassstundung erhalten haben und auch nicht von der Gläubigerin unter Anwendung der erforderlichen Sorgfalt bis zur Ausstellung eines definitiven Verlustscheins betrieben worden sein. Vorliegend ist unbestritten, dass über die Hauptschuldnerin am 17. März 2020 der Konkurs eröffnet und das Konkursverfahren am 11. August 2020 mangels Aktiven eingestellt wurde. Überdies wurde die im Rückstand stehende Hauptschuldnerin nach den unbestrittenen vorinstanzlichen Feststellungen erfolglos gemahnt. Die gemäss Art. 496 Abs. 1 OR nötigen Voraussetzungen, um den Beschwerdeführer als Solidarbürgen bereits vor der Hauptschuldnerin und der Verwertung des Grundstücks im Spezialliquidationsverfahren nach Art. 230a Abs. 2 SchKG in Anspruch zu nehmen, waren somit zweifelsfrei erfüllt. Erst recht konnte der Beschwerdeführer im Nachgang der konkursamtlichen Grundstücksteigerung in Anspruch genommen werden. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann er aus dem Umstand, dass die Beschwerdegegnerin zunächst die Verwertung des mit den Grundpfandrechten belasteten Grundstücks der Hauptschuldnerin abgewartet hat, somit nichts zu seinen Gunsten ableiten.  
 
2.5. Im Wesentlichen beruft sich der Beschwerdeführer wie im kantonalen Verfahren auf Tilgung der gesamten Hauptforderung. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Beweiswürdigung der Vorinstanzen kritisiert, dass die Forderung der Beschwerdegegnerin gegen die Hauptschuldnerin C.________ AG in der Spezialliquidation gemäss Art. 230a Abs. 2 SchKG nicht gedeckt werden konnte, sind seine Ausführungen indes rein appellatorischer Natur. Mit den in diesem Zusammenhang von den Vorinstanzen gewürdigten Beweismitteln (namentlich der definitiven Abrechnung und Verteilungsliste des Konkursamts St. Gallen vom 18. August 2021) setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Es ist daher von den mit der Aktenlage übereinstimmenden vorinstanzlichen Feststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG) auszugehen, dass das Grundstück zum Preis von Fr. 3'500'000.-- versteigert wurde und für die Beschwerdegegnerin aus der Grundpfandverwertung ausgehend von einer Gesamtforderung von Fr. 5'383'728.80 ein Verlust in der Höhe von Fr. 2'038'952.90 resultierte. Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang das Vorbringen des Beschwerdeführers, der effektive Wert der Liegenschaft sei wesentlich höher als der Verwertungserlös von Fr. 3'500'000.--. Richtigerweise haben die Vorinstanzen einzig auf den Zuschlagspreis abgestellt (vgl. Urteil 5A_295/2023 vom 15. August 2023 E. 5.4). Rechtlich unerheblich ist folglich ausserdem, ob die Beschwerdegegnerin das Grundstück in der Folge zu einem höheren Preis weiterveräussern konnte. Weiterungen zu den vom Beschwerdeführer diesbezüglich erhobenen Sachverhaltsrügen erübrigen sich daher.  
 
2.6. Nicht stichhaltig ist weiter das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Beschwerdegegnerin habe im Zusammenhang mit der Grundpfandverwertung keinen Verlustschein (gemeint wohl: Pfandausfallschein) vorgelegt, weshalb sie über keinen Rechtsöffnungstitel verfüge. Wie erwähnt (vorne E. 2.3), verfügt die Beschwerdegegnerin mit dem Bürgschaftsvertrag sowie den Kreditverträgen über taugliche provisorische Rechtsöffnungstitel. Der Beschwerdeführer übersieht, dass es gemäss Art. 82 Abs. 2 SchKG ihm selbst oblag, Einwendungen welche die Schuldanerkennung entkräften, sofort glaubhaft zu machen und die Beschwerdegegnerin nicht auf eine Urkunde in der Qualität eines Rechtsöffnungstitels angewiesen war, um seinen Einwand, die Hauptschuld sei bereits vollständig getilgt worden, zu widerlegen. Sodann geht der Beschwerdeführer fehl in der Annahme, es sei dadurch, dass die Beschwerdegegnerin als Gläubigerin im Rahmen der Spezialliquidation nach Art. 230a Abs. 2 SchKG das Grundstück der Hauptschuldnerin selbst ersteigert habe, zu einer Konfusion im Sinne von Art. 118 Abs. 1 OR gekommen, was zum (vollständigen) Erlöschen der Hauptforderung und folglich auch zur Beendigung der Bürgschaft geführt habe. Unter anderem übersieht der Beschwerdeführer, dass im Rahmen der Spezialliquidation nach Art. 230a Abs. 2 SchKG keine Überbindung der fällig gewesenen Schuld stattgefunden hat. Zur Überbindung von grundpfandgesicherten Schulden kommt es bloss dann, wenn die Schuld nicht fällig ist. Ist sie hingegen fällig, wird sie "nicht überbunden, sondern vorweg aus dem Erlös bezahlt" (Art. 135 Abs. 1 letzter Satz SchKG). Entgegen der offenbar vom Beschwerdeführer ebenfalls vertretenen Auffassung hatte auch der Untergang der Grundpfandrechte in der gegen die Hauptschuldnerin geführten Zwangsvollstreckung nicht das (vollständige) Erlöschen der pfandgesicherten Forderung zur Folge (s. auch zit. Urteil 5A_295/2023 E. 5.4).  
 
3.  
Aus den dargelegten Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, war die Beschwerde von vornherein aussichtslos. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter für Beschwerden SchKG, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. September 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss