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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_3/2025  
 
 
Urteil vom 29. April 2025  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Muschietti, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Wohlhauser, 
Bundesrichter Guidon, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Massnahme (Gutachten etc.), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 13. November 2024 (SST.2024.92). 
 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:  
 
1.  
Das Obergericht des Kantons Aargau stellte mit Urteil vom 13. November 2024 die Rechtskraft des Urteils des Bezirksgerichts Lenzburg vom 5. Dezember 2023 fest und zwar insbesondere in Bezug auf die Schuldsprüche, die Freisprüche zufolge Schuldunfähigkeit, die unbedingte Freiheitsstrafe von 9 Monaten sowie die Busse von Fr. 100.-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag). Es ordnete zweitinstanzlich eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB an, rechnete die vorläufige Festnahme, die Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie den vorzeitigen Massnahmevollzug von insgesamt 601 Tagen auf die Freiheitsstrafe bzw. die stationäre Massnahme an und sah von einer nicht obligatorischen Landesverweisung gemäss Art. 66a bis StGB ab. Zudem regelte es die Beschlagnahmungen sowie die Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
Der Beschwerdeführer wendet sich mit Beschwerde an das Bundesgericht. Er beanstandet im Wesentlichen die unvollständige Erhebung des rechtserheblichen Sachverhalts und zwar namentlich in Bezug auf die Anordnung der stationären Massnahme. Das psychiatrische Gutachten sei in Bezug auf Diagnose und Risikoanalyse mangelhaft. Zudem erweise sich die Anordnung einer stationären Massnahme als unverhältnismässig. 
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde an das Bundesgericht in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Unerlässlich ist, dass auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingegangen und im Einzelnen aufgezeigt wird, worin eine vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsverletzung liegt (BGE 148 IV 205 E. 2.6; 146 IV 297 E. 1.2). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der Anfechtung des Sachverhalts wegen Willkür; vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) besteht eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.6).  
 
2.2. Das Bundesgericht ist grundsätzlich an den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Als oberste Recht sprechende Behörde (Art. 1 Abs. 1 BGG) hat es die angefochtenen Entscheidungen auf die richtige Rechtsanwendung hin zu überprüfen. Für ergänzende Tatsachenfeststellungen und Beweiserhebungen sind die Sachgerichte zuständig. Das Bundesgericht hat grundsätzlich keine Beweise abzunehmen oder Tatsachen festzustellen (BGE 133 IV 293 E. 3.4.2). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Neue Begehren sind im bundesgerichtlichen Verfahren unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG).  
 
2.3. Das Gehörsrecht ist nicht verletzt, wenn die Strafbehörden in vorweggenommener (antizipierter) Beweiswürdigung annehmen können, ihre Überzeugung werde durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert (BGE 147 IV 534 E. 2.5.1; 144 II 427 E. 3.1.3; 141 I 60 E. 3.3; je mit Hinweisen). Die Rüge unzulässiger antizipierter Beweiswürdigung prüft das Bundesgericht als Tatfrage nur unter dem Aspekt der Willkür (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 147 IV 534 E. 2.5.1; 146 III 73 E. 5.2.2).  
 
2.4. Das Gericht stützt sich bei seinem Entscheid über die Anordnung einer Massnahme auf eine sachverständige Begutachtung (Art. 56 Abs. 3 StGB, Art. 182 StPO; BGE 150 IV 1 E. 2.2.3; 146 IV 1 E. 3.1; 134 IV 315 E. 4.3.1). Das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen kann gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 150 IV 1 E. 2.3.3; 146 IV 114 E. 2.1; 142 IV 49 E. 2.1.3; je mit Hinweisen). Ob das Gericht die im Gutachten enthaltenen Erörterungen für überzeugend hält oder nicht und ob es dementsprechend den Schlussfolgerungen des Sachverständigen folgen will, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die das Bundesgericht nur unter Willkürgesichtspunkten prüft (BGE 141 IV 305 E. 6.6.1; Urteil 6B_953/2023 vom 15. Dezember 2023 E. 1.4.5, nicht publ. in: BGE 150 IV 1).  
 
2.5. Die Beurteilung der Verhältnismässigkeit einer Massnahme ist eine vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage (Urteile 7B_197/2023 vom 14. Juli 2023 E. 4.2.5; 6B_173/2019 vom 24. Oktober 2019 E. 5.3.3; 6B_85/2019 vom 15. Mai 2019 E. 1.5). Diese prüft das Bundesgericht frei.  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich mit verschiedenen Beweisanträgen an das Bundesgericht. Er verlangt die Edition, Auswertung und Eröffnung sämtlicher beschlagnahmter Datenträger, die Edition sämtlicher polizeilicher Detailrapporte "gemäss D.3 act. 317" und die Einholung eines psychiatrischen Obergutachtens. Darauf ist schon deshalb nicht einzutreten, weil das Bundesgericht grundsätzlich keine Beweise abnimmt und keine Beweiserhebungen anordnet (BGE 133 IV 293 E. 3.4.2; Urteile 6B_748/2024 vom 5. März 2025 E. 3; 6B_227/2024 vom 22. Mai 2024 E. 2; 6B_1071/2022 vom 20. September 2023 E. 4.1; 6B_553/2022 vom 16. September 2022 E. 1.1; je mit Hinweisen). Weshalb dies vorliegend anders sein und daher von diesem Grundsatz abgewichen werden soll, begründet der Beschwerdeführer nicht und ist auch nicht ersichtlich. Abgesehen davon sind die Anträge, soweit neu, in Anwendung von Art. 99 Abs. 2 BGG ohnehin unzulässig, was insbesondere, soweit ersichtlich, für die Editions-, Auswertungs- und Eröffnungsbegehren in Bezug auf die beschlagnahmten Datenträger, aber auch für die Editionsbegehren in Bezug auf die polizeilichen Detailrapporte der Fall ist bzw. sein dürfte. Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht jedenfalls nicht geltend, und es ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Urteil, dass er bereits im Berufungsverfahren um Edition (etc.) der Datenträger und der polizeilichen Detailberichte ersucht, die Vorinstanz diese Anträge zu Unrecht nicht behandelt und sie dadurch sein rechtliches Gehör verletzt hätte. Abgesehen davon ist weder in einer den Formerfordernissen genügenden Weise dargetan noch ersichtlich, inwiefern die Edition (etc.) der Datenträger und sämtlicher polizeilicher Detailrapporte, sofern vorhanden, im Zusammenhang mit der Anordnung der Massnahme (als verbliebener Streitgegenstand) entscheidrelevant sein könnte.  
 
3.2. Mit dem Begehren um Einholung eines psychiatrischen Obergutachtens wiederholt der Beschwerdeführer seinen bereits im Berufungsverfahren gestellten Antrag. Die Vorinstanz setzt sich damit im angefochtenen Urteil eingehend auseinander und lehnt den Antrag ab. Sie würdigt die Sachverständigenbegutachtung (bestehend aus dem Vorabgutachten vom 7. Juni 2023, dem Gutachten vom 12. Juli 2023 und den mündlichen Erläuterungen des Gutachters anlässlich der Berufungsverhandlung vom 13. November 2024) umfassend, namentlich und gerade auch unter Einbezug des Therapieverlaufsberichts des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes (PPD), Amt für Justizvollzug, vom 17. Oktober 2024, in welchem eine vom Gutachter abweichende Diagnose gestellt wird und wozu dieser einlässlich Stellung genommen hat. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung gelangt die Vorinstanz - unter Berücksichtigung aller massgeblichen Gesichtspunkte einschliesslich Diagnose und Risikoanalyse - zum Schluss, an der Richtigkeit/Vollständigkeit und damit an der Schlüssigkeit der gutachterlichen Feststellungen nicht zweifeln zu müssen, und stützt die Massnahmenanordnung auf die Beurteilung/Begutachtung des psychiatrischen Sachverständigen. Der vorinstanzlichen Würdigung hält der Beschwerdeführer vor Bundesgericht lediglich, wenn auch ausführlich, die bereits im Berufungsverfahren vorgebrachte (und verworfene) Kritik an der Sachverständigenbeurteilung und zudem seine eigene Sicht der Dinge entgegen, ohne dass sich daraus in einer den Formerfordernissen genügenden Weise ergäbe, inwiefern die Vorinstanz im Rahmen der Würdigung der Gutachten/des Therapieverlaufsberichts und der Abweisung des Antrags auf Einholung eines Obergutachtens in Willkür verfallen wäre oder sonst wie gegen Bundesrecht verstossen haben könnte. Die Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind insofern nicht erfüllt (BGE 142 IV 364 E. 2.4; 141 IV 369 E. 6.3; je mit Hinweisen), weshalb darauf nicht einzutreten ist.  
 
4.  
In materieller Hinsicht beanstandet der Beschwerdeführer die Anordnung einer stationären Massnahme als unverhältnismässig, namentlich deshalb, weil die Anlassdelikte mit einer abstrakten Höchststrafe von 3 Jahren Freiheitsstrafe hierfür nicht hinreichend schwer wiegen würden. Zudem stellt er in diesem Zusammenhang das Risiko von schwerwiegenden Gewaltstraftaten in Freiheit in Frage. Seine Kritik geht abermals im Wesentlichen nicht über eine (blosse) Wiedergabe der bereits vor Vorinstanz vorgetragenen Standpunkte hinaus. Die Vorinstanz setzt sich im angefochtenen Urteil mit der Anordnung der Massnahme und deren Verhältnismässigkeit in einer ausführlichen Begründung unter Bezugnahme auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung auseinander und äussert sich diesbezüglich zu allen entscheidwesentlichen Fragestellungen, insbesondere auch zur vom Beschwerdeführer ausgehenden im Sinne des Gesetzes relevanten Rückfallgefahr (vgl. Urteil S. 12 ff.). Auf ihre Begründung kann in Anwendung von Art. 109 Abs. 3 BGG verwiesen werden, ohne dass dieser etwas beizufügen und auf die in der Beschwerde wiederholte Kritik ein weiteres Mal einzugehen wäre. 
 
5.  
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit sie den Begründungsanforderungen (Art. 42 und Art. 106 Abs. 2 BGG) genügt und darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten. Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist gestützt auf Art. 64 BGG wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen. Seinen finanziellen Verhältnissen ist bei der Kostenfestsetzung Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. April 2025 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Muschietti 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill