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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_1064/2024  
 
 
Urteil vom 29. Oktober 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Habegger, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
Beschwerdegegnerin, 
 
1. B.________, 
vertreten durch Fürsprecherin Franziska Schnyder, 
2. C.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dana Rüger, 
3. Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI), 
Rathausplatz 1, Postfach, 3000 Bern 8 
Privatklägerinnen. 
 
Gegenstand 
Berufungsverfahren; Beweisanträge, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 5. September 2024 (SK 24 173 IHJ). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Urteil vom 1. Dezember 2023 sprach das Regionalgericht Bern-Mittelland A.________ schuldig des gewerbsmässigen Menschenhandels, der mehrfachen Förderung der Prostitution, der Vergewaltigung, der einfachen Körperverletzung, der Drohung, der Beschimpfung und der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (teilweise gewerbs- und mengenmässig qualifiziert). Es verurteilte ihn hierfür zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 10.--. Zudem ordnete es eine Landesverweisung von 14 Jahren an. Gegen dieses Urteil meldete A.________ Berufung beim Obergericht des Kantons Bern an. Das Berufungsverfahren ist derzeit hängig. 
 
B.  
Im Rahmen des Berufungsverfahrens beantragte A.________ am 30. April 2024, es seien mehrere Zeuginnen und Zeugen (insgesamt 11 Personen) zu befragen. Mit verfahrensleitendem Beschluss vom 5. September 2024 wies die 2. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern diesen Beweisantrag ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 3. Oktober 2024 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses vom 5. September 2024 und die Gutheissung seines Beweisantrags. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (BGE 147 I 268 E. 1 mit Hinweisen). 
 
1.1. Im hängigen kantonalen Berufungsverfahren hat das Obergericht den Beweisantrag des Beschwerdeführers betreffend die Befragung verschiedener Zeugen im Rahmen des angefochtenen Beschlusses abgewiesen. Bei diesem Beschluss handelt es sich um einen anderen selbstständig eröffneten Vor- bzw. Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Ein solcher Zwischenentscheid ist mit Beschwerde an das Bundesgericht grundsätzlich nur unmittelbar anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder - was vorliegend nicht der Fall ist - wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.2. Beim drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss es sich um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verteuerung oder Verlängerung des Verfahrens genügt nicht. Nicht wieder gutzumachend bedeutet, dass er auch mit einem für die beschwerdeführende Person günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behoben werden kann (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 IV 321 E. 2.3; je mit Hinweisen). Woraus sich der nicht wieder gutzumachende Nachteil ergeben soll, ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, sofern dies nicht offensichtlich ist (BGE 141 IV 284 E. 2.3, 289 E. 1.3; je mit Hinweisen). Die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen und diese hierbei insgesamt beurteilen soll. Sie ist nach der Rechtsprechung restriktiv zu handhaben (BGE 140 V 321 E. 3.6; Urteil 7B_233/2024 vom 12. April 2024 E. 1.2).  
 
1.3. Bei Streitigkeiten über die Beweiserhebung droht in der Regel kein Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, da der Rechtsuchende seine diesbezüglichen Einwände bis zum Abschluss des Strafverfahrens (gegenüber der erkennenden Strafbehörde) erneut vorbringen kann (BGE 144 IV 127 E. 1.3; 143 IV 387 E. 4.4; 141 IV 284 E. 2.2; 289 E. 1.2; Urteil 1B_108/2022 vom 10. Oktober 2022 E. 1.3). Daher ist die Beschwerde ans Bundesgericht gegen die Abweisung von Beweisanträgen in einem Zwischenentscheid grundsätzlich erst zusammen mit dem Endentscheid zulässig. Eine Ausnahme liegt vor, wenn im Zeitpunkt der Anfechtung des Zwischenentscheides ein definitiver Beweisverlust droht (BGE 149 IV 205 E. 3.3; 139 IV 25 E. 1; 137 IV 340 E. 2.3; Urteil 1B_35/2018 vom 30. August 2018 E. 3.2). Die bloss theoretische Möglichkeit eines Beweisverlusts genügt dabei nicht; erforderlich ist vielmehr ein konkretes Risiko (Urteil 7B_499/2024 vom 12. August 2024 E. 2.2)  
 
1.4. Die von der Vorinstanz abgelehnten Beweisanträge können vom Beschwerdeführer anlässlich der Berufungsverhandlung nochmals gestellt und begründet werden (Art. 405 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 339 Abs. 2 lit. d, Art. 343 StPO). Das Berufungsgericht gibt den Parteien vor Abschluss des Beweisverfahrens nochmals die Gelegenheit, weitere Beweisanträge zu stellen (Art. 345 in Verbindung mit Art. 405 Abs. 1 StPO). Nach Vorliegen eines Berufungsurteils könnte der Beschwerdeführer die Rüge, es seien Beweisanträge, die sich auf den Inhalt des Urteils auswirkten, zu Unrecht abgewiesen worden, nötigenfalls auch nochmals im Rahmen einer Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht gegen den schriftlich begründeten Endentscheid erheben (Art. 93 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 95 BGG; siehe BGE 144 IV 127 E. 1.3.1; Urteil 1B_35/2018 vom 30. August 2018 E. 3.2). Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist damit insoweit nicht ersichtlich und wird auch nicht dargetan.  
 
1.5. Entgegen dem Dafürhalten des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen Vorbringen auch kein drohender Beweisverlust, der es als geboten erscheinen liesse, dass sich das Bundesgericht ausnahmsweise bereits im aktuellen Verfahrensstadium mit der Abweisung von Beweisanträgen in einem Zwischenentscheid des kantonalen Sachgerichtes befasst (siehe vorne E. 1.2 und 1.3). Es handelt sich um eine unbegründete Behauptung, dass die Zeugen ihre Tätowierungen aufgrund des hängigen Berufungsverfahrens überstechen oder mittels Lasertechnik entfernen lassen könnten. Namentlich ist nicht ersichtlich, inwiefern es für die Sichtung der "Beziehungs-Tattoos" der Privatklägerin 1 und des Beschwerdeführers deren Befragung braucht und beispielsweise Fotoaufnahmen nicht ausreichend sein sollen. Auch die nicht näher substanziierte Gefahr eines Erinnerungsverlusts der Zeugen zufolge des fortschreitenden Zeitablaufs seit den Tatvorwürfen begründet für sich alleine keinen konkret drohenden definitiven Beweisverlust.  
 
1.6. Zusammengefasst fehlt es den gesetzlichen Voraussetzungen gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG für einen selbstständigen Weiterzug des angefochtenen Zwischenentscheids vom 5. September 2024 an das Bundesgericht.  
 
2.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, B.________, C.________, der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. Oktober 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn