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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_1088/2024  
 
 
Urteil vom 29. Oktober 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, 
Gerichtsschreiber Schurtenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Lorenz Andrey, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, 
Postfach, 8036 Zürich. 
 
Gegenstand 
Haftentlassung Sicherheitshaft, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 23. September 2024 (UB240146-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl erhob am 20. Juni 2024 Anklage gegen A.________ wegen mehrfacher Verbrechen sowie mehrfacher Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG; SR 812.121). Mit Gesuch vom 22. August 2024 beantragte A.________, der sich seit dem 24. November 2023 in Untersuchungs- respektive Sicherheitshaft befindet, seine Entlassung aus der Haft. Das Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Zürich wies das Gesuch ab, unter dem Hinweis, dass die Sicherheitshaft bis zum 25. Dezember 2024, längstens bis zum erstinstanzlichen Urteil, fortdauere. 
 
B.  
Dagegen erhob A.________ beim Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, Beschwerde. Er beantragte die Aufhebung der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts sowie seine Entlassung aus der Haft, dies unter Auferlegung einer Sicherheitsleistung von maximal EUR 20'000.-- und nötigenfalls in Verbindung mit weiteren Ersatzmassnahmen. Das Obergericht stellte in teilweiser Gutheissung der Beschwerde eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen fest und wies die Beschwerde im Übrigen ab. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 11. Oktober 2024 erhebt A.________ beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, den Beschluss des Obergerichts vom 23. September 2024 aufzuheben und ihn umgehend, unter Auflage einer Sicherheitsleistung sowie allfälliger weiterer Ersatzmassnahmen, aus der Sicherheitshaft zu entlassen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Schliesslich beantragt er die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren. 
Die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der angefochtene kantonal letztinstanzliche Entscheid betrifft die Beurteilung eines Gesuchs um Entlassung aus der Sicherheitshaft (Art. 230 StPO). Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 ff. BGG offen. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und befindet sich, soweit aus den Akten ersichtlich, nach wie vor in Haft. Er ist deshalb nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten ist. 
 
2.  
Nach Art. 221 StPO sind Untersuchungs- und Sicherheitshaft unter anderem zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht (Abs. 1 lit. a; sog. Fluchtgefahr). An Stelle der Haft sind Ersatzmassnahmen anzuordnen, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen (Art. 212 Abs. 2 lit. c und Art. 237 ff. StPO). 
Sowohl das Zwangsmassnahmengericht als auch die Vorinstanz gehen vom Vorliegen eines dringenden Tatverdachts sowie dem besonderen Haftgrund der Fluchtgefahr aus, was der Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht beanstandet. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer rügt, entgegen der Vorinstanz sei er aufgrund der von ihr festgestellten Verletzung des Beschleunigungsgebots unverzüglich aus der Haft zu entlassen. 
 
3.1. Nach der Rechtsprechung besteht grundsätzlich einzig dann ein Anspruch auf Haftentlassung, wenn kein Haftgrund vorliegt oder die Haftdauer übermässig ist. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots führt dagegen lediglich zur Haftentlassung, wenn die Verfahrensverzögerung geeignet ist, die Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft gesamthaft in Frage zu stellen. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie besonders schwer wiegt und zudem die Strafverfolgungsbehörden erkennen lassen, dass sie nicht gewillt oder in der Lage sind, das Verfahren nunmehr mit der für Haftfälle verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Beschleunigung voranzutreiben (BGE 140 IV 74 E. 3.2; 137 IV 92 E. 3.1).  
 
3.2. Unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Rechtsprechung führt die Vorinstanz aus, die Dauer von mehr als neun Monaten zwischen Anklageerhebung und Hauptverhandlung stelle, auch unter Berücksichtigung der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Falles, eine Verletzung des Beschleunigungsgebots dar. Es seien jedoch keine besonders schwerwiegenden oder mehrfachen Verfahrensfehler erkennbar, die eine Haftentlassung des Beschwerdeführers als geboten erscheinen liessen. Insbesondere habe das Sachgericht bereits im August 2024 mehrere Terminvorschläge für eine Hauptverhandlung im Januar 2025 gemacht, die Hauptverhandlung aber aufgrund längerer Krankheit des Verteidigers eines mutmasslichen Mittäters auf Februar bzw. März 2025 verschieben müssen. Zwar habe die Staatsanwaltschaft die Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer sowie den mutmasslichen Mittäter getrennt geführt. Wenn das Sachgericht nun aber zu erkennen gebe, die beiden mutmasslichen Mittäter gemeinsam beurteilen zu wollen, sei dies mit Blick auf Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO nicht zu beanstanden.  
 
3.3. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, das Sachgericht führe wie die Staatsanwaltschaft drei Geschäftsnummern und habe die separat erfolgten Anklagen bis heute nicht in einem Verfahren vereinigt. Damit gebe es keinen Grund, auf die krankheitsbedingte Abwesenheit eines Verteidigers in einem anderen Verfahren Rücksicht zu nehmen. Vielmehr habe das Sachgericht die Verletzung des Beschleunigungsgebots damit ganz bewusst in Kauf genommen und liege ein besonders schwerer Verfahrensfehler vor.  
Dem kann nicht gefolgt werden: Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, die Hauptverhandlung könne auch im Februar oder März 2025 nicht stattfinden. Somit hat die beanstandete Verschiebung der Hauptverhandlung soweit ersichtlich lediglich eine Verzögerung des Verfahrens von ein bis maximal zwei Monaten zur Folge. Entsprechend kann keine Rede davon sein, das Sachgericht sei nicht gewillt, das Verfahren mit der notwendigen Beschleunigung voranzutreiben. Soweit der Beschwerdeführer sodann sinngemäss rügt, das Sachgericht handle widersprüchlich, ist zu konstatieren, dass es bezüglich einer allfälligen Vereinigung der Verfahren anscheinend noch gar nicht formell entschieden hat; jedenfalls wird weder behauptet noch ist ersichtlich, dass es einen Antrag auf Vereinigung der Verfahren abgewiesen hätte. 
 
4.  
Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Vorinstanz habe bei der Prüfung von Ersatzmassnahmen den Sachverhalt willkürlich festgestellt. 
 
4.1. Die Vorinstanz hält bezüglich der Geeignetheit allfälliger Ersatzmassnahmen in erster Linie fest, diese würden angesichts der "nicht unerheblichen Fluchtgefahr" des Beschwerdeführers von vornherein als unzureichend erscheinen. Darüber hinaus erwägt sie, aufgrund seiner bloss rudimentären Angaben zu den persönlichen Verhältnissen seiner Familie sei es gar nicht möglich, eine Sicherheitsleistung festzulegen.  
 
4.2. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Enthält ein Entscheid mehrere Begründungen, die je für sich den Ausgang der Sache besiegeln, so hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass jede von ihnen Recht verletzt; andernfalls kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 149 III 318 E. 3.1.3; 139 III 536 E. 2.2; 133 IV 119 E. 6.3; je mit Hinweisen).  
 
4.3. Der Beschwerdeführer bringt vor Bundesgericht einzig vor, entgegen der Vorinstanz habe er den Namen des Bruders, der die Sicherheitsleistung erbringen würde, genannt und dessen familiäre Situation und finanziellen Verhältnisse hinreichend beschrieben. Dagegen setzt er sich mit der Feststellung der Vorinstanz, die Fluchtgefahr erscheine als derart hoch, dass Ersatzmassnahmen von vornherein nicht in Frage kämen, überhaupt nicht auseinander. Damit kommt er seiner Begründungspflicht nach Art. 42 Abs. 2 BGG nicht hinreichend nach. Anzufügen bleibt, dass entgegen seiner Ansicht einzig mit dem Einreichen von Lohnabrechnungen (über drei Monate) die finanziellen Verhältnisse seines Bruders bzw. seiner Familie ohnehin nicht hinreichend dargelegt werden, erlauben diese Angaben doch keinerlei Rückschlüsse auf das Vermögen.  
 
5.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten grundsätzlich durch den Beschwerdeführer zu tragen und keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 66 und Art. 68 BGG). Indessen stellt der Beschwerdeführer ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das Verfahren vor Bundesgericht. Deren Gewährung setzt jedoch insbesondere voraus, dass der Beschwerdeführer nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer behauptet, er sei mittellos, unterlässt es jedoch, dies auch nur ansatzweise zu belegen. Daran vermag auch seine pauschale Behauptung, er habe angesichts seiner Inhaftierung "seit fast einem Jahr keine Möglichkeit, ein geregeltes Einkommen zu erzielen und [verfüge] daher nicht über die erforderlichen Mittel zur Bezahlung von Gerichtskosten", nichts zu ändern (vgl. Urteil 7B_944/2023 vom 15. Dezember 2023 E. 5 mit Hinweis). Da sich zudem auch dem angefochtenen Entscheid keinerlei Sachverhaltsfeststellungen zur finanziellen Situation des Beschwerdeführers entnehmen lassen, ist das Gesuch mangels Nachweises der Mittellosigkeit abzuweisen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, und dem Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmengericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. Oktober 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger