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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_490/2023  
 
 
Urteil vom 29. November 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, Bundesrichter Beusch, 
Gerichtsschreiberin Rupf. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________ und B.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Kazik, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 
2. Abteilung, Freischützgasse 1, 8004 Zürich, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich sowie direkte Bundessteuer, Steuerperioden 2011-2017, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 12. Juli 2023 (SR.2023.00010, SR.2023.00011). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Am 12. Juli 2023 verfügte das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verfahrensnummern SR.2023.00010 sowie SR.2023.00011) in Sachen A.A.________ und B.A.________, beide wohnhaft an der Strasse C.________, U.________, gegen das Kantonale Steueramt Zürich betreffend Nachsteuern der Staats- und Gemeindesteuern sowie der direkten Bundessteuer für die Perioden 2011-2017, dass das Kantonale Steueramt Zürich die Höhe der Ermessenseinschätzungen für die Steuerperioden 2013-2016 hinreichend begründet habe. Der/die hiergegen geführte Rekurs/Beschwerde von A.A.________ und B.A.________ erweise sich prima facie als aussichtslos, weshalb die Gesuche um unentgeltliche Prozessführung und Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands abzuweisen seien. A.A.________ und B.A.________, welche über Verlustscheine und Schulden beim Obergericht verfügen würden, hätten die Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 36'140.- (für SR.2023.00010 sowie SR.2023.00011) innert genannter Frist sicherzustellen, ansonsten auf ihre Rechtsmittel nicht eingetreten werde.  
 
1.2. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 14. August 2023 gelangen A.A.________ und B.A.________ (nachfolgend: die Beschwerdeführer) ans Bundesgericht und verlangen die Aufhebung der genannten Verfügung sowie die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands für das vorinstanzliche Verfahren, eventualiter die Rückweisung zur gehörigen Behandlung ihrer Gesuche. Mit Eingabe vom 4. September 2023 ersuchen sie, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzugestehen, dies betreffend die in Ziffern 2 und 3 der vorinstanzlichen Verfügung angesetzten Zahlungsfristen superprovisorisch.  
Die Vorinstanz und die Eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde und des Gesuchs um Erteilung der aufschiebenden Wirkung, soweit darauf einzutreten sei. Das Kantonale Steueramt lässt sich nicht vernehmen. Die Beschwerdeführer nehmen Stellung. 
 
2.  
 
2.1. Der angefochtene Entscheid, mit welchem den Beschwerdeführern für das verwaltungsgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wurde, ist als Zwischenentscheid zu qualifizieren. Die Anfechtung von Zwischenentscheiden ist unter anderem dann möglich, wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Für Zwischenentscheide, mit denen die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wird, bejaht das Bundesgericht diese Voraussetzung in aller Regel (BGE 129 I 129 E. 1.1; Urteil 2C_477/2021 vom 24. Juni 2021 E. 1.1). Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen.  
 
2.2. Nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens sind Zwischenentscheide mit dem in der Hauptsache zulässigen Rechtsmittel anzufechten (BGE 137 III 380 E. 1.1; 133 III 645 E. 2.2). In der vorliegenden Angelegenheit wird gegen den Endentscheid des Verwaltungsgerichts Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht geführt werden können (Art. 82 lit. a BGG, Art. 83 BGG e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG, Art. 90 BGG). Entsprechend steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auch für die Anfechtung des hier interessierenden Zwischenentscheids zur Verfügung. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen (Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG) geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.  
 
3.  
 
3.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten und - in den Schranken von Art. 95 BGG - von kantonalem Recht überprüft das Bundesgericht allerdings nur, wenn eine konkrete Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.1; 143 II 283 E. 1.2.2).  
 
3.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich". Eine entsprechende Rüge ist hinreichend zu substanziieren (BGE 148 V 366 E. 3.2 f.; 147 I 73 E. 2.2).  
 
3.3. Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 V 366 E. 3.3; 147 I 73 E. 2.2)  
 
4.  
 
4.1. Streitgegenstand vor Bundesgericht ist ausschliesslich die Frage, ob die Vorinstanz das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu Recht abgewiesen hat, mit anderen Worten, ob es die an sie gerichtete Beschwerde aufgrund einer "prima facie-Prüfung" (E. 4.3) als offensichtlich aussichtslos betrachten durfte.  
 
4.2. Die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht richtet sich nach § 16 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG/ZH; LS 175.2). Danach ist Privaten, denen die nötigen Mittel fehlen und deren Begehren nicht offensichtlich aussichtslos erscheinen, auf entsprechendes Ersuchen die Bezahlung von Verfahrenskosten und Kostenvorschüssen zu erlassen. Dieselben Ansprüche ergeben sich aus Art. 29 Abs. 3 BV (Urteil 2C_477/2021 vom 24. Juni 2021 E. 3.1). Die Tatbestandselemente "Prozessarmut" (BGE 144 III 531 E. 4.1) und "Prozessaussichten" (BGE 142 III 138 E. 5.1) sind dabei kumulativ zu verstehen (BGE 144 IV 299 E. 2.1).  
 
4.3. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind als aussichtslos Begehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie - zumindest vorläufig - nichts kostet. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten (prima facie), wobei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend sind (zum Ganzen: BGE 142 III 138 E. 5.1; 140 V 521 E. 9.1). Mit einer knappen Beurteilung der Aktenlage soll es sein Bewenden haben (vgl. BGE 142 V 551 E. 8.2).  
 
4.4. Auch in einem Verfahren betreffend Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) zu wahren. Dieses verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Die Begründung muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt. Es darf sich aber auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschränken und muss sich nicht ausdrücklich mit jeder tatsächlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen und diese widerlegen (BGE 146 IV 297 E. 2.2.7; 141 III 28 E. 3.2.4).  
 
5.  
 
5.1. Die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürichs vom 12. Juli 2023 hält fest, dass das Kantonale Steueramt Zürich die Ermessenseinschätzungen für die Steuerperioden 2013-2016 hinreichend begründet habe, indem es zunächst das jeweils deklarierte steuerbare Einkommen (variierend zwischen Fr. 95'700.- und Fr. 90'400.-) mit den Lebenshaltungskosten einer Familie mit drei Kindern und den unerklärlichen Vermögenszunahmen in der Höhe von Fr. 300'000.- (2013), Fr. 2'111'000.- (2014), Fr. 2'776'000.- (2015) und Fr. 1'399'000.- (2016) verglichen habe und diese Vermögenszunahmen beim steuerbaren Einkommen der Beschwerdeführer nur teilweise berücksichtigt habe, und sich die Höhe einer Schätzung naturgemäss in der Regel gar nicht begründen lassen würde, und dass somit die Ausführungen des Kantonalen Steueramts Zürich einer Willkürprüfung prima facie standhalten würden. Es wäre an den Beschwerdeführern gelegen, ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen.  
 
5.2. Die Beschwerdeführer werfen der Vorinstanz eine Verletzung der Begründungspflicht sowie Willkür, eine Verletzung der Untersuchungspflicht sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Sie hätten vor Vorinstanz gerügt, (1) der bei dieser angefochtene Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramts sei ungenügend begründet, weil "in Bezug auf die ermessensweise Schätzung eine Begründung vollständig fehle". Darauf sei die Vorinstanz ebensowenig eingegangen wie auf (2) das Spannungsverhältnis zwischen Mitwirkungs- und Untersuchungspflicht. Auch zur geltend gemachten (3) Verletzung der das Kantonale Steueramt treffenden "prozessuale[n] Treue- und Aufklärungspflicht" habe sich die Vorinstanz nicht geäussert.  
 
5.3. Die Beschwerdeführer erheben ausschliesslich auf Art. 29 Abs. 2 BV gestützte sog. Gehörsrügen. Ob diese betreffend ihre Rügen 1 und 2 den im Verfahren vor Bundesgericht geltenden Anforderungen an Substanziierung und Begründung bei geltend gemachten Grundrechtsverletzungen zu genügen vermögen, ist zweifelhaft (E. 3.1). Die Ausführungen der Beschwerdeführer verfangen diesbezüglich aber auch inhaltlich nicht. Vorab tragen sie dem Umstand nicht Rechnung, dass die Vorinstanz nicht im Rahmen der Hauptsache zu entscheiden hatte, sondern in demjenigen der Beurteilung eines bei ihr gestellten Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege, also aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten (E. 4.3). Darüber hinaus hat sich die Vorinstanz mit den Vorbringen der Beschwerdeführer hinreichend auseinandergesetzt. Es hat - dem Wesen des eben erwähnten Verfahrensstadiums entsprechend knapp - dargelegt, dass und weshalb seines Erachtens die Ausführungen des Kantonalen Steueramtes im Einspracheentscheid einer prima facie-Prüfung standhalten (vgl. E. 5.1), ebenso, weshalb die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen im Vordergrund standen.  
 
5.4. Anders verhält es sich dagegen mit der den Anforderungen im bundesgerichtlichen Verfahren (E. 3.1) entsprechenden Rüge 3 der Beschwerdeführer. Knapp aber genügend präzis wird vorgebracht, dass und weshalb die Vorinstanz das rechtliche Gehör der Beschwerdeführer verletzt habe, indem sie sich zur "prozessuale[n] Treue- und Aufklärungspflicht", welche die Beschwerdeführer in ihrer/m Rekurs/ Beschwerde an die Vorinstanz vom 25. Juni 2023 unter dem Titel der "Rüge der Verletzung der allgemeinen Verfahrensgarantien" thematisiert hatten, nicht geäussert habe. Diese Rüge ist berechtigt. Die Vorinstanz ist mit keiner Silbe darauf eingegangen, dass und weshalb die von den Beschwerdeführern auf Aufhebung des vor der Vorinstanz angefochtenen Einspracheentscheids aus formellen Gründen gerichteten Vorbringen offensichtlich aussichtslos gewesen sein sollen. Auch wenn an die Begründung in einem "prima facie"-Verfahren nicht überspannte Anforderungen gestellt werden dürfen, so sind zu potentiell relevanten Aspekten - und um solche handelt es sich vorliegend insbesondere im Lichte der Zürcher Gesetzgebung (§ 162 Abs. 3 in Verbindung mit § 141 Abs. 2 des Steuergesetzes des Kantons Zürich vom 8. Juni 1997 [StG/ZH; LS 631.1]) - Stellung zu nehmen oder - durchaus knapp - zu skizzieren, weshalb diese nicht als relevant erachtet werden (E. 4.4).  
 
5.5. Die Beschwerde ist deshalb im Sinn der vorstehenden Erwägungen gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Streitsache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird in einem zweiten Rechtsgang betreffend Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege auch eine Würdigung der formellen Rügen vornehmen müssen und sich dazu zu äussern haben. Je nach Ausgang ihrer Würdigung wird sie entweder zur materiellen Beurteilung der Hauptsache schreiten oder eine begründete Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege verfügen können.  
 
5.6. Mit dem vorliegenden Entscheid wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.  
 
6.  
Die Rückweisung zu erneutem Entscheid mit offenem Ausgang gilt praxisgemäss als Obsiegen (BGE 141 V 281 E. 11.1). Dementsprechend sind die Gerichtskosten dem Kanton Zürich aufzuerlegen, da er Vermögensinteressen verfolgt (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführern überdies eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). Dass das Kantonale Steueramt sich im bundesgerichtlichen Verfahren nicht hat vernehmen lassen, ändert hieran nichts (vgl. BGE 143 II 425 E. 7; Urteil 9C_161/2023 vom 6. Juni 2023 E. 7). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 12. Juli 2023 wird aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zur Neubeurteilung zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.- werden dem Kanton Zürich auferlegt. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Kantonalen Steueramt Zürich, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 29. November 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Rupf