Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_219/2024
Urteil vom 30. Januar 2025
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Moser-Szeless, Präsidentin,
Bundesrichter Beusch, Bundesrichterin Bollinger,
Gerichtsschreiber Businger.
Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Hörler,
Beschwerdeführerin,
gegen
Kantonale Steuerverwaltung Appenzell Innerrhoden, Marktgasse 2, 9050 Appenzell,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Staats-, Bezirks- und Gemeindesteuern des Kantons Appenzell Innerrhoden und direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2019,
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Appenzell Innerrhoden vom 6. Februar 2024 (V 5-2023).
Sachverhalt:
A.
Die A.________ AG gewährte einer Schwestergesellschaft ein Darlehen, wobei sich die Forderung per Ende 2000 auf Fr. 182'118.- belief. Sie nahm über mehrere Jahre hinweg von den Steuerbehörden akzeptierte erfolgswirksame Wertberichtigungen auf dem Darlehen in Höhe von insgesamt Fr. 182'117.- (per 31. Dezember 2020) vor.
B.
Im Jahr 2019 verzichtete die A.________ AG auf die Rückzahlung des Darlehens und schrieb es ab. In der Folge rechnete die kantonale Steuerverwaltung Appenzell Innerrhoden mit Veranlagungsverfügung vom 10. Januar 2023 für die Staats-, Bezirks- und Gemeindesteuern sowie direkte Bundessteuer 2019 den Betrag von Fr. 182'117.- auf. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 27. Februar 2023 fest. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Appenzell Innerrhoden am 6. Februar 2024 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 22. April 2024 beantragt die A.________ AG dem Bundesgericht, in Aufhebung des Entscheids vom 6. Februar 2024 sei auf die Aufrechnung von Fr. 182'117.- zu verzichten, eventualiter sei eine Aufrechnung von maximal Fr. 1.- vorzunehmen.
Die kantonale Steuerverwaltung, das Kantonsgericht und die Eidgenössische Steuerverwaltung (hinsichtlich der direkten Bundessteuer) schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht (Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG ) eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG ). Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG und Art. 73 StHG (SR 642.14) zur Beschwerde legitimiert.
1.2. Die Vorinstanz hat ein einziges Urteil für die Staats-, Bezirks- und Gemeindesteuern und die direkte Bundessteuer erlassen, was zulässig ist, soweit die zu entscheidenden Rechtsfragen im Bundesrecht und im harmonisierten kantonalen Recht gleich geregelt sind. Unter diesen Umständen ist der Beschwerdeführerin nicht vorzuwerfen, nicht zwei getrennte Beschwerden eingereicht zu haben; aus ihrer Eingabe geht deutlich hervor, dass Letztere beide Steuerarten betrifft (BGE 135 II 260 E. 1.3).
2.
2.1. Der steuerbare Reingewinn der juristischen Personen setzt sich gemäss Art. 58 Abs. 1 DBG (SR 642.11) u.a. zusammen aus dem Saldo der Erfolgsrechnung unter Berücksichtigung des Saldovortrages des Vorjahres (lit. a) und allen vor Berechnung des Saldos der Erfolgsrechnung ausgeschiedenen Teilen des Geschäftsergebnisses, die nicht zur Deckung von geschäftsmässig begründetem Aufwand verwendet werden (lit. b). Für die steuerrechtliche Gewinnermittlung ist somit vom Handelsrecht auszugehen (Massgeblichkeitsprinzip), namentlich von den Regeln zur kaufmännischen Buchführung und Rechnungslegung (Art. 957 ff. OR). Die handelsrechtskonform erstellte Jahresrechnung bildet den Ausgangspunkt für die steuerliche Bemessung von Gewinn und Kapital. Vorbehalten bleiben Korrekturen aufgrund besonderer Vorschriften, mit welchen das Abgaberecht bewusst vom Handelsrecht abweicht (BGE 147 II 209 E. 3.1.1; 141 II 83 E. 3.1).
2.2. Handelsrechtlich müssen Aktiven bei ihrer Ersterfassung höchstens zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet werden (Art. 960a Abs. 1 OR). Der nutzungs- und altersbedingte Wertverlust muss durch Abschreibungen, anderweitige Wertverluste müssen durch Wertberichtigungen berücksichtigt werden (Art. 960a Abs. 3 OR). Diese Korrekturen stehen im Einklang mit dem Vorsichtsprinzip, einem der wichtigsten Bewertungs- und Rechnungslegungsgrundsätze (Art. 958c Abs. 1 Ziff. 5 und Art. 960 Abs. 2 OR ). Das Vorsichtsprinzip verlangt, dass die Aktiven und Passiven im Zweifelsfall - im Rahmen der Ungewissheit sowie unter Beachtung der gesetzlichen Grenzen des Ermessensspielraums - in der für das Unternehmen ungünstigsten Form dargestellt werden (BGE 137 II 353 E. 6.2; Urteile 9C_261/2023 vom 3. August 2023 E. 5.1; 2C_1019/2020 vom 29. Dezember 2022 E. 3.2).
2.3. Wertberichtigungen fallen steuerrechtlich unter die Rückstellungen nach Art. 63 DBG (Urteil 2C_392/2009 vom 23. August 2010 E. 2.1). Bisherige Rückstellungen werden dem steuerbaren Gewinn zugerechnet, soweit sie nicht mehr begründet sind (Art. 63 Abs. 2 DBG). Es handelt sich um vorläufige Korrekturen, deren geschäftsmässige Begründetheit im Hinblick auf das Steuerrecht in jeder Periode zu prüfen ist. Damit gibt es keinen Anspruch oder gar ein wohlerworbenes Recht auf die Fortführung von Rückstellungen, wenn deren geschäftsmässige Begründetheit weggefallen ist (Urteil 2C_392/2009 vom 23. August 2010 E. 3.2). Der in Art. 63 Abs. 2 DBG vorgesehenen Aufrechnung kann sich der Steuerpflichtige selbst dann nicht entziehen, wenn er geltend macht, die Rückstellung sei ursprünglich nicht begründet gewesen und hätte daher schon bei ihrer Bildung aufgerechnet werden müssen (BGE 147 II 155 E. 10.4.2; Urteil 2C_426/2019 vom 12. Juli 2019 E. 3.3.5).
2.4.
2.4.1. Die Vorinstanz erwog, die bis ins Jahr 2000 vorgenommenen Wertberichtigungen des Darlehens an die Schwestergesellschaft der Beschwerdeführerin seien aufgrund des handelsrechtlichen Vorsichtsprinzips akzeptiert worden. Indem die Beschwerdeführerin das Darlehen wertberichtigt und nicht definitiv abgeschrieben habe, habe sie signalisiert, dass sie nach wie vor von einer Rückzahlung ausgegangen sei. Dies habe sich erst mit dem definitiven Verzicht auf die Rückzahlung im Jahr 2019 geändert. Der Verzicht halte dem Drittvergleich nicht stand, weil die Beschwerdeführerin keine Gegenleistung erhalten habe. Es gelinge der Beschwerdeführerin nicht, die Vermutung einer nachträglichen Darlehenssimulation zu entkräften. Der Forderungsverzicht sei nicht geschäftsmässig begründet und aufzurechnen. Dem stehe auch der zeitliche Ablauf nicht entgegen; die Steuerbehörden hätten bis ins Jahr 2019 keine Veranlassung gehabt, die Wertberichtigung genauer bzw. erneut zu prüfen (E. 4.3 des angefochtenen Urteils).
2.4.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass es nicht von Bedeutung sei, ob das Darlehen simuliert gewesen sei. Entscheidend sei, dass das Darlehen bis ins Jahr 2000 wertberichtigt worden sei, die Wertberichtigungen geschäftsmässig begründet und von den Steuerbehörden zugelassen worden seien. Die Steuerbehörden hätten die Wertberichtigungen damals prüfen müssen; darauf könne heute nicht mehr zurückgekommen werden. Auch wenn die Steuerbehörden zum Schluss gelangten, dass das Darlehen simuliert gewesen sei, müssten sie sich die in der Vergangenheit bewilligten Wertberichtigungen entgegenhalten lassen. Es gehe in der Steuerperiode 2019 nur noch darum, ob die Ausbuchung des Bilanzwerts von Fr. 1.- geschäftsmässig begründet sei. Könnte die geschäftsmässige Begründetheit einer Wertberichtigung erst Jahre später geprüft werden, würden Veranlagungen faktisch nie rechtskräftig werden, was der Rechtssicherheit widerspreche. Die Steuerbehörden könnten nur mit einem Nachsteuerverfahren auf ihre frühere Entscheidung zurückkommen, was aber wegen des Eintritts der Verjährung nicht möglich sei.
2.5.
2.5.1. Im vorliegenden Fall stellt sich nicht die Frage, ob die Wertberichtigung in früheren Steuerperioden geschäftsmässig begründet war bzw. rechtskräftige Veranlagungen nachträglich abzuändern sind. Insoweit gehen die Ausführungen in der Beschwerde zur Rechtskraft, zur Verjährung und zu den Voraussetzungen eines Nachsteuerverfahrens an der Sache vorbei. Wie erwähnt kann die geschäftsmässige Begründetheit einer Wertberichtigung in jeder Steuerperiode (erneut) geprüft werden. Dies ergibt sich aus dem vorläufigen Charakter von Wertberichtigungen, wobei unbeachtlich ist, ob die Wertberichtigung überhaupt einmal geschäftsmässig begründet war und von den Steuerbehörden bei ihrer Verbuchung zu Unrecht akzeptiert wurde (vorne E. 2.3). Folglich durften die Steuerbehörden im vorliegenden Fall die Wertberichtigung in Höhe von Fr. 182'117.- in der Steuerperiode 2019 unabhängig von ihrer Billigung in früheren Steuerperioden überprüfen, wobei es keine Rolle spielt, dass die Beschwerdeführerin das Darlehen im Jahr 2019 lediglich noch im Umfang von Fr. 1.- erfolgswirksam ausgebucht hat.
2.5.2. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen einer Wertberichtigung in der Regel nicht zugänglich, weil die Muttergesellschaft bzw. Aktionäre dafür zu sorgen haben, dass eine Gefährdung von gegenseitigen Forderungen gar nicht erst eintritt (Urteile 2C_252/2014 und 2C_257/2014 vom 12. Februar 2016 E. 4.3). Wie es sich damit im vorliegenden Fall verhält, muss aber nicht vertieft geprüft werden. Die Beschwerdeführerin stellt die vorinstanzlichen Erwägungen, wonach das Darlehen an ihre Schwestergesellschaft (nachträglich) simuliert gewesen sei, nicht in Abrede (zur Darlehenssimulation - namentlich bei Darlehen zwischen Schwestergesellschaften - vgl. BGE 138 II 57). War aber das Darlehen spätestens im Zeitpunkt des Forderungsverzichts im Jahr 2019 simuliert, stellt es eine geldwerte Leistung und keine Gewährung von Fremdkapital dar. Damit war die Wertberichtigung auf dem Darlehen jedenfalls in der Steuerperiode 2019 nicht geschäftsmässig begründet und dem steuerbaren Gewinn zuzurechnen. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer.
3.
Die gesetzlichen Grundlagen im kantonalen Recht (Art. 60 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 2 des Steuergesetzes des Kantons Appenzell Innerrhoden vom 25. April 1999 [StG/AI; GS 640.000] bzw. Art. 10 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 24 Abs. 4 StHG) entsprechen denjenigen bei der direkten Bundessteuer (Art. 58 Abs. 1 und Art. 63 Abs. 2 DBG ). Folglich ist auch bei den kantonalen Steuern die Aufrechnung der Wertberichtigung in der Steuerperiode 2019 nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist damit auch hinsichtlich den Staats-, Bezirks- und Gemeindesteuern abzuweisen.
4.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet ( Art. 68 Abs. 1-3 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde betreffend direkte Bundessteuer 2019 wird abgewiesen.
2.
Die Beschwerde betreffend Staats-, Bezirks- und Gemeindesteuern 2019 wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Appenzell Innerrhoden, Abteilung Verwaltungsgericht, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 30. Januar 2025
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Moser-Szeless
Der Gerichtsschreiber: Businger