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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_188/2023  
 
 
Urteil vom 31. März 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichter Hartmann, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Michael Barrot und Markus Huber, 
Rechtsanwälte, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, 
Dienst für Informationsaustausch in 
Steuersachen SEI, 
Eigerstrasse 65, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Amtshilfe (DBA CH-NL), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des 
Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 
9. März 2023 (A-2067/2021). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Schreiben vom 21. Februar 2017 richtete der niederländische Belastingdienst (nachfolgend: ersuchende Behörde) gestützt auf Art. 26 des Abkommens vom 26. Februar 2010 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA CH-NL; SR 0.672.963.61) ein Amtshilfeersuchen an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV). Als vom Ersuchen betroffene Personen wurden mutmasslich in den Niederlanden steuerpflichtige Personen genannt, welche anhand einer dem Ersuchen beigelegten Liste identifizierbar seien. Informationsinhaberin in der Schweiz sei die C.________ AG (nachfolgend: Informationsinhaberin). Das Amtshilfeersuchen betreffe die niederländische Einkommens- und Körperschaftssteuer vom 1. März 2010 bis 31. Dezember 2015. 
 
A.a. Die ersuchende Behörde führte weiter aus, die niederländischen Steuerbehörden hätten mittels verschiedener Projekte unter anderem festgestellt, dass fast 40 % der niederländischen Steuerpflichtigen, die Vermögen bei Banken in der Schweiz hätten, ihre Guthaben bei den schweizerischen Banken nicht in ihren Steuererklärungen angegeben hätten. Im Weiteren hätten sich aufgrund einer Selbstanzeigeregelung in den letzten Jahren ungefähr 28'000 niederländische Steuerpflichtige mit nicht deklarierten Vermögenswerten im Ausland gemeldet. Ungefähr 1/3 dieser selbstanzeigenden Personen hätten Vermögenswerte auf einem Bankkonto in der Schweiz. Aus den vorhandenen Auskünften gehe hervor, dass ungefähr 45 % der "schweizerischen Selbstanzeiger" ein Konto bei der Informationsinhaberin geführt hätten.  
 
A.b. Die ersuchende Behörde legte ferner dar, im Jahr 2016 habe sie Spontanauskünfte von der zuständigen Behörde in Deutschland empfangen. Diese Erteilung habe sich auf das deutsch-niederländische Steuerabkommen und auf die Richtlinie 2011/16/EU gestützt. Die erhaltene Übersicht beziehe sich auf Bankkonten bei der Informationsinhaberin mit dem Domizilcode für die Niederlande. Das niederländische Finanzamt habe die Identität der dahinterstehenden Personen teilweise nicht feststellen können. Die Identifizierung der Personen im Zusammenhang mit diesen Bankkonten sei notwendig, damit die entsprechenden Prüfungen durchgeführt werden könnten. Für diese Identifizierung müsse die Amtshilfe in Steuersachen in Anspruch genommen werden, da sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien.  
 
A.c. Die ESTV ersuchte die Informationsinhaberin am 3. April 2017, die betroffenen und beschwerdeberechtigten Personen über das Amtshilfeverfahren und den wesentlichen Inhalt des Amtshilfeersuchens zu informieren. Ausserdem informierte die ESTV die betroffenen und beschwerdeberechtigten Personen mit Publikation im Bundesblatt vom 16. Mai 2017 über das laufende Amtshilfeverfahren und den wesentlichen Inhalt des Amtshilfeersuchens (vgl. BBl 2017 3402). In der Folge meldeten sich A.________ und B.________ mit Schreiben vom 12. Juli 2017 unter Angabe der Zustellungsbevollmächtigten und ersuchten um Akteneinsicht.  
 
A.d. In Erwartung eines Urteils des Bundesgerichts, welches aufgrund eines ähnlich gelagerten Amtshilfeersuchens der zuständigen französischen Behörden über die Zulässigkeit eines solchen Listenersuchens zu entscheiden hatte, setzte die ESTV alle Verfahren aus, die vom Amtshilfeersuchen der ersuchenden Behörde vom 21. Februar 2017 betroffen waren. Im Anschluss an die Eröffnung des (teilweise) amtlich publizierten Bundesgerichtsurteils 2C_653/2018 vom 26. Juli 2019 (BGE 146 II 150) nahm die ESTV die Bearbeitung des vorliegenden Amtshilfeersuchens vom 21. Februar 2017 wieder auf.  
 
B.  
Mit Schlussverfügung vom 29. März 2021 entschied die ESTV, der ersuchenden Behörde hinsichtlich A.________ und B.________ Amtshilfe zu leisten. Die ESTV wies die ersuchende Behörde in der Schlussverfügung vom 29. März 2021 darauf hin, dass die fraglichen Informationen im ersuchenden Staat nur in Verfahren gegen die betroffenen Personen und nur für den im Ersuchen vom 21. Februar 2017 genannten Sachverhalt verwertet werden dürften und die erhaltenen Informationen, wie die aufgrund des niederländischen Rechts beschafften Informationen, geheim zu halten seien und nur Personen oder Behörden (einschliesslich der Gerichte und der Verwaltungsbehörden) zugänglich gemacht werden dürften, die mit der Veranlagung oder der Erhebung, mit der Vollstreckung oder der Strafverfolgung oder mit der Entscheidung von Rechtsmitteln hinsichtlich der in Art. 26 DBA CH-NL genannten Steuern befasst seien, wobei diese Personen oder Behörden die Informationen nur für diese Zwecke verwenden dürften. 
Gegen die Schlussverfügung vom 29. März 2021 erhoben A.________ und B.________ am 29. April 2021 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Mit Urteil vom 9. März 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 24. März 2023 gelangen A.________ und B.________ an das Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung des Urteils vom 9. März 2023 sowie der Schlussverfügung vom 29. März 2021. Die von der Informationsinhaberin bis zum Abschluss dieses Beschwerdeverfahrens an die ESTV gelieferten Bankunterlagen und Informationen seien von ihr unverzüglich an die Informationsinhaberin zurückzugeben. Eventualiter sei die Angelegenheit im Sinne der Erwägungen an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1. 
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 147 I 89 E. 1; 146 II 276 E. 1). 
 
1.1. Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen unzulässig ist. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde gemäss Art. 84a BGG zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Begründung darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 133 IV 131 E. 3).  
Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann - namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Aber auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3; 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_1037/2019 vom 27. August 2020 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 147 II 116). 
 
1.2. Die Beschwerdeführer unterbreiten dem Bundesgericht keine eigentliche Rechtsfrage. Sie stellen sich lediglich auf den Standpunkt, angesichts ihrer Vorbringen komme der Angelegenheit grundsätzliche Bedeutung zu. Damit erfüllen sie im Hinblick auf die Eintretensvoraussetzungen von Art. 84a BGG die allgemeinen Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG klarerweise nicht. Im Übrigen werfen auch die Vorbringen in der Sache sinngemäss keine Grundsatzfragen auf.  
 
1.2.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, sie hätten ihren Wohnsitz in U.________. Dazu reichen sie vor Bundesgericht eine Bestätigung der Informationsinhaberin vom 22. März 2023 zu ihrer Ansässigkeit ein.  
Das Bestätigungsschreiben vom 22. März 2023 stellt ein echtes Novum im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG dar. Es kann im bundesgerichtlichen Verfahren aus formellen Gründen von vornherein nicht beachtet werden (vgl. BGE 143 V 19 E. 1.2). Unabhängig davon werfen die Beschwerdeführer auch in der Sache keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf: Nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt, dass die Bestimmung des Steuerwohnsitzes der betroffenen Person im internationalen Kontext eine materielle Frage darstellt, die von den Behörden des ersuchten Staats nicht im Rahmen des Amtshilfeverfahrens zu klären ist, sondern in die Zuständigkeit der Behörden des ersuchenden Staats fällt (vgl. BGE 145 II 112 E. 2.2.2; 142 II 218 E. 3.6 f.; 142 II 161 E. 2.2.2). Deshalb ist es im Grundsatz unbehelflich, wenn sich die betroffene Person im Rahmen des Amtshilfeverfahrens auf eine (unbeschränkte) Steuerpflicht in einem anderen Staat beruft (vgl. BGE 142 II 161 E. 2.2 ff.; Urteil 2C_762/2022 vom 23. September 2022 E. 1.3), da sie den Informationsaustausch grundsätzlich nicht mit der Begründung vereiteln kann, dass sie ihren steuerrechtlichen Wohnsitz im ersuchten Zeitraum nicht im ersuchenden Staat hatte (vgl. Urteil 2C_109/2022 vom 30. Januar 2023 E. 4.5.1). Die Einreichung eines Bestätigungsschreibens der Informationsinhaberin bliebe daher auch in materieller Hinsicht ohne Erfolg (vgl. Urteil 2C_109/2022 vom 30. Januar 2023 E. 4.5 und E. 4.6). Der sinngemäss aufgeworfenen Frage kommt somit von vornherein kein Grundsatzcharakter zu. 
 
1.2.2. Die Beschwerdeführer beanstanden, das vorliegende Amtshilfeersuchen vom 21. Februar 2017 stelle eine "fishing expedition" dar. Die vom Bundesgericht entwickelten Kriterien zur Zulässigkeit von Listenersuchen seien nicht erfüllt.  
Die Beschwerdeführer kritisieren mit diesem Vorbringen die einzelfallspezifische Anwendung der bundesgerichtlichen Praxis. Gemäss der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung soll das Erfordernis der voraussichtlichen Erheblichkeit einen möglichst umfassenden Informationsaustausch gewährleisten. Dabei ist es den Vertragsstaaten klarerweise nicht gestattet, Informationen aufs Geratewohl (sogenannte "fishing expeditions") oder Auskünfte zu verlangen, von denen wenig wahrscheinlich ist, dass sie Licht in die Steuerangelegenheiten einer bestimmten steuerpflichtigen Person bringen würden (vgl. BGE 146 II 150 E. 6.1.1 f.; 143 II 185 E. 3.3.1). Um "fishing expeditions" auszuschliessen, hat das Bundesgericht mit Blick auf Gruppenersuchen drei Zulässigkeitskriterien entwickelt (vgl. BGE 143 II 136 E. 6.1), die aus Gründen der Kohärenz auch auf Listenersuchen Anwendung finden (vgl. BGE 146 II 150 E. 6.1.3; 143 II 628 E. 5.1). Der blosse Hinweis der Beschwerdeführer auf einen Globalverdacht der ersuchenden Behörde und ihr Vorbringen, die genannten drei Kriterien seien nicht erfüllt, weswegen ein unzulässiges Amtshilfeersuchen vorliege, ist nicht geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzutun. Die Rügen betreffen lediglich die konkrete Rechtsanwendung. 
 
1.2.3. Die Beschwerdeführer kritisieren, dass die Vorinstanz den Domizilcode als Anknüpfungspunkt genügen lasse. Der Domizilcode, so die Beschwerdeführer, stelle kein Indiz dar, dass sie ihre steuerlichen Pflichten verletzt hätten.  
Das Bundesgericht hat in seiner jüngsten Rechtsprechung immer wieder erwogen, dass der Domizilcode in Listen, die von der Informationsinhaberin geführt worden sind, einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für eine potenzielle Steuerpflicht darstellt (vgl. BGE 146 II 150 E. 6.2.5 f.; zuletzt Urteile 2C_872/2022 vom 8. November 2022 E. 4.2.2; 2C_762/2022 vom 23. September 2022 E. 1.3; 2C_674/2022 vom 1. September 2022 E. 1.3.1; 2C_622/2022 vom 29. Juli 2022 E. 1.2.1). Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Beschwerdeführer, wonach im ersuchenden Staat - im Gegensatz zu Frankreich - gegen die Informationsinhaberin kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren hängig sei (vgl. auch Urteil 2C_872/2022 vom 8. November 2022 E. 4.2.2). Für die Anknüpfung anhand des Domizilcodes ist dieses Ermittlungsverfahren nicht relevant, sondern die in BGE 146 II 150 massgebenden Umstände (vgl. BGE 146 II 150 Bst. A.b.a und E. 6.2.5 f.). Auch die sinngemäss aufgeworfene Frage mit Blick auf den Domizilcode als Anknüpfungspunkt ist damit durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. 
 
1.3. Nach dem Dargelegten werfen die Beschwerdeführer keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG auf.  
 
2.  
Im Ergebnis ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten. Diesem Verfahrensausgang entsprechend tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 31. März 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger