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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_459/2023  
 
 
Urteil vom 31. Juli 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, Bundesrichter Beusch, Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiber Businger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Harun Can, SwissVAT AG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mehrwertsteuer, Steuerperioden 2018 bis 2020, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 2023 (A-2585/2022). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die A.________ AG bezweckt gemäss Handelsregistereintrag die Vermittlung, Verwaltung, Kauf, Bewirtschaftung und Veräusserung von Grundeigentum im In- und Ausland sowie die Beratung und Unterstützung von Unternehmen im Bereich Finanzen, Controlling und Marketing sowie alle damit verbundenen Dienstleistungen. Sie ist seit 1. Dezember 2018 bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen.  
 
A.b. In der Abrechnung für das 1. Quartal 2019 deklarierte die A.________ AG ausschliesslich von der Steuer ausgenommene Leistungen und zog die Vorsteuern vollumfänglich ab. Daraufhin erkundigte sich die ESTV nach deren Tätigkeit und verlangte Verträge und Rechnungen ein. Mit Ergänzungsabrechnung vom 18. Juli 2019 kam die ESTV zum Schluss, dass die A.________ AG steuerbare Leistungen erbringe, qualifizierte die als ausgenommen deklarierten Umsätze in Höhe von Fr. 213'875.- als steuerbar und forderte die Steuer nach. Dabei erwog sie, dass die Vertragspartner der A.________ AG im Rahmen von Kapitalerhöhungen neue Aktien ausgeben würden; da Kapitaleinlagen Nicht-Entgelte seien, könne keine von der Steuer ausgenommene Vermittlung von Aktien nach Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG (SR 641.20) vorliegen.  
 
B.  
Mit Verfügung vom 11. Dezember 2020 entschied die ESTV, dass die von der A.________ AG erbrachte Leistung bezüglich der Zuführung von Investoren für Gesellschaften, welche im Rahmen von Kapitalerhöhungen Aktien verkauften, der Mehrwertsteuer unterliege. Die A.________ AG sei daher seit 1. Dezember 2018 subjektiv steuerpflichtig. Nachdem die A.________ AG Einsprache gegen diese Verfügung erhoben hatte, führte die ESTV am 28./29. März 2022 eine Kontrolle betreffend die Steuerperioden 2018 bis 2020 durch. Am 12. Mai 2022 wies sie die Einsprache ab und forderte Mehrwertsteuern im Umfang von Fr. 62'958.- nach. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Juni 2023 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 4. September 2023 beantragt die A.________ AG dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zur Neufeststellung der Steuerforderung der Steuerperioden 2018 bis 2020 an die ESTV zurückzuweisen. 
Die ESTV schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Sowohl die A.________ AG wie auch die ESTV nehmen in der Folge erneut Stellung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG). Auf die form- und fristgerechte Eingabe (Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG) der legitimierten Beschwerdeführerin (Art. 89 Abs. 1 BGG) ist einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Der Bund erhebt eine allgemeine Verbrauchssteuer nach dem System der Netto-Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug (Mehrwertsteuer). Die Steuer bezweckt die Besteuerung des nicht unternehmerischen Endverbrauchs im Inland (Art. 1 Abs. 1 MWSTG). Als Mehrwertsteuer erhebt er u.a. eine Steuer auf den im Inland von steuerpflichtigen Personen gegen Entgelt erbrachten Leistungen (Inlandsteuer; Art. 1 Abs. 2 lit. a und Art. 18 Abs. 1 MWSTG). Als Leistung gilt die Einräumung eines verbrauchsfähigen wirtschaftlichen Wertes an eine Drittperson in Erwartung eines Entgelts, auch wenn sie von Gesetzes wegen oder aufgrund behördlicher Anordnung erfolgt (Art. 3 lit. c MWSTG).  
 
2.2. Nicht in den Bereich der Mehrwertsteuer fallen Umsätze, die nicht einem Leistungsaustausch entsprechen; sie sind mehrwertsteuerrechtlich irrelevant (BGE 132 II 353 E. 4.3). Das Gesetz zählt exemplarisch diverse Mittelflüsse auf, die mangels Leistung nicht als Entgelt gelten (Art. 18 Abs. 2 MWSTG), wozu auch Einlagen in Unternehmen, insbesondere zinslose Darlehen, Sanierungsleistungen und Forderungsverzichte gehören (lit. e; vgl. Urteil 2C_891/2020 vom 5. Oktober 2021 E. 3.1 f.). Dagegen werden verschiedene Leistungen, die grundsätzlich in den Bereich der Mehrwertsteuer fallen, gemäss Art. 21 MWSTG von der Steuer ausgenommen.  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz ging von folgendem unbestrittenen Sachverhalt aus: Die Beschwerdeführerin erbrachte Leistungen im Zusammenhang mit der Zeichnung von Gesellschaftsanteilen, welche im Rahmen von Kapitalerhöhungen geschaffen wurden. Konkret unterstützte sie diverse Gesellschaften bei der Suche von (Neu-) Investoren für ihre neu zu emittierenden Aktien. Sie unterstützte die Gesellschaften bei der Identifikation von Investoren, der Darlegung von Investitionsmöglichkeiten sowie der Betreuung von potentiellen Investoren. Sie hatte keine Ermächtigung, vertragliche Konditionen auszuhandeln; diese wurden ausschliesslich durch die Gesellschaften festgelegt. Für die Vertragsabschlüsse erhielt die Beschwerdeführerin jeweils eine Vergütung (vgl. E. 3.1.1 des angefochtenen Urteils).  
Unbestritten ist weiter, dass Mittel, die einer Aktiengesellschaft im Rahmen einer Kapitalerhöhung zufliessen, mangels eines Leistungsverhältnisses nach Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG Nicht-Entgelte darstellen (vgl. vorne E. 2.2 und E. 3.1.1 des angefochtenen Urteils). Streitig ist dagegen, ob die Vermittlung von Kapitaleinlagen gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG von der Steuer ausgenommen ist, obwohl das vermittelte Grundgeschäft als Nicht-Entgelt nicht unter Art. 21 MWSTG fällt. 
 
3.2. Die Vorinstanz kam in ihrer Auslegung von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG zum Schluss, dass Vermittlungsleistungen nur dann von der Steuer ausgenommen seien, wenn das vermittelte Grundgeschäft selbst nach dieser Norm von der Steuer ausgenommen sei. Dass das EU-Recht die Vermittlung von erstmalig ausgegebenen Gesellschaftsanteilen von der Mehrwertsteuer ausnehme, spiele keine Rolle (vgl. E. 3.5 f. des angefochtenen Urteils).  
 
3.3. Die Beschwerdeführerin bringt vor, entgegen der Vorinstanz sei die Ausnahmebestimmung von Art. 21 MWSTG nicht restriktiv auszulegen. Die grammatikalische Auslegung ergebe, dass die Vermittlung von Wertpapieren grundsätzlich von der Steuer ausgenommen sei. Sodann gebe es mit Blick auf die Entstehungsgeschichte keinen Grund, vom EU-Recht abzuweichen. Es entspreche Sinn und Zweck der Norm, Geschäfte des Geld- und Kapitalverkehrs - einschliesslich der Vermittlung - von der Steuer auszunehmen. Schliesslich zeige auch die systematische Auslegung, dass die Vermittlung unabhängig vom Grundgeschäft qualifiziert werden müsse und die akzessorische Betrachtung der Vorinstanz Art. 19 Abs. 1 MWSTG widerspreche.  
 
3.4. Die ESTV macht zusammengefasst geltend, die Ausgabe von Aktien stelle keine mehrwertsteuerrechtliche Leistung dar. Liege damit kein Leistungsverhältnis vor, bleibe kein Raum für die Ausnahmebestimmung von Art. 21 Abs. 2 MWSTG. Nichts anderes gelte für Vermittlungsleistungen. Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG umfasse akzessorisch die Vermittlung der in dieser Norm genannten Grundgeschäfte; mangle es an einem solchen Grundgeschäft, sei auch die entsprechende Vermittlung nicht von der Steuer ausgenommen.  
 
4.  
 
4.1. Die Auslegung des Gesetzes ist auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die von ihm erkennbar getroffenen Wertentscheidungen auszurichten. Ausgangspunkt der Auslegung einer Norm bildet ihr Wortlaut. Vom daraus abgeleiteten Sinne ist jedoch abzuweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass der Gesetzgeber diesen nicht gewollt haben kann. Solche Gründe können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Norm, aus ihrem Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben (BGE 147 V 377 E. 4.1 m.H., auch zum Folgenden). Insoweit wird vom historischen, teleologischen und systematischen Auslegungselement gesprochen. Bei der Auslegung einer Norm sind daher neben dem Wortlaut diese herkömmlichen Auslegungselemente zu berücksichtigen. Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben am besten entspricht. Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 145 II 270 E. 4.1; 144 V 333. E. 10.1; 143 III 385 E. 4.1).  
 
4.2. Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG lautet in den drei Sprachfassungen wie folgt:  
 
"Von der Steuer ausgenommen sind die folgenden Umsätze im Bereich des Geld- und Kapitalverkehrs: die Umsätze (Kassa- und Termingeschäfte), einschliesslich Vermittlung, von Wertpapieren, Wertrechten und Derivaten sowie von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen; steuerbar sind jedoch die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren, Wertrechten und Derivaten sowie von Anteilen (namentlich Depotgeschäft) einschliesslich Treuhandanlagen." 
"Sont exclus du champ de l'impôt les opérations suivantes réalisées dans les domaines du marché monétaire et du marché des capitaux: les opérations (au comptant et à terme), y compris la négociation, portant sur les papiers-valeurs, sur les droits-valeurs et les dérivés ainsi que sur des parts de sociétés et d'autres associations; sont par contre imposables la garde et la gestion de papiers-valeurs, de droits-valeurs et dérivés et de parts (notamment les dépôts), y compris les placements fiduciaires." 
"Sono esclusi dall'imposta le seguenti operazioni nel settore del mercato monetario e dei capitali: le operazioni (operazioni in contanti e operazioni a termine), compresa la mediazione, relative a cartevalori, diritti-valore e derivati, nonché a quote di società e di altre associazioni; sono invece imponibili la custodia e la gestione di cartevalori, diritti-valore e derivati nonché di quote (depositi ecc.), compresi i collocamenti fiduciari." 
 
4.3. Die Vorinstanz erwog, der Wortlaut von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG könne auf mehrere Arten verstanden werden. So könne sich der Zusatz "einschliesslich Vermittlung" auf den Begriff "Umsätze (Kassa- und Termingeschäfte) " beziehen, so dass nur die Vermittlung solcher (selbst von der Steuer ausgenommenen) Umsätze von der Steuer ausgenommen sei. Oder die Vermittlung beziehe sich auf "Wertpapiere, Wertrechte, Derivate etc.", womit die Vermittlung von Wertpapieren im Allgemeinen von der Steuer ausgenommen wäre (vgl. E. 3.5.1 des angefochtenen Urteils). Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden; ihr liegt eine unpräzise grammatikalische Auslegung zugrunde. Durch die Verwendung der Präposition "einschliesslich" bezieht sich der Begriff "Vermittlung" zwangsläufig auf den Begriff "Umsätze". Nachdem aber der Begriff "Umsätze" mit dem Zusatz "von Wertpapieren, Wertrechten und Derivaten sowie von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen" seinerseits präzisiert bzw. eingeschränkt wird, bezieht sich der Begriff "Vermittlung" auch auf diesen Zusatz. Ist damit grammatikalisch die Vermittlung von Wertpapierumsätzen von der Steuer ausgenommen, ist allerdings noch nicht gesagt, dass die Vermittlung nur dann von der Steuer ausgenommen ist, wenn die vermittelten Umsätze ebenfalls unter Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MSWTG fallen. Solches ergibt sich auch nicht aus den beiden anderen Sprachfassungen.  
Den vorinstanzlichen Erwägungen kann auch insofern nicht gefolgt werden, als sie sich mit der Klammerbemerkung "Kassa- und Termingeschäfte" befassen. Mit der Klammerbemerkung wird lediglich klargestellt, dass der Begriff "Umsätze" sowohl Kassa- als auch Termingeschäfte umfasst. Gemäss allgemeinem Sprachgebrauch wird als Kassageschäft ein Geschäft verstanden, dass entweder sofort oder kurzfristig erfüllt werden muss bzw. in einem weiteren Sinn in bar und Zug um Zug abgewickelt wird, während bei einem Termingeschäft die Erfüllung zu einem vereinbarten späteren Zeitpunkt erfolgt (vgl. Creifelds Rechtswörterbuch, 23. Aufl. 2019, S. 530 und S. 813). Damit schränkt die Ergänzung "Kassa- und Termingeschäfte" den Begriff "Umsätze" nicht wesentlich ein. 
Vor diesem Hintergrund ist die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG zur hier interessierenden Frage, ob die Vermittlung nur dann von der Steuer ausgenommenen ist, wenn die vermittelten Umsätze ebenfalls unter diese Norm fallen, nichts Substanzielles ableiten lässt. 
 
4.4. Im Folgenden ist auf die Entstehungsgeschichte von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG einzugehen: Die Norm geht zurück auf die gleichlautenden Vorgängerbestimmungen Art. 18 Ziff. 19 lit. e des Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (MWSTG 1999; AS 2000 1300) bzw. Art. 14 Ziff. 15 lit. e der Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer (aMWSTV; AS 1994 1464).  
 
4.4.1. Die mehrwertsteuerliche Qualifikation von Kapitaleinlagen war unter altem Recht nicht eindeutig und wurde erst mit Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG ausdrücklich normiert (vgl. BGE 132 II 353 E. 6.2; HARUN CAN/MICHAEL NIETLISPACH, in: Zweifel/Beusch/Glauser/Robinson [Hrsg.], Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, 2015, N. 272 zu Art. 21 MWSTG). Die ESTV hat in ihrer früheren Verwaltungspraxis festgehalten, dass es sich "bei der Ausgabe von Aktien usw. (Beschaffung von Kapital mittels der Ausgabe eines Wertpapieres) " um "einen Umsatz mit Wertpapieren nach Art. 14 Ziff. 15 lit. e [a]MWSTV" handle (vgl. Merkblatt Nr. 16 der ESTV vom 16. August 1995 über die steuerliche Behandlung von Umsätzen mit Wertpapieren sowie von Zinsen und Dividenden, Ziff. 3). Damit wurden früher Umsätze in Bezug auf die Ausgabe von Gesellschaftsanteilen wie auch entsprechende Vermittlungsleistungen von der Steuer ausgenommen, obwohl Einlagen in Unternehmen grundsätzlich bereits nach altem Recht mangels eines Leistungsaustauschs nicht als Entgelte galten (vgl. Urteil 2C_891/2020 vom 5. Oktober 2021 E. 3.1.2; PHILIP ROBINSON/CHRISTINA OBERHEID, in: mwst.com, Kommentar zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, 2000, N. 52 zu Art. 18 Ziff. 19 MWSTG 1999).  
 
4.4.2. Wie das Bundesgericht bereits erwogen hat, beabsichtigte der Gesetzgeber beim (neuen) MWSTG hinsichtlich der Steuerausnahmen bei Finanzdienstleistungen keine Änderung zum früheren Recht (vgl. Urteil 2C_943/2017 vom 17. Juli 2019 E. 3.3, nicht in BGE 145 II 270 publiziert). Insoweit kann aus dem Umstand, dass Einlagen in Unternehmen nach neuem Recht ausdrücklich als Nicht-Entgelte gelten, nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe entsprechende Vermittlungsleistungen im Gegensatz zur früheren Praxis für steuerbar erklären wollen. Insoweit legt es die historische Auslegung nahe, Vermittlungsleistungen in Bezug auf die Ausgabe von neuen Anteilen einer Gesellschaft von der Steuer auszunehmen.  
 
4.5.  
 
4.5.1. Weiter ist bezüglich der Entstehungsgeschichte von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG (bzw. den Vorgängerbestimmungen) zu berücksichtigen, dass sich der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber ausdrücklich an der Regelung der Europäischen Union angelehnt hat (vgl. BGE 145 II 270 E. 4.5.3.1; Botschaft MWSTG, BBl 2008 6885, 6963; Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats vom 28. August 1996, BBl 1996 V 713, 750). Art. 135 Abs. 1 lit. f der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11. Dezember 2006) - der im Wesentlichen dem früheren Art. 13 lit. B lit. d Ziff. 5 der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145/1 vom 13. Juni 1977) entspricht - lautet wie folgt:  
 
"Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer: Umsätze - einschliesslich der Vermittlung, jedoch nicht der Verwahrung und der Verwaltung -, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Warenpapieren und der in Artikel 15 Absatz 2 genannten Rechte und Wertpapiere." 
 
4.5.2. Die Vorinstanz hat ausführlich unter Verweis auf Lehre und Rechtsprechung dargelegt, dass gemäss Unionsrecht die Ausgabe neuer Anteile an einer Gesellschaft keine ökonomische Leistung im mehrwertsteuerlichen Sinne darstelle und damit - wie in der Schweiz (Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG) - nicht Gegenstand des Unionsmehrwertsteuerrechts sei (vgl. etwa Urteil des EuGH vom 26. Mai 2005, C-465/03, Kretztechnik AG, Rz. 27; Urteil 2C_891/2020 vom 5. Oktober 2021 E. 3.2), während Leistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe von neuen Anteilen einer Gesellschaft nach Art. 135 Abs. 1 lit. f der Richtlinie 2006/112/EG von der Mehrwertsteuer ausgenommen seien (vgl. etwa FERDINAND HUSCHENS, in: Plückebaum/Widman [Hrsg.], Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 10. Aufl., Lieferung Januar 2011, Band II/3, N. 186 zu § 4 UStG). Sie hat diesem Umstand indessen keine entscheidende Bedeutung bei der Auslegung von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG beigemessen, weil die schweizerische Regelung durch die Konkretisierung "Kassa- und Termingeschäfte" enger sei und die Schweiz nicht an die Rechtsprechung des EuGH gebunden sei (vgl. E. 3.5.4 f. des angefochtenen Urteils).  
 
4.5.3. Wie bereits erwähnt, ist nicht ersichtlich, inwieweit die Klammerbemerkung "Kassa- und Termingeschäfte" den Begriff "Umsätze" in Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG wesentlich einschränkt (vorne E. 4.3). Deshalb ist davon auszugehen, dass die schweizerische Regelung im hier interessierenden Umfang der EU-Regelung entspricht. Zwar ist die Schweiz nicht an die Rechtsprechung des EuGH gebunden, wie die Vorinstanz zu Recht erwogen hat. Indessen bildet die Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH eine nicht zu vernachlässigende Erkenntnisquelle für die Auslegung des Schweizer Rechts (BGE 145 II 270 E. 4.5.3.3; Urteil 2C_891/2020 vom 5. Oktober 2021 E. 3.2). Insoweit spricht die Auslegung der grundsätzlich gleichwertigen EU-Regelung ebenfalls dafür, die Vermittlung von nach Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG nicht der Mehrwertsteuer unterliegenden Wertpapierumsätzen gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG von der Steuer auszunehmen.  
 
4.5.4. Dieser Auslegung steht im Weiteren auch der Wortlaut der übrigen Varianten in Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 MWSTG nicht entgegen:  
Die Vorinstanz hat aus dem Umstand, dass in Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 MWSTG einerseits von "die Vermittlung" (lit. a und b) und andererseits von "einschliesslich Vermittlung" (lit. c-e) gesprochen wird, darauf geschlossen, dass lediglich in lit. a und b die Vermittlung selbständig ausgenommen sei, während die Vermittlung in lit. c-e akzessorisch ein ebenfalls von der Steuer ausgenommenes Grundgeschäft voraussetze (vgl. E. 3.5.3 des angefochtenen Urteils). Dass der Gesetzgeber solche Überlegungen vorgenommen hat, kann indessen ausgeschlossen werden. Die Terminologie von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 MWSTG entspricht derjenigen in Art. 135 Abs. 1 lit. b-f der Richtlinie 2006/112/EG bzw. dem früheren Art. 13 lit. B lit. d Ziff. 1-5 der 6. Richtlinie 77/388/EWG, wo einerseits von "Vermittlung" und andererseits von "einschliesslich der Vermittlung" die Rede ist. Nachdem der Schweizer Gesetzgeber damit selbst solche sprachlichen Feinheiten aus dem EU-Recht übernommen hat, drängt sich eine analoge Auslegung zur Unionsnorm umso mehr auf. 
 
4.6.  
 
4.6.1. Was sodann Sinn und Zweck der Norm betrifft, wird im Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats vom 28. August 1996 zur Vorgängerbestimmung Art. 18 Ziff. 19 MWSTG 1999 ausgeführt: "In Bezug auf die Emission von und den Handel mit Wertpapieren ist zu bemerken, dass derartige Geschäfte bereits im Rahmen der Bestimmungen des erwähnten Bundesgesetzes vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben steuerlich erfasst werden. Die Erhebung der MWST wäre in diesem Bereich ebensowenig zweckmässig wie bei den Versicherungsleistungen." (BBl 1996 V 713, 750).  
 
4.6.2. Die Vorinstanz erwog, dass Vermittlungsleistungen weder Gegenstand der Emissions- noch der Umsatzabgabe seien; weil sie nicht der Stempelabgabe unterlägen, sei eine "doppelte" Besteuerung von vornherein ausgeschlossen (vgl. E. 3.5.2 des angefochtenen Urteils). Auch das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit der Auslegung von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG (hinsichtlich des Begriffs der Vermittlung) erwogen, dass bei Vermittlungsleistungen keine doppelte Steuerbelastung drohe (vgl. BGE 145 II 270 E. 4.5.1). Wäre indessen alleine das Kriterium einer drohenden doppelten Steuerbelastung entscheidend für die Anwendung von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG, dürften Vermittlungsleistungen ganz grundsätzlich nicht unter diese Norm fallen. Nachdem der Gesetzgeber aber Vermittlungsleistungen ausdrücklich von der Steuer ausgenommen hat, kann es für die Steuerausnahme nur darauf ankommen, ob das vermittelte Grundgeschäft der Stempelabgabe unterliegt bzw. diesbezüglich eine doppelte Steuerbelastung droht. Dies wäre bei der Emission von Wertpapieren - würden entsprechende Umsätze nicht als Nicht-Entgelt qualifiziert - offensichtlich der Fall (Art. 1 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben [StG; SR 641.10]).  
 
4.6.3. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, weshalb einerseits Vermittlungsleistungen im Zusammenhang mit Wertpapierumsätzen von der Steuer ausgenommen sind, weil das Grundgeschäft der Stempelabgabe unterliegt und deshalb von der Mehrwertsteuer ausgenommen ist, aber andererseits Vermittlungsleistungen im Zusammenhang mit Wertpapierumsätzen steuerbar sein sollen, obwohl das Grundgeschäft ebenfalls der Stempelabgabe unterliegt und bloss deshalb nicht von der Mehrwertsteuer ausgenommen ist, weil es nach Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG gar nicht unter die Mehrwertsteuer fällt.  
 
4.7. Schliesslich spielt es für die Auslegung von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG keine Rolle, dass die Steuerausnahmen nach Art. 21 Abs. 2 MWSTG den Steuertatbestand nach Art. 18 MWSTG voraussetzen (vgl. Urteil 2C_891/2020 vom 5. Oktober 2021 E. 3.4.1), wie die ESTV in ihrer Vernehmlassung geltend macht. Nicht-Entgelte können sachlogisch nicht von der Steuer ausgenommen werden, weil sie gar nicht unter die Steuer fallen. Im vorliegenden Fall stellen allerdings lediglich die vermittelten Wertpapierumsätze Nicht-Entgelte dar, während die Vermittlung selber unbestrittenermassen eine Leistung darstellt und nach Art. 18 Abs. 1 MWSTG steuerbar ist, soweit sie nicht unter einen Ausnahmetatbestand subsumiert werden kann.  
Vor diesem Hintergrund ist auch zu relativieren, dass sich nach einem Teil der Lehre die steuerliche Behandlung von Entgelten für die Vermittlung von Finanztransaktionen "grundsätzlich nach dem vermittelten Grundgeschäft" richtet bzw. die Vermittlungsleistung "das mehrwertsteuerliche Schicksal des vermittelten Grundgeschäfts" teilt (vgl. ROGER ROHNER, in: Geiger/Schluckebier [Hrsg.], Kommentar MWSTG, 2. Aufl. 2019, N. 119 zu Art. 21). In der vorliegenden speziellen Situation können das Grundgeschäft als Nicht-Entgelt und die Vermittlungsleistung als Leistung i.S.v. Art. 18 Abs. 1 MWSTG per se nicht das mehrwertsteuerliche Schicksal teilen. Nachdem aber das Grundgeschäft als Nicht-Entgelt nicht besteuert wird - wie auch die unter Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG fallenden Grundgeschäfte nicht besteuert werden -, gibt es keine Rechtfertigung, die entsprechende Vermittlungsleistung im Hinblick auf die Besteuerung unterschiedlich zu behandeln (vgl. vorne E. 4.6.3). 
 
4.8. Zusammenfassend ergibt die Auslegung von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG, dass Vermittlungsleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe von Gesellschaftsanteilen unter diese Norm fallen und damit von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind. Die Beschwerde erweist sich insoweit als begründet. Vor diesem Hintergrund muss nicht weiter abgeklärt werden, ob die ESTV mit ihrer Rechtsauffassung gegen ihre Verwaltungspraxis verstossen und deshalb den Grundsatz von Treu und Glauben und das Gleichbehandlungsgebot verletzt hat (vgl. E. 4 und 5 des angefochtenen Urteils).  
 
 
5.  
Die Vorinstanzen haben - aufgrund der von ihnen vertretenen Rechtsauffassung - konsequenterweise nicht geprüft, ob die streitbetroffenen Leistungen der Beschwerdeführerin unter den Vermittlungsbegriff i.S.v. Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. e MWSTG fallen. Die ESTV hat allerdings in ihrer Vernehmlassung detailliert dargelegt, weshalb die Leistungen der Beschwerdeführerin ihrer Ansicht nach nicht als Vermittlung qualifiziert werden können. Selbst wenn der Sachverhalt diesbezüglich liquide sein sollte, wie die Beschwerdeführerin behauptet, rechtfertigt es sich nicht, dass das Bundesgericht hierüber als erste gerichtliche Instanz entscheidet. Die Sache ist deshalb in Gutheissung der Beschwerde an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesverwaltungsgericht wird zu prüfen haben, ob die Leistungen der Beschwerdeführerin den Begriff der Vermittlung erfüllen (vgl. dazu BGE 145 II 270). 
 
6.  
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der ESTV aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG) und hat diese der Beschwerdeführerin eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 2023 aufgehoben. Die Sache wird zum Neuentscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.- werden der ESTV auferlegt. 
 
3.  
Die ESTV hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr. 4'500.- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 31. Juli 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Businger