Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_320/2024
Urteil vom 6. September 2024
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Müller, Merz,
Gerichtsschreiber Dold.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Györffy,
gegen
Bundesanwaltschaft,
Guisanplatz 1, 3003 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Öffentliches Personalrecht: Arbeitszeugnis,
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,
vom 11. April 2024 (A-150/2023).
Sachverhalt:
A.
A.________ arbeitete seit dem 1. Januar 2015 als Finanzmarktanalyst mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag und einem Beschäftigungsgrad von 100 %, seit dem 1. April 2019 von 80 %, in der Abteilung Wirtschaftskriminalität der Bundesanwaltschaft. Auf den 30. November 2020 kündigte er seinen Arbeitsvertrag. Nachdem ihm die Bundesanwaltschaft am 30. November 2020 ein Arbeitszeugnis ausgestellt hatte und sich A.________ und die Bundesanwaltschaft mehrfach über die Formulierung desselben ausgetauscht hatten, ohne in allen Punkten eine Einigung zu finden, wies die Bundesanwaltschaft mit Verfügung vom 22. November 2022 das Gesuch betreffend weitere Abänderungen des Arbeitszeugnisses ab.
B.
Am 9. Januar 2023 erhob A.________ beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die Verfügung vom 22. November 2022. Er beantragte, die Verfügung sei aufzuheben und die Bundesanwaltschaft anzuweisen, ihm ein Arbeitszeugnis mit dem von ihm beantragten Wortlaut auszustellen. Das Bundesverwaltungsgericht hiess die Beschwerde mit Urteil vom 11. April 2024 teilweise gut und wies die Bundesanwaltschaft an, das Arbeitszeugnis vom 30. November 2020 im Sinne der Erwägungen anzupassen; im Übrigen wies es die Beschwerde ab.
C.
Am 21. Mai 2024 gelangte A.________ mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht. Er beantragt hauptsächlich die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils hinsichtlich einer bestimmten, vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Änderung des Arbeitszeugnisses, und im Übrigen die Ersetzung verschiedener Passagen durch von ihm formulierte Textvorschläge.
Während das Bundesverwaltungsgericht auf eine Vernehmlassung verzichtet, beantragt die Bundesanwaltschaft mit Eingabe vom 27. Juni 2024, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten bzw. diese sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde. A.________ hat am 28. August 2024 repliziert; er hält an seinen Anträgen fest.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit des bei ihm eingereichten Rechtsmittels und die (weiteren) Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 149 II 66 E. 1.3 mit Hinweisen). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG).
2.
2.1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts, der ein öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis betrifft. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zur Verfügung (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG ).
Gemäss Art. 83 lit. g BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet der öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisse, wenn sie eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit, nicht aber die - vorliegend nicht zur Diskussion stehende - Gleichstellung der Geschlechter betreffen. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet der öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisse ist die Beschwerde nur dann zulässig, wenn der Streitwert mindestens Fr. 15'000.-- beträgt (Art. 85 Abs. 1 lit. b BGG) oder wenn sich eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 85 Abs. 2 BGG). Letzteres hätte der Beschwerdeführer darzulegen (Art. 42 Abs. 2 BGG); er macht indes nicht geltend, es stelle sich vorliegend eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Solches ist auch nicht ersichtlich.
2.2. Nach konstanter Rechtsprechung sind Streitigkeiten über die Ausstellung oder Formulierung eines Arbeitszeugnisses aus dem öffentlichen Personalrecht vermögensrechtlicher Natur (BGE 74 II 43; Urteile 8C_595/2020 vom 15. Februar 2021 E. 1.2; 8C_701/2019 vom 16. Januar 2020 E. 1.2; 8C_134/2018 vom 17. September 2018 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 144 II 345; je mit Hinweisen). Während die kantonalen Vorinstanzen des Bundesgerichts gestützt auf Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG gehalten sind, den Streitwert in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben, enthält das Gesetz mit Bezug auf das Bundesverwaltungsgericht als Vorinstanz keine entsprechende Vorschrift. Demnach setzt das Bundesgericht den Streitwert nach Ermessen fest (Art. 51 Abs. 2 BGG), wobei es der beschwerdeführenden Partei gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG obliegt, dem Bundesgericht die relevanten Angaben zu liefern, welche es ihm erlauben, den Streitwert einfach festzulegen (BGE 140 III 571 E. 1.2; Urteil 8C_701/2019 vom 16. Januar 2020 E. 1.2; je mit Hinweisen).
2.3. Nach Angaben des Beschwerdeführers betrug sein Gehalt in seiner Anstellung bei der Beschwerdegegnerin im April 2018 Fr. 127'502.70 pro Jahr bzw. Fr. 10'625.17 pro Monat. Er sei dort vom 1. Januar 2015 bis 30. November 2020 als Analyst Finanzmarktdelikte tätig gewesen; er suche wieder eine Stelle als Analyst, habe allerdings bisher keine Stelle gefunden. Bei der Festlegung des Streitwerts würden nebst dem Lohn namentlich die Tätigkeit, welche er ausgeübt habe, und die Anstellung, welche er suche, ins Gewicht fallen. Hier sei insbesondere die anspruchsvolle Tätigkeit, welche hohe Qualifikationen voraussetzte, und die beschränkte Zahl der Stellen auf dem Arbeitsmarkt für die spezifische Tätigkeit als Analyst zu berücksichtigen. Die rechtlichen Mängel des Zeugnisses, gerade auch wegen der nun vor Bundesgericht gerügten Passagen, hätten die Stellensuche erheblich beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung gehe über die Stellensuche im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beschwerdeführerin hinaus, da potenzielle Arbeitgeber auch bei künftigen Stellensuchen des Beschwerdeführers das Arbeitszeugnis zur Tätigkeit bei der Beschwerdegegnerin mit in ihren Entscheid einbeziehen würden. Der Streitwert sei unter diesen Umständen "deutlich höher anzusetzen als 3 Monatslöhne" und übersteige die massgebliche Streitwertgrenze von Fr. 15'000.-- gemäss Art. 85 Abs. 1 lit. b BGG jedenfalls deutlich.
2.4. Die Beschwerdegegnerin erachtet den erforderlichen Streitwert gestützt auf die bisherige Praxis und Rechtsprechung demgegenüber als nicht gegeben. In der Regel werde Streitigkeiten aus dem Arbeitszeugnis ein Wert in der Höhe eines Monatslohns beigemessen. Vorliegend habe das Bruttomonatsgehalt des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses etwa Fr. 9'360.-- betragen, wobei der relevante Monatslohn je nach Umständen variieren könne. Zu berücksichtigen seien u.a. die Erschwerung der beruflichen Zukunft. Vorliegend sei jedoch zu beachten, dass es sich nicht um ein negatives Arbeitszeugnis handle; vielmehr ziele der Beschwerdeführer darauf ab, aus einem guten Arbeitszeugnis ein sehr gutes zu machen. Da er von der Beschwerdegegnerin aber bereits ein gutes Arbeitszeugnis erhalten habe, dürften die vorliegend zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Auswirkungen nur marginal sein, falls es denn überhaupt solche gebe. Zudem sei auch unter Berücksichtigung seiner beruflichen Funktion nicht davon auszugehen, dass er mit den erlangten Qualifikationen als Finanzmarktanalyst Schwierigkeiten bei der Stellensuche habe, insbesondere nicht für eine Tätigkeit bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Solche Wechsel von der Bundesanwaltschaft zu Wirtschaftsprüfungsgesellschaften seien üblich. Weshalb der Beschwerdeführer angeblich auch jetzt noch keine neue Anstellung habe, könne "nicht kausal auf das (gute) Arbeitszeugnis zurückzuführen sein" und werde vom Beschwerdeführer auch nicht näher begründet. Weiter sei auch die Dauer des Arbeitsverhältnisses von Relevanz: Die Arbeitstätigkeit des Beschwerdeführers bei der Beschwerdegegnerin habe knapp 6 Jahre gedauert; somit liege kein besonders langes Arbeitsverhältnis vor, welches bei der Beurteilung des Streitwerts besonders mitberücksichtigt werden müsste. Zudem dürfte der Beschwerdeführer auf dem Arbeitsmarkt angesichts der für Arbeitnehmende weiterhin guten Lage gute Chancen haben, dies umso mehr mit einem (guten) Arbeitszeugnis. Darüber hinaus sei daran zu erinnern, dass er selbst am 30. November 2020, also vor fast vier Jahren, das Arbeitsverhältnis gekündigt habe.
2.5. Zwar mag die Schätzung des Streitwerts eines Arbeitszeugnisses gelegentlich schwierig sein; das ist aber kein Grund, die Schätzbarkeit überhaupt zu verneinen (BGE 74 II 43). Das Bundesgericht hat bis anhin darauf verzichtet, in Anlehnung an die Praxis der kantonalen Gerichte generelle Kriterien zur Bemessung des Streitwerts festzulegen (zur Praxis in den Kantonen vgl. Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag: Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR , 7. Aufl. 2012, N. 6 zu Art. 330a OR; Rehbinder/Stöckli, in: Berner Kommentar, 2010, N. 23 zu Art. 330a OR); es bestimmt den Streitwert unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. Urteile 8C_553/2022 vom 13. Januar 2023 E. 2.4; 4A_2/2019 vom 13. Juni 2019 E. 7; je mit Hinweisen).
Im Urteil 8C_151/2010 vom 31. August 2010 setzte sich das Bundesgericht eingehend mit der bisherigen Rechtsprechung und der Doktrin zur Streitwertbemessung bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit Arbeitszeugnissen auseinander. Es wies darauf hin, dass in einem älteren Entscheid das Kriterium des beruflichen Fortkommens der Arbeitnehmenden hervorgehoben wurde. Weiter erachtete es die von den kantonalen Behörden herangezogenen Bewertungskriterien, wie die berufliche Stellung der Arbeitnehmenden, die bisher ausgeübten Funktionen, die Dauer des Arbeitsverhältnisses und das Gehalt, als relevant. Es kam zum Schluss, dass der Wert eines Arbeitszeugnisses nicht losgelöst vom konkreten Fall auf einen Bruchteil oder ein Mehrfaches des Monatslohnes festgesetzt werden könne (a.a.O., E. 2, in: ARV 2010 S. 265; Urteil 8C_553/2022 vom 13. Januar 2023 E. 2.4; je mit Hinweisen).
2.6. Ausgehend von der soeben dargelegten Rechtsprechung ist bei einer Gesamtbetrachtung zunächst zu berücksichtigen, dass das fragliche Arbeitsverhältnis mit 5 Jahren und 11 Monaten - vom 1. Januar 2015 bis zum 30. November 2020 - weder von besonders kurzer noch besonders langer Dauer war. Weiter behauptet der Beschwerdeführer zwar, er sei nach wie vor stellenlos. Dass er wegen des aus seiner Sicht ungenügenden Arbeitszeugnisses bisher keine neue Anstellung gefunden haben sollte, legt er jedoch nicht hinreichend konkret dar und liegt angesichts des Umstands, dass er es war, der den Arbeitsvertrag gekündigt hatte, auch nicht auf der Hand (vgl. Urteil 8C_553/2022 vom 13. Januar 2023 E. 2.5). In diesem Zusammenhang darf auch berücksichtigt werden, dass er nach der nachvollziehbaren Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts mit seinen Anträgen darauf abgezielt habe, "aus einem guten Arbeitszeugnis ein sehr gutes zu machen" (angefochtener Entscheid, E. 4.10.4), und dass er im vorinstanzlichen Verfahren mit seinen Änderungsanträgen teilweise durchgedrungen ist, ihm also ein im Vergleich zur ersten Version vorteilhafteres Zeugnis zugesprochen worden ist. Schliesslich gehört der Beschwerdeführer auch von seinem Alter her - er war im Kündigungszeitpunkt 45 und ist mittlerweile 49 Jahre alt - nicht zu jenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die auch mit guten Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt wegen ihres fortgeschrittenen Alters notorisch mit Benachteiligungen rechnen müssen.
In Würdigung dieser Umstände ist der Streitwert in der vorliegenden Angelegenheit auf höchstens einen Monatslohn festzusetzen, wobei unter den gegebenen Umständen offenbleiben kann, ob nicht auch ein Bruchteil davon - drei Viertel oder die Hälfte - angemessen wäre. Denn selbst wenn man trotz der Pensumsreduktion am 1. April 2019 den zuletzt erzielten Lohn auf einen Beschäftigungsgrad von 100 % umrechnen würde (vgl. Urteile 8C_553/2022 vom 13. Januar 2022 E. 2.5; 8C_701/2019 vom 16. Januar 2020 E. 1.3), wird die gesetzliche Streitwertgrenze von Fr. 15'000.-- bei Zugrundelegung eines Monatslohns nicht erreicht. Demzufolge ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig, wobei ihm reduzierte Gerichtskosten aufzuerlegen sind (vgl. Art. 65 Abs. 4 lit. c BGG). Die Beschwerdegegnerin obsiegt in ihrem amtlichen Wirkungskreis und hat demzufolge keinen Anspruch auf Parteientschädigung (vgl. Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. September 2024
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Der Gerichtsschreiber: Dold