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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_28/2021  
 
 
Urteil vom 29. April 2021  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichter Muschietti, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Othmar Suter, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Postfach 1201, 6431 Schwyz
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nötigung (Art. 181 StGB), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz, Strafkammer, vom 6. Oktober 2020 
(STK 2019 77). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft March wirft A.________ vor, in diversen Online-Shops Waren auf den Namen von B.________, der neuen Freundin ihres Ex-Freundes, bestellt und ein missbräuchliches Betreibungsbegehren gegen sie gestellt zu haben. Damit habe sie die Geschädigte zu teilweise zeitraubenden Vorkehrungen zur Abwendung weiteren Schadens genötigt. Ausserdem soll sie B.________ in einem Brief ein sexuelles Verhältnis zu einer fiktiven Drittperson angedichtet haben. Das Bezirksgericht Schwyz verurteilte A.________ am 11. September 2019 wegen Beschimpfung zu 32 Tagessätzen Geldstrafe bedingt und Fr. 1'840.-- Verbindungsbusse. Vom Vorwurf der Nötigung (sowie der Sachbeschädigung) sprach es sie frei. Auf Berufung von A.________ sowie Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hin sprach sie das Kantonsgericht Schwyz am 6. Oktober 2020 der Beschimpfung sowie mit Bezug auf das gegen die Geschädigte eingeleitete Betreibungsverfahren der Nötigung schuldig und verurteilte sie zu 70 Tagessätzen Geldstrafe bedingt und Fr. 2'300.-- Busse. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, sie sei vom Vorwurf der Nötigung freizusprechen und die Sache sei zu neuer Beurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerdeführerin bestreitet, Urheberin des gegen die Geschädigte gestellten Betreibungsbegehrens zu sein. 
 
1.1. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 141 IV 317 E. 5.4). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1). Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 141 IV 305 E. 1.2 mit Hinweisen). Für die Willkürrüge gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Es genügt nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 137 II 353 E. 5.1 mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 144 V 50 E. 4.2; 143 IV 500 E. 1.1).  
Der Grundsatz "in dubio pro reo" besagt als Beweiswürdigungsregel, dass sich das Strafgericht nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Bloss abstrakte und theoretische Zweifel genügen nicht, weil solche immer möglich sind. Relevant sind mithin nur unüberwindbare Zweifel, d.h. solche, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen (vgl. Art. 10 Abs. 3 StPO; BGE 138 V 74 E. 7; 127 I 38 E. 2a; je mit Hinweisen). Der Grundsatz "in dubio pro reo" kommt nur zur Anwendung, wenn nach erfolgter Beweiswürdigung als Ganzem relevante Zweifel verbleiben (Urteil 6B_824/2016 vom 10. April 2017 E. 13.1, nicht publ. in BGE 143 IV 214 mit Hinweisen). Als Beweiswürdigungsregel kommt dem Grundsatz "in dubio pro reo" im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 mit Hinweisen). Als Beweislastregel ist der Grundsatz verletzt, wenn das Gericht einen Angeklagten (einzig) mit der Begründung verurteilt, er habe seine Unschuld nicht nachgewiesen. Dies prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.3; Urteile 6B_1302/2020 vom 3. Februar 2021 E. 1.2.1 f., zur Publ. bestimmt; 6B_1395/2019 vom 3. Juni 2020 E. 1.1). 
 
1.2. Die Vorinstanz erachtet die Täterschaft der Beschwerdeführerin als erstellt. Dafür spreche, trotz Fehlens direkter Beweise, vorab der Umstand, dass das Betreibungsbegehren zeitlich im Anschluss an die ebenfalls der Beschwerdeführerin zuzuschreibenden Warenbestellungen erfolgt sei. Zudem sei die Geschädigte weder davor nach danach je betrieben worden, und die Vorfälle hätten nach der Anzeige gegen die Beschwerdeführerin schlagartig aufgehört. Diese habe ferner als Juristin über das nötige Fachwissen verfügt, namentlich gewusst, dass eine Betreibung nur gegen Vorleistung der Kosten eingeleitet werde. Entsprechend sei dem Begehren der exakte, erforderliche Betrag beigelegt worden, was der Kenntnis der Gebührenverordnung zum SchKG bedürfe. Sodann bestünden keine Hinweise auf eine andere Täterschaft als die Beschwerdeführerin. Zudem habe deren Ex-Freund glaubhaft ausgesagt, sie habe ihm gegenüber geäussert, seiner neuen Freundin, mithin der Geschädigten, "das Leben zur Hölle zu machen". Auch könne er bei der Wohnungssuche Probleme bekommen, wenn er eine offene Betreibung hätte. In Würdigung der genannten Umstände sei daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auch für das Betreibungsbegehren verantwortlich sei, so die Vorinstanz.  
 
1.3. Die vorstehenden Ausführungen sind insgesamt nachvollziehbar, jedenfalls aber nicht willkürlich. Die Beschwerdeführerin bestreitet namentlich weder die Täterschaft hinsichtlich der ihr ebenfalls angelasteten Warenbestellungen, noch stellt sie die vorinstanzlich festgestellte Motivlage in Abrede; die Geschädigte ist mit dem Ex-Freund der Beschwerdeführerin liiert. Vor diesem Hintergrund erscheint ihre Täterschaft auch mit Bezug auf das inkriminierte Betreibungsbegehren naheliegend. Dies gilt umso mehr, als sie, wie die Vorinstanz überzeugend ausführt, gegenüber ihrem Ex-Freund - wenn auch unspezifische - Drohungen zum Nachteil der neuen Freundin ausstiess und explizit auf die Folgen einer Betreibung für die künftige Wohnungssuche hinwies. Soweit die Beschwerdeführerin die Glaubhaftigkeit der Aussagen ihres Ex-Freundes in Frage stellt, zeigt sie nicht auf, dass ein Abstellen darauf schlechthin unhaltbar wäre. Überhaupt beschränkt sie sich im Wesentlichen darauf, die vorinstanzliche Beweiswürdigung als Ganzes zu bestreiten, was zum Nachweis von Willkür ebenso wenig genügt wie die grundsätzliche Möglichkeit eines alternativen Täters (oben E. 1.1), etwa innerhalb der mit dessen neuen Beziehung angeblich unzufriedenen Familie ihres Ex-Freundes.  
 
2.   
Die Beschwerdeführerin beanstandet die rechtliche Würdigung des Sachverhalts als Nötigung. 
 
2.1. Der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB macht sich schuldig, wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden. Schutzobjekt des Tatbestands ist die Freiheit der Willensbildung und Willensbetätigung des Einzelnen. Diese ist strafrechtlich unabhängig von der Art der (legalen) Tätigkeit geschützt, welche der Betroffene nach seinem frei gebildeten Willen verrichten will (BGE 134 IV 216 E. 4.4.3). Art. 181 StGB ist ein Erfolgsdelikt; die Anwendung des Nötigungsmittels muss den Betroffenen in seiner Handlungsfreiheit beeinträchtigen. Die Tatbestandsvariante der "anderen Beschränkung der Handlungsfreiheit" ist restriktiv auszulegen. Nicht jeder noch so geringfügige Druck auf die Entscheidungsfreiheit eines anderen führt zu einer Bestrafung nach Art. 181 StGB. Das Zwangsmittel der "anderen Beschränkung der Handlungsfreiheit" muss, um tatbestandsmässig zu sein, das üblicherweise geduldete Mass an Beeinflussung in ähnlicher Weise eindeutig überschreiten, wie es für die im Gesetz ausdrücklich genannten Zwangsmittel der Gewalt und der Androhung ernstlicher Nachteile gilt. Es muss ihm mithin eine den gesetzlich genannten Mitteln vergleichbare Zwangswirkung zukommen (BGE 141 IV 437 E. 3.2.1 f. mit Hinweisen; Urteil 6B_852/2019 vom 16. Juli 2020 E. 2.2.2). Eine Nötigung ist nur unrechtmässig, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist, wenn das Mittel zum erstrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (BGE 141 IV 437 E. 3.2.1; 137 IV 326 E. 3.3.1; 134 IV 216 E. 4.1; je mit Hinweisen). Letzteres trifft insbesondere zu, wenn zwischen dem Gegenstand der Drohung und demjenigen der Forderung kein sachlicher Zusammenhang besteht (BGE 120 IV 17 E. 2a/bb; 106 IV 125 E. 3a).  
In subjektiver Hinsicht verlangt Art. 181 StGB, dass der Täter mit Vorsatz handelt, d.h. dass er, im Bewusstsein um die Unrechtmässigkeit seines Verhaltens, sein Opfer zu einem bestimmten Verhalten zwingen will; Eventualvorsatz genügt (BGE 120 IV 17 E. 2c; 96 IV 58 E. 5; Urteil 6B_303/2020 vom 6. Oktober 2020 E. 2.1 mit Hinweis). 
 
2.2. Die Vorinstanz erwägt, das von der Beschwerdeführerin im Namen einer nicht existierenden Person, mithin offensichtlich rechtsmissbräuchlich eingeleitete Betreibungsverfahren gegen die Geschädigte stelle eine unzulässige Nötigung dar. Indem die Geschädigte, deren Betreibungsregisterauszug bislang ungetrübt gewesen sei, mit einem Eintrag und den möglichen damit verbundenen Konsequenzen konfrontiert gewesen sei, habe die Nötigung ein nicht mehr zu duldendes Mass an Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit erreicht. Daran ändere nichts, dass die zu Unrecht betriebene Person unter gewissen Umständen erwirken könne, dass Dritten von der Betreibung keine Kenntnis gegeben werde. Dabei handle es sich um keine eigentliche Löschung des Eintrags. Der Tatbestand der Nötigung sei auch subjektiv erfüllt, so die Vorinstanz weiter. Die Beschwerdeführerin habe um die Rechtsmissbräuchlichkeit des Betreibungsbegehrens für eine nicht bestehende Forderung einer fiktiven Person gewusst. Sie habe wissentlich und willentlich darauf abgezielt die Geschädigte mit einem ungerechtfertigten Eintrag im Betreibungsregister in Schwierigkeiten zu bringen. Ebenso habe sie gewusst, dass die Geschädigte Vorkehrungen würde treffen müssen, um allfällige Nachteile abzuwenden, die ihr infolge der Betreibung selbst sowie des Registereintrags entstünden.  
 
2.3. Die Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Nötigung verstösst nicht gegen Bundesrecht. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, stellt eine Betreibung nach der Rechtsprechung eine unzulässige, mithin rechtswidrige Nötigung dar, wenn sie rechtsmissbräuchlich erfolgt (vgl. Urteil 6B_979/2018 vom 21. März 2019 E. 1.2.5 mit Hinweisen), was die Vorinstanz zutreffend bejaht. Wenn die Beschwerdeführerin dagegen einwendet, das inkriminierte Verhalten erreiche die erforderliche Nötigungsintensität nicht, ist ihr zudem zu widersprechen. Die Notwendigkeit, gegen eine ungerechtfertigte Betreibung vorzugehen sowie ein Eintrag im Betreibungsregister können das wirtschaftliche oder persönliche Fortkommen einer Person erheblich behindern. Sie stellen daher zweifellos einen ernstlichen Nachteil dar. Dies auch und gerade für eine auf einen tadellosen Leumund angewiesene Juristin wie die Geschädigte. Sodann ist unerfindlich, was die Beschwerdeführerin aus dem Umstand für sich ableiten will, dass der Eintrag im Betreibungsregister kein Verhalten bzw. keine Handlung des Opfers darstellt. Die unzulässige Nötigung besteht vielmehr in der Notwendigkeit, gegen den rechtsmissbräuchlichen Eintrag vorgehen zu müssen oder dessen Folgen zu dulden. Darin ist eine namhafte Beschränkung der Handlungsfreiheit zu erblicken. Es kann auf die in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden. Dies gilt auch mit Bezug auf die beschwerdeführerischen Einwände betreffend die Möglichkeit des zu Unrecht Betriebenen, unter gewissen Umständen die Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte zu erwirken. Nichtsdestotrotz wird die Person zu mühsamen Handlungen gezwungen. Noch dazu kann diese Person, wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, keine Löschung der missbräuchlichen Betreibung erwirken. Auch für den subjektiven Tatbestand kann auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden, zumal sich die Beschwerdeführerin dazu nicht äussert.  
 
3.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten von Fr. 3'000.--. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. April 2021 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt