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Urteilskopf

91 IV 22


8. Urteil des Kassationshofes vom 13. Februar 1965 i.S. Kobel gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich.

Regeste

Art. 51 Abs. 3 SVG.
Der Geschädigte hat der Pflicht, den Sachschaden dem Geschädigten zu melden und diesem Namen und Adresse anzugeben, sofort und zuverlässig nachzukommen.
Er hat die Polizei erst in zweiter Linie zu verständigen (Erw. 1).
Benachrichtigung des abwesenden Geschädigten mittels einer Visitenkarte, die am beschädigten Fahrzeug zurückgelassen wird (Erw. 2).

Sachverhalt ab Seite 22

BGE 91 IV 22 S. 22

A.- Kobel wollte am 16. Mai 1963 gegen 0l.00 Uhr auf dem Vorplatz der Liegenschaft Bombachstrasse 11 in Zürich 10 ein Personenauto rückwärts wenden. Er bemerkte aus Unachtsamkeit einen dort parkierten Personenwagen nicht, fuhr diesen an und beschädigte ihn. Kobel versuchte am folgenden Morgen um ca. 9 Uhr, mit dem Halter des beschädigten Fahrzeuges telephonische Verbindung aufzunehmen, konnte ihn aber nicht erreichen, worauf er ihn um die Mittagszeit aufsuchte, um den Schaden zu regeln. Er will ausserdem unmittelbar nach Eintritt des Schadens seine Visitenkarte unter den Scheibenwischer des beschädigten Wagens gesteckt haben.

B.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich erklärte Kobel am 27. August 1964 der Übertretung der Art. 31 Abs. 1 und 51 Abs. 3 SVG schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 50.-.

C.- Der Gebüsste ficht dieses Urteil insoweit an, als er der Widerhandlung gegen Art. 51 Abs. 3 SVG schuldig befunden wurde. Er beantragt, ihn in diesem Anklagepunkt freizusprechen.
BGE 91 IV 22 S. 23

Erwägungen

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Bei einem Unfall, bei dem nur Sachschaden entstand, ist der Schädiger nach Art. 51 Abs. 3 SVG verpflichtet, den Geschädigten sofort zu benachrichtigen und ihm Namen sowie Adresse anzugeben; wenn dies nicht möglich ist, hat er unverzüglich die Polizei zu verständigen.
Zweck dieser Bestimmung ist, wie es schon jener des Art. 36 Abs. 2 MFG war, dass in Fällen, in denen polizeiliche Erhebungen sich aufdrängen oder vom Geschädigten verlangt werden, ein rasches Eingreifen der Polizei ermöglicht wird (BGE 85 IV 151 Erw. 1 in fine). Deshalb hat der Meldepflichtige die vorgeschriebene Anzeige sofort (unverzüglich) nach dem Unfall, d.h. so rasch, als ihm nach den Umständen zuzumuten ist, zu erstatten, und zwar dem Zweck der Bestimmung entsprechend auch dann, wenn der Schaden ein verhältnismässig geringes Ausmass erreicht (BGE 83 IV 42 f. und 45 Erw. 2, BGE 85 IV 151). Er darf daher, wenn er den Geschädigten nicht sofort erreichen kann, mit der Meldung nicht länger zuwarten, sondern er muss sich sogleich an die Polizei wenden. Art. 51 Abs. 3 SVG schreibt für den Fall, dass die sofortige Benachrichtigung des Geschädigten nicht möglich ist, die unverzügliche Verständigung der Polizei ausdrücklich vor. Wird wie schon bisher dem Meldepflichtigen nicht anheimgestellt, den Zeitpunkt der Schadensmeldung nach Belieben zu bestimmen, so steht ihm anderseits nach neuem Recht nicht mehr wie nach Art. 36 Abs. 2 MFG die freie Wahl zu, ob er den Geschädigten oder die Polizei benachrichtigen will. Nach Art. 51 Abs. 3 SVG hat er zunächst an den Geschädigten und erst dann, wenn er diesen nicht sofort erreichen kann, an die Polizei zu gelangen. Trifft der zweite Fall zu, so genügt es, die Polizei über den Unfall zu verständigen; ob diese sofortige Erhebungen an Ort und Stelle machen oder andere Anordnungen treffen will, ist ihrem Ermessen überlassen.
Die Benachrichtigung des Geschädigten muss nicht nur rechtzeitig erfolgen, sondern auch zuverlässig und vollständig sein. Art. 51 Abs. 3 SVG verlangt, dass der Schädiger den Geschädigten benachrichtige und ihm ausserdem Namen und Adresse angebe. Darunter ist wie schon nach bisheriger Rechtsprechung zu verstehen, dass er den Geschädigten über den entstandenen Schaden unterrichtet und ihm Namen und Adresse unaufgefordert mitteilt (BGE 83 IV 45, BGE 90 IV 148).
BGE 91 IV 22 S. 24

2. Diesen Erfordernissen genügte der Beschwerdeführer nicht schon dadurch, dass er, wie er behauptet, sofort nach dem Zusammenstoss seine Visitenkarte unter den Scheibenwischer des beschädigten Wagens steckte. Die Visitenkarte, auf der keine Erklärung angebracht war, gab bestenfalls über die Person des Schädigers Aufschluss, nicht aber über den angerichteten Schaden. Angaben über Art und Umfang der Schädigung gehören zur Schadensmeldung und sind auch aus Gründen des Beweises nötig, denn das gleiche Fahrzeug kann von einem andern nochmals beschädigt werden oder es können schon Schäden vorbestanden haben. Zudem darf sich der Schädiger nicht unter allen Umständen darauf verlassen, dass die am beschädigten Wagen zurückgelassene Karte beim Eintreffen des Geschädigten noch vorhanden sein werde. Im vorliegenden Falle bestreitet denn auch der Geschädigte, die angeblich vom Beschwerdeführer nachts um 02.00 Uhr angebrachte Visitenkarte am folgenden Morgen vorgefunden zu haben, und der Beschwerdeführer behauptet nicht das Gegenteil, sondern räumt selber ein, dass die Karte vom Regen weggeschwemmt oder von Dritten entfernt worden sein könne.
Der Beschwerdeführer hat somit weder durch das behauptete Anstecken seiner Visitenkarte noch durch seine Vorsprache am folgenden Tag den Geschädigten sofort benachrichtigt. Da er auch die Polizei nicht verständigte, ist er zu Recht wegen Widerhandlung gegen Art. 51 Abs. 3 SVG bestraft worden.

Dispositiv

Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

Inhalt

Ganzes Dokument:
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 1 2

Referenzen

BGE: 85 IV 151, 83 IV 42, 83 IV 45, 90 IV 148

Artikel: Art. 51 Abs. 3 SVG