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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.253/2004 /pai 
 
Urteil vom 3. November 2004 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Robert Schneider, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Führen eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand (Art. 91 Abs. 1 SVG); Nichtgewährung des bedingten Strafvollzugs, 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 4. Mai 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________, wohnhaft im Fürstentum Liechtenstein, wurde am 4. Mai 2003 auf der Rückfahrt von einem Bikertreffen (Motorrad-Treffen) im Südtirol um 08.25 Uhr beim Autobahn-Anschlusswerk in Trübbach am Steuer eines Personenwagens von der Polizei kontrolliert. Zu diesem Zeitpunkt wies er eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,32 Promille auf. 
B. 
Das Kreisgericht Werdenberg-Sargans erklärte ihn am 7. Oktober 2003 des Führens eines Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand schuldig und verurteilte ihn zu 6 Monaten Gefängnis. 
 
Das Kantonsgericht St. Gallen bestätigte am 4. Mai 2004 den Schuldspruch und verurteilte ihn zu 4 Monaten Gefängnis. 
C. 
X.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem (sinngemässen) Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen aufzuheben, die Sache zu neuer Entscheidung an dieses zurückzuweisen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
 
Das Kantonsgericht St. Gallen verzichtet auf Gegenbemerkungen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze (Art. 269 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege; BStP, SR 312.0). In der Nichtigkeitsbeschwerde muss kurz dargelegt werden, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch die angefochtene Entscheidung verletzt sind. Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Entscheides richten, das Vorbringen neuer Tatsachen, neue Einreden, Bestreitungen und Beweismittel, sowie Erörterungen über die Verletzung kantonalen Rechts sind unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Das Bundesgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde gebunden (Art. 277bis BStP). 
2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei ihm wegen des Vorfalls vom 4. Mai 2003 im Fürstentum Liechtenstein der Führerausweis für 18 Monate entzogen worden. Dies entspreche einem Warnungsentzug nach schweizerischem Recht, dem Straffunktion zukomme. Der angefochtene Schuldspruch verletze das Doppelbestrafungsverbot gemäss Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Nov. 1988; SR 0.101.07). 
 
Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls der EMRK hat keine zwischenstaatliche Geltung und schützt nur vor einer erneuten Bestrafung durch denselben Staat (vgl. Jochen A. Frowein/Wolfgang Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Auflage, S. 863 f.; Mark. E. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Auflage, S. 455). Der in dieser Bestimmung kodifizierte Grundsatz ne bis in idem ist in erster Linie ein Satz des eidgenössischen materiellen Strafrechts und besagt, dass niemand wegen der gleichen Straftat zweimal verfolgt werden darf (125 II 402 E. 1b; 116 IV 262 E. 3). Eine Verletzung dieses Grundsatzes kann deshalb mit Nichtigkeitsbeschwerde gerügt werden (BGE 120 IV 10 E. 2b). In der Schweiz werden die Rechtsfolgen einer Verkehrsregelverletzung durch zwei verschiedene Behörden mit unterschiedlicher Zuständigkeit bestimmt. Die Führerausweise werden von den Verwaltungsbehörden erteilt und entzogen (Art. 22 Abs. 1 SVG); die Strafbestimmungen von Art. 90 ff. SVG werden von den Strafgerichten angewendet (vgl. BGE 125 II 402 E. 1b). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verstösst es nicht gegen den Grundsatz ne bis in idem, wenn für die gleiche Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz Strafen und Administrativmassnahmen (insbesondere Führerausweisentzüge) in zwei verschiedenen Verfahren ausgesprochen werden (BGE 129 II 168 E. 6.2 f.; 128 II 133 E. 3; 125 II 402 E. 1; Nichtzulassungsentscheid des EGMR vom 30. Mai 2000, in: VPB 2000 Nr. 152 S. 1391). Darauf ist nicht zurückzukommen. 
3. 
Der Beschwerdeführer bestreitet ein eventualvorsätzliches Handeln. Er habe den Eintritt des Erfolgs entgegen der Annahme der Vorinstanz gerade nicht für möglich gehalten, ansonsten er die Fahrt nicht angetreten hätte. Ihm sei aufgrund seiner Erfahrungen bewusst und klar gewesen, dass der Schlaf nach Alkoholkonsum dessen Wirkungen beseitige. Es stelle eine nicht zu begründende Unterstellung dar, er hätte den Eintritt des Erfolges ernsthaft für möglich gehalten. Sein Zustand beim Schlafengehen und bei Fahrantritt sei nicht objektivierbar. 
 
Mit diesen Vorbringen richtet sich der Beschwerdeführer gegen die tatsächlichen Feststellungen und die Beweiswürdigung der Vorinstanz. Das ist unzulässig (oben E. 1). Was der Täter wusste, wollte oder in Kauf nahm, betrifft innere Tatsachen, ist damit Tatfrage und kann im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Entscheidung gestellt werden (BGE 130 IV 58 E. 8.5). Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Nach dem vorinstanzlichen Beweisergebnis wies der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der polizeilichen Kontrolle um 08.25 Uhr eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,32 Promille auf und musste daher beim Schlafengehen um 02.00 Uhr eine BAK von rund 2Promille und bei seiner Abfahrt um 06.00 Uhr eine BAK von rund 1,6Promille aufgewiesen haben. Die Vorinstanz kommt deshalb zum Ergebnis, als alkoholungewohnte Person müsse der Beschwerdeführer nach nur vier Stunden Nachtruhe klar beeinträchtigt gewesen sein. Zudem habe er bereits einschlägige Erfahrungen im Fürstentum Liechtenstein gemacht: Er sei am 28. Juni 2001 mit einer Mindest-BAK von 1,41 Promille und am 2. November 2001 mit einer Mindest-BAK von 1,18 Promille angehalten worden. Den schweizerischen Grenzwert von 0,8 Promille habe er gekannt. Er habe um die Möglichkeit oder das Risiko der Tatbestandsverwirklichung gewusst und sie für den Fall des Eintritts in Kauf genommen (angefochtenes Urteil S. 4 f.). 
 
Der Zustand beim Schlafengehen und bei Fahrantritt ist entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift objektivierbar. Die Vorinstanz nimmt beim nicht alkoholgewohnten Beschwerdeführer richtigerweise für die Berechnung der Mindest-BAK einen Abbauwert von 0,1 Promille pro Stunde an. Wäre hingegen - wie bei Menschen mit regelmässigem hohen Alkoholkonsum - ein höherer Abbauwert anzunehmen, würde das einzig auf eine noch stärkere Alkoholisierung schliessen lassen (Klaus Foerster, Störungen durch psychotrope Substanzen, in: Ulrich Venzlaff/Klaus Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 4. Auflage, München 2004, S. 202). 
 
Die Annahme der Vorinstanz, es sei ein typischer Fall eines Eventualvorsatzes gegeben (angefochtenes Urteil S. 5 mit Verweisung auch auf das erstinstanzliche Urteil), verletzt kein Bundesrecht (vgl. zum Begriff des Eventualvorsatzes neuestens BGE 130 IV 58 E. 8). 
4. 
Schliesslich bringt der Beschwerdeführer vor, die Nichtgewährung des bedingten Strafvollzugs gemäss Art. 41 StGB verletze Bundesrecht. Die Vorinstanz stütze ihre Prognoseentscheidung auf offensichtlich unhaltbare Überlegungen, weil sie auf die Besonderheit des Falls nicht Bedacht nehme, den Begriff des "Dritttäters" in der Prognoseentscheidung falsch verwende und die rechtlichen Kriterien des Art. 41 StGB nicht vollständig rechtlich bewerte. Die Besonderheit des Falls sieht er darin, dass im Fürstentum Liechtenstein für diesen Deliktstypus lediglich Geldstrafen verhängt würden. Er müsste zuerst einmal durch eine gerichtliche Sanktion (nämlich einen bedingten Strafvollzug) auf eine unbedingte Gefängnisstrafe vorgewarnt worden sein, damit er sein künftiges Verhalten an dieser Vorwarnung orientieren könne. Es dürfe nicht beim erstmaligen Kontakt mit schweizerischem Recht ohne jede Vorwarnung und ohne Beurteilung dieses Sonderfalls sogleich die härteste aller Strafen, nämlich die unbedingte Freiheitsstrafe, ausgesprochen werden. Er sei als "Ersttäter" zu betrachten. 
 
Vor der Ausfällung einer unbedingten Freiheitsstrafe muss der Straffällige nicht bereits durch eine bedingte Freiheitsstrafe vorgewarnt sein. Vielmehr kann der Richter gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als 18 Monaten aufschieben, wenn Vorleben und Charakter des Verurteilten erwarten lassen, er werde auch durch eine bedingt vollziehbare Strafe von weiteren Delikten abgehalten. Dabei sind beim Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand die gleichen Kriterien zu Grunde zu legen wie bei anderen Delikten (BGE 118 IV 97 E. 2c; 128 IV 193 E. 3a). Das Gericht hat also eine Prognose über das künftige Verhalten des Täters zu stellen. Dabei steht ihm ein erhebliches Ermessen zu. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid auf, wenn die Vorinstanz nicht von rechtlich massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder diese in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens unrichtig gewichtet hat. Bei der Prüfung, ob der Verurteilte für ein dauerndes Wohlverhalten Gewähr bietet, ist eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen. In die Beurteilung mit einzubeziehen sind neben den Tatumständen auch das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussicht seiner Bewährung zulassen. Zu den relevanten Faktoren zählt insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung (BGE 128 IV 193 E. 3a). Dabei sind auch ausländische Urteile zu berücksichtigen (Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 Satz 2 StGB; vgl. BGE 105 IV 225). 
 
Die Vorinstanz nimmt bei der Strafzumessung unter anderem stark strafreduzierend an, dass der Beschwerdeführer mit seiner Vorgeschichte kein typischer "Dritttäter" im Sinne der st. gallischen Rechtsprechung sei; er hätte sonst bei seiner dritten Trunkenheitsfahrt mit einer Einsatzstrafe von 9 bis 10 Monaten Gefängnis unbedingt rechnen müssen (angefochtenes Urteil S. 5 f.). Unter dem Gesichtspunkt von Art. 41 StGB berücksichtigt sie dagegen die strafrechtliche Vorbelastung zu seinen Ungunsten. Sie weist darauf hin, dass der Beschwerdeführer mit der zu beurteilenden Tat innert zweieinhalb Jahren drei Trunkenheitsfahrten beging. Für die ersten beiden Trunkenheitsfahrten im Jahre 2001 (vgl. oben E. 3) seien Bussen verhängt und der Führerausweis für jeweils sechs Monate entzogen worden. Dies hätte ihm ausreichend Warnung sein müssen. Weiter sei er am 11. August 1998 und 9. November 1999 wegen Sachbeschädigung verurteilt worden. Und schliesslich sei ihm sein Führerausweis vom 7. August bis 7. September 2000 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 33 km/h sowie vom 2. Oktober bis 2. November 2000 wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeugs infolge Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die gegebenen Strassenverhältnisse entzogen worden (angefochtenes Urteil S. 7). Der Führerausweis ist ihm somit innerhalb kurzer Zeit - ohne den achtzehnmonatigen Entzug im hier zu beurteilenden Fall - bereits viermal entzogen worden. 
 
Der Beschwerdeführer kann trotz erstmaliger Straffälligkeit in der Schweiz nicht als "Ersttäter" betrachtet werden (vgl. BGE 105 IV 225 E. 2 und 4b S. 228 f.). Seine Vorstrafen sind bei der Beurteilung des bedingten Strafvollzugs zu berücksichtigen. Angesichts ihrer Häufung verneint die Vorinstanz eine günstige Prognose zu Recht. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf Günter Stratenwerth (Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Bern 1989, § 4 N. 64 ff.) führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieser Autor vertritt die Ansicht, dass der bedingte Vollzug allein in den Fällen versagt werden sollte, in denen die Prognose eindeutig ungünstig ausfällt (a.a.O., S. 137 N. 66). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Verweigerung des bedingten Strafvollzugs verletzt Art. 41 StGB nicht. 
5. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten vor Bundesgericht (Art. 278 Abs. 1 BStP). 
 
Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos geworden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. November 2004 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: