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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.211/2004 /gij 
 
Urteil vom 28. Juni 2004 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, 
Bundesrichter Aeschlimann, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Manfred Dähler, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Staubeggstrasse 8, 8510 Frauenfeld, 
Obergericht des Kantons Thurgau, Promenadenstrasse 12, 8500 Frauenfeld. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; SVG; Beweiswürdigung, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 27. Januar 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Bezirksamt Münchwilen verurteilte X.________ am 7. Mai 2003 wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG zu 10 Tagen Gefängnis bedingt und einer Busse von 3'500 Franken. Es hielt für erwiesen, dass er am Samstag, dem 24. August 2002, um 16:31 Uhr mit seinem Motorrad Yamaha SG________ auf der Autobahn A1 in Richtung Zürich gefahren war und dabei in Münchwilen die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 63 km/h überschritten hatte. 
 
Die Bezirksgerichtliche Kommission Münchwilen bestätigte diesen Schuldspruch auf Einsprache X.________s hin am 16. September 2003, reduzierte jedoch das Strafmass auf 3'500 Franken Busse. 
 
Gegen dieses Urteil erhoben X.________ Berufung und der Staatsanwalt Anschlussberufung beim Obergericht des Kantons Thurgau. Dieses fand im Urteil vom 27. Januar 2004 die Berufung unbegründet und die Anschlussberufung begründet. Es bestätigte den Schuldspruch und erhöhte das Strafmass auf 10 Tage Gefängnis bedingt und 3'500 Franken Busse. 
B. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 5. April 2004 insbesondere wegen Verletzung von "ne bis in idem", des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) sowie willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) beantragt X.________, den obergerichtlichen Entscheid aufzuheben. Ausserdem ersucht er, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. 
 
Staatsanwaltschaft und Obergericht beantragen in ihren Vernehmlassungen, die Beschwerde abzuweisen bzw. sie abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
C. 
Mit Verfügung vom 29. April 2004 wies das präsidierende Mitglied der I. öffentlichrechtlichen Abteilung das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Beim angefochtenen Entscheid des Obergerichts handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist durch die strafrechtliche Verurteilung in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG), weshalb er befugt ist, die Verletzung verfassungsmässiger Rechte zu rügen. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde, unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c), einzutreten ist. Soweit im Folgenden auf Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht eingegangen wird, genügen sie den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht. 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des in Art. 4 Ziff. 1 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101.07) sowie Art. 14 Abs. 7 des UNO-Paktes II (SR 0.103.2) verankerten und aus der Bundesverfassung abgeleiteten Grundsatzes "ne bis in idem". Dieser stellt nach ständiger Rechtsprechung auch einen Grundsatz des materiellen eidgenössischen Strafrechts dar (BGE 125 II 402 E. 1b; 120 IV 10 E. 2b; 118 IV 269 E. 2; 116 IV 264 E. 3a), dessen Verletzung mit Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden kann (Art. 269 Abs. 1 BstP), weshalb die staatsrechtliche Beschwerde dafür nicht zur Verfügung steht (Art. 84 Abs. 2 OG). Da die Rüge indessen offensichtlich unbegründet ist, braucht nicht geprüft zu werden, ob die Beschwerde in diesem Punkt als Nichtigkeitsbeschwerde entgegengenommen werden könnte. 
 
Eine Anwendung des Grundsatzes "ne bis in idem" setzt schon begrifflich voraus, dass eine erste Strafe verhängt wurde, die eine zweite Sanktion wegen der gleichen Tat verfassungswidrig erscheinen lässt. Der Beschwerdeführer müsste sich daher, wenn er an dieser angesichts der klaren Praxis des Bundesgerichts (vgl. BGE 125 II 402) wenig aussichtsreichen Rüge wirklich festhalten will, gegen die zu erwartenden administrativen Massnahmen wenden. Gegen die vorgehende strafrechtliche Verurteilung als erster in dieser Sache verhängter Sanktion kann sie nicht erhoben werden, da das Doppelbestrafungsverbot in diesem Zeitpunkt noch gar nicht verletzt sein kann. 
3. 
Der Beschwerdeführer rügt, das Obergericht habe die von ihm angebotenen Beweise nicht erhoben und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und die Beweise willkürlich gewürdigt. 
3.1 Nach den aus Art. 29 BV fliessenden Verfahrensgarantien sind alle Beweise abzunehmen, die sich auf Tatsachen beziehen, die für die Entscheidung erheblich sind (BGE 117 Ia 262 E. 4b; 106 Ia 161 E. 2b; 101 Ia 169 E. 1, zu Art. 4 aBV, je mit Hinweisen). Das hindert aber den Richter nicht, einen Beweisantrag abzulehnen, wenn er in willkürfreier Überzeugung der bereits abgenommenen Beweise zur Überzeugung gelangt, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und er überdies in willkürfreier antizipierter Würdigung der zusätzlich beantragten Beweise annehmen kann, seine Überzeugung werde auch durch diese nicht mehr geändert (BGE 122 V 157 E. 1d; 119 Ib 492 E. 5b/bb, zu Art. 4 aBV). 
3.2 Willkürlich handelt ein Gericht, wenn es seinem Entscheid Tatsachenfeststellungen zugrunde legt, die mit den Akten in klarem Widerspruch stehen. Im Bereich der Beweiswürdigung besitzt der Richter einen weiten Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde nur ein, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Versehen beruht (BGE 124 I 208 E. 4a; 117 Ia 13 E. 2c; 18 E. 3c je mit Hinweisen). 
4. 
4.1 Der Sachverhalt ist insoweit nicht oder jedenfalls nicht in einer den gesetzlichen Begründungsanforderungen genügenden Weise bestritten, als am Samstag, dem 24. August 2003, fünf Motorräder auf der A1 in Richtung Zürich fuhren und um circa 16:31 Uhr in Münchwilen vorbeifuhren, wo die Kantonspolizei Thurgau mit einem stationären Radar-Geschwindigkeitsmessgerät eine Geschwindigkeitskontrolle durchführte. WmmbA Y.________, welcher das Gerät bediente, meldete seinen sich auf ihren Motorrädern für den Zugriff bereithaltenden beiden Kollegen per Funk, dass ein Motorrad die Kontrollstelle mit 190 km/h passiert habe und dass vor diesem eine Gruppe von vier Motorrädern unter Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h passiert hätten. Die beiden Motorrad-Polizisten leiteten sämtliche fünf Motorräder auf den Kontrollplatz, wobei der Beschwerdeführer an der Spitze der abgefangenen Fahrzeuge lag. 
4.2 Für das Obergericht ist der Beschwerdeführer schon anhand des Radarfotos überführt. Davon ausgehend, dass die fragliche Übertretung zwingend auf einem der fünf Motorräder begangen worden sein musste - die These eines unbekannten sechsten Motorradfahrers, der unerkannt durch die polizeiliche Kontrolle schlüpfte, schloss es aus, da es dafür keinerlei Hinweise fand - schied es drei dieser fünf Motorräder als mögliche Tatfahrzeuge von vornherein aus, weil sie keinen Doppelscheinwerfer hatten, über den das Fahrzeug des Beschwerdeführers nach dem Radarfoto zweifelsfrei verfügt. Theoretisch möglich wäre eine Verwechslung nur mit einem der Motorräder, welches weitgehend baugleich ist wie dasjenige des Beschwerdeführers. Aufgrund von drei markanten Details, in denen sich die beiden Maschinen unterscheiden und die auf dem Radarfoto deutlich erkennbar sind, hat es das Motorrad des Beschwerdeführers als Tatfahrzeug und damit den Beschwerdeführer als Täter identifiziert: Das Motorrad des Beschwerdeführers weist auf den Windabweisern zwei helle Streifen auf, hat am Vorderrad ein helles Schutzblech und einen hinteren linken Blinker, der auf einem Verbindungsstück sitzt, währendem das andere Motorrad an der erwähnten Stelle keine Zierstreifen aufweist, über ein dunkles vorderes Schutzblech verfügt und einen hinteren linken Blinker ohne Verbindungsstück. 
4.3 Beim von der Thurgauer Kantonspolizei für die fragliche Verkehrskontrolle gewählten Vorgehen waren zumindest drei Beamte - WmmbA Y.________ am Radargerät und die beiden Motorradpolizisten damit beschäftigt, den Verkehr auf der A1 zu beobachten. Das Obergericht konnte unter diesen Umständen willkürfrei davon ausgehen, dass diese ein weiteres Motorrad gesehen hätten, und damit einen unbekannten sechsten Fahrer als Täter ausschliessen. Ein Vergleich der Fotos der fünf angehaltenen Maschinen mit dem Radarfoto des Fahrzeuges des Beschwerdeführers ergibt ohne jeden Zweifel, dass einzig dieses als Tatfahrzeug in Betracht fällt. Man mag zwar die fotografische Qualität des Radarfotos kritisieren, wie der Beschwerdeführer dies tut; dies ist jedoch müssig, da die vom Obergericht zutreffend angeführten Unterscheidungsmerkmale darauf deutlich erkennbar sind. Es kann keine Rede davon sein, dass dieses die Beweise willkürlich gewürdigt habe, die Identifikation des Beschwerdeführers als Täter anhand der Umstände der Verkehrskontrolle und der Auswertung des Radarfotos ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. 
4.4 Was der Beschwerdeführer gegen die Zuverlässigkeit der Radarmessung vorbringt, ist nicht geeignet, das Abstellen darauf als willkürlich erscheinen zu lassen. Das Obergericht hat sich zu diesem Thema umfassend und zutreffend geäussert (E. 4 S. 10 ff.), weshalb darauf zu verweisen ist (Art. 36a Abs. 3 OG). 
4.5 Konnte das Obergericht den Beschwerdeführer somit aufgrund einer willkürfreien Beweiswürdigung schon anhand des Radarfotos und der Anlage der Verkehrskontrolle als überführt betrachten, konnte es ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs weitere Beweisanträge ablehnen. Die am Vorfall beteiligten Polizisten und die vier dabei ebenfalls angehaltenen Motorradfahrer wurden nie als Zeugen einvernommen. Die Motorradfahrer haben den Beschwerdeführer indessen gar nicht belastet, und der Ablauf der Verkehrskontrolle, wie ihn die Polizisten darlegen, ist unbestritten. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Pflicht, sie als Zeugen anzuhören, weshalb auch der Einwand des Beschwerdeführers, er sei nie mit den Belastungszeugen konfrontiert worden, von vornherein fehl geht. Die Gehörsverweigerungsrüge ist unbegründet. 
5. 
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet. Sie grenzt an Trölerei und wäre besser unterblieben. Sie ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 156 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 28. Juni 2004 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: