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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.313/2005 /bnm 
 
Urteil vom 31. Oktober 2005 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, 
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, Aabachstrasse 3, 6301 Zug. 
 
Gegenstand 
Art. 9 und 29 BV
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug, Justizkommission, als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 1. Juli 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Bank Y.________ und die Bank Z.________ verpflichteten sich am 13. Juli 1999, den beiden zur V.________-Gruppe gehörenden, in A.________ domizilierten Gesellschaften V.________ AG und W.________ Kreditfazilitäten in einer Gesamthöhe von maximal Fr. 277 Mio. zur Verfügung zu stellen. In der Folge schied die Bank Z.________ aus, während elf andere Banken dem Konsortium unter der Federführung der Bank Y.________ beitraten. 
 
Am 21. Mai 2001 wurde über die V.________ AG und die W.________ der Konkurs eröffnet. Die ersten Gläubigerversammlungen wählten die U.________ AG zur ausseramtlichen Konkursverwaltung. In beiden Konkursverfahren wurde je ein Gläubigerausschuss bestellt. 
 
Nachdem die U.________ AG für die Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der Bank Y.________ in den Ausstand getreten war, bestellte der Gläubigerausschuss am 23. April 2003 für diesen Aufgabenbereich X.________ als Ersatzkonkursverwalter, namentlich zur Prüfung und allfälligen Durchsetzung von paulianischen und von Verantwortlichkeitsansprüchen gegenüber der Bank Y.________ sowie zur Kollokation ihrer Forderungseingaben. 
B. 
Am 25. November 2004 fanden in beiden Konkursverfahren die zweiten Gläubigerversammlungen statt. Im Vorfeld wurden für beide Versammlungen Büros bestellt. Dasjenige der V.________ AG entschied, dass den Konsortialbanken in der Gläubigerversammlung je eine Stimme zukomme, mithin total zwölf Stimmen. X.________ als Vorsitzender des Büros stellte sich auf die Standpunkte, das Büro sei nicht rechtmässig zusammengesetzt gewesen und den Banken komme insgesamt nur eine Stimme zu. Die Gläubigerversammlung beschloss daraufhin, Doppelabstimmungen durchzuführen, einmal mit zwölf und einmal mit einer Bankenstimme. In der Folge wurde unter Berücksichtigung von zwölf Bankenstimmen die ausseramtliche Konkursverwaltung U.________ AG in ihrem Amt bestätigt, während X.________ als Ersatzkonkursverwalter nicht bestätigt, sondern an dessen Stelle S.________ gewählt wurde. Unter Berücksichtigung von nur einer Bankenstimme ergab sich Stimmengleichheit, wobei die ausseramtliche Konkursverwaltung U.________ AG mit ihrem Stichentscheid bestätigt wurde; ebenso wurde X.________ als Ersatzkonkursverwalter bestätigt. Gegen diese Wahlbeschlüsse sowie gegen den Beschluss des Büros bezüglich der Stimmberechtigung reichte X.________ am 29. November 2004 beim Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs (nachfolgend Aufsichtsbehörde), Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG ein. Am 30. November 2004 reichten ebenfalls die Gläubigerausschüsse der V.________ AG und die W.________ und am 6. Dezember 2004 T.________ eine Beschwerde ein. 
Das Büro der W.________ kam (in anderer Zusammensetzung als dasjenige der V.________ AG) zum Schluss, dass den Konsortialbanken lediglich eine Stimme zustehe. In der Folge wurden auf entsprechenden Antrag auch hier Doppelabstimmungen durchgeführt. In beiden Varianten wurde die U.________ AG als ausseramtliche Konkursverwaltung nicht bestätigt und als neue ausseramtliche Konkursverwaltung X.________ gewählt. Im Hinblick auf eine allfällige Anfechtung dieses Beschlusses wurde X.________ in beiden Variantenabstimmungen als Ersatzkonkursverwalter bestätigt. Gegen diese Wahlbeschlüsse hat die U.________ AG am 6. Dezember 2004 Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG eingereicht. 
Im Rahmen der Vernehmlassung zu dieser Beschwerde reichte der Gläubigerausschuss der W.________ der Aufsichtsbehörde eine Vereinbarung zwischen X.________ und den beiden Gläubigerausschüssen vom 25. Januar 2005 ein, worin die Parteien mit Blick auf die Rücktrittsabsichten der U.________ AG um gemeinsame Einsetzung von X.________ und von S.________ als Konkursverwalter in beiden Verfahren und um Aufhebung sämtlicher Beschlüsse der zweiten Gläubigerversammlungen ersuchten, soweit diese nicht durch den Rücktritt der U.________ AG gegenstandslos würden; die Vereinbarung war von sämtlichen Mitgliedern der Gläubigerausschüsse sowie von X.________ und S.________ unterzeichnet. Gleichentags teilte T.________ der Aufsichtsbehörde mit, dass sie von dieser Vereinbarung gehört habe und damit einverstanden sei. 
Mit Eingabe vom 15. Februar 2005 teilte die U.________ AG der Aufsichtsbehörde mit, dass sie sich entschlossen habe, auf einen noch festzusetzenden Termin bzw. im Rahmen einer abgesprochenen Übergaberegelung als ausseramtliche Konkursverwaltung zurückzutreten. Die Verwaltung für beide Konkursmassen sei S.________ oder allenfalls dem Konkursamt des Kantons Zug zu übertragen. 
C. 
Mit Beschluss vom 1. Juli 2005 stellte die Aufsichtsbehörde nach eingehenden Erwägungen (E. 2) fest, dass auf sämtliche Beschwerden nicht eingetreten werden könne bzw. diese gegenstandslos geworden seien oder kein Rechtsschutzinteresse (mehr) an ihnen bestehe (E. 3). Ausgehend von der Rücktrittserklärung der U.________ AG führte sie weiter aus, weshalb ungeachtet der grundsätzlichen Kompetenz der Gläubigerversammlung zur Bestellung einer neuen Konkursverwaltung eine direkte Einsetzung durch die Aufsichtsbehörde unabdingbar sei (E. 4a-4c), und hielt fest, auch die amtierenden Konkursorgane seien darin einig, dass die Einsetzung auf aufsichtsrechtlichem Weg erfolgen soll (E. 4d). Sodann erwog die Aufsichtsbehörde, Einigkeit herrsche mit Bezug auf die Person von S.________, der auch bestens ausgewiesen sei (E. 4e). Demgegenüber bestehe bei X.________ der objektive Anschein von Befangenheit, weshalb von dessen Einsetzung als ausseramtlichem Konkursverwalter abzusehen sei, was freilich nicht ausschliesse, dass die neu eingesetzte Konkursverwaltung ihn aufgrund seines Wissens weiterhin in Anspruch nehme (E. 4f und 4g). Demnach sei S.________ in beiden Verfahren aufsichtsrechtlich als ausseramtlicher Konkursverwalter einzusetzen (E. 5). 
 
Gestützt auf diese Erwägungen trat die Aufsichtsbehörde auf die vier Beschwerden nicht ein, bzw. schrieb sie als gegenstandslos ab (Ziff. 1), hob die Beschlüsse der Gläubigerversammlungen vom 25. November 2004 kraft ihrer Aufsichtsfunktion auf, soweit sie die Wahl bzw. Bestätigung der ausseramtlichen Konkursverwaltungen und Ersatzkonkursverwaltungen betrafen (Ziff. 2), und setzte in beiden Konkursverfahren auf einen noch zu bestimmenden Zeitpunkt S.________ als neuen ausseramtlichen Konkursverwalter ein (Ziff. 3). 
D. 
Gegen diesen Beschluss hat X.________ sowohl eine Beschwerde gemäss Art. 19 SchKG als am 1. September 2005 auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, Letztere im Wesentlichen mit den Begehren um Aufhebung von Ziff. 1-3 des angefochtenen Beschlusses, soweit er betroffen sei. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Wird in der gleichen Sache sowohl SchK-Beschwerde als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden und die Entscheidung über die SchK-Beschwerde auszusetzen (Art. 81 i.V.m. Art. 57 Abs. 5 OG). Es besteht kein Anlass, hier anders zu verfahren. 
 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und inwieweit es auf die bei ihm eingereichte staatsrechtliche Beschwerde eintreten kann (BGE 129 I 173 E. 1 S. 174; 129 II 225 E. 1 S. 227). 
2. 
Soweit die Aufhebung von Ziff. 1 des angefochtenen Entscheids (Nichteintreten auf bzw. Gegenstandsloserklärung der kantonalen Beschwerden) beantragt wird, kann auf die Beschwerde von vornherein nicht eingetreten werden, weil der Beschwerdeführer entgegen seiner aus Art. 90 Abs. 1 lit. c OG fliessenden Rügepflicht nicht im Ansatz aufzeigt, welche Rechtssätze willkürlich angewandt worden sein sollen. 
3. 
Nach den Erwägungen geht es im angefochtenen Beschluss primär um die in Ziff. 3 verfügte aufsichtsrechtliche Einsetzung von Konkursorganen. Weil niemand einen rechtlichen Anspruch auf Einsetzung als ausseramtlicher Konkursverwalter hat (BGE 112 III 67 E. 2b S. 72), fehlt es mangels eines rechtlich geschützten Interesses an der Legitimation im Sinn von Art. 88 OG zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen die nicht erfolgte Ernennung. 
4. 
Zumindest faktisch bewirkt die Neueinsetzung einer (anderen) ausseramtlichen Konkursverwaltung die Absetzung des Beschwerdeführers als ausseramtlichen Konkursverwalter; die Aufsichtsbehörde hat denn die entsprechenden Wahlbeschlüsse in Ziff. 2 des Dispositivs auch explizit aufgehoben. 
4.1 Nicht anders als ein Konkursbeamter versieht der ausserordentliche Konkursverwalter ein öffentliches Amt (BGE 94 III 83 E. 6b S. 95; 104 III 1 E. 3b S. 3; 112 III 67 E. 2b S. 71), und er untersteht auch der Disziplinargewalt der kantonalen Aufsichtsbehörden (Art. 14 Abs. 2 i.V.m. Art. 241 SchKG; BGE 94 III 55 E. 2a S. 59; 112 III 67 E. 2b 71 f.), gegen deren Disziplinarentscheide er zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert wäre, weil eine solche Massnahme den Betroffenen in seiner Privatsphäre und damit in seiner Rechtssphäre als Bürger berührt (BGE 107 Ia 269; 112 III 67 E. 2b S. 72). 
4.2 Vorliegend hat jedoch die Aufsichtsbehörde klarerweise nicht einen Amtsentzug als Disziplinarmassnahme gemäss Art. 14 Abs. 2 Ziff. 4 SchKG verfügt; solches wird denn auch nicht behauptet. Vielmehr hat sie infolge Ausscheidens der U.________ AG als ausserordentliche Konkursverwaltung und ausgehend von der Überlegung, dass wegen des engen Sachzusammenhanges in beiden Verfahren die gleiche Konkursverwaltung zu betrauen sei, die ihr notwendig erscheinenden organisatorischen Massnahmen getroffen, die den Beschwerdeführer nicht in seiner Persönlichkeit, sondern einzig in seiner Funktion als Konkursorgan und damit allein in seiner öffentlich-rechtlichen Stellung betreffen. Nach der publizierten Rechtsprechung des Bundesgerichts ist er nicht legitimiert (Art. 88 OG), sich diesbezüglich auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte des Bürgers zu berufen (BGE 107 Ia 266 betr. Ausstand eines Richters wegen Befangenheit; BGE 112 III 67 E. 2b betr. Massnahmen gegenüber ausseramtlichen Konkursverwaltern). 
Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer nicht in seiner privaten Rechtssphäre betroffen ist, greifen die aufsichtsrechtlichen Massnahmen auch nicht in geschützte Rechte ein und ist insofern der Beschwerdeführer nicht in rechtlich geschützten Interessen tangiert: 
 
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Beamter, der nach Ablauf der Amtsdauer nicht wiedergewählt wird, zur staatsrechtlichen Beschwerde nur dann legitimiert, wenn das kantonale Recht ihm einen Anspruch auf Wiederwahl einräumt (BGE 105 Ia 271 E. 2c S. 275; 107 Ia 182 E. 2a S. 184), und ein öffentlich-rechtlich Angestellter ist gegen eine Kündigung lediglich insoweit beschwerdebefugt, als das kantonale Recht die Kündigung an bestimmte inhaltliche Voraussetzungen knüpft (BGE 120 Ia 110 E. 1b S. 112). 
 
Für den vorliegenden Fall gilt, dass die zweite Gläubigerversammlung von Gesetzes wegen über die Bestätigung der ausseramtlichen Konkursverwaltung zu beschliessen hat (Art. 253 Abs. 2 SchKG). Sie ist dabei frei, den von der ersten Gläubigerversammlung gewählten Konkursverwalter durch einen anderen zu ersetzen (Bürgi, in: Kommentar zum SchKG, N. 5 zu Art. 253). Steht aber die staatsrechtliche Beschwerde gegen die Nichtwahl durch die erste Gläubigerversammlung mangels eines Anspruchs auf Einsetzung nicht offen, so muss dies auch für die Nichtbestätigung bzw. die damit verbundene faktische Absetzung durch die zweite Gläubigerversammlung gelten, weil diese nach dem Gesagten in ihrem Entscheid frei ist und deshalb ebenso wenig ein Rechtsanspruch auf Beibehaltung des Amtes wie auf erstmalige Erlangung besteht (vgl. auch Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N. 13 zu Art. 253 SchKG). Entsprechend kann die staatsrechtliche Beschwerde auch dann nicht offen stehen, wenn die Aufsichtsbehörde im Zusammenhang mit den Wahlbeschlüssen der zweiten Gläubigerversammlung in einer - nicht in Frage gestellten - Kompetenzattraktion die ihr notwendig erscheinenden Massnahmen getroffen hat. Der Beschwerdeführer legt denn auch nicht dar, dass und inwiefern ihm aufgrund geschriebenen oder ungeschriebenen Rechts ein rechtlich geschützter Anspruch zustünde (BGE 107 Ia 182 E. 2b S. 184). 
 
Schliesslich verschafft nach der konstanten Rechtsprechung des Bundesgerichts, die auch für das in Art. 9 der neuen Bundesverfassung selbständig aufgeführte Willkürverbot Gültigkeit behält (BGE 126 I 82), dieses allein noch keine geschützte Rechtsstellung im Sinn von Art. 88 OG. Ist der Beschwerdeführer nach dem Gesagten nicht legitimiert, mit staatsrechtlicher Beschwerde die faktische Absetzung als ausseramtlicher Konkursverwalter wegen Verletzung des Willkürverbots in der Sache selbst anzufechten, gilt dies auch mit Bezug auf die Rüge, vorgängig hätte ihm das rechtliche Gehör gewährt werden müssen (vgl. BGE 107 Ia 182 E. 3d S. 186). 
4.3 Die Behauptung des Beschwerdeführers, zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert sei er auch deshalb, weil er die Interessen der Konkursmassen vertrete und es für diese kostengünstiger sei, wenn er die Prozessführung als Co-Konkursverwalter zum SchKG-Tarif statt als freiberuflicher Anwalt nach dem höheren Streitwerttarif des zürcherischen Anwaltsverbandes verrechne, geht schon deshalb an der Sache vorbei, weil er in eigenem Namen und nicht für die Massen Beschwerde erhoben hat. Ob im fraglichen Kontext überhaupt von einem rechtlich geschützten Interesse und einer persönlichen Betroffenheit der Massen gesprochen werden könnte, braucht deshalb nicht näher geprüft zu werden. 
5. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist dem Beschwerdeführer eine reduzierte Gerichtsgebühr aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, S.________, der U.________ AG sowie den Gläubigerausschüssen der V.________ AG und der W.________ schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 31. Oktober 2005 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: