Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
K 78/03 
 
Urteil vom 1. Juni 2004 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin Weber Peter 
 
Parteien 
J.________, 1930, Beschwerdeführer, vertreten durch 
lic. iur. Georg Biedermann, Praxis für Sozialversicherungsrecht, Ruhtalstrasse 14, 8400 Winterthur, 
 
gegen 
 
Helsana Versicherungen AG, Schadenrecht, Birmensdorferstrasse 94, 8003 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen 
 
(Entscheid vom 6. Juni 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1930 geborene J.________ ist Inhaber eines Ingenieurbüros für Baustatik und Tiefbau. Am 20. Oktober 1992 schloss er für seine Mitarbeiter und sich mit der Krankenkasse Helvetia, nunmehr Helsana Versicherungen AG (nachfolgend: Helsana) eine Kollektiv-Taggeldversicherung mit Gültigkeit ab 1. Januar 1993 ab. Im Dezember 2000, nach vollendetem 70. Altersjahr erlitt er einen Herzinfarkt, weswegen er vom 24. Dezember 2000 bis 15. März 2001 zu 100 % und danach bis 30. März 2001 zu 50 % arbeitsunfähig war (Arztzeugnis des Herzzentrums X.________ vom 8. Februar 2001). Mit Verfügung vom 21. Juni 2001 lehnte die Helsana die beantragten Taggeldzahlungen für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit unter Berufung auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die "Firma Kollektiv-Taggeldversicherung nach KVG", gültig ab 1. Januar 1999 ab, da der Versicherungsnehmer das 70. Altersjahr bei Eintritt des Schadenfalls bereits überschritten habe. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 25. Oktober 2001). 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher der Versicherte beantragen liess, in Aufhebung der angefochtenen Verfügung sowie des Einspracheentscheides sei ihm ein Taggeld von Fr. 13'041.- zuzusprechen, wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 6. Juni 2003 ab. 
C. 
J.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die im kantonalen Verfahren gestellten Rechtsbegehren erneuern. 
 
Die Helsana wie auch das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Kranken- und Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Das kantonale Gericht hat die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf Krankentaggeld (Art. 67 und 72 KVG) sowie die Rechtsprechung zur Weiterführung bestehender Taggeldversicherungen über das 65. Altersjahr hinaus (BGE 124 V 204 f. Erw. 3c; RKUV 2001 Nr. KV 176 S. 309 Erw. 2 und RKUV 1998 Nr. KV 36 S. 311 Erw. 3c) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. 
 
Richtig sind auch die Ausführungen, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 mit den damit verbundenen zahlreichen Änderungen von Bestimmungen im Bereich der sozialen Krankenversicherung im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist (vgl. auch BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen). 
1.2 Zu betonen bleibt, dass der Sozialversicherungsprozess vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht ist. Danach hat das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen. Dieser Grundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der Parteien (BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a, je mit Hinweisen). 
 
Die Verwaltung als verfügende Instanz und - im Beschwerdefall - das Gericht dürfen eine Tatsache nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem Bestehen überzeugt sind (Kummer, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., Bern 1984, S. 136). Im Sozialversicherungsrecht hat das Gericht seinen Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Der Richter und die Richterin haben vielmehr jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die sie von allen möglichen Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigen (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen). 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer ab 24. Dezember 2000 taggeldberechtigt ist. Dies hängt davon ab, ob ein Anspruch auf Taggeldleistungen nach dem 70. Altersjahr weiterbesteht, was auf Grund der im Zeitpunkt des Abschlusses der Taggeldversicherung gültig gewesenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB 1981, Art. 23 Abs. 2) der Fall war, in den ab 1. Januar 1999 geltenden AVB, welche mit der Vorinstanz hier grundsätzlich anwendbar sind (BGE 122 V 35 f. Erw. 1), jedoch nicht mehr vorgesehen ist. Streitig ist in diesem Zusammenhang einzig die Frage, ob die AVB 1999 (bzw. allenfalls frühere diese Änderung bereits enthaltende AVB's, wie beispielsweise AVB 1997), dem Beschwerdeführer rechtsgenüglich eröffnet worden sind und er von diesen somit Kenntnis haben musste (BGE 129 V 56 Erw. 2.4; RKUV 1990 Nr. K 833 S. 31), was er in Abrede stellt. 
3. 
3.1 Wesentliche neue statutarische oder reglementarische Bestimmungen sind mitteilungsbedürftig und für die versicherte Person grundsätzlich erst ab gehöriger Bekanntgabe verbindlich (BGE 124 V 206 Erw. 4b, 120 V 35 Erw. 2c, je mit Hinweisen, bestätigt in BGE 129 V 55 Erw. 2.2). Als geeignetste Methode für die Bekanntmachung von Änderungen der Versicherungsbedingungen ist grundsätzlich die individuelle Mitteilung an jeden einzelnen Versicherten zu betrachten (BGE 96 V 97). Da diese jedoch häufig mit einem unverhältnismässigen Aufwand finanzieller und administrativer Art verbunden ist, kommen nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts für die zureichende Anzeige geänderter Regelungen auch andere Informationsweisen in Frage (BGE 120 V 34 Erw. 2a mit Hinweisen). Der Beweis der Zustellung obliegt - wie bei der Verfügung (vgl. ZAK 1992 S. 370 Erw. 3a mit Hinweisen) - grundsätzlich der Verwaltung. Diese trägt im Sinne einer objektiven Beweislast auch die Folgen bei fehlendem Beweis, sofern die Zustellung angefochten wird und wenn diesbezüglich tatsächlich Zweifel bestehen. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes auf Grund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen). 
3.2 Für den Nachweis der erfolgten Zustellung von Mitteilungen über Reglements- bzw. Statutenänderungen (als Erscheinung der Massenverwaltung) gilt - wie im Übrigen auch bei den Verfügungen (BGE 121 V 6 Erw. 3b mit Hinweisen) - der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 120 V 37 Erw. 3c, bestätigt in BGE 129 V 56 Erw. 2.4). Bei den Verfügungen allerdings bedingt dies in der Regel die Eröffnung mit eingeschriebenem Brief; denn nach der Rechtsprechung vermag die Verwaltung den Wahrscheinlichkeitsbeweis für die Zustellung einer Verfügung nicht durch den blossen Hinweis auf den üblichen administrativen Ablauf zu erbringen (BGE 121 V 6 Erw. 3b; ZAK 1984 S. 124 Erw. 1b, je mit Hinweisen). 
4. 
4.1 Wie das kantonale Gericht zutreffend erwogen hat, kann nach Lage der Akten davon ausgegangen werden, dass der generelle Versand der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, gültig ab 1. Januar 1999, samt entsprechendem Serienbrief an die Versicherungsnehmer im Dezember 1998 erfolgt ist, zumal der Beschwerdeführer dies nicht bestreitet und im Einspracheverfahren selbst bestätigt hat. Damit würde es mit Vorinstanz und Beschwerdeführer für den Nachweis, dass dieser die AVB 1999 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erhalten hat - mit Blick auf den normalen organisatorischen Ablauf bei der Verwaltung im Versand und den Umstand, dass Massenversendungen erfahrungsgemäss erfolgreich sind -, grundsätzlich genügen, wenn im Zeitpunkt des Versands eine entsprechende Verteilerliste besteht. Unter Ausnützung der EDV-Möglichkeiten wäre es durchaus zumutbar, für jeden Versand eine dazugehörige Verteilerliste zu erstellen und als Datenblock verfügbar zu machen, wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend macht. Eine derartige Liste fehlt hingegen im vorliegenden Fall und ist offenbar im Nachhinein nicht mehr beizubringen. Mithin gilt es zu prüfen, ob der Nachweis der Zustellung mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit auf andere Weise, d.h. auf Grund von weiteren Indizien oder gestützt auf die gesamten Umstände erbracht werden kann, wovon die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid zu Gunsten der Verwaltung ausgegangen ist. 
4.2 Unbestrittenermassen erfolgte das Herausfiltern der Adressen und die nachfolgende Adressierung bei der Helsana auf elektronischem Weg. Auf Grund der von der Beschwerdegegnerin beigebrachten Adressdateiauszüge (vom 25. Oktober 2001) steht zudem fest, dass sowohl das Ingenieurbüro, der Beschwerdeführer als "Arbeitnehmer" und Versicherter des Kollektivvertrages als auch als Einzelversicherter bei der Progres im September/Oktober 2001 im Datensystem der Helsana gespeichert war. Dass dies auch Ende 1998, als der Versand der AVB 1999 erfolgte, der Fall war, ist damit zwar noch nicht ohne weiteres erstellt. Es erscheint hingegen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nach Aussagen der Beschwerdegegnerin in den letzten Jahren weder Vertrags- noch Adressänderungen stattgefunden haben, noch wegen allfälliger Umstellungen im EDV-System elektronisch gespeicherte Daten verloren gegangen wären, was beides nicht bestritten wird, als wahrscheinlich. Mithin spricht einiges dafür, dass der Versicherte im fraglichen Zeitpunkt im System korrekt gespeichert war. Wie der Beschwerdeführer jedoch zu Recht geltend macht, steht damit unter Berücksichtigung der gesamten Umstände nicht ohne weiteres fest, dass seine Adresse für den Versand der AVB 1999 tatsächlich korrekt herausgefiltert worden war und als Verteiladresse feststand. 
 
Entgegen den Erwägungen der Vorinstanz lässt sich dies und mithin die Frage, ob die einschlägigen Kassenbestimmungen dem Beschwerdeführer mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zugestellt worden sind, mit Blick auf die derzeitige Aktenlage nicht zuverlässig beurteilen. Aus einem internen Schreiben der Helsana "P22 - Mailing Nr. 26, neue AVB FIRMA KVG " (vom 9. Dezember 1998) betreffend Vorbereitungen für das Mailing der AVB an die Kunden geht hervor, dass die zuständige Sachbearbeiterin mit der Informatik eine bestimmte Selektion an Verträgen und mithin Versicherungsnehmer sicherstellen musste. Wen dies genau betraf und ob diese Auswahl tatsächlich und korrekt erfolgte und dass dabei auch der Beschwerdeführer erfasst wurde, ist daraus wie auch aus den übrigen Unterlagen nicht ersichtlich, bzw. nicht nachvollziehbar. Auch die beigebrachten Dateiauszüge (vom 25. Oktober 2001) geben keine zuverlässige Auskunft, in welchen Fällen welche Adressen herausgefiltert werden, ob also bei einem Versand der AVB für die "Firma Kollektiv-Taggeldversicherung nach KVG" der Beschwerdeführer effektiv erfasst wurde. Diesbezüglich kann auch nichts aus dem Umstand geschlossen werden, dass er andere Publikationen, wie beispielsweise die Mitgliederzeitschrift "Senso" gemäss EDV-Auszügen 2001 oder das neue Business Magazin "helsana.com" 2001 an die Adresse des Ingenieurbüros als auch privat erhalten hat. 
 
Ebenso wenig lässt sich anhand der aktuellen Unterlagen beurteilen, ob der Beschwerdeführer allenfalls frühere Kassenbestimmungen, welche bereits eine auf das 70. Altersjahr beschränkte Versicherungsdauer vorsahen (wie die von der Vorinstanz beigezogenen AVB, Ausgabe 1. Januar 1997), erhalten hat. Mithin ist die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es in Nachachtung des Untersuchungsgrundsatzes entsprechend den vorstehenden Erwägungen zusätzliche Abklärungen treffe und nach erfolgter Beweisergänzung über den Taggeldanspruch neu befinde. 
5. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 6. Juni 2003 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde neu entscheide. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die Helsana hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt. 
Luzern, 1. Juni 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: