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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4P.218/2002 /bie 
 
Urteil vom 22. Januar 2003 
I. Zivilabteilung 
 
Bundesrichterinnen und Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Klett, Rottenberg Liatowitsch, 
Gerichtsschreiberin Schoder. 
 
A.A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch 
Rechtsanwalt Michael R. Kloter, Rotfluhstrasse 50, Postfach 166, 
8702 Zürich-Zollikofen, 
 
gegen 
 
B.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Paul Wiesli, Fegerstrasse 26, Hellmühleeingang, 4800 Zofingen, 
Obergericht des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, Aabachstrasse 3, 6301 Zug. 
 
Art. 9 BV (Willkürliche Beweiswürdigung im Zivilprozess), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, vom 3. September 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.A.________ (nachfolgend: der Beschwerdeführer) und C.________ schlossen am 16. Januar 1998 mit B.________ (nachfolgend: der Beschwerdegegner) einen öffentlich beurkundeten Bürgschaftsvertrag. Darin verpflichteten sich der Beschwerdeführer und C.________, als Solidarbürgen bis zu einem Betrag von Fr. 660'000.-- für den Fall zu haften, dass die Bank Z.________ die vom Beschwerdegegner zur Sicherung eines Bankkredits an die X.________ AG bestellten Pfänder verwerten würde. In der Folge verwertete die Bank die Pfänder. 
B. 
Am 5. Juli 1999 leitete der Beschwerdegegner gegen den Beschwerdeführer für Fr. 660'000.-- Betreibung ein und erhielt für Fr. 609'000.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 6. Juli 1999 provisorische Rechtsöffnung. Mit Klage vom 21. September 1999 beantragte der Beschwerdeführer die Aberkennung der Forderung von Fr. 609'000.-- und des in Betreibung gesetzten Mehrbetrages von Fr. 51'000.-- sowie die Löschung der Betreibung aus dem Betreibungsregister. Das Kantonsgericht des Kantons Zug wies die Klage am 18. Januar 2001 ab, soweit es auf sie eintrat. Am 3. September 2002 wies das Obergericht des Kantons Zug die Berufung des Beschwerdeführers ab. 
C. 
Der Beschwerdeführer hat gegen das Urteil des Obergerichts staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er beantragt die Aufhebung des Urteils und die Rückweisung der Sache zur neuen Beurteilung an das Obergericht. 
 
Der Beschwerdegegner schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Der Beschwerdeführer stellt die Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages vom 16. Januar 1998 und die Höhe der Haftungssumme nicht in Frage. Er stellt sich aber auf den Standpunkt, er sei aus dem Bürgschaftsvertrag nicht mehr verpflichtet. Zur Begründung verweist er auf einen zwischen dem Beschwerdegegner und D.________ am 23. März 1999 abgeschlossenen Vertrag, worin letzterer versprach, die Forderungen des Beschwerdegegners gegenüber der X.________ AG und der mit ihr verbundenen Y.________ AG "vollständig subsidiär und persönlich ... zu übernehmen und auch zu bezahlen". Der Beschwerdeführer macht geltend, der Beschwerdegegner habe ihn aufgrund der übernommenen Verpflichtungen durch D.________ von der Bürgschaftsverpflichtung befreit. Er stützt sich auf die Aussagen von vier Zeugen, die seinen Standpunkt nach seiner Auffassung bestätigen. 
1.2 Sowohl das Kantonsgericht wie das Obergericht gehen davon aus, dass die Parteien keinen Schuldaufhebungsvertrag (Art. 115 OR) abgeschlossen haben und der Beschwerdeführer demzufolge nicht von der Bürgschaftsverpflichtung befreit ist. Das Bezirksgericht betrachtet drei der vier Zeugen als glaubwürdig, kommt aber zum Schluss, dass unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensprinzips die von den Zeugen bestätigten Äusserungen des Beschwerdegegners nicht als auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrags gerichtete Willenserklärungen verstanden werden dürfen. Das Obergericht ist demgegenüber der Auffassung, dass die Zeugen nicht glaubwürdig und die behaupteten Äusserungen des Beschwerdegegners deshalb nicht nachgewiesen sind. Der Beschwerdeführer rügt, das Obergericht habe die Zeugenaussagen willkürlich gewürdigt. 
2. 
Willkürliche Beweiswürdigung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts erst dann gegeben, wenn ein kantonaler Entscheid nicht nur unrichtig, sondern schlechthin unhaltbar ist (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41, mit Hinweisen). Dabei ist zu beachten, dass dem Sachgericht ein weiter Ermessensspielraum zukommt. Die Aufhebung eines Entscheids rechtfertigt sich zudem nur, wenn er im Ergebnis und nicht bloss in einzelnen Punkten der Begründung willkürlich ist (BGE 124 I 208 E. 4a S. 211). 
3. 
3.1 Die kantonalen Gerichte sind der Auffassung, dass die Zeugenaussage von E.________, der bei der Unterzeichnung des Vertrags zwischen dem Beschwerdegegner und D.________ am 23. März 1999 anwesend war, unverwertbar ist. Dies beanstandet der Beschwerdeführer nicht. 
3.2 Gemäss Aussage des Solidarbürgen C.________ soll der Beschwerdegegner diesem telefonisch mitgeteilt haben, dass er mit den Bürgen nichts mehr zu tun haben wolle. Seine Aussage lautet: 
"Daraufhin habe ich dann Herrn B.________ angerufen. Er sagte sinngemäss, wir seien raus, wir seien unzuverlässige Leute, er wolle uns nicht mehr sehen. Er wolle gar nichts von uns, kein Geld, er wolle uns nicht mehr sehen, er sei fertig mit uns. Ich fragte ihn dann noch, ob er sicher sei, dass er das Geld von Herrn D.________ bekomme. Daraufhin meinte er, dass ihm das egal sei, es sei für ihn erledigt." 
Das Obergericht zweifelt an der Glaubwürdigkeit dieser Aussage, weil der Zeuge keinen plausiblen Grund für die Aufhebung der Bürgschaft habe nennen können, eigene Interessen am Prozessausgang habe und sich vor der Zeugenbefragung mit seinem Anwalt abgesprochen habe. 
 
Diese Feststellungen des Obergerichts sind nicht zu beanstanden. Keine der beiden Parteien bestritt, dass sich die X.________ AG als Kreditnehmerin in einer finanziell schwierigen Lage befand und die Solvenz von D.________ zweifelhaft war. Der Schluss des Obergerichts, dass kein plausibler Grund für die Befreiung der Bürgen ersichtlich ist, trifft deshalb zu. Ferner war der Zeuge zur Zeit der Zeugenbefragung in einen Rechtsstreit betreffend den Bürgschaftsvertrag mit dem Beschwerdegegner verwickelt und konnte damals entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers noch nicht mit Sicherheit wissen, ob er wegen eines Formfehlers von der Bürgschaftshaftung befreit sein würde. Zur Zeit der Zeugenbefragung hatte der Zeuge daher noch immer eigene Interessen am Ausgang des vor Obergericht geführten Prozesses, was seine Glaubwürdigkeit durchaus in Frage zu stellen vermag. 
3.3 B.A.________ und F.________ wollen über Lautsprecher ein zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner geführtes Telefongespräch mitgehört haben. Der Beschwerdegegner soll anlässlich dieses Gesprächs gesagt haben, dass er vom Beschwerdeführer kein Geld mehr haben wolle. Die Aussage B.A.________'s lautet: 
"Der Beklagte bestätigte meinem Mann mehrmals, dass er froh sei, einen neuen Gläubiger zu haben, und dass er im Besitze eines Schreibens eines deutschen Rechtsanwaltes sei, worin bestätigt werde, dass Herr D.________ demnächst vierzig Millionen hätte. Daraufhin hätte er (der Beklagte) diesen Vertrag mit Herrn D.________ gemacht und es sei sicher, dass Herr D.________ das Geld hätte. Er (der Beklagte) würde auf jeden Fall auf Gelder von meinem Mann und Herrn C.________ verzichten. Ebenso verzichte er auf die Anteile der Firmen in Deutschland, welche ja sowieso nichts wert seien." 
F.________ sagte Folgendes aus: 
"Es war ein sehr unangenehmes, giftiges Gespräch. Im Wesentlichen ging es darum, dass der Beklagte jetzt ein Papier habe, wonach Herr D.________ sich verpflichtete, die Schulden zu übernehmen und warum der Beklagte den Kläger zappeln lassen wolle. Der Beklagte sagte verärgert, er fühle sich vom Kläger und Herrn C.________ hintergangen und sie würden ihn ewig hinhalten, aber schlussendlich sei er froh, dass er nun mit ihnen nichts mehr zu tun habe und er sich jetzt an Herrn D.________ halten könne. Der Kläger "löchterte" den Beklagten, ob dieser jetzt tatsächlich kein Geld mehr von ihm wolle und der Beklagte erwiderte, es sei erledigt und er könne ihm sinngemäss "den Buckel runter rutschen"." 
Das Obergericht betrachtet beide Zeugen als nicht glaubwürdig, weil sie dem Beschwerdeführer als Ehefrau bzw. als Jugendfreund nahestehen würden, eigene finanzielle Interessen am Verfahrensausgang hätten und in der Zeugenbefragung nicht hätten bestätigen können, dass während dem Telefongespräch ausdrücklich von der Bürgschaft die Rede war. 
 
Die Würdigung dieser Zeugenaussagen ist ebenfalls nicht unhaltbar. Es trifft zwar zu, dass die Aussage von B.A.________ nicht allein deshalb unglaubwürdig ist, weil es sich um die Ehefrau des Beschwerdeführers handelt. Auch mag es richtiger sein, nicht von einer Jugendfreundschaft, sondern lediglich von einer langjährigen Geschäftsbeziehung zwischen F.________ und dem Beschwerdeführer auszugehen. Aus diesem Verhältnis lässt sich ebenfalls nicht ohne weiteres eine Befangenheit des Zeugen ableiten. Zweifel ergeben sich an den Erwägungen des Obergerichts auch insofern, als F.________ im Zeitpunkt der Zeugenbefragung finanzielle Interessen am Verfahrensausgang gehabt haben soll. Aus dem Protokoll der Zeugeneinvernahme ergibt sich jedenfalls nur, dass die Frage der Bürgschaftshaftung im Zeitpunkt des genannten Telefongesprächs, nicht aber im Zeitpunkt der Einvernahme für den Zeugen von finanziellem Interesse war. Nicht zu beanstanden sind indessen die Feststellungen des Obergerichts, dass die Zeugin B.A.________ als Ehefrau eigene Interessen am Prozessausgang hatte. Selbst wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zutrifft, dass er auf den für den Formfehler verantwortlichen Notar Rückgriff nehmen könne, sind die finanziellen Interessen der Zeugin am Obsiegen des Beschwerdeführers offensichtlich. Ebenso wenig ist zu bemängeln, dass das Obergericht die Antwort der beiden Zeugen, dass während des genannten Telefongesprächs von der Bürgschaft nicht ausdrücklich die Rede war, bei der Würdigung der Aussagen berücksichtigt. Dabei betrachtet es die Aussage F.________'s, nach seinem Verständnis sei "diese Firma G.________ "verpfändet", aber auch darauf sollte verzichtet werden", zu Recht als ausweichend und unpassend. 
3.4 Am Ergebnis, dass der angefochtene Entscheid willkürfrei ist, würde sich selbst bei Glaubwürdigkeit der Zeugen nichts ändern. Wie den zitierten Aussagen zu entnehmen ist, bestätigte keiner der Zeugen, dass sich der Beschwerdegegner ausdrücklich zum Bürgschaftsvertrag äusserte. Das Obergericht durfte deshalb willkürfrei schliessen, dass der tatsächliche Wille des Beschwerdegegners zur Aufhebung des Bürgschaftsvertrags nicht erstellt ist. Ob die Äusserungen des Beschwerdegegners aufgrund des Vertrauensprinzips als auf den Abschluss eines Schuldaufhebungsvertrages gerichtete Willenserklärungen verstanden werden durften, ist im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nicht zu prüfen. 
4. 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist abzuweisen. Ausgangsgemäss wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner mit Fr. 9'500.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 22. Januar 2003 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: