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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 527/03 
 
Urteil vom 8. August 2005 
I. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari, Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Lanz 
 
Parteien 
IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
M.________, 1960, Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Dominik Zehntner, Spalenberg 20, 4051 Basel 
 
Vorinstanz 
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal 
 
(Entscheid vom 26. März 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 4. November 2002 sprach die IV-Stelle Basel-Landschaft dem Versicherten M.________ für die Zeit vom 1. Juni 2002 bis 31. Januar 2003 ein Eingliederungstaggeld verbunden mit einem Eingliederungszuschlag zu. Das Taggeld einschliesslich Eingliederungszuschlag kürzte sie wegen Überversicherung. 
B. 
Die von M.________ hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag, den Eingliederungszuschlag ungekürzt zuzusprechen, hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 26. März 2003 gut. 
C. 
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben. 
 
M.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Nach der Rechtsprechung stellt das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung einer Streitsache in der Regel auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Verwaltungsaktes (hier: 4. November 2002) eingetretenen Sachverhalt ab (vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweis). Ferner sind in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung hatten (BGE 130 V 259 Erw. 3.5, 333 Erw. 2.3, 425 Erw. 1.1, 447 Erw. 1.2.1, je mit Hinweisen). 
 
Im Lichte dieser allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln sind die mit der 6. EO-Revision, in Kraft seit 1. Juli 1999 (AS 1999 1571), erfolgten Änderungen des IVG zu berücksichtigen. Nicht anwendbar ist hingegen, jedenfalls was die materiellrechtlichen Bestimmungen betrifft (zur sofortigen Anwendbarkeit der formellrechtlichen Normen: BGE 130 V 4 Erw. 3.2), das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000. Gleiches gilt für die am 1. Januar 2004 im Rahmen der 4. IV-Revision in Kraft getretenen Rechtsänderungen, worunter namentlich auch die Streichung des Eingliederungszuschlages gemäss Art. 25 IVG. Nachfolgend werden die Bestimmungen, soweit nicht anders erwähnt, in der bis 31. Dezember 2003 resp. 2004 gültig gewesenen Fassung zitiert. 
2. 
Hauptfrage bildet, ob der Eingliederungszuschlag in die Kürzungsberechnung des Eingliederungstaggeldes mit einzubeziehen ist. 
2.1 Im Rahmen der 6. EO-Revision ist das Taggeldrecht der IV in weiten Teilen revidiert worden. Namentlich wurden in Art. 24 IVG, welcher gemäss der ebenfalls ergänzten Marginalie Grundsätze über die Bemessung der Taggelder enthält, Abs. 1 umformuliert und die Absätze 1bis und 1ter neu aufgenommen. Art. 24 Abs. 1 - Abs. 1ter IVG lauten demnach: 
"1 Für Taggelder gelten die gleichen Bemessungsregeln und Höchstgrenzen wie für die Entschädigungen nach dem EOG. 
 
1bis Die Gesamtentschädigung wird gekürzt, soweit sie den Höchstbetrag nach Abs. 1 übersteigt. 
 
1ter Sie wird ferner gekürzt, soweit sie das für die Bemessung massgebende Einkommen nach Abs. 2 übersteigt, jedoch nur bis auf einen Mindestsatz von 43 % des Höchstbetrages nach Abs. 1. Der Mindestsatz steht auch Versicherten zu, die vor der Eingliederung nicht erwerbstätig waren." 
Unverändert geblieben ist Art. 25 IVG über den Eingliederungszuschlag. Nach dieser Bestimmung hat der Versicherte, der während der Eingliederung selbst für Verpflegung oder Unterkunft aufkommen muss, Anspruch auf einen Zuschlag zum Taggeld; der Zuschlag entspricht den in den Alters- und Hinterlassenenversicherung geltenden Ansätzen für die Bewertung von Verpflegung und Unterkunft (Abs. 1). Der Bundesrat regelt die Einzelheiten (Abs. 2). 
2.2 Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat im Urteil S. vom 11. Juni 2001 (I 104/99; veröffentlicht in: SVR 2001 IV Nr. 42 S. 127) gestützt auf das bis 30. Juni 1999 in Kraft gestandene Recht entschieden, dass der Eingliederungszuschlag als pauschaler Unkostenersatz keine Taggeldart ist, weshalb die Kürzungsregeln der Erwerbsersatzordnung (auf welche das IV-Recht verweist) keine Anwendung finden. Eine Kürzung des Eingliederungszuschlages bedürfe einer ausdrücklichen Regelung, welche nicht bestehe. 
2.3 Es stellte sich nun für die Vorinstanz die Frage, ob, wie die IV-Stelle auch vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht geltend macht, die zum 1. Juli 1999 eingeführten Art. 24 Abs. 1bis und Abs. 1ter IVG eine genügende rechtliche Grundlage für die Kürzung des Eingliederungszuschlages darstellen. 
 
Ihrem Wortlaut nach gebieten die besagten Bestimmungen nicht, den Eingliederungszuschlag in die Kürzungsberechnung einzubeziehen. Wie das kantonale Gericht sodann in einlässlicher Würdigung der Materialien erkannt hat, wollte der Gesetzgeber im Rahmen der 6. EO-Revision am bestehenden Taggeldsystem der Invalidenversicherung nichts ändern. Hervorzuheben ist, dass der Bundesrat in der Botschaft über die Änderung des Bundesgesetzes über die Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende in Armee, Zivilschutz und Zivildienst (EOG) vom 1. April 1998 (BBl 1998 IV 3418 ff.) die Abkoppelung der IV-Taggelder von den EO-Entschädigungen gemäss neuem Recht und das unveränderte Beibehalten des bestehenden Taggeldsystems der Invalidenversicherung bis zum 2. Teil der 4. IV-Revision empfohlen hat. Er begründete dies damit, dass die Übernahme der neuen EO-Entschädigungen eine grundsätzliche Umgestaltung des Leistungsgefüges in der Invalidenversicherung zur Folge hätte. Diese Frage sei zu bedeutsam, als dass sie als Folge einer EO-Revision geregelt werden sollte. Das gesamte Leistungssystem der Invalidenversicherung bedürfe einer Überprüfung. Sie solle aber im Rahmen der 4. IV-Revision durchgeführt werden (BBl 1998 IV 3432; vgl. auch Botschaft über die 4. Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 21. Februar 2001, BBl 2001 III 3205 ff., 3252). Die Eidgenössischen Räte schlossen sich den Anträgen ihrer vorberatenden Kommissionen auf Zustimmung zum Entwurf des Bundesrates an, ohne diesen Gesichtspunkt in Frage zu stellen (Amtl. Bull. 1998 S 892, 1998 N 2709). 
 
Nach dem Gesagten war mit der 6. EO-Revision keine Änderung der Regelung der IV-Taggelder beabsichtigt. Es besteht somit auch von daher keine Veranlassung, von der unter der Herrschaft der bis 30. Juni 1999 in Kraft gestandenen Bestimmungen ergangenen Rechtsprechung, wonach der Eingliederungszuschlag der Kürzung nicht unterliegt (SVR 2001 IV Nr. 42 S. 127), abzuweichen. 
Zum gleichen Ergebnis führt die gesetzessystematische Betrachtungsweise: Art. 23 - Art. 23sexies IVG (zum 1. Juli 1999 eingeführt resp. in der seither geltenden Fassung) umschreiben die verschiedenen Entschädigungsarten (Haushaltungsentschädigung; Entschädigung für Alleinstehende; Kinderzulagen; Unterstützungszulagen; Betriebszulagen). Art. 24 - Art. 24quinquies IVG (zum 1. Juli 1999 eingeführt resp. in der seither geltenden Fassung) bestimmen die Bemessung dieser Taggeldarten. Demgegenüber regelt Art. 25 IVG (in der seit 1. Juli 1999 geltenden Fassung) unter einer eigenen Marginalie den Eingliederungszuschlag. Systematisch gesehen finden daher die Art. 23 - Art. 24quinquies IVG auf Art. 25 IVG keine Anwendung. 
2.4 Mit dem kantonalen Gericht ist somit festzustellen, dass keine Rechtsgrundlage besteht, um den Eingliederungszuschlag in die Taggeldberechnung, d.h. gegebenenfalls in dessen Kürzung zufolge Überversicherung, miteinzubeziehen. Insoweit der von der IV-Stelle zur Stützung ihres Standpunktes angerufene Art. 21 Abs. 3 IVV Gegenteiliges anordnet, fehlt ihm die erforderliche formell-gesetzliche Grundlage. Gleiches gilt in Bezug auf Rz 5036 der - für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlichen (BGE 130 V 172 Erw. 4.3.1, 232 Erw. 2.1, je mit Hinweisen) - Wegleitung des BSV über die Berechnung und Auszahlung der Taggelder sowie ihre beitragsrechtliche Erfassung (WTG; zum 1. Januar 2004 gemeinsam mit dem Kreisschreiben über den Anspruch auf Taggelder der Invalidenversicherung [KSTG] ersetzt durch das Kreisschreiben über die Taggelder der Invalidenversicherung [KSTI]). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle Basel-Landschaft hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, der Ausgleichskasse Basel-Landschaft und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 8. August 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber: