Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_150/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 23. September 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Advokat Alain Joset, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Basel- Landschaft, Erste Staatsanwältin, Grenzacherstrasse 8, 4132 Muttenz,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Verfahrenseinstellung, Verfahrenskosten und Entschädigung; Willkür, Unschuldsvermutung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 26. November 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 Am 21. Dezember 2008 begab sich X.________ in die Wohnung, in der sich seine damalige Ehefrau mit drei gemeinsamen Kindern aufhielt. Er verlangte, dass sie nach Hause komme. Im Verlauf der folgenden Diskussion legte X.________ ein von ihm mitgebrachtes Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 10.5 cm auf den Wohnzimmertisch. Seine Ehefrau bekam Angst und fühlte sich bedroht, weshalb sie Anzeige bei der Polizei erstattete. 
 
 X.________ wurde gleichentags in Untersuchungshaft versetzt und am 3. Februar 2009 unter Auferlegung von Ersatzmassnahmen wieder entlassen. 
 
B.  
 
 Mit Strafbefehl vom 16. Februar 2011 verurteilte die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft X.________ wegen Drohung zu einer bedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 50.-- und einer Busse von Fr. 750.--. 
 
 Nach Einsprache von X.________ hielt die Staatsanwaltschaft am Strafbefehl fest und überwies den Fall am 21. Februar 2012 an das Strafgericht Basel-Landschaft. Dieses wies die Anklage am 15. Mai 2012 zur Ergänzung an die Staatsanwaltschaft zurück. 
 
C.  
 
 Die Staatsanwaltschaft sistierte das Verfahren auf Gesuch der ehemaligen Ehefrau am 20. November 2012 und stellte es am 22. August 2013 gestützt auf Art. 55a StGB i.V.m. Art. 319 Abs. 1 lit. e StPO ein. Sie auferlegte X.________ die Verfahrenskosten von Fr. 10'088.-- und verweigerte ihm eine Entschädigung oder Genugtuung. 
 
 Die Beschwerde von X.________ gegen diesen Entscheid wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft am 26. November 2013 ab. 
 
D.  
 
 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt im Hauptpunkt, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben, und die Verfahrenskosten seien dem Staat aufzuerlegen. Ihm seien eine angemessene Entschädigung für die entstandenen Anwaltskosten und eine Genugtuung von Fr. 9'000.-- für die zu Unrecht erlittene Untersuchungshaft zuzusprechen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
E.  
 
 Das Kantonsgericht und die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft verzichten auf eine Stellungnahme und beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 426 und 430 StPO sowie Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK. Die Vorinstanz verstosse gegen die Unschuldsvermutung, indem sie ihm indirekt vorwerfe, er habe seine Forderung, dass seine damalige Ehefrau mit den Kindern nach Hause komme, mit dem Hervornehmen eines Messers unterstrichen. Er habe seine frühere Ehefrau nicht bedroht, als er das Messer auf den Tisch gelegt habe. Eine Drohung mit dem Küchenmesser dürfe ihm - auch in zivilrechtlicher Hinsicht - nicht angelastet werden. Das ihm vorgeworfene Verhalten sei nur geeignet, die Persönlichkeit eines Menschen zu verletzen, wenn es von diesem als bedrohlich empfunden werden müsse respektive direkt mit einer Drohung verbunden sei. Da ihm weder ein straf- noch zivilrechtlich vorwerfbares Verhalten nachgewiesen werden könne, sei die Kostenauflage und die Verweigerung von Entschädigung sowie Genugtuung bundes- und völkerrechtswidrig. Ferner verletze die Vorinstanz seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, indem sie sich zu seinem Eventualantrag nicht äussere, ihm sei nur ein Teil der Kosten aufzuerlegen und er sei teilweise zu entschädigen.  
 
1.2. Die Einstellung des Verfahrens gestützt auf Art. 55a StGB hat in der Regel eine Kostenauflage zu Lasten des Staates zur Folge (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO). Von dieser Regelung kann abgewichen werden, wenn das strafbare Verhalten des Täters bewiesen ist, was namentlich der Fall ist, wenn dieser geständig ist (Urteil 6B_835/2009 vom 21. Dezember 2009 E. 4.3 mit Hinweisen, in: Pra 2010 Nr. 48 S. 351). Ansonsten können der beschuldigten Person die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig oder schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO). Unter den gleichen Voraussetzungen kann gemäss Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO eine Entschädigung oder Genugtuung herabgesetzt oder verweigert werden.  
 
 Diese Bestimmungen kodifizieren die Praxis des Bundesgerichts und der EMRK-Organe, wonach eine Kostenauflage möglich ist, wenn der Beschuldigte in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen eine geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm klar verstossen und dadurch die Einleitung des Strafverfahrens veranlasst hat. Das Verhalten muss unter rechtlichen Gesichtspunkten vorwerfbar sein. Gegen Verfassung und Konvention verstösst es aber, in der Begründung des Entscheids, mit dem ein Freispruch oder eine Verfahrenseinstellung erfolgt und dem Beschuldigten Kosten auferlegt werden oder eine Entschädigung verweigert wird, diesem direkt oder indirekt vorzuwerfen, er habe sich strafbar gemacht bzw. es treffe ihn ein strafrechtliches Verschulden (BGE 120 Ia 147 E. 3b S. 155; 119 Ia 332 E. 1b S. 334; je mit Hinweisen; Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1326 Ziff. 2.10.2 und 1329 f. Ziff. 2.10.3.1; Urteil 6B_586/2013 vom 1. Mai 2014 E. 2.3). Die Kostenauflage darf in tatsächlicher Hinsicht nur auf unbestrittenen oder bereits klar nachgewiesenen Umständen beruhen (BGE 112 Ia 371 E. 2a S. 374). 
 
 Eine Kostenauflage an einen nicht verurteilten Beschuldigten wegen zivilrechtlich schuldhaften Verhaltens kann sich auf Art. 28 ZGB stützen. Die Persönlichkeitsrechte werden durch Angriffe auf die physische und die psychische Integrität verletzt. Darunter fällt auch ein Verhalten, das andere terrorisiert und verängstigt sowie diese in ihrem seelischen Wohlbefinden gefährdet oder erheblich stört. Allerdings kann nicht jede noch so geringfügige Beeinträchtigung der Persönlichkeit als rechtlich relevante Verletzung verstanden werden. Die Verletzung muss eine gewisse Intensität erreichen. Auf die subjektive Empfindlichkeit des Betroffenen kommt es dabei nicht an. Für die Beurteilung der Schwere des Eingriffs ist ein objektiver Massstab anzulegen (Urteile 6B_990/2013 vom 10. Juni 2014 E. 1.2 und 1B_21/2012 vom 27. März 2012 E. 2.4 mit Hinweisen). 
 
1.3. Die Vorinstanz erwägt, es sei unbestritten respektive aufgrund der Aussagen nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer seine damalige Ehefrau mit den Kindern wieder nach Hause holen wollte. Diese weigerte sich, woraufhin er ein Messer auf den Wohnzimmertisch legte. Die frühere Ehefrau bekam Angst und fühlte sich bedroht. Ob der Beschwerdeführer sie auch verbal oder unmittelbar mit dem Küchenmesser bedrohte, sei in zivilrechtlicher Hinsicht irrelevant und könne offenbleiben. Indem er seine Forderung, sie solle mit den Kindern nach Hause kommen, mit dem blossen Vorzeigen eines immerhin 30 cm langen Messers unterstrichen habe, habe er ihr einen riesigen Schrecken eingejagt. Er habe die psychische Gesundheit seiner damaligen Ehefrau derart beeinträchtigt, dass sie nach dem Vorfall einige Tage in einer psychiatrischen Klinik habe verbringen müssen. Ihre Strafanzeige und das Strafverfahren seien alleine auf sein sozialinadäquates und persönlichkeitsverletzendes Verhalten zurückzuführen. Die Voraussetzungen von Art. 426 Abs. 2 und Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO seien erfüllt (Beschluss S. 10 f. E. 5.1 und 5.3).  
 
1.4. Die Vorinstanz stützt die Kostenauflage auf den Sachverhalt, der Gegenstand des eingestellten Strafverfahrens war. Dieser ist jedoch weder unbestritten, eingestanden noch klar nachgewiesen. Sie legt die wesentlichen Aussagen der Beteiligten dar und erachtet gestützt darauf als erwiesen, dass die damalige Ehefrau des Beschwerdeführers Angst bekam und die Polizei alarmierte, weil er ein Messer auf den Tisch gelegt hatte. Indes ist nicht erstellt, dass ihre Angst direkte Folge des Verhaltens des Beschwerdeführers war. So deuten die Aussagen des gemeinsamen Sohnes, des Beschwerdeführers und der Schwägerin darauf hin, dass die einstige Ehefrau durch das Verhalten ihres Vaters verängstigt wurde (Beschluss S. 7 ff. E. 3.3 ff.). Jedenfalls ist der Zusammenhang nicht klar nachgewiesen. Ferner lässt die Begründung der Vorinstanz darauf schliessen, dass sie dem Beschwerdeführer unterstellt, er habe seine damalige Ehefrau implizit bedroht, indem er seine Forderung mit dem Ablegen des Messers verbunden habe. Dies bestreitet der Beschwerdeführer. Indem die Vorinstanz ihren Kostenentscheid auf denselben Sachverhalt stützt, der eingestellt wurde, zeigt sie ihre strafrechtliche Missbilligung und verletzt damit die Unschuldsvermutung nach Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK.  
 
 Die Vorinstanz verstösst gegen Art. 426 Abs. 2 und Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO, wenn sie dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten auferlegt und ihm eine Entschädigung sowie Genugtuung verweigert. Bei diesem Ausgang des Verfahrens kann die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör offengelassen werden. 
 
2.  
 
 Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gegenstandslos. Der Kanton Basel-Landschaft hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die Entschädigung ist praxisgemäss seinem Rechtsvertreter auszurichten. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 26. November 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
 
3.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.   
Der Kanton Basel-Landschaft hat dem Vertreter des Beschwerdeführers eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. September 2014 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres