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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.185/2002 /bmt 
 
Urteil vom 31. Oktober 2002 
II. Zivilabteilung 
 
Bundesrichter Bianchi, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber von Roten. 
 
1. A.________, 
Kläger und Berufungskläger, 
2. B.________, 
Streithelfer des Klägers (Nebenintervenient), 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Burkhardt, Stockerstrasse 50, Postfach 1079, 8039 Zürich, 
 
gegen 
 
C.________, 
Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André E. Lebrecht, Mühlebachstrasse 6, 
8008 Zürich. 
 
Kollokationsklage, 
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 2. Zivilkammer, vom 23. Mai 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im Konkurs der X.________ AG wurde C.________ in der dritten Klasse kolloziert mit Forderungen über Fr. 30'764.25 (Ord.Nr. 10) und Fr. 4'000'000.-- (Ord.Nr. 11). Mit seiner Forderung kollozierter Gläubiger der konkursiten Firma ist auch A.________. Gemäss Angaben des Konkursamtes Muri gelangt im betreffenden Konkursverfahren keine Dividende zur Auszahlung. 
B. 
Klageweise begehrte A.________, die vom Beklagten C.________ im Konkurs der X.________ AG angemeldete und kollozierte Forderung über 4 Mio. Franken sei abzuweisen, d.h. im Kollokationsplan zu streichen. Dem Kläger trat B.________ als Streithelfer bei. Der Präsident des Bezirksgerichts Muri wies die Klage ab (Urteil vom 28. September 2001). Das Obergericht (2. Zivilkammer) des Kantons Aargau wies die Appellation und die damit verbundenen Beweisanträge des Klägers ab (Beschluss und Urteil vom 23. Mai 2002). 
C. 
Gegen das obergerichtliche Urteil haben der Kläger und sein Streithelfer staatsrechtliche Beschwerde erhoben und eidgenössische Berufung eingelegt. Mit dieser erneuern sie ihr Klagebegehren. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Eine Berufungsantwort ist nicht eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Werden gegen das nämliche kantonale Urteil gleichzeitig eidgenössische Berufung und staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, entscheidet das Bundesgericht in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde und setzt die Entscheidung über die Berufung aus (Art. 57 Abs. 5 OG). Praxisgemäss kann von dieser Regel unter anderem dann ausnahmsweise abgewichen werden, wenn die Berufung als unzulässig erscheint (BGE 117 II 630 E. 1a S. 631). Die Voraussetzungen dazu sind erfüllt. Da unstreitig keine Konkursdividende erwartet werden kann, nach dem Dafürhalten der kantonalen Gerichte und des Klägers aber der Streitwert im Kollokationsprozess trotzdem mehr als Fr. 8'000.-- betragen soll, stellt sich zunächst die Frage, ob die erforderliche Berufungssumme überschritten wird (Art. 46 OG). 
2. 
Der Bezirksgerichtspräsident ist davon ausgegangen, es bestünden vermögenswerte Interessen, obwohl voraussichtlich keine Konkursdividende ausbezahlt werde. Beide Parteien beabsichtigten, sich von der Konkursmasse aktienrechtliche Verantwortlichkeitsansprüche gegen die andere Partei abtreten zu lassen. Der Kläger habe damit ein auch wirtschaftliches Interesse daran, dass dem Beklagten durch Verneinung von dessen Gläubigerstellung verunmöglicht werde, sich eine solche Forderung abtreten zu lassen (E. 2 S. 6). Das Obergericht hat sich dem angeschlossen (E. 1 S. 10). Der Kläger bekräftigt diesen Standpunkt. Bei Gutheissung der Kollokationsklage scheide der Beklagte als Gläubiger aus dem Konkursverfahren aus und könne sich keine aktienrechtliche Verantwortlichkeitsansprüche mehr abtreten lassen, die sich gegen sie - den Kläger und den Streithelfer - richteten. Die Gläubigerstellung des Beklagten sei mehr als Fr. 8'000.-- wert. In der Verhinderung der Abtretung liege sein Interesse an der Kollokationsklage (vgl. die ausführliche Begründung in den Ziffern 7 und 9 S. 4 ff. der Berufungsschrift). 
2.1 Der Kläger bestreitet die Zulassung des Beklagten mit einer Forderung im Kollokationsplan der konkursiten Firma. Heisst der Richter das Klagebegehren gut, so dient der Betrag, um den der Anteil des Beklagten an der Konkursmasse herabgesetzt wird, zur Befriedigung des Klägers bis zur vollen Deckung seiner Forderung einschliesslich der Prozesskosten; ein Überschuss wird nach dem berichtigten Kollokationsplan verteilt (Art. 250 Abs. 2 SchKG). Mit der Kollokationsklage wird ausschliesslich ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt; der Anspruch ist vermögensrechtlich im Sinne von Art. 46 OG (zum Begriff: BGE 118 II 528 E. 2c S. 531). Die auf die bestrittene Forderung des Beklagten entfallende Konkursdividende will der Kläger für sich und im Überschuss für die Konkursmasse einheimsen. Der entsprechende Prozessgewinn ist entscheidend und Grundlage für die Berechnung des Streitwerts (BGE 65 III 28 Nr. 9 und 65 II 41 Nr. 7; zuletzt: BGE 120 II 365 E. 1, nicht veröffentlicht). Da keine Konkursdividende zu erwarten ist, kann auf die Berufung nicht eingetreten werden. Das Bundesgericht hat die wiedergegebene Praxis trotz vereinzelter Kritik, die der Kläger in seiner Berufungsschrift teilweise nachweist, immer wieder bestätigt und auch heute keinen Anlass darauf zurückzukommen, da sie von der herrschenden Lehre gutgeheissen wird (vgl. die Nachweise im Urteil des Bundesgerichts 5C.210/1997 vom 25. Februar 1998, E. 2; seither: Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, III, Lausanne 2001, N. 120 ff., und Hierholzer, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, III, Basel 1998, N. 49 ff., je zu Art. 250 SchKG). 
2.2 Streitwert bedeutet nach der Rechtsprechung Wert des Streitgegenstandes im Kollokationsprozess (Bereinigung des Kollokationsplans/Feststellung der Teilnahmerechte bei der Liquidation der Aktivmasse), und zwar - für die eidgenössische Berufung - nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren (Art. 46 i.V.m. Art. 36 Abs. 1 und 2 OG). Diese objektive Berechnungsweise schliesst nicht aus, dass weitere wirtschaftliche Interessen des Klägers an der Gutheissung seiner Klage berücksichtigt werden können (z.B. Erhalt eines Konkursverlustscheins: BGE 82 III 94 S. 96). Dass ein solches ausserhalb des unmittelbaren Prozesserfolgs liegendes Interesse die erforderliche Berufungssumme überschreitet, hat der Kläger darzutun (Art. 55 Abs. 1 lit. a OG; BGE 79 III 172 Nr. 39). 
Der Kläger macht geltend, es drohe ihm eine millionenschwere Klage aus aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüchen, deren Abtretung gemäss Art. 260 SchKG der Beklagte nicht mehr verlangen werde, wenn er mit seiner Forderung über 4 Mio. Franken vom Kollokationsplan weggewiesen werde. Diese Annahme trifft nach der vom Kläger selber gegebenen Darstellung nicht zu. Der Beklagte ist mit einer weiteren Forderung (Fr. 30'764.25) rechtskräftig kolloziert (Ziffer 7.6 S. 5 der Berufungsschrift). Er behält daher selbst bei Gutheissung der vorliegenden Klage seine Gläubigerstellung und damit das Recht auf Abtretung der aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüche. Ob er durch die Gutheissung der vorliegenden Klage trotzdem davon abgehalten würde, den entsprechenden Verantwortlichkeitsprozess anzuheben, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden, zumal die Frage einer Prozesseinleitung unter den beteiligten Personen erfahrungsgemäss eher emotional als rational beantwortet wird, wie der Kläger richtig hervorhebt. Bloss hypothetische geldwerte Interessen am Prozesserfolg aber müssen bei der Streitwertberechnung von vornherein ausser Betracht bleiben. 
 
Dem Kläger kann auch nicht gefolgt werden, soweit er behaupten will, in einem allfälligen Prozess wegen aktienrechtlicher Verantwortlichkeit sei der Schaden grösser, wenn der Beklagte mit einer Forderung über 4 Mio. Franken statt nur mit einer über Fr. 30'764.25 kolloziert werde. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts, den Streitwert nach der mutmasslichen Konkursdividende zu berechnen und nicht nach der Höhe der umstrittenen Kollokationsforderung, beruht auf der Überlegung, dass im Kollokationsprozess - von seinem Streitgegenstand her - nicht rechtskräftig entschieden wird, ob und in welchem Umfang die kollozierte Forderung besteht, sondern nur inwieweit sie bei der Liquidation der Aktivmasse zu berücksichtigen ist (BGE 65 III 28 E. 1 S. 31 und die Nachweise in E. 2.1 hiervor). Auf Grund der rechtskräftigen Kollokation hat der Beklagte Gläubigerstellung, kann die Abtretung der aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüche gemäss Art. 260 SchKG verlangen und muss sich im Verantwortlichkeitsprozess nicht entgegenhalten lassen, er sei zu Unrecht kolloziert worden. Das rechtskräftige Urteil im Kollokationsprozess präjudiziert hingegen weder die Höhe des (mittelbaren) Schadens, noch entbindet es davon, den Schaden im Verantwortlichkeitsprozess zu substantiieren (BGE 122 III 195 E. 9b S. 202 und Urteil des Bundesgerichts 4C.275/2000 vom 24. April 2001, E. 3a; Widmer/Banz, Basler Kommentar, 2002, N. 27 zu Art. 757 OR; Nussbaumer, Schaden als Voraussetzung von Verantwortlichkeitsansprüchen, in: Insolvenz- und Wirtschaftsrecht, 2001 S. 59 ff., S. 60 bei/in Anm. 9). Auch unter dem gezeigten Gesichtspunkt vermag der Kläger kein über die Konkursdividende hinausgehendes geldwertes Interesse an der Klagegutheissung darzutun. 
2.3 Schliesslich kann sich der Kläger nicht "mutatis mutandis" auf BGE 115 III 68 Nr. 15 berufen. Das Interesse an der Kollokationsklage gegen einen Mitgläubiger fällt mit der vollständigen Befriedigung des klagenden Gläubigers deshalb nicht dahin, weil dieser zwar auf eigenes Risiko, aber an Stelle der Konkursmasse klagt und im Prozess deren Rechte vertritt (S. 70); eine Klageführung ohne persönliches Interesse des klagenden Gläubigers ist daher ohne weiteres denkbar, solange nur ein Interesse der Konkursmasse an der Klage besteht (S. 71, z.B. am Überschuss gemäss Art. 250 Abs. 2 SchKG). Die Konkursmasse kann nun aber kein Interesse daran haben, den beklagten Gläubiger vom Kollokationsplan wegzuweisen, einzig um zu verhindern, dass der Beklagte sich Verantwortlichkeitsansprüche abtreten lasse. Die Konkursmasse hat im Gegenteil ein Interesse daran, dass sich der beklagte Gläubiger jene Ansprüche abtreten lässt und auch einklagt, zumal sie wiederum von einem allfälligen Überschuss profitiert (Art. 260 Abs. 2 SchKG). Auch aus der Interessenlage auf Seiten der Konkursmasse vermag der Kläger somit nichts abzuleiten, was es nahelegte, die erforderliche Berufungssumme als überschritten anzusehen. 
3. 
Auf die Berufung kann aus den dargelegten Gründen nicht eingetreten werden. Der Kläger wird damit kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Da der Streithelfer des Klägers bereits am kantonalen Appellationsverfahren teilgenommen und die eidgenössische Berufung als Nebenpartei mitgetragen hat (Art. 53 OG), rechtfertigt sich seine Beteiligung an den Kostenfolgen (Art. 69 Abs. 2 BZP i.V.m. Art. 40 OG) solidarisch mit dem Kläger (Art. 156 Abs. 7 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Berufung wird nicht eingetreten. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Kläger und der Nebenpartei unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 31. Oktober 2002 
 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: