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[AZA 0] 
5P.342/2000/bnm 
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ******************************** 
 
 
3. Oktober 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung, 
Bundesrichter Weyermann, Bundesrichter Merkli 
und Gerichtsschreiber Levante. 
 
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In Sachen 
W.S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Schwaibold, Dufourstrasse 29, Postfach 1372, 8032 Zürich, 
 
gegen 
A.S.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprech Dr. 
Roland Winiger, Amthausquai 27, Postfach 1113, 4603 Olten, Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, 
 
betreffend 
Art. 9 BV (vorsorgliche Massnahmen nach Art. 28c ZGB), hat sich ergeben: 
 
A.- Ende Mai 2000 brachte W.S.________ sein Buch "xxx" in den Handel. Darin findet ein früherer Finanzchef des Grasshopper Club Zürich Erwähnung. Dieser habe im "finanziellen Trauerspiel erster Güte" um den Fussballclub "eine ganz bedenkliche Rolle" gespielt (S. 108); er sei der "schlimmste Abzocker" gewesen, der die "Bücher ... führte beziehungsweise eben nicht führte", "für seine "Leistung" satte 700'000 Franken im Jahr abholte" und "an den Zahlen herumgefeilt [habe], dass es zum Himmel stinkt" (S. 111 f.). 
Am 5. Juni 2000 stellte A.S.________, früher Finanzchef des Grasshopper Club, beim Amtsgericht Olten-Gösgen das Gesuch, W.S.________ unter Strafandrohung superprovisorisch anzuweisen, das Buch unverzüglich aus dem Handel zu ziehen und die weitere Inverkehrsetzung zu unterlassen. Am 6. Juni 2000 erliess die Amtsgerichtspräsidentin von Olten-Gösgen ein entsprechendes Superprovisorium, nachdem A.S.________ eine Sicherheit von Fr. 10'000.-- in bar hinterlegt hatte. Zugleich räumte sie W.S.________ eine Frist zur Stellungnahme ein. 
 
B.- Gegen diese Verfügung erhob W.S.________ am 16. Juni 2000 Rekurs beim Obergericht des Kantons Solothurn. Er machte geltend, es fehle an der zeitlichen Dringlichkeit für ein Superprovisorium und die Anordnung sei ohnehin untauglich, weil der behauptete Nachteil durch die Verbreitung des Buches und Presseberichte bereits eingetreten sei. Mit Urteil vom 29. Juni 2000 wies das Obergericht (Zivilkammer) des Kantons Solothurn den Rekurs ab. 
 
 
C.- W.S.________ führt mit Eingabe vom 8. September 2000 staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 29. Juni 2000 und beantragt dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil und die superprovisorische Verfügung aufzuheben. 
 
Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Der angefochtene Entscheid ist kantonal letztinstanzlich (§ 243 i.V.m. § 300-304 ZPO/SO). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung steht gegen kantonal letztinstanzliche Massnahmeentscheide die staatsrechtliche Beschwerde offen, da sie mit einem nicht wiedergutzumachenden Nachteil i.S. von Art. 87 Abs. 2 OG (in der seit dem 1. März 2000 geltenden Fassung) verbunden sein können. Dieser kann darin liegen, dass eine spätere Anfechtung des Massnahmeentscheids wegen dessen Wegfalls mit dem Hauptentscheid nicht mehr möglich ist (BGE 118 II 369 E. 1 S. 371, 116 Ia 446E. 2 S. 447). Der Nachteil ergibt sich somit nicht aus der Beeinträchtigung der materiellen Rechtsstellung des Beschwerdeführers, sondern aus der Verweigerung der späteren Verfassungskontrolle, d.h. aus der Beeinträchtigung seiner formellen Rechtsstellung. Diese Überlegungen müssen auch im Zusammenhang mit einer superprovisorischen Massnahme gelten. Das bedeutet, dass gegen ein Superprovisorium insofern staatsrechtliche Beschwerde geführt werden kann, als es von besonderen Voraussetzungen abhängig ist, die im Nachgang zum späteren Entscheid über ein Provisorium nicht mehr überprüft werden können (vgl. SOG 1990 Nr. 22). Die hier interessierende superprovisorische Massnahme ist zum Teil von derartigen besonderen Anforderungen abhängig (Art. 28d Abs. 2 ZGB). Insoweit ist die staatsrechtliche Beschwerde daher zulässig. 
b) Hinsichtlich derjenigen Voraussetzungen, die gemäss Art. 28c ZGB für vorsorgliche Massnahmen zum Schutz der Persönlichkeit überhaupt gelten (für ein Superprovisorium wie für ein Provisorium), ist ein Nachteil im Sinne von Art. 87 OG indessen nicht gegeben. Insoweit können Rügen auch noch im Anschluss an das Provisorium, welches das Superprovisorium ablösen wird, vorgebracht werden. Es kann bei einem Superprovisorium auch nicht erwogen werden, ob eine derartige Anordnung einen Endentscheid darstelle, dessen Anfechtung keinen irreversiblen Nachteil erfordert (vgl. BGE 118 II 369 E. 1 S. 371, mit Hinweisen); vielmehr handelt es sich bei einer bloss superprovisorischen Anordnung regelmässig um einen Zwischenentscheid. Mit seiner Rüge, es fehle an einem "besonders qualifizierten Nachteil", spricht der Beschwerdeführer eine der Voraussetzungen an, die nach Art. 28c ZGB auch für den Erlass eines Provisoriums gilt (Art. 28c Abs. 1 ZGB verlangt allgemein einen "nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil", Abs. 3 einen "besonders schweren Nachteil" bei Verletzung durch periodisch erscheinende Medien). Ob sie erfüllt ist, kann noch im Zusammenhang mit dem späteren Provisorium zur Diskussion gestellt werden. In dieser Hinsicht fehlt es daher an einem Nachteil im Sinne von Art. 87 OG, der nicht mit dem soeben erwähnten materiellen Nachteil gemäss Art. 28c ZGB verwechselt werden darf (BGE 116 Ia 446 E. 2 S. 447), und ist auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten. 
 
Nach Auffassung des Beschwerdeführers kann zwar hier nicht mehr von einem Superprovisorium gesprochen werden, weil er mit seinem Rekurs vor Obergericht zu Wort gekommen ist und die obere kantonale Instanz somit nach Anhörung beider Parteien entschieden habe. Dass deswegen kein Superprovisorium mehr im Streit liege, trifft jedoch nicht zu. Das Obergericht hat den Rekurs abgewiesen und damit bloss über die angefochtene Verfügung der Amtsgerichtspräsidentin entschieden. Es hat selber keine vorsorgliche Anordnung getroffen. Umstritten ist daher nach wie vor die superprovisorische Massnahme. 
 
c) Der Beschwerdeführer hat nicht nur den Entscheid des Obergerichts, sondern auch die diesem zugrunde liegende Verfügung angefochten. Ein solches Vorgehen ist namentlich dann zulässig, wenn die letzte kantonale Instanz nicht alle Fragen, die zum Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde gemacht werden, prüfen konnte (BGE 125 I 492 E. 1a/aa S. 493, mit Hinweisen). So verhält es sich hier: Das Obergericht hat praxisgemäss (SOG 1990 Nr. 22) nur die Frage der Dringlichkeit überprüft, nicht aber den vom Beschwerdeführer ebenfalls vorgebrachten Einwand des Hinauszögerns seines Begehrens (vgl. Art. 28d Abs. 2/letzter Satzteil ZGB). Insoweit kann der Beschwerdeführer auch die Verfügung der Amtsgerichtspräsidentin mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechten. Dass er die Beschwerde nicht gleichzeitig mit dem Rekurs an das Obergericht erhoben hat, sondern erst im Anschluss an dessen Entscheid, schadet nicht (BGE 120 Ia 19 E. 2b S. 23). 
 
d) Die Legitimation des Beschwerdeführers zur staatsrechtlichen Beschwerde ist gegeben (Art. 88 OG). Die Beschwerdeschrift ist innert Frist eingegangen (Art. 89 Abs. 1 i.V.m. Art. 34 Abs. 1 OG). Auf das Rechtsmittel ist mit der oben erwähnten Einschränkung einzutreten. 
 
2.- Der Beschwerdeführer rügt, die kantonalen Behörden hätten die zum Erlass eines Superprovisoriums erforderliche Dringlichkeit willkürlich bejaht. Die Massnahme könne ihren Zweck nicht mehr erreichen und sei in diesem Sinne auch nicht mehr dringlich. Er habe sein Buch am 26. Mai 2000, im Rahmen einer Pressekonferenz, vorgestellt, und der Name des Beschwerdegegners sei anschliessend in landesweit verbreiteten Zeitungen ("Sonntagsblick" vom ... und "Blick" vom ... 2000) im Zusammenhang mit seinen Äusserungen erwähnt worden. Ab 
31. Mai 2000 sei das Buch auch im Handel erhältlich gewesen; mit seinem Begehren vom 5. Juni 2000 habe der Beschwerdegegner Nachteile nicht mehr verhindern oder beseitigen können, und das Interesse an der Nichtweiterverbreitung begründe keine Dringlichkeit. Diese sei rein zeitlich zu verstehen, im Sinne einer nach Stunden oder Tagen bemessenen Frist zwischen dem Handlungszeitpunkt (Gesuchseinreichung) und dem Eintritt des befürchteten Ereignisses. 
 
Richtig ist, dass die in Art. 28d Abs. 2 ZGB vorausgesetzte dringende Gefahr zeitlich zu verstehen ist; der Zeitfaktor muss die Anhörung der Gegenseite ausschliessen (Schürmann/Nobel, Medienrecht, 2. Aufl. , Bern 1993, S. 254; Meili, Basler Kommentar, N 2 zu Art. 28d ZGB). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist das Obergericht jedoch keineswegs in Willkür verfallen, wenn es eine solche Dringlichkeit bejaht hat. Die vom Beschwerdegegner befürchteten Nachteile können nicht als bereits vollständig eingetreten gelten, weil das Buch des Beschwerdeführers einige Tage vor der Gesuchseinreichung in verbreiteten Presseerzeugnissen vorgestellt worden und in den Handel gelangt ist. Das wäre höchstens der Fall, wenn zu erwarten wäre, dass im Handel kaum mehr Bücher abgesetzt werden können, z.B. weil die für die Leserschaft interessanten Passagen allesamt schon ausführlich publik gemacht worden sind. Indessen geht das Obergericht von der durchaus einleuchtenden und vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogenen Annahme aus, das Buch könne auch eine weitere Leserschaft als das "Blick"- und das "Sonntagsblick"-Publikum interessieren, und die Aussagen, an denen der Beschwerdegegner Anstoss nimmt, könnten deshalb weiteren Kreisen zur Kenntnis gelangen und dadurch zusätzliche Nachteile bewirken, wenn die Weiterverbreitung nicht sofort eingestellt werde. Die umstrittene Anordnung erscheint so betrachtet ohne weiteres als geeignet, und es kann nicht gesagt werden, das Obergericht habe das Erfordernis der dringenden Gefahr in geradezu unhaltbarer Weise als erfüllt beurteilt (BGE 125 II 10 E. 3a S. 15, 123 I 1 E. 4a S. 5); seine Auslegung ist vielmehr nachvollziehbar. 
 
3.- Der Beschwerdeführer wirft der Amtsgerichtspräsidentin ferner zumindest sinngemäss Willkür mit Bezug auf die Verneinung eines Hinauszögerns des Gesuchs um Erlass eines Superprovisoriums vor (zur Zulässigkeit der Anfechtung der Verfügung vom 6. Juni 2000 in diesem Punkt E. 1c hiervor). 
Er macht geltend, der Beschwerdegegner habe mit seinem Gesuch über eine Woche und damit zu lange zugewartet. 
 
Laut Art. 28d Abs. 2 ZGB scheidet superprovisorischer vorsorglicher Rechtsschutz aus, wenn der Gesuchsteller sein Gesuch offensichtlich hinausgezögert hat. Damit sind Situationen angesprochen, in denen der Gesuchsteller die zeitliche Dringlichkeit selber geschaffen hat (Schürmann/Nobel, a.a.O., S. 254; Meili, a.a.O., N 4 zu Art. 28d ZGB). 
Ist der erste Presseartikel mit Erwähnung der für den Beschwerdegegner nachteiligen Buchpassagen am Wochenende vom .../.. 2000 erschienen und das Buch am darauffolgenden Mittwoch, den 31. Mai 2000, in den Handel gelangt, hat der Beschwerdegegner höchstens wenige Tage zugewartet, bevor er einen Anwalt aufgesucht und ein Gesuch eingereicht hat. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der auf den Erscheinungstag folgende Werktag, der 1. Juni 2000, der Auffahrtstag war, und dass der 3. und der 4. Juni 2000 wieder auf ein Wochenende fielen, an dem sich der Beschwerdegegner nicht rechtlich beraten lassen konnte. Mit Blick auf die Gesuchseinreichung am 5. Juni 2000 kann daher ohne Willkür ein offensichtliches Hinauszögern des Gesuchs verneint werden, erst recht, wenn auch die rechtliche Komplexität der Materie in Rechnung gestellt wird. Die stillschweigend gezogene Folgerung der Amtsgerichtspräsidentin, der Beschwerdegegner habe die zeitliche Dringlichkeit nicht selbst geschaffen, ist in keiner Weise unhaltbar (BGE 125 II 10 E. 3a S. 15, 123 I 1 E. 4a S. 5). 
 
 
4.- Aus diesen Gründen ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Er hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren jedoch keine Parteientschädigung zu entrichten, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist und diesem somit keine Kosten entstanden sind (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn (Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt. 
 
_______________ 
Lausanne, 3. Oktober 2000 
 
Im Namen der II. Zivilabteilung des 
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: