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Urteilskopf

148 III 245


32. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und Mitb. gegen Gemeindeamt des Kantons Zürich (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_545/2020 vom 7. Februar 2022

Regeste

Art. 32, 68, 70 IPRG; Eintragung einer georgischen Geburtsurkunde in das Personenstandsregister im Fall von Leihmutterschaft.
Bei einer in Georgien durchgeführten Leihmutterschaft entsteht die Elternschaft der Wunscheltern nach dortigem Recht von Gesetzes wegen. Die georgische Geburtsurkunde stellt keine ausländische Entscheidung im Sinne von Art. 70 IPRG dar, sondern die Abstammung des Kindes richtet sich gemäss Art. 68 Abs. 1 IPRG nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes im Zeitpunkt der Geburt. Ein Leihmutterschaftskind, welches von den in der Schweiz domizilierten Wunscheltern in Georgien lediglich abgeholt wird, hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz (E. 3-6).

Sachverhalt ab Seite 246

BGE 148 III 245 S. 246

A.

A.a A.A. ist Schweizer Bürgerin (Heimatort Zürich) und türkische Staatsangehörige; ihr Ehemann B.A. ist türkischer Staatsangehöriger. Beide haben Wohnsitz in Zürich. A.A. leidet an einer seltenen Fehlbildung und kann keine Kinder austragen. Am 29. Juni 2018 schloss das Ehepaar in Georgien mit E., georgische Staatsangehörige, einen Leihmutterschaftsvertrag. Die Samenspende stammte von B.A. und die Eizellenspende von A.A. Am uu.uu.2019 gebar E. die Zwillinge C. und D. A.A. und B.A. reisten am vv.vv.2019 mit den beiden Kindern in die Türkei, wo sie bereits am 14. Februar 2019 als türkische Staatsangehörige und als Kinder von A.A. und B.A. registriert wurden, und dann in die Schweiz zurück.

A.b Am 3. April 2019 übermittelte die Schweizer Botschaft in Tiflis/Georgien, dem Gemeindeamt des Kantons Zürich die Geburtsurkunden nebst weiteren Dokumenten. Auf den vom Amt für Zivile Registrierung, Tiflis, am 12. Februar 2019 ausgestellten Geburtsurkunden werden C. und D. nebst Geburtsdatum und -ort (einzig) mit dem Familiennamen A., sowie B.A. als Vater und A.A. als Mutter sowie mit der türkischen Staatsangehörigkeit aufgeführt.

A.c Mit Verfügung vom 1. Juli 2019 übernahm das Gemeindeamt zur Nachbeurkundung die Vornamen, Geburtsdatum und -ort und ordnete für die weiteren Daten die Eintragung im Personenstandsregister Infostar wie folgt an:
BGE 148 III 245 S. 247
"Familienname:
E.
Vorname:
C. bzw. D.
Geburtsdatum:
uu.uu.2019
Geburtsort:
Tiflis (Georgien)
Staatsangehörigkeit:
Türkei
Name Vater:
B.A.
Beziehungsart:
durch Anerkennung, seit uu.uu.2019
Name Mutter:
E.
Beziehungsart:
durch Geburt, seit uu.uu.2019
Zusatzangaben:
Leihmutterschaft. Leihmutter E., geb. ww.ww.1987, in T. (Georgien),
Staatsangehörigkeit Georgien, geschieden seit xx.xx.2018, Wohnort T.
(Georgien), Samenspender: B.A., geb. yy.yy.yyyy (Wunschvater),
Eizellenspenderin: A.A., geb. zz.zz.zzzz (Wunschmutter)"

A.d Gegen die Eintragungsverfügung rekurrierten A.A., B.A., C., D. sowie E. bei der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich (Justizdirektion). Mit Verfügung vom 8. November 2019 hiess die Justizdirektion den Rekurs gut und wies das Gemeindeamt an, bezüglich C. und D. bestimmte Punkte der Eintragung zu ändern und als Familiennamen A., die Schweizer Staatsangehörigkeit (Zürich), als Vater B.A. und als Mutter A.A., je ohne weitere Spezifizierung der Beziehungsart, in Infostar einzutragen (und im Übrigen, wie die Zusatzangaben, zu belassen).

B.

B.a Gegen die Verfügung der Justizdirektion erhob das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), handelnd durch das Bundesamt für Justiz (BJ), Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Es beantragte die Aufhebung der Verfügung der Justizdirektion und die Eintragung gemäss Angaben der Verfügung des Gemeindeamtes vom 1. Juli 2019 (Bst. A.c), jedoch ohne Angabe des Vaters B.A. (Name und Beziehungsart).

B.b Mit Urteil vom 14. Mai 2020 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Bundesamtes teilweise gut und hob die Verfügung der Justizdirektion auf. Es ordnete die (vollumfängliche) Eintragung gemäss der Verfügung des Gemeindeamtes vom 1. Juli 2019 an (Bst. A.c).
BGE 148 III 245 S. 248

B.c Die Beschwerde von A.A., B.A., C., D. sowie E., welche eine Erhöhung der Parteientschädigung verlangt hatten, wurde vom Verwaltungsgericht als gegenstandslos abgeschrieben.

C. A.A. (Wunschmutter), B.A. (Wunschvater), C., D. sowie E. (Leihmutter) haben mit Eingabe vom 2. Juli 2020 Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführer verlangen die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts und (wie im kantonalen Verfahren) die Anerkennung (und entsprechende Nachbeurkundung) der georgischen Geburtsurkunden betreffend die genetische Elternschaft der Eltern A.A. und B.A. und die Nicht-Elternschaft der Leihmutter E. Eventuell sei der georgische Leihmuttervertrag vom 29. Juni 2018 als Kindesanerkennung von A.A. und B.A. bzw. Kindesaberkennung von E. anzuerkennen. Sie verlangen die Eintragung im Personenstandsregister, wie sie die Justizdirektion zur Änderung angeordnet hat (Bst. A.d), d.h. es seien C. und D. mit dem Familiennamen A., der Staatsangehörigkeit Schweiz (sowie Türkei), als Vater B.A. und als Mutter A.A., je ohne weitere Spezifizierung (Beziehungsart) in Infostar einzutragen.
(...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
( Auszug )

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Eintragung der georgischen Geburtsurkunden in das Personenstandsregister, welche das durch Leihmutterschaft entstandene Kindesverhältnis der Kinder C. und D. zu den Wunscheltern zum Gegenstand haben. Das Verwaltungsgericht hat das Kindesverhältnis gestützt auf die gemäss den Urkunden ausgewiesene Geburt der Kinder dahingehend angenommen, dass das rechtliche Kindesverhältnis nach anwendbarem Recht mittels Geburt zur Leihmutter und durch gültige Anerkennung zum Wunschvater entstanden sei. Die Beschwerdeführer rügen im Wesentlichen eine Verletzung der Regeln über die Registereintragung von Urkunden im internationalen Verhältnis (Art. 32 IPRG) sowie über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen (Art. 70 IPRG; SR 291) und Kindesanerkennungen (Art. 73 IPRG). Weiter rügen sie eine falsche Ermittlung des anwendbaren Rechts (Art. 68 f. IPRG) sowie eine Verletzung von verfassungs- und
BGE 148 III 245 S. 249
konventions-rechtlichen Bestimmungen (EMRK und Übereinkommen über die Rechte des Kindes [KRK; SR 0.107]).

4. Umstritten sind zunächst die Regeln zur Eintragung der georgischen Geburtsurkunden im Zusammenhang mit Abstammung und Leihmutterschaft.

4.1 Gemäss Art 32 IPRG wird eine ausländische Entscheidung oder Urkunde über den Zivilstand aufgrund einer Verfügung der kantonalen Aufsichtsbehörde in die Zivilstandsregister eingetragen (Abs. 1). Die Eintragung wird bewilligt, wenn die Voraussetzungen der Artikel 25-27 IPRG erfüllt sind (Abs. 2). Die Beurkundung erfolgt, wenn eine ausländische Entscheidung, Verfügung sowie rechtsgestaltende Erklärung durch die kantonale Aufsichtsbehörde für den schweizerischen Rechtsbereich anerkannt worden ist (SIEGENTHALER, Das Personenstandsregister, 2013, Rz. 185).

4.2 Geht es - wie hier - um die Aufnahme der Geburt im Ausland, so wird mit der Nachbeurkundung der Geburt die betroffene Person in das Personenstandsregister aufgenommen (SIEGENTHALER, a.a.O., Rz. 82). Dies ist hier unstrittig geschehen. Gleichzeitig werden mit der Nachbeurkundung auch die gemäss dem anwendbaren Recht bei der Geburt von Gesetzes wegen entstandenen oder durch Rechtsakt begründeten Kindesverhältnisse beurkundet (SIEGENTHALER, a.a.O., Rz. 82). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist jedoch eine Geburtsurkunde, welche lediglich ein von Gesetzes wegen entstandenes Kindesverhältnis feststellt, von der Entscheidung oder einem anderen Rechtsakt abzugrenzen, welche eine bestimmte Rechtslage schafft oder verändert (vgl. BUCHER, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 20 zu Art. 33 IPRG). Für den Fall der Entstehung eines Kindesverhältnisses durch Abstammung (Art. 66-70 IPRG) wird zutreffend festgehalten, dass die blosse Registrierung ausländischer kindesrechtlicher Statusbeziehungen nicht unter Art. 70 IPRG fällt, welcher die Anerkennung ausländischer Entscheidungen regelt (SIEHR/MARKUS, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 3. Aufl. 2018, N. 16 zu Art. 70 IPRG; SCHWANDER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2021, N. 3 zu Art. 70 IPRG; BUCHER, a.a.O., Mise à jour, Stand: 24.7.2021, www.andreasbucher-law.ch, N. 4 zu Art. 70 IPRG). Basiert hingegen die ausländische Zivilstandsregistereintragung auf einer Statusentscheidung, so hat diese als Grundlage für eine allfällige Eintragung in das schweizerische
BGE 148 III 245 S. 250
Zivilstandsregister zu dienen, und nicht der Zivilstandsregisterauszug (JAMETTI GREINER, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, S. 234, 236 Fn. 641; vgl. BGE 141 III 312 E. 3.1, BGE 141 III 328 E. 4.3). Für die durch Gesetz entstandenen Kindesverhältnisse ist hingegen das anwendbare Recht gemäss Art. 68 IPRG massgebend (u.a. SIEGENTHALER, a.a.O., Rz. 82).

4.3 Geht es um die Entstehung eines Kindesverhältnisses durch Abstammung im Rahmen einer Leihmutterschaft bzw. einer Praktik, wonach eine Frau bereit ist, durch ein Fortpflanzungsverfahren zu empfangen und nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (BGE 141 III 312 E. 4.2.1), so sind die Regeln über die Entstehung des Kindesverhältnisses durch Abstammung massgebend: Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen erfolgt nach Art. 70 IPRG (BGE 141 III 312 E. 3.3), und eine allfällige Beurteilung nach dem anwendbaren Recht richtet sich nach Art. 68 f. IPRG (SIEHR/MARKUS, a.a.O., N. 29 zu Art. 70 IPRG). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer stellt das Vorgehen der Vorinstanz insoweit keine Rechtsverletzung dar.

5. Die Vorinstanz hat geprüft, ob eine nach Art. 70 IPRG anerkennbare georgische Entscheidung vorliegt.

5.1 In Georgien ist Leihmutterschaft nach Massgabe des Art. 143 des Gesetzes vom 10. Dezember 1997 über den Gesundheitsschutz zulässig (Law of Georgia on Health Care, www.matsne.gov.ge), u.a. im Fall, dass eine Frau keine Gebärmutter hat, durch Übertragung des Embryos in die Gebärmutter einer anderen Frau bzw. Leihmutter (Art. 143 Abs. 1 lit. b des Gesetzes über den Gesundheitsschutz). Wird das Kind geboren, so gilt das Paar - die Wunscheltern - als Eltern ("If a child is born, the couple shall be deemed as parents"), mit der entsprechenden Verantwortung und den Befugnissen, die aus diesem Umstand folgen; die Leihmutter hat kein Recht, als Elternteil des geborenen Kindes anerkannt zu werden (Art. 143 Abs. 2 des Gesetzes über den Gesundheitsschutz). Gleiches wird in der Lehre mit Hinweis darauf bestätigt, dass die Leihmutter nach der Regelung zwingend ("imperative clause") kein Elternrecht haben kann (KARIAULI, Surrogacy and its Legal Consequences According to the Legislation of Georgia, European Scientific Journal, 12/2016, Special Ed., S. 216, www.eujournal.org).

5.2 Wohl trifft zu, dass die Registrierung eines durch Leihmutterschaft geborenen Kindes gemäss Art. 30 des georgischen
BGE 148 III 245 S. 251
Zivilstandsgesetzes (Law of Georgia on Civil Status Acts vom 20. Dezember 2011) in Verbindung mit dem Dekret Nr. 18 des georgischen Justizministers vom 31. Januar 2012 erfolgt, wenn bestimmte Dokumente (notariell beurkundeter Leihmutterschaftsvertrag zwischen genetischen Eltern und Leihmutter, Bestätigung der medizinischen Institution über Embryo-Implantation) vorgelegt werden (vgl. KARIAULI, a.a.O., S. 218). Darauf weisen die Beschwerdeführer (bzw. ihre Rechtsgutachter Anwaltskanzlei F., Tiflis) sowie bereits das vom Gemeindeamt (via Schweizerische Botschaft) eingeholte Rechtsgutachten (Anwaltskanzlei G., Tiflis) hin. Entgegen der Schlussfolgerung der Beschwerdeführer kann aus dieser Regelung nichts anderes als die Registrierung des Leihmutterschaftskindes erblickt werden, welches mit seiner Geburt ex lege die Wunscheltern als rechtliche Eltern erhält und womit ein Kindesverhältnis zur Leihmutter ex lege ausgeschlossen ist. Das Gleiche halten die Beschwerdeführer (bzw. ihre Rechtsgutachter) selber fest, wonach gemäss Art. 143 Abs. 2 des georgischen Gesetzes über den Gesundheitsschutz die Wunscheltern "direkt gestützt auf das Gesetz als rechtliche Eltern des Kindes betrachtet werden".
Damit unterscheidet sich die georgische Regelung nicht wesentlich von der Leihmutterschaftsregelung in Russland und der Ukraine, wo das Gesetz die Wunscheltern automatisch zu rechtlichen Eltern erklärt (DUTTA, Künstliche Fortpflanzung in "Anbieterrechtsordnungen" - ein Blick über Europa hinaus, in: Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, Dutta/Schwab und andere [Hrsg.],2015, S. 362). Wird aber die fehlende Elternschaft der Leihmutter nicht durch Gerichts- oder Behördenentscheidung festgestellt, sondern - wie in Russland, der Ukraine und auch in Georgien - durch Gesetz angeordnet und deren Elternschaft im Geburtsregister nicht erwähnt, so richtet sich die Abstammung des Kindes von der Leihmutter nicht nach Art. 70 IPRG. Es mangelt an einer Entscheidung im Sinne dieser Bestimmung, wie in der Lehre zu Recht festgehalten wird (so SIEHR/MARKUS, a.a.O., N. 29 zu Art. 70 IPRG; a.M. STEGMÜLLER, Procréation médicalement assistée transfrontière et filiation de l'enfant, 2020, Rz. 599).

5.3 An diesem Ergebnis ändert nichts, dass der Begriff der "Entscheidung" im Sinne von Art. 25 IPRG in der Lehre weit ausgelegt wird und in der Rechtsprechung eine im Ausland vereinbarte und registrierte Privatscheidung als "Entscheidung" i.V.m. Art. 65 IPRG aufgefasst wurde (BGE 122 III 344 E. 3 und 4). Die Beschwerdeführer
BGE 148 III 245 S. 252
behaupten selber nicht, dass damit der georgische Leihmutterschaftsvertrag als private Vereinbarung über die Hervorbringung und Übergabe eines Kindes vergleichbar sei. Eine derartige Vereinbarung, welche die Herstellung, Aufgabe und Übertragung der Elternschaft enthält, kann ohne wesentliche behördliche Mitwirkung nicht einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung in Abstammungssachen gemäss Art. 70 IPRG gleichgestellt werden (vgl. SIEHR/MARKUS, a.a.O., N. 29 zu Art. 70 IPRG; JAMETTI GREINER, a.a.O., S. 176 f.). Die Willenserklärungen können indes je nach den Umständen in der Nähe der Kindesanerkennung (SIEHR/MARKUS, a.a.O., N. 14 zu Art. 73 IPRG), wie die Vorinstanz angenommen hat, oder einer Adoption liegen (vgl. BGE 141 III 328 E. 6.6). Die Vorinstanz durfte - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - das Vorliegen eines Entscheides im Sinne von Art. 70 IPRG verneinen.

6. Das Verwaltungsgericht hat mangels einer Entscheidung mit Recht geprüft, ob nach dem auf die Entstehung des Kindesverhältnisses durch Abstammung anwendbaren Recht - mithin nach Art. 68 f. IPRG - ein Kindesverhältnis entstanden ist (SIEHR/MARKUS, a.a.O., N. 29 zu Art. 70 IPRG).

6.1 Gemäss Art. 68 Abs. 1 IPRG unterstehen die Entstehung des Kindesverhältnisses sowie dessen Feststellung oder Anfechtung dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, ist als gewöhnlicher Aufenthalt (Art. 20 Abs. 1 lit. b IPRG) im Rahmen von Art. 68 Abs. 1 IPRG - im Sinne des entsprechenden Anknüpfungsbegriffes gemäss Haager Konventionen - der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen zu verstehen. Meistens fällt der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes im massgeblichen Zeitpunkt mit dem Lebensmittelpunkt zumindest eines Elternteils zusammen. Bei Neugeborenen sind naturgemäss die familiären Bindungen zum betreuenden Elternteil als Indiz des gewöhnlichen Aufenthalts entscheidend; die Bindungen der Mutter an ein Land erfassen regelmässig auch das Kind (BGE 129 III 288 E. 4.1). Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ist der Zeitpunkt der Geburt massgebend (Art. 69 Abs. 1 IPRG).

6.2 Nach den Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz haben die Wunscheltern ihren Wohnsitz seit Juni 2015 in Zürich. Die am uu.uu.2019 in Georgien geborenen Kinder wurden von der Leihmutter an die Wunscheltern übergeben, welche 10 Tage später (am vv.vv.2019) Georgien in Richtung Türkei verliessen. Dort hielten
BGE 148 III 245 S. 253
sie sich zusammen mit der Wunschmutter etwas über 3 Monate (bis zum 29. Mai 2019) auf, bevor sie in die Schweiz zurückkehrten. Dass die Wunscheltern ihren Lebensmittelpunkt nach Georgien oder die Türkei verlegten, war nicht ersichtlich und wurde nicht geltend gemacht. Dass das Verwaltungsgericht den Aufenthalt von 10 Tagen in Georgien und denjenigen von ca. 3 Monaten in der Türkei lediglich als vorübergehender Natur (schlichter Aufenthalt) und als nicht ausschlaggebend erachtete, lässt sich nicht beanstanden, zumal erst ein mehrmonatiger, nach einer Faustregel eher sechsmonatiger Aufenthalt dessen gewöhnliche Natur annehmen lässt (Urteil 5A_889/2011 vom 23. April 2013 E. 4.1.2). Damit liegt nahe, den gewöhnlichen Aufenthalt der beiden neugeborenen Kinder dort zu verorten, wo sie sich nach der Rückkehr in naher Zukunft aufhalten werden, wie die Vorinstanz zu Recht angenommen hat (vgl. im gl. Sinn DUTOIT, Droit international privé suisse, 5. Aufl. 2016, N. 5 zu Art. 68 IPRG; STEGMÜLLER, a.a.O., Rz. 771). Dies entspricht der Rechtsprechung, wonach sich der gewöhnliche Aufenthalt nicht nur aus den nach aussen erkennbaren tatsächlichen Umständen wie der Dauer des Aufenthaltes und den dadurch begründeten Beziehungen, sondern auch aus der voraussichtlichen Dauer des Aufenthalts und der damit zu erwartenden Integration ergeben kann (Urteile 5A_293/2016 vom 8. August 2016 E. 3.1; 5A_933/2020 vom 14. April 2021 E. 1.1). Sorgen die Wunscheltern - wie hier - praktisch ab Geburt für die beiden Kinder und haben sie geplant, in nächster Zeit in den Staat ihres eigenen Lebensmittelpunkts zurückzukehren, liegt dort der gewöhnliche Aufenthalt der neugeborenen Leihmutterkinder. Wenn die Vorinstanz den gewöhnlichen Aufenthalt von C. und D. im Zeitpunkt der Geburt in der Schweiz angenommen hat, liegt darin keine Rechtsverletzung. Damit ist das schweizerische Abstammungsrecht massgebend.

6.3 Was die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringen, vermag am Ergebnis - Anwendbarkeit des schweizerischen Abstammungsrechts - nichts zu ändern.

6.3.1 Wohl halten die Beschwerdeführer zutreffend fest, dass es zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes bei der faktischen Betrachtung (vgl. BGE 129 III 288 E. 4.1) bleibt und die rechtliche Elternschaft nicht entscheidend ist. Dass die Vorinstanz erhebliche Umstände der sozialen Umgebung ausser Acht gelassen habe, ist indes nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführer übergehen, dass die Tatsache der Geburt in einem bestimmten Land allein dort noch
BGE 148 III 245 S. 254
keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Zweck der einzigen Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt von Art. 68 Abs. 1 IPRG ist gerade die Anknüpfung an jene Rechts- und Sozialsphäre, in der das Kind und die Eltern tatsächlich leben (Botschaft vom 10. November 1982 zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht [IPR-Gesetz], BBl 1983 I 367 Ziff. 242.2), was auch für das Leihmutterschaftskind und die betreuenden Wunscheltern gilt.

6.3.2 Unbehelflich ist, wenn die Beschwerdeführer an den schlichten Aufenthalt der Kinder in Georgien, welcher am ehesten dem gewöhnlichen Aufenthalt der Leihmutter entspreche, anknüpfen wollen. Schlichter Aufenthalt kann massgebend sein, wenn der von Art. 68 Abs. 1 IPRG vorausgesetzte gewöhnliche Aufenthalt des Kindes im betreffenden Staat fehlt. Ein solcher Fall liegt nicht vor, weil sich hier - wie dargelegt - der gewöhnliche Aufenthalt aus der voraussichtlichen Dauer des Aufenthalts und der damit zu erwartenden Integration in der Schweiz ergibt. Nicht zu erörtern ist, ob auf den schlichten Aufenthalt abzustellen wäre, wenn die Wunscheltern mit einem Leihmutterschaftskind zurückkehren wollen, aber die Rückreise (faktisch oder rechtlich) nicht möglich ist und daher Aufenthalt und Integration nicht voraussehbar sind (DUDEN, Leihmutterschaft im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 2015, S. 105); das Vorliegen eines derartigen Falles wird nicht geltend gemacht und ist nicht ersichtlich.

6.3.3 Es trifft zu, dass in der Lehre teilweise vorgeschlagen wird, das auf die Abstammung anwendbare Recht (Art. 68 Abs. 1 IPRG) an den gewöhnlichen Aufenthalt der gebärenden Frau bzw. Leihmutter zu knüpfen (so SIEHR/MARKUS, a.a.O., N. 29 zu Art. 70 IPRG). Im Zentrum der Anknüpfung von Art. 68 Abs. 1 IPRG steht indes nach dem Wortlaut nicht die gebärende Frau, sondern das Kind. Dass die Bindungen der Leihmutter an ein Land auch das Kind erfassen, wenn aber die Wunscheltern von vornherein planen, das Geburtsland schnellstmöglichst zu verlassen, lässt sich damit kaum vereinbaren. Was die Beschwerdeführer vorbringen, entspricht einer Anknüpfung an das Abstammungsrecht des Geburts- und Beurkundungsstaates. Eine derartige oder andere alternative Anknüpfungen (vgl. BUCHER, a.a.O., N. 24 zu Art. 68 IPRG) laufen im Zusammenhang mit der Leihmutterschaft auf Vorschläge de lege ferenda hinaus. Hinreichende Gründe, um eine andere Anknüpfung vorzuziehen, weil das massgebliche schweizerische Recht nicht EMRK-konform sei, liegen nicht vor (worauf zurückzukommen ist; nicht publ. E. 8).
BGE 148 III 245 S. 255

6.3.4 Der Hinweis der Beschwerdeführer auf das türkische Heimatrecht der Kinder und der Wunscheltern und die Eintragung des entsprechenden Kindesverhältnisses in der Türkei führt nicht weiter. Zwar ist die subsidiäre Anknüpfung gemäss Art. 68 Abs. 2 IPRG an das gemeinsame Heimatrecht möglich; allerdings wird an die effektive (hier: schweizerische) Staatsangehörigkeit der in der Schweiz geborenen und domizilierten Mutter als Doppelbürgerin angeknüpft (vgl. Art. 23 Abs. 2 IPRG; DUTOIT, a.a.O., N. 4 zu Art. 68 IPRG), weshalb die Anwendung des türkischen Rechts nicht in Betracht kommt. Ebenso wenig können die Beschwerdeführer sich auf Art. 69 Abs. 2 IPRG berufen, da bereits im Zeitpunkt der Geburt der Kinder schweizerisches Aufenthaltsrecht massgebend ist und sich mit Blick auf den in Abs. 2 ("gerichtliche Feststellung oder Anfechtung") genannten Zeitpunkt kein anderes Aufenthaltsrecht ableiten lässt. Offensichtliche Umstände, dass der gesamte konkrete Sachverhalt mit dem schweizerischen Aufenthaltsrecht nur schwach verbunden sei und mit einem anderen (georgischen oder türkischen) Recht in viel engerem Zusammenhang stehe (vgl. Art. 15 IPRG), liegen nicht vor.

6.4 Ist wie vorliegend in Anwendung von Art. 68 Abs. 1 IPRG das schweizerische Recht anwendbar, gilt der Grundsatz mater semper certa est und in Anwendung von Art. 252 Abs. 1 ZGB die gebärende Frau (Leihmutter) als rechtliche Mutter (FOUNTOULAKIS, L'impact de la procréation médicalement assistée sur l'établissement et la destruction du lien de filiation, FamPra.ch 2011 S. 261). Dies hat die Vorinstanz mit Recht festgehalten. Auf die Vereinbarkeit der Elternschaft der Wunscheltern mit dem schweizerischen Ordre public kommt es bei dieser Fallgestaltung nicht an, denn es ist schweizerisches Recht massgebend, währenddem Art. 17 IPRG die Anwendbarkeit des ausländischen Rechts voraussetzt. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer findet hier keine Berufung auf den schweizerischen Ordre public statt, wenn die Leihmutter als rechtliche Mutter gilt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht (wie vom Gemeindeamt vorgesehen) in Anwendung des schweizerischen Rechts die Aufnahme der gebärenden (Leih-) Mutter als rechtliche Mutter von C. und D. in das Personenstandsregister angeordnet hat. Ebenso hat die Vorinstanz zutreffend angenommen, dass von Gesetzes wegen kein Kindesverhältnis zum Vater entsteht, zumal die Leihmutter als rechtliche Mutter nicht verheiratet ist.

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Erwägungen 3 4 5 6

Referenzen

BGE: 141 III 312, 141 III 328, 129 III 288, 122 III 344

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