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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_261/2022  
 
 
Urteil vom 23. November 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, 
nebenamtliche Bundesrichterin Pont Veuthey, 
Gerichtsschreiberin Dillier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Antigone Schobinger, 
 
gegen  
 
Staatssekretariat für Migration, 
Quellenweg 6, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Wiedereinbürgerung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung VI, 
vom 17. März 2022 (F-495/2020). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die am 20. Juni 1971 in der Dominikanischen Republik geborene A.A.________ wurde am 14. Oktober 1986 von B.A.________ und C.A.________ in Santo Domingo adoptiert. Beide Eltern besitzen das Bürgerrecht von U.________ UR. Die Adoption wurde dem Zivilstandsamt das Kantons Uri erst mit Verfügung der Justizdirektion des Kantons Uri vom 6. Dezember 2017 gemeldet, weshalb A.A.________ zu diesem Zeitpunkt das Schweizer Bürgerrecht verwirkt hatte. Sie verfügt über eine Niederlassungsbewilligung.  
 
A.b. A.A.________ stellte am 18. Dezember 2017 ein Gesuch um Wiedereinbürgerung.  
Am 10. September 2018 beauftragte das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Gemeindeamt des Kantons Zürich (GAZ), für die Wiedereinbürgerung einen Erhebungsbericht zu erstellen. Das GAZ stellte am 30. Oktober 2018 aufgrund eines hängigen Strafverfahrens einen negativen Antrag und verwies zudem auf den Betreibungsregisterauszug von A.A.________. Nachdem das Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat mit Verfügung vom 5. November 2019 eingestellt worden war, reichte A.A.________ am 22. Februar 2019 nach entsprechender Aufforderung des SEM einen aktuellen Betreibungsregisterauszug inklusive Verlustscheinsjournal ein. Der Betreibungsregisterauszug wies Verlustscheine der letzten 20 Jahre im Gesamtbetrag von Fr. 38'346.45 aus, wovon in den letzten fünf Jahren vor Gesuchseinreichung ein Verlustschein in der Höhe von Fr. 19'159.30, datiert vom 7. August 2017, ausgestellt wurde, welcher auf eine Darlehensschuld aus dem Jahr 1991 zurückgeht (in E. 6.1 näher ausgeführt). 
Mit Schreiben vom 22. Februar 2019 wies das SEM A.A.________ darauf hin, dass das Einbürgerungsgesuch infolge des getrübten finanziellen Leumunds nicht gutgeheissen werden könne und empfahl ihr bei gleichzeitiger Einladung zur Stellungnahme den Rückzug des Gesuchs. Es folgten mehrere Schriftenwechsel zwischen dem SEM und der Gesuchstellerin. Diese machte insbesondere geltend, dem Verlustschein vom 7. August 2017 liege eine uralte Darlehensschuld zugrunde und sie sei aufgrund ihrer Krankheit (rezidivierende depressive Episoden) nicht in der Lage gewesen, diese zu begleichen. Sie bemühe sich jedoch, die Schuld in Raten zurückzuzahlen. Das SEM hingegen verneinte das Vorliegen einer Notlage und empfahl erneut den Rückzug des Gesuchs. Es wäre A.A.________ bereits früher möglich gewesen, sich um die Begleichung der Schuld zu bemühen. 
Nachdem das SEM am 4. Oktober 2019 einen aktuellen Betreibungsregisterauszug eingeholt hatte, wies es das Einbürgerungsgesuch von A.A.________ mit Verfügung vom 11. Dezember 2019 ab. 
 
B.  
Gegen diese Verfügung erhob A.A.________ am 27. Januar 2020 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht, welches das Rechtsmittel mit Urteil vom 17. März 2022 ebenfalls abwies. 
 
C.  
Dagegen erhob A.A.________ am 8. Mai 2022 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Sie beantragt, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei aufzuheben und es sei ihr das Schweizer Bürgerrecht zu erteilen. 
Das SEM beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts im Bereich des Bürgerrechts, gegen den grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 82 ff. BGG offensteht. Der Ausschlussgrund nach Art. 83 lit. b BGG kommt nicht zum Tragen, da es sich vorliegend um eine Wiedereinbürgerung und nicht um eine ordentliche Einbürgerung handelt (vgl. THOMAS HÄBERLI, in: Basler Kommentar BGG, 3. Aufl. 2018, N. 50 zu Art. 83 BGG; FLORENCE AUBRY GIRADIN, Commentaire de la LTF, 3. Aufl. 2022, N. 35 zu Art. 83 BGG; HANSJÖRG SEILER, in: Stämpflis Handkommentar BGG, 2. Aufl. 2015, N. 19 zu Art. 83 BGG). Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als direkte Adressatin vom angefochtenen Entscheid, der die Verweigerung der Wiedereinbürgerung durch das Bundesamt bestätigte, zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verletze Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet dieses von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 139 II 404 E. 3). 
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG), wofür es im vorliegenden Fall keine Hinweise gibt. 
 
3.  
Mit dem Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes vom 20. Juni 2014 über das Schweizer Bürgerrecht (BüG; SR 141.0) am 1. Januar 2018 wurde das Bundesgesetz vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (aBüG; AS 1952 1087) aufgehoben (Art. 49 BüG i.V.m. Ziffer I des Anhangs). Für vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingereichte Gesuche bestimmt Art. 50 Abs. 2 BüG, dass diese bis zum Entscheid über das Gesuch nach den Bestimmungen des bisherigen Rechts behandelt werden. Auf das am 18. Dezember 2017 eingereichte Gesuch um Wiedereinbürgerung kommt somit das bisherige Recht (aBüG) zur Anwendung. 
 
4.  
Gemäss Art. 10 Abs. 1 aBüG verwirkt das im Ausland geborene Kind eines schweizerischen Elternteils, das noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt, das Schweizer Bürgerrecht mit der Vollendung des 22. Lebensjahres, wenn es nicht bis dahin einer schweizerischen Behörde im Ausland oder Inland gemeldet worden ist oder sich selber gemeldet hat oder schriftlich erklärt, das Schweizer Bürgerrecht beibehalten zu wollen. Es ist unstreitig, dass die Beschwerdeführerin ihr Schweizer Bürgerrecht verwirkt hat, da die Adoption dem Zivilstandsamt das Kantons Uri erst mit Verfügung der Justizdirektion des Kantons Uri vom 6. Dezember 2017, mithin nach Vollendung ihres 22. Lebensjahres, gemeldet wurde. 
 
5.  
Die Wiedereinbürgerung setzt gemäss Art. 18 Abs. 1 aBüG voraus, dass die Bewerberin oder der Bewerber die Voraussetzungen von Art. 21 oder 23 aBüG erfüllt (lit. a), mit der Schweiz verbunden ist (lit. b), die schweizerische Rechtsordnung beachtet (lit. c) und die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet (lit. d). 
Gemäss Art. 21 Abs. 1 aBüG kann innert zehn Jahren ein Gesuch um Wiedereinbürgerung stellen, wer aus entschuldbaren Gründen die nach Art. 10 aBüG erforderliche Meldung oder Erklärung unterlassen und dadurch das Schweizer Bürgerrecht verwirkt hat. Ist die Bewerberin oder der Bewerber mit der Schweiz eng verbunden, so kann sie oder er das Gesuch um Wiedereinbürgerung auch nach Ablauf der Frist stellen (Art. 21 Abs. 2 aBüG). Vorliegend ist unbestritten, dass die Meldung der Adoption aus entschuldbaren Gründen unterblieben ist und die Beschwerdeführerin eng mit der Schweiz verbunden ist; gemäss Feststellung der Vorinstanz lebt sie seit 1987 in der Schweiz und spricht sowohl deutsch als auch italienisch. Das Bundesverwaltungsgericht durfte die materiellen Kriterien der Wiedereinbürgerung nach Art. 18 Abs. 1 lit. a und b aBüG als erfüllt betrachten. 
 
6.  
Streitig ist vorliegend nur, ob der Wiedereinbürgerung der Beschwerdeführerin das Kriterium des Beachtens der schweizerischen Rechtsordnung nach Art. 18 Abs. 1 lit. c aBüG entgegensteht. Dieses Kriterium bedeutet, dass ein guter straf- und betreibungsrechtlicher Leumund vorliegen muss (vgl. für den gleichlautenden Art. 26 Abs. 1 lit. b aBüG betreffend die erleichterte Einbürgerung: BGE 140 II 65 E. 3.3.1; Urteile 1C_683/2020 vom vom 1. Oktober 2021 E. 3.3.2; 1C_299/2018 vom 28. März 2019 E. 3, in: ZBl 121/2020 S. 111; 1C_651/2015 vom 15. Februar 2017 E. 4.3, in: ZBl 119/2018 S. 40, je mit Hinweisen; SAMAH OUSMANE, in: Amarelle/Nguyen [Hrsg.], Code annoté de droit des migrations, Volume V : Loi sur la nationalité [LN], 2014, N. 16 zu Art. 26 aBüG). Nach der Praxis wird für einen einwandfreien finanziellen bzw. betreibungsrechtlichen Leumund vorausgesetzt, dass der Bewerber bzw. die Bewerberin den öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Zahlungsverpflichtungen nachkommt. Hängige Betreibungsverfahren, Lohnpfändungen und nicht gelöschte Verlustscheine, die in den letzten fünf Jahren ausgestellt wurden, stehen einer Wiedereinbürgerung grundsätzlich entgegen (vgl. die bereits zitierten Urteile 1C_683/2020 E. 3.3.2; 1C_299/2018 E. 3). Mehr als fünf Jahre zurückliegende Betreibungen bzw. Verlustscheine werden somit nicht berücksichtigt. 
Wie bei der erleichterten Einbürgerung sind als Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit Ausnahmesituationen vorbehalten, die durch fehlendes Verschulden und das Vorliegen einer Notlage gekennzeichnet sind (vgl. Urteil 1C_683/2020 vom 1. Oktober 2021 E. 3.3.2; Urteil des BVGer F-526/2018 vom 3. November 2020 E. 7.1; Handbuch Bürgerrecht des SEM für Gesuche bis 31.12.2017, Kapitel 4 Ziff. 4.7.3.2, <https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/publiservice/weisungen-kreisschreiben/buergerrecht.html> [besucht am 28. September 2022]; OUSMANE, a.a.O., N. 18 zu Art. 26). Wie das Bundesgericht im Urteil 1C_299/2018 festgehalten hat, können dabei nicht nur Krankheit oder andere unverschuldete Hindernisse, die zur Entstehung der Verlustscheine geführt haben, beachtlich sein, sondern es ist auch die Gesamtsituation zu beachten und zu würdigen (dortige E. 5.2). In diesem Zusammenhang kann auch der Höhe der dem Verlustschein zugrundeliegenden Schuld und der Zahlungsbereitschaft der Schuldnerin bzw. des Schuldners Rechnung getragen werden. 
 
6.1. Für die Beurteilung des einwandfreien finanziellen Leumunds ist vorliegend einzig der vom Betreibungsamt Zürich 11 gegen die Beschwerdeführerin ausgestellte Verlustschein vom 7. August 2017 in der Höhe von Fr. 19'159.30 (Darlehensschuld von Fr. 17'691.40 zuzüglich Betreibungs- und Pfändungskosten in der Höhe von 1'467.90) zu berücksichtigen. Dieser geht auf eine Darlehensschuld aus dem Jahr 1991 zurück, für welche die Beschwerdeführerin solidarisch mit ihrem damaligen Ehemann haftete. Die übrigen Verlustscheine wurden vor deutlich mehr als fünf Jahren vor Gesuchseinreichung ausgestellt und die Betreibungen sind entweder gelöscht oder wurden nicht weiterverfolgt, weshalb sie für das vorliegende Verfahren ebenfalls nicht massgebend sind.  
 
6.2. Die Vorinstanzen haben festgestellt, es sei unbeachtlich, dass der Verlustschein auf einer Schuld beruhe, welche deutlich mehr als fünf Jahre zurückliege (in diesem Sinne Urteile 1C_299/2018 vom 28. März 2019 und 1C_378/2018 vom 8. November 2021; kritisch zur Berücksichtigung des finanziellen Kriteriums Andreas Glaser in ZBl 2020 114, der darauf hinweist, dadurch würden finanziell leistungsfähige Einbürgerungskandidatinnen und -kandidaten privilegiert). Die Berücksichtigung alter Schulden kann in Fällen wie dem vorliegenden dazu führen, dass diese quasi perpetuiert werden mit der Konsequenz, dass auch sehr weit zurückliegende finanzielle Schwierigkeiten eine Einbürgerung auf Jahre hinaus verunmöglichen können, was in einem gewissen Widerspruch zu der von der Praxis entwickelten Fünf-Jahresfrist steht. Es erübrigt sich aber, auf diese Problematik vorliegend weiter einzugehen, da neue Verlustscheine zu alten Schulden jedenfalls nur dann einbürgerungshemmend wirken können, wenn sie nicht infolge Krankheit oder anderer unverschuldeter Hindernisse entstanden sind.  
 
6.3. Es ist zu prüfen, ob sich die Beschwerdeführerin auf eine solche Ausnahmesituation bzw. Notlage berufen kann.  
Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei im interessierenden Zeitraum (fünf Jahre vor Gesuchseinreichung), d.h. zwischen dem 18. Dezember 2012 und dem 18. Dezember 2017, praktisch ununterbrochen zumindest teilweise arbeitsunfähig gewesen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei sie auch in der Zeit, in welcher sie zu weniger als 70 % arbeitsunfähig gewesen ist, infolge ihrer Erkrankung aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen, die Schuld zu begleichen. Zudem sei sie lediglich im Tiefpreissegment im Service tätig gewesen und habe keine Berufsausbildung abgeschlossen. Die Vorinstanz habe das Vorliegen einer Notlage somit zu Unrecht verneint. 
 
6.4. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu prüfen, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Ausnahmesituation bzw. Notlage massgebend ist.  
 
6.4.1. Während das SEM auf den Entstehungszeitpunkt der Schuld abstellt, macht die Beschwerdeführerin geltend, es komme auf den Zeitpunkt des Verlustscheins, mithin die letzten fünf Jahre vor der Einreichung des Wiedereinbürgerungsgesuchs, an. Die Vorinstanz lässt diese Frage hingegen offen, da sie bereits das Vorliegen einer Notlage für die fünf Jahre vor Gesuchseinreichung verneint (vgl. nachfolgend E. 6.5.2).  
 
6.4.2. Grundsätzlich werden Schulden, die älter als fünf Jahre alt sind, im Verfahren betreffend die Wiedereinbürgerung nicht berücksichtigt. Werden dennoch Verlustscheine berücksichtigt, die allenfalls auf Jahrzehnte alten Schulden beruhen, soweit sie vor weniger als fünf Jahren ausgestellt wurden (vgl. E. 6.2 hiervor), so muss in solchen Fällen für die Beurteilung der Notlage ebenfalls auf den Zeitpunkt des neuen Verlustscheins und nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung der ursprünglichen Schuld abgestellt werden. Eine andere Betrachtungsweise würde denn auch die in der Praxis entwickelte Fünf-Jahresfrist hinfällig werden lassen und die Wiedereinbürgerung würde aufgrund eines Fehlverhaltens verweigert, das allenfalls Jahrzehnte zurückliegt.  
Wird für die Berücksichtigung der Verlustscheine auf die Ausstellung innerhalb der letzten fünf Jahre vor Gesuchseinreichung abgestellt, erscheint es folgerichtig, auch für die Beurteilung der Ausnahmesituation bzw. Notlage auf diesen Zeitraum abzustellen. 
 
6.5. Zu prüfen ist daher, ob sich die Beschwerdeführerin für den Zeitraum der letzten fünf Jahre vor Gesuchseinreichung (d.h. zwischen 18. Dezember 2012 und 18. Dezember 2017) auf eine Ausnahmesituation berufen kann.  
 
6.5.1. Gemäss verbindlicher und unbestrittener Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts war die Beschwerdeführerin bis 2010 erwerbstätig. Seit 2010 bezieht sie Leistungen des Sozialamtes Zürich und ist zu 100 % arbeitsunfähig. Seit dem Jahr 1991 leidet die Beschwerdeführerin an rezidivierenden depressiven Episoden. Bis 1995 hatte sie zwei Episoden, welche mehrere Monate dauerten. Ihre Verpflichtungen im privaten und beruflichen Leben konnte sie bis dahin gut bewältigen. Ab dem Jahr 1996 waren die depressiven Symptome ausgeprägter. Seit Beginn der Behandlung an der Psychiatrischen Poliklinik der Stadt Zürich im Oktober 2013 gestaltete sich die Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin wie folgt: 24. Oktober 2013 bis 27. März 2014 (70 %), 4. April 2014 bis 26. Juli 2016 (50 %), 17. Oktober 2016 bis 23. Januar 2017 (100 %), 24. Januar 2017 bis 23. März 2017 (50 %), 1. November 2017 bis 31. Januar 2018 (100 %), 1. Februar 2018 bis auf Weiteres (50 %).  
 
6.5.2. Das Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung, die geltend gemachte Arbeitsunfähigkeit könne nur in den Zeiträumen berücksichtigt werden, in denen die Beschwerdeführerin mindestens 70 bis 100 % arbeitsunfähig gewesen sei. Deshalb könne sie sich in den fünf Jahre vor Gesuchseinreichung nicht durchgehend auf eine Notlage berufen. Eine solche pauschale Sichtweise greift allerdings zu kurz. Es ist insbesondere auch miteinzubeziehen, wie sich die Erkrankung der Beschwerdeführerin auf ihre weiteren Lebensbereiche auswirkte und wie sich ihre Verdienstaussichten gestalteten.  
 
6.5.3. Laut Bericht der Psychiatrischen Poliklinik der Stadt Zürich vom 18. Juni 2018, welcher vom Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird, beeinträchtigte die Kraftlosigkeit in den depressiven Episoden nicht nur die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin deutlich, sondern es waren sämtliche Bereiche ihres Lebens (privat und beruflich) betroffen. Die depressiven Episoden der Beschwerdeführerin hatten somit in der fraglichen Zeitperiode von Dezember 2012 bis Dezember 2018 nachweislich Auswirkungen auf elementare Aspekte ihrer Lebensführung, wozu auch die Erfüllung von privaten Verpflichtungen, wie insbesondere von Zahlungsverpflichtungen, gezählt werden können.  
Die Beschwerdeführerin litt über Jahre hinweg an teils schweren depressiven Episoden und hat vor ihrer Sozialhilfeabhängigkeit überdies ohne Berufsausbildung in einer Niedriglohn-Branche - im Gastgewerbe - gearbeitet. Auch bei einer Arbeitsunfähigkeit von weniger als 70 % war sie damit gesundheitlich und finanziell offensichtlich nicht in der Lage, neben den Kosten für den Lebensunterhalt noch Schulden aus der Vergangenheit zurückzuzahlen und damit eine erneute Betreibung des Verlustscheins zu verhindern. Vor diesem Hintergrund ist bereits positiv zu bewerten, dass die Beschwerdeführerin trotz ihrer schwierigen Situation keine neuen Schulden angehäuft hat. 
Dass sich die Beschwerdeführerin erst während des laufenden Verfahrens um eine ratenweise Rückzahlung bemüht hat, gereicht ihr vor diesem Hintergrund nicht zum Nachteil. Im Übrigen ist anzumerken, dass die Vorinstanz ohnehin verpflichtet gewesen wäre, die von der Beschwerdeführerin behaupteten Anstrengungen zur Schuldentilgung bis zum Entscheidzeitpunkt zu berücksichtigen (vgl. BGE 135 II 369 E. 3.3; Urteil 2C_573/2019 vom 14. April 2020 E. 2.4). 
Ist die Beschwerdeführerin somit ihrer Verpflichtung zur Schuldentilgung unverschuldet nicht nachgekommen, kann ihr kein ungenügender finanzieller Leumund vorgeworfen werden. 
 
6.5.4. Hinzuweisen ist, dass das seit dem 1. Januar 2018 in Kraft getretene, neue Bürgerrecht für das Kriterium der Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Angleichung an das Ausländerrecht bei der Nichterfüllung von öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Verpflichtungen Mutwilligkeit voraussetzt (Art. 26 Abs. 1 lit. c BüG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. b der Verordnung über das Schweizer Bürgerrecht [BüV; SR 141.01]; Erläuternder Bericht des EJPD zum Entwurf zur Verordnung zum Bürgerrechtsgesetz vom April 2016, S. 10). Das erschwerende Merkmal der Mutwilligkeit setzt ein von Absicht, Böswilligkeit oder qualifizierter Leichtfertigkeit getragenes Verhalten voraus (vgl. Rechtsprechung zum im Ausländerrecht analogen Kriterium der Mutwilligkeit: Urteile 2C_89/2021 vom 28. Oktober 2021 E. 2.1.2; 2C_81/2018 vom 14. November 2018 E. 3.2.2; 2C_789/2017 vom 7. März 2018 E. 3.3.1). Eine solche Mutwilligkeit könnte der Beschwerdeführerin vorliegend ohnehin nicht unterstellt werden. Insbesondere fehlt jeder Hinweis darauf, dass sie ihrer Zahlungsverpflichtung aus bösem Willen oder qualifizierter Leichtfertigkeit nicht nachgekommen wäre.  
 
6.6. Zusammenfassend ist es bundesrechtswidrig, den guten finanziellen Leumund der Beschwerdeführerin allein deshalb zu verneinen und ihre Wiedereinbürgerung zu verweigern, weil ein Verlustschein in der Höhe von Fr. 19'159.30 ausgestellt wurde, ohne die Auswirkungen der über Jahrzehnte hinweg bestehenden Krankheit auf weitere als nur die beruflichen Lebensbereiche sowie die Erwerbstätigkeit im Niedriglohn-Bereich angemessen zu berücksichtigen.  
 
7.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen. Das angefochtene Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 17. März 2022 ist aufzuheben und die Angelegenheit zur unverzüglichen Fortsetzung des Verfahrens an das SEM zurückzuweisen. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Hingegen hat das SEM der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Entschädigung zu bezahlen (Art. 68 BGG), wobei die Entschädigung der Rechtsvertreterin auszurichten ist. Die Sache ist zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorangegangenen Verfahrens an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen (Art. 67 e contrario und Art. 68 Abs. 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 17. März 2022 wird aufgehoben und die Angelegenheit zur unverzüglichen Fortsetzung des Verfahrens an das Staatssekretariat für Migration zurückgewiesen. 
 
2.  
Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Das Staatssekretariat für Migration hat der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorangegangenen Verfahrens wird die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Staatssekretariat für Migration und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung VI, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. November 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dillier