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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_697/2021  
 
 
Urteil vom 20. Januar 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Guido E. Urbach und/oder Patrick Schönenberger, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Schweizerische Eidgenossenschaft, 
vertreten durch die Eidgenössische Zollverwaltung EZV, Abteilung Finanzen, Taubenstrasse 16, 3003 Bern, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Betreibungsamt Bern-Mittelland, 
Dienststelle Mittelland, 
Poststrasse 25, 3072 Ostermundigen. 
 
Gegenstand 
Arrestvollzug, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 17. August 2021 (ABS 21 201, ABS 21 209). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am 31. Mai 2021 erliess die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) gegen A.________ eine Sicherstellungsverfügung bezüglich gefährdeter Forderungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Umfang von Fr. 1'103'960.15. Gleichzeitig wurde über das Sachkonto Nr. xxx bei der Eidgenössischen Zollverwaltung, Abteilung Finanzen, für Einfuhrsteuern plus Zinsen von total Fr. 1'103'960.15 Arrest gelegt. A.________ focht die Sicherstellungsverfügung beim Bundesverwaltungsgericht an.  
 
A.b. Das mit dem Vollzug des Arrestes beauftragte Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, zeigte der EZV am 2. Juni 2021 den Vollzug des Arrestes an.  
 
A.c. Die am 9. Juni 2021 erstellte und am 11. Juni 2021 korrigierte Arresturkunde Nr. yyy wurde A.________ am 11. Juni 2021 zugestellt bzw. am 15. Juni 2021 per Mail übermittelt und am 22. Juni 2021 postalisch zugestellt.  
 
B.  
Mit Eingaben vom 25. Juni 2021 und 2. Juli 2021 gelangte A.________ an das Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen. Er beantragte die Feststellung, dass die Arresturkunde Nr. yyy nichtig sei sowie die Aufhebung des Arrestbeschlags. Mit Entscheid vom 17. August 2021 trat das Obergericht auf die beiden Beschwerden nicht ein. 
 
C.  
A.________ hat am 30. August 2021 Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht, den obergerichtlichen Entscheid aufzuheben und die Nichtigkeit des Arrestvollzugs vom 2. Juni 2021 festzustellen. Eventualiter sei die Arresturkunde bzw. der Arrestbefehl aufzuheben und der Arrestbeschlag über das Sachkonto unverzüglich aufzuheben. Subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese auf seine Beschwerde gemäss den genannten Anträgen eintrete. 
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde am 1. September 2021 abgewiesen. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, indes keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den vorinstanzlichen Entscheid ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben (Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Der im kantonalen Verfahren unterlegene Beschwerdeführer ist als Arrestschuldner vom angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung. Insoweit ist er zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur soweit zulässig, als erst der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher auszuführen ist (BGE 133 III 393 E. 3).  
 
2.  
Anlass zur Beschwerde gibt der Arrestvollzug, der gestützt auf eine Sicherstellungsverfügung der EZV vom Betreibungsamt Bern-Mittelland gegenüber dem Beschwerdeführer als Schuldner erfolgte. 
 
2.1. Die EZV ist zum Erlass einer Sicherstellungsverfügung berechtigt, sofern eine Zollforderung als gefährdet erscheint. Dies kann der Fall sein, wenn der Zollschuldner mit der Zahlung in Verzug ist oder keinen Wohnsitz in der Schweiz hat, oder wenn er Anstalten trifft, den Wohn- oder Geschäftssitz oder die Betriebsstätte in der Schweiz aufzugeben oder sich im schweizerischen Handelsregister löschen zu lassen (Art. 76 Abs. 2 und 3 des Zollgesetzes vom 18. März 2005; ZG, SR 631.0). Die Sicherstellungsverfügung ist einem gerichtlichen Urteil im Sinne von Art. 80 SchKG gleichgestellt. Sie gilt als Arrestbefehl gemäss Art. 274 SchKG und ist sofort vollstreckbar. Die Einsprache gegen den Arrestbefehl ist ausgeschlossen. Hingegen kann er mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Art. 81 Abs. 3 ZG).  
 
2.2. Im vorliegenden Fall erliess die EZV am 31. Mai 2021 eine Sicherstellungsverfügung gegen den Beschwerdeführer für gefährdete Forderungen, nämlich Einfuhrsteuern im Sinne von Art. 50 MWSTG inklusive aufgelaufener Zinsen in der Höhe von insgesamt Fr. 1'103'960.15. Mit Arrest belegt wurde das Sachkonto Nr. xxx bei der EZV, auf welchem sich laut Sicherstellungsverfügung die von A.________ an die EZV überwiesenen Beträge befinden. Der Arrestvollzug erfolgte am 2. Juni 2021 durch das Betreibungsamt Bern-Mittelland, welches in der Arresturkunde den gepfändeten Gegenstand als "Sachkonto Nr. xxx der EZV" unter Hinweis darauf bezeichnet hat, dass die (in den Akten liegende) Anzeige der Verarrestierung der Forderung (Art. 99 und Art. 275 SchKG) an die EZV als Schuldnerin erfolgt sei.  
 
3.  
Die Vorinstanz ist zum Schluss gekommen, dass die vorgebrachten Rügen im Rahmen einer Beschwerde nach Art. 17 SchKG nicht geprüft werden könnten. Es sei Sache des Bundesverwaltungsgerichts, zum Arrestgrund und dem Vorliegen eines Arrestgegenstandes Stellung zu nehmen, da diese Fragen die Sicherstellungsverfügung betreffen. Als Aufsichtsbehörde stehe ihr einzig die Überprüfung des Arrestvollzugs zu. Das Betreibungsamt habe diesen ohne eigene materielle Kognition vorzunehmen, soweit keine offensichtlichen Nichtigkeitsgründe vorliegen. Dies sei im Hinblick auf die strittige wirtschaftliche Berechtigung an den zu verarrestierenden Forderungen auf dem Sachkonto des Beschwerdeführers bei der EZV nicht der Fall. 
 
4.  
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt unrichtig festgestellt und Bundesrecht falsch angewendet. Im Einzelnen kritisiert er, dass sein Wohnsitz in der Schweiz verneint werde und bestreitet das Vorliegen eines zulässigen Arrestgrundes sowie eines tauglichen Arrestgegenstandes. 
 
4.1. Bezüglich seines Wohnsitzes schildert der Beschwerdeführer in ausführlicher Weise die Umstände, aus welchen sich seit dem 2. Februar 2017 sein Lebensmittelpunkt in U.________/ZH ergebe und bringt vor, dass er dort seither steuerpflichtig sei. Die Vorinstanz habe seinen schweizerischen Wohnsitz zu Unrecht verneint, ohne die Gründe hiefür darzulegen und sich mit seinen entsprechenden Vorbringen auseinanderzusetzen. Der angefochtene Entscheid gebe Anlass zur vertieften Auseinandersetzung mit der Wohnsitzfrage, weshalb neue bzw. ergänzende Beweismittel angebracht werden.  
 
4.1.1. In der Tat hat sich die Vorinstanz zum Vorwurf des Beschwerdeführers, der Sachverhalt treffe nicht zu, da er seinen Wohnsitz nicht im Ausland, sondern in U.________/ZH habe, nicht materiell geäussert. Sie hat seine entsprechenden Vorbringen als ungenügend erachtet, um aufgrund einer allfällig falschen Sachverhaltsfeststellung eine Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit zu erblicken.  
 
4.1.2. Inwiefern die vorinstanzliche Betrachtungsweise nicht zutreffen sollte, begründet der Beschwerdeführer nicht. Er begnügt sich mit der Schilderung seiner Sicht des Sachverhaltes, ohne dessen Bedeutung für die entscheidwesentlichen Fragen aufzuzeigen. Insbesondere scheint der Beschwerdeführer zu übergehen, dass die EZV zwar aufgrund eines Wohnsitzes im Ausland die Sicherstellung ihrer Forderungen anordnen kann, die Zollgesetzgebung hierzu aber noch weitere Gründe vorsieht. Im konkreten Fall geht aus der Sicherstellungsverfügung nicht nur hervor, dass der Beschwerdeführer Wohnsitz im Ausland hat. Erwähnt wird darin auch, dass der Beschwerdeführer mit der Zahlung des rechtskräftigen Teils der Forderungen im Verzug ist und es für die Gesamtforderung an einem Zollpfand fehlt. Ob einer dieser gesetzlichen Sicherstellungsgründe gegeben ist, bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Es liegt in der ausschliesslichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, über die Gesetzmässigkeit der Sicherstellungsverfügung zu befinden. Ob im konkreten Fall kein zulässiger Arrestgrund im Sinne von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG vorliegt, wie der Beschwerdeführer behauptet, ist nicht zu erörtern, denn die Sicherstellungsverfügung bestimmt - wie erwähnt - über den Arrestgrund und gilt als Arrestbefehl.  
 
4.2. Aufgrund der Sicherstellungsverfügung der EZV belegte das Betreibungsamt das bei ihr bestehende Sachkonto Nr. xxx, lautend auf das Guthaben der im Namen des Beschwerdeführers an die EZV überwiesenen Geldbeträge mit Arrest. Strittig ist die wirtschaftliche Berechtigung an den Forderungen auf diesem Konto.  
 
4.2.1. Es können nur Vermögenswerte des Schuldners mit Arrest belegt werden (Art. 271 Abs. 1 SchKG). Dazu gehören nebst körperlichen Gegenständen auch Immaterialgüterrechte und Forderungen. Ebenso sind Vermögenswerte des Schuldners, die nur formell auf fremdem Namen lauten, verarrestierbar (KREN KOSTKIEWICZ, in: Schulthess Kommentar SchKG, 2017, N. 37 ff., 39 zu Art. 271; STOFFEL, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 2021, N. 46 zu Art. 271). Treuhänderisch gehaltene Vermögenswerte können nur unter gewissen Bedingungen (wie Strohmannverhältnis) mit Arrest belegt werden (BGE 126 III 95 E. 4; VOCK/MEISTER-MÜLLER, SchKG-Klagen [...], 2. Aufl. 2018, S. 300/301).  
 
4.2.2. Nach Ansicht der Vorinstanz ist unklar, wem die Forderungen auf dem Konto bei der EZV "wirtschaftlich" zustehen. Vor der Aufsichtsbehörde hat die EZV erklärt, es handle sich um ein Guthaben des Beschwerdeführers, welches sie mangels Rechtsgrund nicht vereinnahmen könne. Die Vorinstanz bezieht die Unklarheit auf die Frage, ob der Beschwerdeführer eine (Rück-) Forderung gegenüber der EZV habe. Es könne nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer offensichtlich keine Berechtigung habe. Das Betreibungsamt habe den Vollzug des Arrestes nicht verweigern dürfen. Ob die Forderungen auf dem Sachkonto bei der EZV einen tauglichen Arrestgegenstand darstellen, könne einzig vom Bundesverwaltungsgericht beurteilt werden. Damit könne auf die Rügen des Beschwerdeführers gegen die Verarrestierung der Forderungen nicht eingetreten werden.  
 
4.2.3. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz Nichtigkeit vor, da sie den Arrestvollzug für einen Gegenstand zugelassen haben, der ihm nicht gehöre. Dabei betont er, das Sachkonto bei der EZV laute auf deren Namen und er sei daran nicht berechtigt. Die sich darauf befindenden Guthaben könnten nicht verarrestiert werden, weil sie bereits in das Vermögen der EZV übergangen seien. Die Forderung "befinde" sich bereits bei der Gläubigerin und eine "Eigen-Arrestlegung" bzw. Verarrestierung ohne Sicherungswirkung sei per se nichtig.  
 
4.2.4. Diesem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, weshalb die Vorinstanz als kantonale Aufsichtsbehörde sich mit der Frage nach der Tauglichkeit des Arrestobjekts hätte befassen sollen. Damit übergeht der Beschwerdeführer, dass dem Betreibungsamt keine Prüfung der materiellen Voraussetzungen des Arrestes zusteht, auch dann nicht, wenn ein Gläubiger - was nicht ausgeschlossen ist - die Verarrestierung einer Forderung, deren Schuldner er ist, verlangt hat (vgl. BGE 137 III 625 E. 4). Weshalb der Arrestvollzug nichtig sein sollte (vgl. dazu BGE 142 III 348 E. 3.1), ist nicht ersichtlich.  
 
4.3. Nach dem Gesagten erwächst der Vorinstanz kein Vorwurf, wenn sie auf die verschiedenen Rügen des Beschwerdeführers gegen die Sicherstellungsverfügung nicht eingetreten ist. Ebenso durfte sie ohne Verletzung von Bundesrecht die Nichtigkeit des Arrestvollzugs verneinen.  
 
5.  
Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit sie den gesetzlichen Begründungsanforderungen genügt. Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. Januar 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante