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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6A.12/2004 /kra 
 
Urteil vom 18. Juni 2004 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Zünd, 
Gerichtsschreiber Schönknecht. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Gert Wiedersheim, 
 
gegen 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, Militärstrasse 36, Postfach, 8021 Zürich. 
 
Gegenstand 
Entzug des Führerausweises (Warnungsentzug), 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 1. Abteilung, vom 24. September 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ lenkte seinen Personenwagen am Samstag, den 24. Februar 2001, um ca. 9.35 Uhr auf der Autobahn A1 in Richtung St. Gallen, obwohl er eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.18 0/00 aufwies und letztmals am Freitag, den 23. Februar 2001, von ca 5.00 bis 7.00 Uhr geschlafen hatte. Kurz nach dem Dreieck Zürich Ost schloss er unter Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h bis auf eine Wagenlänge zu einem vor ihm fahrenden Patrouillenfahrzeug der Kantonspolizei Zürich auf und behielt diesen Abstand über eine Strecke von 500 m bei. 
B. 
Die Direktion für Soziales und Sicherheit, Strassenverkehrsamt, entzog X.________ wegen dieses Vorfalls am 6. Dezember 2001 den Führerausweis für die Dauer von fünf Monaten. Sie berücksichtigte insbesondere, dass ihm der Führerausweis bereits im Juli 1997 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung für einen Monat entzogen worden war. 
Der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wiesen die von X.________ gegen die Entzugsverfügung erhobenen Rechtsmittel am 2. April 2003 bzw. am 24. September 2003 ab. 
C. 
X.________ erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die Dauer des verfügten Ausweisentzugs sei angemessen, höchstens aber auf drei Monate, herabzusetzen. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde und verzichtet im Übrigen auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ihm aufgrund seines Verhaltens der Führerausweis entzogen werden muss. Er macht jedoch geltend, die von der Vorinstanz bestätigte Entzugsdauer von fünf Monaten verletze Bundesrecht und sei daher herabzusetzen. 
1.1 Nach Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG beträgt die Dauer des Führerausweisentzugs mindestens zwei Monate, wenn der Lenker in angetrunkenem Zustand gefahren ist. Darüber hinaus ist die Dauer nach den Umständen festzusetzen (Art. 17 Abs. 1 SVG). Massgebend für die Bemessung sind vor allem die Schwere des Verschuldens, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen (Art. 33 Abs. 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976 [VZV; SR 741.51]). Alle Umstände sind dabei gesamthaft zu würdigen, und es ist im Einzelfall die Entzugsdauer so festzusetzen, dass die mit der Massnahme beabsichtigte erzieherische und präventive Wirkung am besten erreicht wird. Den kantonalen Behörden steht bei der Bemessung der Entzugsdauer ein weiter Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn dieses Ermessen überschritten oder missbraucht wurde. Dies ist namentlich der Fall, wenn die kantonalen Behörden einzelne Umstände zu Unrecht ganz ausser Acht lassen oder in einer unhaltbaren Weise gewichten (BGE 128 II 173 E. 4b). 
1.2 Zunächst wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Beurteilung im angefochtenen Entscheid, sein Verschulden müsse als erheblich eingestuft werden. Die Vorinstanz lasse dabei ausser Acht, dass sich keine weiteren Personen in seinem Wagen befunden hätten, seine Fahrt nicht zu einer Hauptverkehrszeit stattgefunden habe und er aufgrund seiner Fahrroutine trotz Müdigkeit und Angetrunkenheit die Herrschaft über sein Fahrzeug behalten habe. 
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat sich das Verwaltungsgericht mit den entsprechenden Vorbringen einzeln auseinander gesetzt. Nicht stichhaltig ist folglich der Einwand, das Gericht habe diese als unzulässige Noven behandelt und damit § 52 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich willkürlich angewendet. Mit überzeugenden Argumenten gelangt die Vorinstanz vielmehr zum zutreffenden Schluss, dass die fraglichen Umstände sein Verschulden nicht zu mildern vermögen. Denn auch ohne, dass er Passagiere mitführte, und trotz seiner Fahrroutine, gefährdete er zum Tatzeitpunkt eine Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer. Auf die entsprechenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid kann verwiesen werden. Sodann kann im Umstand, dass sich der Beschwerdeführer während der ärztlichen Untersuchung kooperativ zeigte, noch kein Zeichen besonderer Einsicht und Reue gesehen werden. Auch insoweit erscheint seine Tat folglich nicht in milderem Licht, weshalb die Vorinstanz ihr Ermessen nicht überschritten hat, wenn sie sein Verschulden als erheblich einstufte. 
1.3 Dass der automobilistische Leumund des Beschwerdeführers vom Verwaltungsgericht massnahmeerhöhend gewürdigt wurde, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Denn zum Tatzeitpunkt lag der einmonatige Führerausweisentzug wegen Geschwindigkeitsüberschreitung lediglich etwas mehr als dreieinhalb Jahre zurück, was zeigt, dass sich der Beschwerdeführer von dieser Massnahme nicht genügend hat warnen lassen. Sein diesbezüglicher Einwand geht daher fehl. 
1.4 Sodann beanstandet der Beschwerdeführer, aus dem angefochtenen Entscheid gehe nicht hervor, in welchem Umfang seine berufliche Massnahmeempfindlichkeit zu seinen Gunsten gewichtet worden sei. 
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei der Prüfung der Massnahmeempfindlichkeit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen und deshalb zu berücksichtigen, in welchem Masse der Fahrzeugführer infolge beruflicher Angewiesenheit auf ein Motorfahrzeug stärker als andere Fahrer vom Entzug des Führerausweises betroffen ist (BGE 128 II 285 E. 2.4 mit Hinweisen). 
Der Beschwerdeführer ist als Einsatzleiter in einem Reinigungsunternehmen tätig. In dieser Funktion transportiert er mehrmals täglich Reinigungsequipen und Material zum jeweiligen Einsatzort im Grossraum Zürich. Eine Angewiesenheit auf ein Motorfahrzeug ist damit zu bejahen. Dies anerkennt auch die Vorinstanz. Zwar hält sie nicht in Zahlen oder Prozenten fest, um wie viel die Dauer des Führerausweisentzugs aus diesem Grund herabzusetzen ist. Trotzdem ist nachvollziehbar, wie das Verwaltungsgericht den fraglichen Umstand gewichtet hat. So erhellt aus den entsprechenden Erwägungen, dass das Gericht eine erhöhte Massnahmeempfindlichkeit annimmt, diese aber weniger stark massnahmemindernd veranschlagt, als dies bei einem Berufschauffeur der Fall wäre. Dies ist durchaus vertretbar, denn durch den Führerausweisentzug wird dem Beschwerdeführer die Ausübung seines Berufes nicht verboten (vgl. Entscheid des Kassationshofs vom 15. August 1989, 6A.92/1989, E. 4, veröffentlicht in Pra 1990 Nr. 150). Damit sind die bundesrechtlichen Anforderungen an die Begründung des Massnahmeentscheids erfüllt, weshalb sich die Beschwerde auch in Bezug auf diesen Punkt als unbegründet erweist (zur analogen Problematik bei der Strafzumessung vgl. BGE 127 IV 101 E. 2c). 
1.5 Alsdann sprechen nach Auffassung des Beschwerdeführers weitere, in Art. 33 Abs. 2 VZV nicht genannte Umstände für eine kürzere Entzugsdauer. So drohten ihm bei einem Führerausweisentzug die Entlassung und damit die Arbeitslosigkeit. Das Verwaltungsgericht hat diesem Einwand zu Recht keine Bedeutung beigemessen. Denn selbst wenn der Beschwerdeführer bei einem fünfmonatigen Entzug seine heutige Stelle verlieren würde - das entsprechende Schreiben der Arbeitgeberin vom 18. Dezember 2001 ist diesbezüglich nicht absolut schlüssig - steht keineswegs fest, dass die Kündigung bei einer Herabsetzung der Massnahmedauer auf die beantragten drei Monate unterbliebe. Sodann ist völlig offen, ob der Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung tatsächlich arbeitslos würde. Umstände, die den Beschwerdeführer bei einer fünfmonatigen Entzugsdauer übermässig hart treffen würden, sind nicht ersichtlich (vgl. BGE 128 II 173 E. 4f). 
1.6 Nicht mit Bundesrecht vereinbar ist nach Auffassung des Beschwerdeführers überdies der Umstand, dass die Vorinstanz die Verfahrensdauer nicht massnahmemindernd berücksichtigt hat. 
Das Bundesgericht hat eine Verkürzung der Entzugsdauer in Ausnahmefällen für möglich erklärt, wenn das Verfahren verhältnismässig lange gedauert hat, der Betroffene sich während dieser Zeit wohl verhalten hat und ihn an der langen Verfahrensdauer keine Schuld trifft (BGE 120 Ib 504 E. 4e). Ob das Verfahren als überlang zu gelten hat, ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, wobei die strafrechtlichen Verjährungsregeln sinngemäss beizuziehen sind (BGE 127 II 297 E. 3d). Das Bundesgericht hat im Falle einer groben Verkehrsregelverletzung eine Dauer des kantonalen Verfahrens von fünf Jahren als überlang erachtet (BGE 120 Ib 504 E. 3), im Falle einer blossen Übertretung schon eine solche von viereinhalb Jahren (BGE 127 II 297 E. 3d). 
Der Beschwerdeführer ist unter anderem wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand (Art. 91 Abs. 1 SVG), mithin wegen eines Vergehens, verurteilt worden. Nachdem das Verfahren vom massnahmeauslösenden Ereignis bis zum letztinstanzlichen Entscheid zwei Jahre und sieben Monate gedauert hat, liegt dessen Dauer damit noch deutlich unter der Schwelle, ab welcher die Entzugsdauer nach der Rechtsprechung zu kürzen ist. Auch insoweit ist der vorinstanzliche Entscheid daher nicht zu beanstanden. 
1.7 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er durch seine Verkehrsregelverletzungen mehrere Entzugsgründe gesetzt hat und die Dauer der Administrativmassnahme für die schwerste Widerhandlung demnach in analoger Anwendung von Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 StGB angemessen zu erhöhen ist (vgl. BGE 122 II 180 E. 5b mit Hinweisen). Indessen macht er geltend, die Vorinstanz hätte gestützt auf die Richtlinie der Abteilung für Administrativmassnahmen des Strassenverkehrsamtes des Kantons Zürich vom 11. Dezember 2001 zur Massnahmepraxis bei Fahren in angetrunkenem Zustand von einer maximalen Gesamtentzugsdauer von viereinhalb Monaten ausgehen müssen. Indem das Verwaltungsgericht den fünfmonatigen Ausweisentzug bestätige, wende es die Richtlinie willkürlich an. 
Bei der Richtlinie des Strassenverkehrsamtes handelt es sich um eine Verwaltungsverordnung. Diese im Dienste rechtsgleicher Gesetzesanwendung erlassenen Bestimmungen sind für den Richter nicht verbindlich. Er soll sie bei seiner Entscheidung jedoch mitberücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen (BGE 122 V 19 E. 5b bb). 
Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, laut Richtlinie wäre für das Fahren in angetrunkenem Zustand ein Ausweisentzug von drei Monaten anzuordnen gewesen. Gemäss Art. 68 StGB könne diese Dauer um maximal die Hälfte - mithin auf viereinhalb Monate - erhöht werden. Ob in casu für das Fahren in angetrunkenem Zustand in der Tat drei Monate zu veranschlagen sind, kann offen bleiben. Denn der Beschwerdeführer verkennt, dass gemäss Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 Satz 2 StGB nur das Höchstmass der angedrohten Strafe um nicht mehr als die Hälfte erhöht werden darf. Wie er selbst ausführt, kennen die bundesrechtlichen Bestimmungen zum Führerausweisentzug keine Maximalentzugsdauern. Solche stellen aber auch die in der kantonalen Verwaltungsverordnung aufgeführten Richtwerte nicht dar. Sie sollen vielmehr die tatsächlich auszusprechende Massnahmedauer bestimmen. Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 Satz 2 StGB kann auf sie daher nicht analog angewendet werden. Damit ergibt sich aus der Richtlinie keine maximale Gesamtentzugsdauer, weshalb sein Einwand, die Vorinstanz sei insofern willkürlich von der Verordnung abgewichen, nicht stichhaltig ist. 
1.8 Auch bei gesamthafter Würdigung aller Umstände liegt die von den kantonalen Instanzen festgesetzte Entzugsdauer noch innerhalb des vom Bundesrecht gewährten Ermessensspielraums. So hielt das Bundesgericht im Fall eines Lenkers, der nach fünf Jahren und neun Monaten wiederum in angetrunkenem Zustand gefahren war (BAK von 1.28 0/00), daneben aber keine weiteren Verkehrsregelverletzungen begangen hatte, eine Entzugsdauer von vier Monaten für angemessen, obwohl er ebenfalls stark auf ein Fahrzeug angewiesen war (vgl. BGE 124 II 44 E. 2). Nachdem der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht nur angetrunken, sondern auch stark übermüdet gefahren ist und überdies Abstandsvorschriften missachtet hat, erscheint eine Bestätigung der fünfmonatigen Entzugsdauer als mit der bisherigen Praxis des Kassationshofs vereinbar. 
2. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach abzuweisen. Dementsprechend wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, sowie dem Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 18. Juni 2004 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: