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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1452/2019  
 
 
Urteil vom 25. September 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiberin Bianchi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Lukas Bosshard, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Erster Staatsanwalt, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Fahrlässige Führerflucht, Verletzung des Anklagegrundsatzes, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer, vom 20. November 2019 (SK1 19 30). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 29. Juli 2017 kam es zwischen A.________ und B.________ zu einem Verkehrsunfall. A.________ setzte mit seinem Auto auf der Geraden bei der Örtlichkeit U.________ zum Überholen des vor ihm fahrenden Motorrads von B.________ und eines Personenwagens mit Wohnanhänger an. Kurz bevor sich A.________ auf der Höhe von B.________ befand, setzte B.________ ebenfalls zu einem Überholmanöver an und es kam zu einer seitlichen Kollision. A.________ setzte die Fahrt fort, ohne für Hilfe zu sorgen oder die Polizei zu benachrichtigen. B.________ zog sich einen Schlüsselbeinbruch und seine Beifahrerin eine Ellbogenfraktur zu. 
 
B.   
Die Staatsanwaltschaft Graubünden sprach A.________ mit Strafbefehl vom 30. Juli 2018 der Führerflucht gemäss Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 92 Abs. 2 SVG schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 230.-- unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren und einer Busse von Fr. 900.--. 
 
C.   
Das Regionalgericht Albula sprach A.________ am 25. April 2019 der fahrlässigen Führerflucht im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 92 Abs. 2 SVG schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je Fr. 230.-- unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren und einer Busse von Fr. 450.--. 
 
D.   
Mit Urteil vom 20. November 2019 sprach das Kantonsgericht Graubünden A.________ der fahrlässigen Führerflucht im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 92 Abs. 2 SVG schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je Fr. 230.-- unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren. 
 
E.   
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und er sei vollumfänglich freizusprechen. Eventualiter beantragt er, er sei wegen Art. 92 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 51 SVG zu verurteilen und mit einer Busse von Fr. 450.-- zu bestrafen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung des Anklagegrundsatzes. Die Anklageschrift enthalte keine Feststellungen bezüglich der Intensität des Zusammenpralls, des durch den Zusammenprall verursachten Lärm und dessen Relation zum Hintergrundlärm, allfälliger Erschütterungen sowie der individuellen Wahrnehmung durch den Beschwerdeführer.  
 
1.2. Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden (Immutabilitätsprinzip), nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde (vgl. Art. 350 StPO). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Das Akkusationsprinzip bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 143 IV 63 E. 2.2 S. 65; 141 IV 132 E. 3.4.1 S. 142 f.; 140 IV 188 E. 1.3 S. 190; je mit Hinweisen). Die beschuldigte Person muss unter dem Gesichtspunkt der Informationsfunktion aus der Anklage ersehen können, wessen sie angeklagt ist. Das bedingt eine zureichende Umschreibung der Tat. Entscheidend ist, dass der Betroffene genau weiss, welcher konkreter Handlungen er beschuldigt und wie sein Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit er sich in seiner Verteidigung richtig vorbereiten kann. Er darf nicht Gefahr laufen, erst an der Gerichtsverhandlung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert zu werden (BGE 143 IV 63 E. 2.2 S. 65; Urteile 6B_406/2020 vom 20. August 2020 E. 1.1; 6B_386/2020 vom 14. August 2020 E. 5; je mit Hinweisen).  
Nach langjähriger Rechtsprechung muss klar sein, ob der angeklagten Person Fahrlässigkeit oder vorsätzliche Begehung vorgeworfen wird, denn beide Varianten verlangen durchaus ein unterschiedliches Vorgehen der Verteidigung (BGE 120 IV 348 E. 3.c S. 356; Urteile 6B_654/2019 vom 12. März 2020 E. 1.3; 6B_1142/2019 vom 2. März 2020 E. 3.1). Handelt es sich um ein Fahrlässigkeitsdelikt, hat die Anklageschrift insbesondere die gesamten Umstände anzugeben, nach welchen das Verhalten der beschuldigten Person als pflichtwidrige Unvorsichtigkeit erscheint und inwieweit der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolges für die beschuldigte Person voraussehbar und vermeidbar war (BGE 120 IV 348 E. 3.c S. 356; Urteile 6B_638/2019 vom 17. Oktober 2019 E. 1.4.2; 6B_434/2019 vom 5. Juli 2019 E. 2.1; je mit Hinweisen). 
 
1.3. In der Anklageschrift wird der Ablauf des Zusammenstosses umschrieben und festgehalten, der Beschwerdeführer habe seine Fahrt fortgesetzt, obwohl er die Kollision bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit habe wahrnehmen müssen. Er habe die Unfallstelle verlassen, ohne für Hilfe zu sorgen oder die Polizei zu benachrichtigen, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen sei. Aus dem in der Anklageschrift beschriebenen Unfallhergang, Schadensbild sowie erhobenen Vorwurf, wonach er bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit die Kollision hätte wahrnehmen müssen, konnten beim Beschwerdeführer keine Zweifel daran bestehen, dass ihm Fahrlässigkeit vorgeworfen wird. Dass die Anklageschrift weder die Geräuschkulisse noch die Intensität der Kollision umschreibt, schränkt die Informationsfunktion der Anklageschrift nicht ein. Für den Beschwerdeführer war es ohne Weiteres erkennbar, dass gegen ihn der Vorwurf der fahrlässigen Führerflucht erhoben wird, so dass er in der Lage war, seine Verteidigungsrechte angemessen wahrzunehmen. Die Kritik des Beschwerdeführers erweist sich als unbegründet.  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt willkürlich festgestellt und den Grundsatz "in dubio pro reo" (Art. 10 Abs. 3 StPO) missachtet.  
 
2.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244 mit Hinweisen). Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 145 IV 154 E. 1.1 S. 156; 143 IV 500 E. 1.1 S. 503). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.1 - 2.2.3.3 S. 348 ff.; 143 IV 500 E. 1.1 S. 503; je mit Hinweisen). Eine entsprechende Rüge muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 145 IV 154 E. 1.1 S. 155 f.; 143 IV 500 E. 1.1 S. 503).  
 
2.3. Die Vorinstanz kommt gestützt auf das Schadensbild des Fahrzeuges zum Schluss, dass die Kollision für den Beschwerdeführer wahrnehmbar gewesen sei. Aus den Beulen sowie Kratzern auf der rechten Fahrzeugseite ergebe sich ein Zusammenstoss von nicht unerheblicher Intensität. Das Fahrzeug des Beschwerdeführers weise insbesondere Beschädigungen an der Vorderseite des Rückspiegels und der vorderen Fahrertüre aus, weswegen davon auszugehen sei, dass das Motorrad für den Beschwerdeführer auch visuell wahrnehmbar gewesen sei.  
Der Beschwerdeführer vermag mit seinem Hinweis auf die sich aus den Motorengeräuschen und der Schallreflexion durch die Steinwand am Strassenrand ergebenden Geräuschkulisse die vorinstanzlichen Erwägungen nicht in Frage zu stellen. Entgegen seinen Ausführungen ist nicht ausschlaggebend, inwiefern er die Kollision hören konnte. Wesentlich ist vorliegend, ob der Zusammenstoss aufgrund der Intensität und der Position der Fahrzeuge wahrnehmbar war. Die Vorinstanz hat diese Fragen willkürfrei bejaht. 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 51 Abs. 2 SVG und Art. 92 Abs. 2 SVG. Er macht geltend, der Tatbestand der Führerflucht könne nicht fahrlässig begangen werden. Es ergebe sich aus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Norm, dass ausschliesslich die vorsätzliche Führerflucht von Art. 92 Abs. 2 SVG erfasst werde. Mit Verweis auf die kantonale Rechtsprechung (Urteil des Obergerichts des Kantons Bern Nr. 348/I/2003 vom 15. Januar 2004) macht er geltend, die in Art. 92 Abs. 2 SVG verwendeten Begriffe "Ergreift" und "Flucht" wiesen auf einen bewussten Entschluss des Fahrzeugführers hin, sich vom Unfallort zu entfernen. Mit Bezug auf die Botschaft (BBl 1955 II S. 63) bringt er vor, der Gesetzgeber habe mit der hohen Strafandrohung der verwerflichen Gesinnung desjenigen, der sich der Strafe und den übrigen Folgen des Unfalls entziehen wolle, begegnen wollen. Da man sich nicht fahrlässig einer Strafe und den übrigen Folgen entziehen wollen könne, sei eine fahrlässige Begehung nicht möglich.  
 
3.2. Gemäss Art. 92 SVG (Pflichtwidriges Verhalten bei Unfall) wird mit Busse bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt (Abs. 1). Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift (Abs. 2). Die Flucht setzt immer voraus, dass das Entfernen vom Unfallort pflichtwidrig im Sinne von Art. 51 SVG ist (Urteil 6B_575/2018 vom 22. November 2018 E. 2.5 mit Hinweis). Art. 51 Abs. 2 SVG schreibt das folgende Verhalten bei Unfällen vor: Sind Personen verletzt, so haben alle Beteiligten für Hilfe zu sorgen, Unbeteiligte, soweit es ihnen zumutbar ist. Die Beteiligten, in erster Linie die Fahrzeugführer, haben die Polizei zu benachrichtigen. Alle Beteiligten, namentlich auch Mitfahrende, haben bei der Feststellung des Tatbestandes mitzuwirken. Ohne Zustimmung der Polizei dürfen sie die Unfallstelle nur verlassen, soweit sie selbst Hilfe benötigen, oder um Hilfe oder die Polizei herbeizurufen.  
Nach Art. 100 Ziff. 1 SVG gilt, dass neben der vorsätzlichen stets auch die fahrlässige Handlung strafbar ist, sofern es das SVG nicht ausdrücklich anders bestimmt. Fahrlässig handelt, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB). 
 
3.3.  
 
3.3.1. Das Bundesgericht hat bereits in BGE 93 IV 43 E. 2 unter Berücksichtigung des Wortlauts sowie Sinn und Zweck von Art. 92 Abs. 2 SVG festgehalten, dass Führerflucht auch fahrlässig begangen werden kann. Es verwies insbesondere auf die fehlende Einschränkung auf eine vorsätzliche Begehung in Verbindung mit Art. 100 Ziff. 1 SVG und verfolgte einen rechtsvergleichenden Ansatz (BGE 93 IV 43 E. 2c S. 45 f.). Betreffend Sinn und Zweck von Art. 92 Abs. 2 SVG wies das Bundesgericht darauf hin, dass die Bestimmung die Opfer eines Verkehrsunfalls vor gesundheitlicher und wirtschaftlicher Gefährdung bewahren und die Aufklärung der Unfallursachen ermöglichen wolle (BGE 93 IV 43 E. 2d S. 46). Der Zweck der Norm könne mit der Ahndung der bloss vorsätzlichen Führerflucht nicht erreicht werden, da die beschuldigte Person häufig mit Erfolg geltend machen könne, sie habe weder um die Verletzung oder Tötung des Menschen gewusst noch habe sich ihr diese Möglichkeit zwingend aufgedrängt (BGE 93 IV 43 E. 2d S. 46).  
In BGE 131 IV 36 E. 2.1 S. 38 hat das Bundesgericht festgehalten, dass die Verletzung der Verhaltenspflichten nach Art. 51 SVG nach einem Unfall sowohl bei Vorsatz wie auch bei Fahrlässigkeit den Tatbestand des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 92 SVG erfüllt. Diese Aussage hat es nicht auf Art. 92 Abs. 1 SVG beschränkt. Ferner hat das Bundesgericht ausgeführt, dass sich die Frage, ob der Täter die Führerflucht vorsätzlich oder fahrlässig beging, lediglich auf die Strafhöhe auswirke (Urteil 6B_575/2018 vom 22. November 2018 E. 2.7). 
 
3.3.2. Die Auffassung, dass Art. 92 Abs. 2 SVG auch bei fahrlässiger Begehung anwendbar ist, wird auch von der herrschenden Lehre vertreten (LEA UNSELD, in: Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 49 zu Art. 92 SVG; PHILIPPE WEISSENBERGER, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Aufl. 2015, N. 27 zu Art. 51 SVG; YVAN JEANNERET, Les dispositions pénales de la Loi sur la circulation routière [LCR], 2007, N. 215 zu Art. 92 SVG; HANS GIGER, SVG, Kommentar, Strassenverkehrsgesetz mit weiteren Erlassen, 8. Aufl. 2014, N. 8 zu Art. 92 SVG).  
 
3.3.3. Im Vergleich zum Grundtatbestand der einfachen Pflichtverletzung gemäss Art. 92 Abs. 1 SVG sieht der qualifizierte Tatbestand der Führerflucht gemäss Art. 92 Abs. 2 SVG eine höhere Strafandrohung vor. Der qualifizierte Straftatbestand setzt die Verletzung oder Tötung eines Menschen voraus. Angesichts der Gefährdung von Leib und Leben sowie der allfälligen Vereitelung der Unfallaufklärung wiegt das pflichtwidrige Verhalten nach Art. 92 Abs. 2 SVG massgebend schwerer. Mit der höheren Strafandrohung wird diesem Umstand Rechnung getragen, wie sich auch der Botschaft entnehmen lässt (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 24. Juni 1955 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Strassenverkehr, BBl 1955 II 1 ff., 63). Der Schlussfolgerung des Beschwerdeführers, aus dem in der Botschaft verwendeten Ausdruck der verwerflichen Gesinnung ergebe sich, dass die Führerflucht nicht fahrlässig begangen werden könne, ist nicht zu folgen.  
 
3.3.4. Während der Fahrzeugführer in BGE 93 IV 43 in pflichtwidriger Weise keine Kenntnis vom Personenschaden genommen hat, geht es vorliegend um die Kenntnisnahme des Verkehrsunfalls. Gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV muss der Fahrzeugführer seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden. Fahrlässig handelt in der Regel, wer nicht bemerkt, dass er möglicherweise einen Fussgänger oder ein anderes Fahrzeug angefahren hat und weiterfährt (Nichterkennen des Unfalls), da eine Kollision bei auf das Verkehrsgeschehen gerichteter Aufmerksamkeit grundsätzlich erkennbar ist (LEA UNSELD, in: Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 31 zu Art. 92 SVG; YVAN JEANNERET, Les dispositions pénales de la Loi sur la circulation routière [LCR], 2007, N. 134 zu Art. 92 SVG). Der Fahrzeugführer macht sich der fahrlässigen Führerflucht schuldig, wenn er aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit den Verkehrsunfall oder den Personenschaden nicht bemerkt. Auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach Führerflucht gemäss Art. 92 Abs. 2 SVG auch fahrlässig begangen werden kann, ist nicht zurückzukommen.  
 
3.4. Die Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die Verhaltenspflichten bei Unfall erst entstehen können, wenn die beschuldigte Person den Unfall tatsächlich wahrgenommen hat, beruhen auf der Annahme, dass die Führerflucht nicht fahrlässig begangen werden kann. Darauf ist nach den vorangehenden Erwägungen nicht weiter einzugehen.  
 
4.   
Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. September 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Bianchi