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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_179/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 29. August 2013  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Denys, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
C.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Jüsi, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,  
2. I.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellungsverfügung (Körperverletzung usw.), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 8. Januar 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 Bei Umbauarbeiten eines Einfamilienhauses in Zumikon brach I.________ am 14. September 2009 mit einem Hilti-Spitzhammer ein Cheminée ab. Dabei traf ein herabstürzendes Stück Mauer C.________, der einen Bruch des Sprunggelenks sowie ein Hämatom, Prellungen und Schürfwunden am rechten Unterschenkel und Fuss erlitt. 
 
B.  
 
 Auf Strafantrag des C.________ stellte die Staatsanwaltschaft See/Oberland am 25. Januar 2012 die Untersuchung wegen Körperverletzung ein. 
 
 Die Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung wies das Obergericht des Kantons Zürich am 8. Januar 2013 ab. Es wies das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung ab und auferlegte C.________ die Gerichtsgebühr von Fr. 800.--. 
 
C.  
 
 C.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der angefochtene Entscheid sei - auch im Kostenpunkt - aufzuheben und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, Anklage gegen I.________ zu erheben. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
 Der Beschwerdeführer ist durch die eingeklagte Handlung in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden. Er hat ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- und Zivilkläger zu beteiligen. Der angefochtene Entscheid kann sich auf die Beurteilung seiner Zivilansprüche auswirken. Damit ist er zur Beschwerde legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). 
 
2.  
 
 Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe in Bosnien vier Jahre die Berufsmittelschule für Bautechnik für Einzel- und Brückenbau besucht und erfolgreich abgeschlossen. In der Schweiz habe er zirka vier Jahre auf dem Bau gearbeitet. Folglich seien ihm die Gefahren auf einer Baustelle hinlänglich bekannt gewesen. Gegenüber der Polizei habe er ausführlich dargelegt, wie beim Abbruch eines Cheminées vorzugehen sei. Es sei mit herabstürzenden Mauerteilen zu rechnen, weshalb sich alle Bauarbeiter, welche nicht unmittelbar an den Abspitzarbeiten beteiligt seien, in Sicherheit zu begeben hätten. Er habe mit einem Auszubildenden (Azubi) bereits mittels Vorschlaghammer die linke Cheminée-Wand abgerissen gehabt, mithin selbst Mauern abgespitzt. Erst dann sei der Beschwerdegegner hinzu gekommen und habe mit dem Abbruch der rechten Mauer begonnen. 
 
 Gemäss seiner Schilderung sei es zum Unfall gekommen, als er sich hinter dem Beschwerdegegner durch begeben habe, um eine Blechschere zu holen. Damit habe er den Blecheinsatz, der teilweise noch im Cheminée klemmte, losmachen wollen. Als er hinter dem Beschwerdegegner gestanden sei, sei er vom Mauerstück getroffen worden. Weshalb er sich in den Gefahrenbereich begeben habe, leuchte nicht ein. Er habe gewusst, dass der Beschwerdegegner die Mauer abspitzte, und die mit dieser Tätigkeit einhergehenden Gefahren gekannt. Er habe auch gewusst, wie man sich in einem solchen Fall zu benehmen hatte. Habe er sich trotz dieses Wissens in den Gefahrenbereich begeben, könne nicht der Beschwerdegegner dafür verantwortlich gemacht werden. Dieser habe darauf vertrauen dürfen, dass sich der Beschwerdeführer als Bauarbeiter korrekt verhalte, und nicht damit rechnen müssen, dass sich ein Arbeitskollege mit dieser Berufserfahrung unvermittelt in den Gefahrenbereich begebe (angefochtener Entscheid S. 8 Ziff. 3b). 
 
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, nachdem er und der Azubi die linke Mauer abgespitzt hatten und hierauf den Schutt wegräumen mussten, sei ihr Arbeitsbereich erst durch die Tätigkeit des Beschwerdegegners in eine Gefahrenzone verwandelt worden. Deshalb hätte dieser vor dem Abspitzen alles vorkehren müssen, um eine Verletzung der bereits dort Arbeitenden zu vermeiden. Er habe sie jedoch nicht aufgefordert, den Gefahrenbereich zu verlassen. Die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz hätten sich einseitig auf die Aussagen des Beschwerdegegners verlassen, der als Beschuldigter nicht der Wahrheit verpflichtet gewesen war. Demgegenüber hätten er und der Azubi als Zeugen unter Strafdrohung ausgesagt.  
 
2.2. Der Vorwurf, die Vorinstanz habe einseitig bloss die Aussagen des Beschwerdegegners herangezogen, ist offensichtlich unbegründet. Sie bestätigt den Einstellungsbeschluss vielmehr gestützt auf die Aussagen des Beschwerdeführers, wonach es zum Unfall gekommen sei, als er sich hinter dem Beschwerdegegner durch begeben habe, um eine Blechschere zu holen. Ereignete sich der Unfall somit bei einer anderen Tätigkeit als dem Schutt Aufräumen, gehen alle diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers an der Sache vorbei.  
 
 Der Beschwerdeführer trug entgegen der SUVA-Vorschriften weder Helm noch Schuhe mit Stahlkappen. Dafür sei der Beschwerdegegner als Vorarbeiter verantwortlich gewesen. Die Rüge ist unbegründet, weil nicht dieser, sondern der Polier M.D. Vorarbeiter war. 
 
 Die Vorinstanz bestätigte den Einstellungsbeschluss zu Recht. 
 
3.  
 
 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe sein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung abgelehnt, weil er es nicht hinreichend begründet habe. Insbesondere habe er keine Belege über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse eingereicht. Indem sie ihn nicht eingeladen habe, solche Unterlagen beizubringen, habe sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. 
 
3.1. Bei den Rechtsbegehren macht der Beschwerdeführer geltend, die Vorinstanz habe seinen Rechtsvertreter als unentgeltlichen Rechtsbeistand zu entschädigen.  
 
 Die Vorinstanz erwägt, die Bestellung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes vom 1. Oktober 2010 gelte praxisgemäss auch für das Beschwerdeverfahren, und bestimmt im Dispositiv, "die Kosten des unentgeltlichen Rechtsbeistandes im Beschwerdeverfahren werden auf die Gerichtskasse genommen". Damit erweist sich der Antrag des Beschwerdeführers als gegenstandslos. 
 
3.2. Wenn das Verfahren eingestellt wird, können der antragstellenden Person die Verfahrenskosten nur auferlegt werden, sofern diese mutwillig oder grob fahrlässig die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 427 Abs. 2 StPO). Im Rechtsmittelverfahren hingegen tragen die Parteien die Kosten nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO).  
Das Bewilligungsverfahren wird - nicht zuletzt wegen fiskalischer Interessen - meist durch die Untersuchungsmaxime beherrscht. Eine starke Abschwächung erfährt dieser Grundsatz durch eine umfassende Mitwirkungspflicht des Gesuchstellers. Ihm obliegt es in erster Linie, seine wirtschaftliche Situation offenzulegen und seine Mittellosigkeit substanziiert darzutun. Verweigert der Gesuchsteller die nötige Mitwirkung, kann sein Gesuch selbst bei herrschender Untersuchungsmaxime abgewiesen werden, ohne die Verfassung zu verletzen (Stefan Meichssner, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege, Basel 2008, S. 77 f.; BGE 120 Ia 179 E. 3a). 
 
 Oft wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege erst nach dem Entscheid in der Hauptsache im Rahmen der Kostenregelung beurteilt. Dies ist in denjenigen Fällen nicht zu beanstanden, in denen das Gesuch mit der Eingabe in der Hauptsache verbunden wird und keine weiteren Vorkehren des Rechtsvertreters erforderlich sind (Urteil 4P.300/2005 vom 15. Dezember 2005, E. 3.1). 
 
3.2.1. Das Bezirksgericht Meilen bestellte dem Beschwerdeführer mit Präsidialverfügung vom 1. Oktober 2010 einen unentgeltlichen Rechtsvertreter unter der Auflage, "dass die finanziellen Verhältnisse des Geschädigten und seiner Ehefrau bei Arbeitsaufnahme eines der beiden Ehegatten erneut umfassend darzulegen und zu belegen sind". Zudem wird erwähnt, dass der Geschädigte einen Arbeitsversuch im Bereich Asbestsanierung unternehme und auch seine Ehefrau auf Stellensuche sei (kantonale Akten, act. 28/6, S. 9).  
 
 Die Vorinstanz hält fest, in den Akten fänden sich keine Belege über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers. Dieser gibt lediglich zu bedenken, ihm sei immerhin ein unentgeltlicher Geschädigtenvertreter zur Seite gestellt worden. 
 
3.2.2. Die erwähnte Verfügung datiert vom Oktober 2010, als der Beschwerdeführer und seine Ehefrau arbeitslos waren. In der Beschwerde vom Januar 2012 beantragte er, es sei das unentgeltliche Verfahren zu bewilligen und dem Beschwerdeführer sei ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen (Akten des Obergerichts, act. 2, S. 2). In der Begründung des Antrags besteht er ausdrücklich auf seinem Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand gemäss Art. 136 Abs. 2 lit. c StPO. Doch fehlen sowohl Ausführungen zur Befreiung von den Verfahrenskosten (Art. 136 Abs. 2 lit. b StPO) als auch irgendwelche Belege zu den finanziellen bzw. (allenfalls nicht bestehenden) Arbeitsverhältnissen (a.a.O. S. 7 Ziff. 4).  
 
 Nachdem er somit in der erwähnten Verfügung ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, seine finanziellen Verhältnisse bei Arbeitsaufnahme eines der beiden Ehegatten erneut umfassend zu belegen, und in der Beschwerdeschrift das Gesuch um unentgeltliches Verfahren nicht begründete, kam er seiner Mitwirkungspflicht nicht nach. Deshalb durfte die Vorinstanz, ohne vom Beschwerdeführer vorgängig Belege über seine finanzielle Situation zu verlangen, gestützt auf die Akten sein Gesuch beurteilen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt. 
 
4.  
 
 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. August 2013 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Borner