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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.352/2002 /kra 
 
Urteil vom 3. September 2003 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, 
Gerichtsschreiber Kipfer Fasciati. 
 
Parteien 
A.________AG, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Philipp Känzig, Staiger Schwald & Roesle, Genferstrasse 24, Postfach 677, 8027 Zürich, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich. 
 
Gegenstand 
Einziehung von Vermögenswerten; Verwendungen zugunsten des Geschädigten (Art. 59 und 60 StGB), 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, 
vom 9. Juli 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ verkaufte im Februar 1996 der A.________AG insgesamt 29'850 "Original USA Levi's 501" Jeans zum Preis von Fr. 43.-- pro Stück. Die Hosen waren nicht originale Markenware der Levi Strauss & Co, sondern Fälschungen, die unrechtmässig mit dem Markenzeichen "Levi's" versehen waren. 
 
Das Obergericht des Kantons Zürich als Berufungsinstanz sprach X.________ am 9. Juli 2002 wegen dieses Geschäftes und weiterer ähnlicher Geschäfte des gewerbsmässigen betrügerischen Markengebrauchs (Art. 62 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 MSchG) und der gewerbsmässigen Warenfälschung (Art. 155 Ziff. 1 Abs. 2 und 3 i.V.m. Ziff. 2 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu fünf Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug und zu Fr. 10'000.-- Busse. Die Zivilforderung der A.________AG von Fr. 967'435.30 nebst Zins verwies es auf den Weg des ordentlichen Zivilprozesses. 
 
Das Obergericht zog gleichzeitig Fr. 83'778.50 zuhanden der Staatskasse ein. Dieser Betrag war am 6. August 1996 auf einem Konto X.________s bei der Migros-Bank Zürich beschlagnahmt worden. 
B. 
Die A.________AG reichte am 2. September 2002 eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein. Sie ficht die Einziehung zuhanden der Staatskasse an. Hauptsächlich verlangt sie, dass der beschlagnahmte Betrag von Fr. 83'778.50 ihr zugesprochen wird, subsidiär dass die Sache an das Obergericht zurückgewiesen wird. 
 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet. 
C. 
Die A.________AG reichte ebenfalls kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ein. Diese wurde am 30. Juni 2003 abgewiesen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Rechtsprechung hat unter der Geltung des alten Art. 270 BStP in Füllung einer Gesetzeslücke erkannt, dass der Geschädigte zur Nichtigkeitsbeschwerde gegen einen Entscheid legitimiert ist, mit welchem ihm eine Aushändigung im Sinne von Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 StGB oder eine Verwendung im Sinne von Art. 60 StGB verweigert wird (BGE 122 IV 365 E. III/1c/bb, S. 373 f.). Diese Praxis steht im Einklang mit dem heute geltenden Art. 270 lit. h BStP, der jenen Personen das Beschwerderecht zuerkennt, die durch eine Einziehung berührt sind und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Abänderung des Entscheides haben. 
 
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 und Art. 60 StGB, weil die beschlagnahmten Gelder zuhanden des Staates eingezogen und ihr nicht ausgehändigt beziehungsweise zugesprochen worden sind. Sie ist hierzu legitimiert. 
2. 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen ist rein kassatorischer Natur (Art. 277ter Abs. 1 BStP). Soweit die Beschwerdeführerin mehr verlangt als die Aufhebung des angefochtenen Urteils, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (BGE 125 IV 298 E. 1). 
3. 
Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe Anspruch auf Aushändigung der beschlagnahmten Fr. 83'778.50, weil die entsprechende Kontogutschrift auf ihre Überweisung eines Teils des Kaufpreises zurückgeht. 
3.1 Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ermächtigt den Richter zur Einziehung von deliktischen Vermögenswerten, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden. Er erkennt nach Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 StGB auf eine Ersatzforderung, sofern die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden sind. Schliesslich erlaubt ihm Art. 60 Abs. 1 StGB, dem Geschädigten eingezogene Gegenstände und Vermögenswerte sowie Ersatzforderungen bis zur Höhe des gerichtlich oder durch Vergleich festgesetzten Schadens zuzusprechen. 
 
Aus dieser Regelung folgt, dass die Aushändigung an den Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes grundsätzlich einer allfälligen Einziehung vorgeht. Die Aushändigung bezieht sich nicht lediglich auf Gegenstände, sondern allgemein auf Vermögenswerte und insbesondere auf Geldbeträge. Voraussetzung für eine Aushändigung ist, dass die Rechtslage hinreichend liquid ist und keine besseren Ansprüche Dritter geltend gemacht werden (BGE 122 IV 365 E. III/1a/aa und E. III/2b; vgl. BGE 126 I 97 E. 2c; Niklaus Schmid, in: ders., Hrsg., Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Band I, Zürich 1998, Art. 59 StGB N 66 ff.). 
 
Nicht entschieden wurde bisher, ob auch so genannte unechte Surrogate auszuhändigen sind. Die Meinungen in der Lehre sind geteilt (vgl. Niklaus Schmid, Strafrechtliche Beschlagnahme und die besonderen Möglichkeiten des Geschädigten nach Art. 59 Ziff. 1 letzter Satzteil StGB sowie Art. 60 StGB, in: Niklaus Schmid, Jürg-Beat Ackermann, Hrsg., Wiedererlangung widerrechtlich entzogener Vermögenswerte mit Instrumenten des Straf-, Zivil-, Vollstreckungs- und internationalen Rechts, Zürich 1999, S. 26 ff.; Florian Baumann, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, Art. 59 StGB N 42). Die Aushändigung unechter Surrogate an den Geschädigten bedingte jedenfalls, dass sie als solche eindeutig bestimmbar sind, dass also bei unechten Surrogaten in Form von Kontoguthaben zwischen Originalwert und Surrogat eine Papierspur beweismässig vorliegt (Schmid, Kommentar Einziehung, a.a.O., Art. 59 StGB N 50). 
3.2 Der Kassationshof ist an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Vorinstanz gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP); Rügen gegen die Beweiswürdigung und gegen tatsächliche Feststellungen sind unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Soweit der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung kritisiert, vom festgestellten Sachverhalt abweicht oder sich auf Tatsachen beruft, die im angefochtenen Urteil nicht festgehalten worden sind, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 126 IV 65 E. 1). 
3.3 Die Beschwerdeführerin wurde nicht Opfer eines Eigentumsdeliktes, sondern eines Vermögensdeliktes. Sie macht dementsprechend nicht einen dinglichen Anspruch geltend, sondern Schadenersatz. Die Aushändigung des beschlagnahmten Betrages setzt damit voraus, dass sie einen Schadenersatzanspruch in mindestens dieser Höhe besitzt. Das aber steht gerade nicht fest. Wohl hat die Beschwerdeführerin adhäsionsweise Schadenersatzansprüche erhoben; diese aber wurden von der kantonalen Vorinstanz nicht entschieden, sondern auf den Zivilweg verwiesen, weil deren Höhe unter mehreren Gesichtspunkten illiquid war. Diese Verweisung an den Zivilrichter ist im Übrigen von Bundesrechts wegen nicht zu beanstanden; insbesondere fliesst aus Art. 59 StGB für den Richter keine Verpflichtung, Schadenersatzansprüche des Verletzten zu entscheiden. 
 
Sodann fehlt die Feststellung, dass der beschlagnahmte Betrag von der Beschwerdeführerin und nicht etwa von einem andern Geschäftspartner des Täters einbezahlt worden ist. 
 
Die Beschwerdeführerin weist in der Beschwerdeschrift auf verschiedene Aktenstücke, um ihren Schaden und die Herkunft des beschlagnahmten Geldes aufzuzeigen. Damit aber ergänzt sie den Sachverhalt, was nicht zulässig ist. 
 
Auf der Grundlage des im angefochtenen Entscheid festgestellten Sachverhaltes ist der (stillschweigende) Entscheid der Vorinstanz, den beschlagnahmten Betrag der Beschwerdeführerin nicht auszuhändigen, nicht zu beanstanden. Die Rüge einer Verletzung von Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist, soweit zulässig, unbegründet. 
4. 
Die Beschwerdeführerin rügt auch eine Verletzung von Art. 60 StGB. Da aber ihr allfälliger Schaden nicht feststeht, ist es von vornherein ausgeschlossen, ihr das eingezogene Geld zuzusprechen. Die Rüge ist unbegründet. Im Übrigen ist zu bemerken, dass entgegen dem, was in der Beschwerdeschrift steht, der Beschwerdeführerin nicht verunmöglicht wird, später, wenn ihr Schadenersatzanspruch auf dem Zivilweg festgestellt sein wird, vom Kanton gestützt auf Art. 60 StGB die Herausgabe des beschlagnahmten Betrages zu verlangen. 
5. 
Die Beschwerdeführerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 278 BStP). Das Gesuch um aufschiebende Wirkung ist gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. September 2003 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: