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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_284/2018  
 
 
Urteil vom 13. Dezember 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Meier, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, 
Binningerstrasse 21, Postfach 1348, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; DNA-Analyse, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, vom 20. April 2018 (BES.2017.164). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs. Sie wirft ihm vor, er habe sich am 27. Mai 2017 in Basel mit ca. hundert weiteren Personen an einer unbewilligten Demonstration beteiligt. Diese habe sich gegen den Erweiterungsbau des Gefängnisses "Bässlergut" gerichtet. Dabei sei es zu mehreren Störungen des Verkehrs und Sachbeschädigungen gekommen. Teilnehmer der Demonstration hätten zahlreiche Rauch- und Knallpetarden gezündet. A.________ sei zusammen mit anderen Personen an der Spitze des Demonstrationszuges marschiert. Diese Personen hätten sich grösstenteils unkenntlich gemacht und ein Transparent mit der Aufschrift "Bässlergut einreissen" mit sich geführt. A.________ habe ein Megaphon getragen, mit dem er verschiedene Ansagen gemacht habe. 
 
B.  
Mit Befehl vom 20. Oktober 2017 ordnete die Staatsanwaltschaft die erkennungsdienstliche Erfassung von A.________ und einen Wangenschleimhautabstrich (WSA) zwecks DNA-Analyse an. Am 23. Oktober 2017 eröffnete die Polizei diesen Befehl A.________ und vollzog ihn. 
Die von A.________ hiergegen erhobene Beschwerde wies die Präsidentin des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt am 20. April 2018 ab. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, den Entscheid der Appellationsgerichtspräsidentin aufzuheben. Es sei festzustellen, dass der Befehl der Staatsanwaltschaft vom 20. Oktober 2017 betreffend WSA-Abnahme und DNA-Analyse rechtswidrig gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, auf die Erstellung des DNA-Profils sowie dessen Aufnahme in das gesamtschweizerische Informationssystem zu verzichten und stattdessen die erlangte Probe aus der WSA-Abnahme vernichten zu lassen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
D.  
Die Appellationsgerichtspräsidentin und die Staatsanwaltschaft beantragen je unter Verzicht auf Gegenbemerkungen die Abweisung der Beschwerde. 
 
E.  
Mit Verfügung vom 10. Juli 2018 hat der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt. 
Der WSA zwecks DNA-Analyse dient unstreitig nicht dazu, den Beschwerdeführer jener Straftat zu überführen, derer er im jetzigen Strafverfahren beschuldigt wird. Vielmehr sollen damit andere - bereits begangene oder künftige - Straftaten geklärt werden. Der Massnahme kommt demnach eine über das jetzige Strafverfahren hinausgehende eigenständige Bedeutung zu. Der angefochtene Entscheid ist deshalb als Endentscheid zu betrachten (BGE 128 II 259 E. 1.4, Urteil 1B_274/2017 vom 6. März 2018 E. 1.1 mit Hinweis). Die Beschwerde ist somit nach Art. 90 BGG zulässig. 
Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, der WSA zwecks DNA-Analyse sei unverhältnismässig.  
 
2.2. Art. 255-258 StPO enthalten Bestimmungen zu den DNA-Analysen. Art. 259 StPO erklärt im Übrigen das Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten oder vermissten Personen (DNA-Profil-Gesetz; SR 363) für anwendbar.  
Gemäss Art. 255 Abs. 1 lit. a StPO kann zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens von der beschuldigten Person eine Probe genommen und ein DNA-Profil erstellt werden. 
Nach Art. 1 Abs. 2 DNA-Profil-Gesetz bezweckt dieses Gesetz insbesondere die Verbesserung der Effizienz der Strafverfolgung; diese soll namentlich erreicht werden, indem (a) mit Hilfe des Vergleichs von DNA-Profilen: 1. verdächtige Personen identifiziert und weitere Personen vom Tatverdacht entlastet werden, 2. durch systematische Auswertung biologischen Materials Tatzusammenhänge und damit insbesondere organisiert operierende Tätergruppen sowie Serien- und Wiederholungstäter rascher erkannt werden, 3. die Beweisführung unterstützt wird. 
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kommen die Probenahme und Erstellung eines DNA-Profils gemäss Art. 255 Abs. 1 StPO nicht nur in Betracht zur Aufklärung jenes Delikts, welches dazu Anlass gegeben hat, oder zur Zuordnung von bereits begangenen und den Strafverfolgungsbehörden bekannten Delikten. Wie aus Art. 1 Abs. 2 lit. a DNA-Profil-Gesetz hervorgeht, muss die Erstellung eines DNA-Profils es auch erlauben, den Täter von Delikten zu identifizieren, die den Strafverfolgungsbehörden noch unbekannt sind. Dabei kann es sich um vergangene oder künftige Delikte handeln. Das DNA-Profil kann so Irrtümer bei der Identifikation einer Person und die Verdächtigung Unschuldiger verhindern. Es kann auch präventiv wirken und damit zum Schutz Dritter beitragen (Urteil 1B_274/2017 vom 6. März 2018 E. 2.1 mit Hinweis). 
Erkennungsdienstliche Massnahmen und die Aufbewahrung der Daten stellen einen Eingriff dar in das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV), auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 13 Abs. 2 BV) und auf Familienleben (Art. 8 EMRK; BGE 136 I 87 E. 5.1 S. 101; 128 II 259 E. 3.2 S. 268; je mit Hinweisen). Es handelt sich allerdings lediglich um einen leichten Eingriff in diese Grundrechte (BGE 134 III 241 E. 5.4.3 S. 247; 128 II 259 E. 3.3 S. 269 f.; Urteil 2C_257/2011 vom 25. Oktober 2011 E. 6.7.3). 
Einschränkungen von Grundrechten müssen nach Art. 36 Abs. 2 und 3 BV durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Dies konkretisiert Art. 197 Abs. 1 StPO. Danach können Zwangsmassnahmen nur ergriffen werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorliegt (lit. b), die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können (lit. c) und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt (lit. d). 
Wie gesagt, dient die angeordnete Massnahme nicht der Aufklärung der Straftat, derer der Beschwerdeführer im jetzigen Strafverfahren beschuldigt wird. Die Massnahme wäre somit nur dann verhältnismässig, wenn erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Beschwerdeführer in andere - auch künftige - Delikte verwickelt sein könnte (BGE 141 IV 87 E. 1.3.1 und 1.4.1). Dabei muss es sich um Delikte gewisser Schwere handeln (Urteil 1B_274/2017 vom 6. März 2018 E. 2.1 mit Hinweis). Massgeblich sind die Umstände des Einzelfalles. Art. 255 StPO ermöglicht keine routinemässige Entnahme von DNA-Proben und deren Analyse (BGE 141 IV 87 E. 1.4.2 S. 92 mit Hinweisen). 
 
2.3. Der Beschwerdeführer ist vorbestraft. Am 12. November 2008 verurteilte ihn der Strafgerichtspräsident Basel-Stadt wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 30.-- und einer Busse von Fr. 450.--. Die Vorstrafe steht im Zusammenhang mit einer Hausbesetzung. Zwar liegt die Vorstrafe inzwischen zehn Jahre zurück. Da dem Beschwerdeführer nunmehr wieder eine vergleichbare Straftat in ähnlichem Umfeld zur Last gelegt wird, spricht die Vorstrafe jedoch nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanz dafür, dass sich der Beschwerdeführer seither nicht von der militanten Szene distanziert hat. Dies kann umso weniger angenommen werden, als er nach dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft bei der Demonstration an deren Spitze marschiert sein und mit einem Megaphon Ansagen gemacht haben soll. Damit bestehen ernstliche Anhaltspunkte dafür, dass er in der Vergangenheit in szenetypische Straftaten verwickelt war bzw. in Zukunft sein könnte. Verstärkt wird diese Annahme dadurch, dass sich der Beschwerdeführer, der in Winterthur wohnt, einzig für die unbewilligte Demonstration nach Basel begeben haben soll. Zu berücksichtigen ist sodann sein Alter von bald 40 Jahren. Er ist somit nicht mehr jung. Dem ist nach der Rechtsprechung bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit einer DNA-Analyse Rechnung zu tragen (Urteil 1B_111/2015 vom 20. August 2015 E. 3.5 mit Hinweis). Die in Betracht fallenden Straftaten (insb. Sachbeschädigungen) können nicht mehr als Bagatellen angesehen werden.  
Würdigt man dies gesamthaft, ist es bundesrechtlich haltbar, wenn die Vorinstanz erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür bejaht hat, dass der Beschwerdeführer in andere - auch künftige - Delikte gewisser Schwere verwickelt sein könnte, und sie deshalb den WSA zwecks DNA-Analyse als verhältnismässig erachtet hat. Es handelt sich allerdings um einen Grenzfall. In einem solchen gesteht das Bundesgericht der Vorinstanz einen gewissen Beurteilungsspielraum zu und weicht es nicht leichthin von ihrem Entscheid ab (BGE 115 IV 17 E. 2b S. 20; Urteil 1B_274/2017 vom 6. März 2018 E. 2.2). 
 
3.  
Die Beschwerde wird deshalb abgewiesen. 
Die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG kann bewilligt werden. Es werden daher keine Kosten erhoben und dem Vertreter des Beschwerdeführers wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung ausgerichtet. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Christian Meier, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und der Appellationsgerichtspräsidentin des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Dezember 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri