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[AZA 0/2] 
4C.184/2000/rnd 
 
I. ZIVILABTEILUNG 
******************************* 
 
Sitzung vom 24. Oktober 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, 
Präsident, Leu, Corboz, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler und 
Gerichtsschreiber Gelzer. 
 
_________ 
 
In Sachen 
A.________, Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Advokat Dieter Roth, Zeughausplatz 34, Postfach 375, 4410 Liestal, 
 
gegen 
X.________ & Co., Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Advokat Dr. Gert Thoenen, Elisabethenstrasse 15, Postfach 430, 4010 Basel, 
 
betreffend 
Arbeitsvertrag; Ferienanspruch, 
hat sich ergeben: 
 
A.- A.________ (nachstehend: Arbeitnehmer) war seit dem 
1. November 1995 als Leiter der Abteilung Maschinenbau bei der X.________ & Co. (nachstehend: Arbeitgeberin) zu einem Monatslohn von Fr. 7'500.-- angestellt. Nachdem der Arbeitnehmer die Aktienmehrheit einer Maschinenfabrik erworben hatte, stellte er in Aussicht, den Arbeitsvertrag auf den 
1. Juli 1996 zu kündigen. Die Parteien kamen jedoch überein, das Arbeitsverhältnis weiterzuführen und ab 1. Januar 1997 das Arbeitspensum zu reduzieren. Ab diesem Datum war ein Monatslohn von Fr. 6'000.-- vereinbart. 
 
Im Jahre 1997 verschlechterte sich die Auftragslage der Arbeitgeberin, welche sich deswegen ausserstande sah, den Arbeitnehmer zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen. 
Die Parteien führten daher Lohnverhandlungen, in denen der Arbeitnehmer angab, er sei aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen an einem möglichst hohen Monatslohn interessiert, weshalb er für die verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses effektive monatliche Bezüge in der bisherigen Höhe wünsche. Die Parteien einigten sich deshalb darauf, das Monatsgehalt auf nominal Fr. 6'000.-- zu belassen, jedoch einschliesslich Ferien und 13. Monatslohn. Am 27. Februar 1998 unterschrieben die Parteien eine entsprechende Vereinbarung mit rückwirkender Geltung ab 1. Januar 1998. 
 
 
In der Folge beanstandete die Arbeitgeberin, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit nicht einhalte und kürzte seinen Lohn per 10. Oktober 1998 auf Fr. 5'500.--. 
 
Ende 1998 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis auf den 31. März 1999, offerierte jedoch zunächst noch die Weiterführung des Arbeitsvertrages mit reduziertem Lohn. Diese Offerte zog sie in der Folge zurück. Am 23. Februar 1999 machte der Arbeitnehmer die Ungültigkeit des Einschlusses des Ferienlohnes geltend und teilte der Arbeitgeberin mit, er werde in der folgenden Woche Ferien beziehen. 
Die Arbeitgeberin stellte ihn daraufhin unverzüglich frei. 
 
B.- Der Arbeitnehmer klagte am 28. März 1999 beim Gewerblichen Schiedsgericht Basel-Stadt gegen die Arbeitgeberin auf Zahlung von Fr. 9'608. 40 als Lohndifferenz ab 
1. Oktober 1998 bzw. als Lohn ab Freistellung bis Ende März 1999 und von Fr. 3'976. 20 als Abgeltung nicht bezogener Ferien. 
Zudem verlangte er ein Arbeitszeugnis. Die Beklagte erhob Widerklage auf Zahlung von Fr. 9'551. 90. 
 
Am 3. Mai 1999 verpflichtete das Gewerbliche Schiedsgericht die Beklagte dazu, dem Kläger Fr. 2'725. 35 als Lohndifferenz ab 1. Oktober 1998 bis zur Freistellung am 24. Februar 1999 zu bezahlen und behaftete die Beklagte bei der Bereitschaft, dem Kläger ein Arbeitszeugnis auszustellen. 
Die Mehrforderung und die Widerklage wurden abgewiesen. 
 
 
Auf Beschwerde des Klägers hin, hob das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt den Entscheid des Gewerblichen Schiedsgerichts wegen eines Rechenfehlers auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger Fr. 3'397. 67 als Lohndifferenz ab 1. Oktober 1998 bis zur Freistellung (abzüglich der bereits geleisteten Fr. 2'725. 35) zu bezahlen. 
 
C.- Der Kläger erhebt eidgenössische Berufung und beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben, soweit darin sein Lohnanspruch während der Freistellung verneint worden sei. Demzufolge sei die Beklagte zur Zahlung von Fr. 6'336. 25 an den Kläger zu verurteilen. 
 
Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf eingetreten werden könne. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Gemäss Art. 46 OG ist in Zivilrechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, soweit nicht eine der Ausnahmen gemäss Art. 45 OG vorliegt, die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert vor der letzten kantonalen Instanz wenigstens Fr. 8'000.-- beträgt. Dieser Streitwert wird erreicht, da vor der Vorinstanz noch Fr. 13'584. 60 strittig waren. Unerheblich ist, dass vor Bundesgericht nur noch der Teilbetrag von Fr. 6'336. 25 umstritten ist (Peter Münch, in: Prozessieren vor Bundesgericht, Geiser/Münch Hrsg. , Bd. 1, 2. Aufl. 1998, S. 124 Rz. 4.12.). 
 
2.- Die Beklagte macht geltend, der Kläger habe ursprünglich nur Fr. 3'976. 20 Ferienlohn eingeklagt, weshalb eine Erhöhung dieser Forderung auf Fr. 6'336. 25 im Berufungsverfahren unzulässig sei. Die Beklagte verkennt dabei, dass der Kläger nicht die verlangte Abgeltung von Fr. 3'967. 20 für nicht bezogene Ferien erhöht, sondern vielmehr darauf verzichtet, zumal er mit der vorliegenden Berufung einzig noch die bereits im kantonalen Verfahren verlangte Lohnfortzahlung während der Dauer der Freistellung geltend macht. Es liegt damit kein neues Begehren vor. 
 
3.- Das Appellationsgericht ging davon aus, die Lohnvereinbarung vom 27. Februar 1998 sei ungültig, weil der Einschluss des Ferienlohnes in den monatlichen Lohnzahlungen gegen die zwingende Regelung gemäss Art. 329d OR verstosse. 
Weiter führte es dem Sinne nach aus, die Berufung des Klägers auf diese Bestimmung sei gemäss der zutreffenden Annahme des Gewerblichen Schiedsgerichts als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, weil der Kläger aus seiner anderweitigen Stellung als Arbeitgeber um die Ungültigkeit der Lohnabsprache gewusst, sie aber auf Grund seines Interesses an einem hohen Monatsgehalt gegenüber einer ausgewiesenen Lohnkürzung bevorzugt habe. Es gehe deshalb nicht an, wenn der Kläger sich nunmehr im Nachhinein auf die Ungültigkeit der Lohnvereinbarung berufe, weshalb er kein zusätzliches Feriengeld beanspruchen könne. Da der Kläger nicht geltend mache, die Zeit der Freistellung für die Arbeitssuche benötigt zu haben, sondern er vielmehr eine Woche Ferien beziehen und ansonsten bis zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses habe arbeiten wollen, habe die Beklagte gemäss Art. 329c Abs. 2 OR verlangen können, dass der Kläger während der Freistellung die ihm noch zustehenden Ferien beziehe. Der Kläger habe daher während der Freistellung keinen Lohnanspruch. 
 
Der Kläger rügt, das Appellationsgericht habe die Rechtsmissbräuchlichkeit seines Vorgehens zu Unrecht bejaht, zumal nicht leichthin von der zwingenden Vorschrift abgewichen werden dürfe, wonach jedem Arbeitnehmer zu seiner Erholung bezahlte Ferien zustünden. Es treffe zwar zu, dass er selbst in einer kleinen Fabrik Arbeitgeber sei, was jedoch nicht heisse, dass er alle Feinheiten des Arbeitsrechts kenne. 
Die Vorinstanz habe jedenfalls nicht festgestellt, dass er es von vornherein darauf abgesehen habe, sich die Ferien doppelt zahlen zu lassen. Es seien vielmehr Motive der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung gewesen, welche ihn dazu bewogen hätten, die Vereinbarung betreffend Ferienabgeltung zu unterzeichnen, wobei der Ausgangspunkt die Absicht der Beklagten gewesen sei, den Lohn zu senken. 
 
a) aa) Dem Arbeitnehmer stehen jährlich wenigstens vier Wochen Ferien zu (Art. 329a Abs. 1 OR), während denen der Arbeitgeber den gesamten darauf entfallenden Lohn zu entrichten hat (Art. 329d Abs. 1 OR). Gemäss Art. 329d Abs. 2 OR dürfen die Ferien während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden. Das Abgeltungsverbot, welches den Realbezug der Ferien gewährleisten will (vgl. BGE 118 II 136 E. 3b), ist grundsätzlich absolut zwingender Natur (Art. 361 OR). Ausnahmsweise lässt das Bundesgericht jedoch Abreden der Parteien über die Abgeltung der Ferien zu. Dies namentlich bei sehr unregelmässigen Arbeitszeiten von Teilzeitbeschäftigten, wenn sowohl aus dem Arbeitsvertrag wie aus den periodischen Lohnabrechnungen klar hervorgeht, welcher Teil des Lohnbetrages zur Abgeltung des Ferienanspruchs bestimmt ist (BGE 118 II 136 E. 3b; 116 II 515 E. 4a; vgl. auch Entscheid des BGer. vom 6. August 1992, abgedruckt in SJ 1993 S. 355 f., E. 2a mit Hinweisen). 
 
 
bb) Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 2 ZGB). Wann ein solcher Missbrauch vorliegt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen (BGE 121 III 60 E. 3d. S. 63 mit Hinweis), wobei die von der Lehre und Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs zu beachten sind (BGE 125 III 257 E. 2a; 120 II 100 E. 3a S. 108 mit Hinweisen; vgl. ferner Mayer-Maly, Basler Kommentar, N. 46 ff. zu Art. 2 ZGB). Zu diesen Fallgruppen ist die Rechtsausübung zu zählen, welche ohne schützenswertes Interesse erfolgt oder zu einem krassen Missverhältnis berechtigter Interessen führen würde (BGE 123 III 200 E. 2b S. 203; 120 II 100 E. 3a S. 108 mit Hinweisen). Ebenso kann allgemein gesagt werden, dass die Geltendmachung eines Rechts missbräuchlich ist, wenn sie im Widerspruch zu einem früheren Verhalten steht und dadurch erweckte berechtigte Erwartungen enttäuscht (BGE 125 III 257 E. 2 mit Hinweisen). Um den Schutzzweck des zwingenden Rechts nicht zu umgehen, ist jedoch der Widerspruch zwischen der Zustimmung zu einer Vereinbarung und der nachträglichen Geltendmachung ihrer Ungültigkeit nicht geeignet, einen Rechtsmissbrauch zu begründen, wenn nicht zusätzliche besondere Umstände gegeben sind (BGE 126 III 337 E. 7 S. 344; 110 II 168 E. 3c mit Hinweis). Solche Umstände können vorliegen, wenn eine Partei sich auf zwingendes Recht beruft, welche die dagegen verstossende Vereinbarung in eigenem Interesse und in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit selber vorgeschlagen und damit beim Rechtserwerb unredlich gehandelt hat (vgl. BGE 81 II 627 E. 3 S. 632; Urteil des Zürcher Handelsgerichts vom 1. Dezember 1949, ZR 49/1950, S. 367 ff.; Entscheid des bernischen Appellationshofes vom 25. März 1946, ZBJV 86/1950, S. 40 ff. E. 2; vgl. zum unredlichen Rechtserwerb: BGE 114 II 79 E. 3a; Mayer-Maly, Basler Kommentar, N. 53 zu Art. 2 ZGB; Merz, Berner Kommentar, N. 540 ff. zu Art. 2 ZGB). Besondere Umstände, welche die Berufung auf zwingendes Recht als missbräuchlich erscheinen lassen, sind auch zu bejahen, wenn die von der angerufenen Norm zu schützenden Interessen entfallen oder sonstwie gewahrt wurden. So kann der Mieter dem Vermieter die mangelnde Einhaltung der Formerfordernisse, die das Gesetz für die einseitige Erhöhung des Mietzinses vorschreibt, dann nicht entgegenhalten, wenn der gesetzliche Schutzzweck nicht beeinträchtigt wurde (BGE 123 III 70 E. 3 S. 72 ff.; vgl. auch das Urteil des BGer. vom 28. August 1998, abgedruckt in Pra 1999, Nr. 8 S. 44 ff., E. 2 mit Hinweisen). 
 
 
b) Das Appellationsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, die Lohnvereinbarung vom 27. Februar 1998 verstosse gegen Art. 329d Abs. 2 OR, weil sie den Einschluss des Ferienlohnes vorsieht, ohne dessen Höhe prozentual oder ziffernmässig auszuweisen. Es gilt demnach zu prüfen, ob die Berufung auf den zwingenden Charakter von Art. 329d Abs. 2 OR als missbräuchlich zu qualifizieren ist. Dabei ist gemäss den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des Appellationsgerichts (Art. 63 Abs. 2 OG) davon auszugehen, dass beide Parteien mit einer Lohnreduktion ab 1. Januar 1998 einverstanden waren, welche der Kläger jedoch nach aussen nicht zum Ausdruck bringen wollte, um gegebenenfalls in den Genuss höherer Sozialversicherungsleistungen zu gelangen. 
Damit ist der Anstoss zur ungültigen Vereinbarung von ihm ausgegangen, wobei sich die Beklagte damit abfand, weil sie in wirtschaftlicher Hinsicht ihrem Verhandlungsziel entsprach. 
Zudem steht fest, dass der Kläger, der selbst Arbeitgeber war, das Abgeltungsverbot des Ferienanspruchs kannte. Er hat die Vereinbarung demnach im eigenen Interesse und im Bewusstsein ihrer Unzulässigkeit veranlasst, womit er - unabhängig davon, ob er bereits damals die Absicht hatte, den Ferienlohn doppelt einzufordern - unredlich handelte, weshalb die nachträgliche Geltendmachung der Verletzung zwingenden Rechts als qualifiziert widersprüchlich und stossend erscheint. Dazu kommt, dass der Kläger während der Dauer der Freistellung tatsächlich Ferien beziehen konnte und insoweit der Zweck des Abgeltungsverbots, den Realbezug von Ferien sicherzustellen, gewahrt wurde. Auf Grund dieser besonderen Umstände hat das Appellationsgericht die Berufung des Klägers auf die zwingende Natur von Art. 329d Abs. 2 OR zu Recht als offensichtlich rechtsmissbräuchlich qualifiziert, weshalb eine Lohnfortzahlungspflicht während der Dauer der Freistellung zu verneinen und die Berufung abzuweisen ist. 
 
4.- Für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis besteht bis zu einem Streitwert von Fr. 20'000.-- Kostenfreiheit (Art. 343 Abs. 2 und 3 OR). Dies gilt auch für das bundesgerichtliche Verfahren (BGE 115 II 30 E. 5a, mit Hinweis). 
Hingegen hat die obsiegende Partei auch in Verfahren, die gemäss Art. 343 Abs. 3 OR kostenlos sind, Anspruch auf Ersatz der Parteikosten (BGE 115 II 30 E. 5c), weshalb der Kläger die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen hat (BGE 115 II 30 E. 5c). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichts (Ausschuss) des Kantons Basel-Stadt vom 4. Februar 2000 wird bestätigt. 
 
 
2.- Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.- Der Kläger hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht (Ausschuss) des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 24. Oktober 2000 
 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: