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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.272/2004 /pai 
 
Urteil vom 28. Februar 2005 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Albrecht Metzger, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich. 
 
Gegenstand 
Fahrlässige Tötung; Vollzug der Freiheitsstrafe 
(Art. 44 i.V.m. Art. 43 StGB), 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 6. Mai 2004. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 1. Juni 2003 lenkte X.________ in Diepoldsau/SG seinen VW Golf, obwohl ihm mit Verfügung des Strassenverkehrsamts des Kantons Zürich vom 12. Februar 2003 der Führerausweis ab dem 7. Dezember 2002 auf unbestimmte Zeit entzogen worden war. Mit Strafbescheid des Untersuchungsamts Altstätten vom 25. September 2003 wurde er des Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs schuldig erklärt und deswegen zu 20 Tagen Haft und einer Busse von Fr. 500.-- verurteilt. 
 
Vor diesem Vorfall lenkte X.________ am 6. Dezember 2002 seinen VW Golf um etwa 22.35 Uhr mit einem massgebenden Blutalkoholgehalt von mindestens 1,37 Gewichtspromille Richtung Neerach. Nachdem er die langgezogene Linkskurve im Bereich des Unfallortes geschnitten hatte, konnte er auf ein entgegenkommendes Motorfahrzeug nicht richtig reagieren. In der Folge geriet er über den rechten Fahrbahnrand hinaus, korrigierte nach links und schleuderte über die Gegenfahrbahn und den Radweg. Dabei kollidierte er mit einem Kleinmotorrad. Die Lenkerin verstarb auf der Unfallstelle. 
 
B. 
Am 18. Juni 2003 sprach das Bezirksgericht Dielsdorf (I. Abteilung) X.________ schuldig: 
 
- der fahrlässigen Tötung im Sinne von Art. 117 StGB
- der groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 34 Abs. 1 SVG, Art. 7 Abs. 1 VRV, Art. 32 Abs. 2 SVG, Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV, Art. 32 Abs. 1 SVG, Art. 4 Abs. 1 VRV
- des Fahrens in angetrunkenem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 1 SVG sowie 
- des Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeuges im Sinne von Art. 93 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 29 SVG, Art. 57 Abs. 1 VRV, Art. 34 Abs. 2 lit. b und lit. c VTS, Art. 53 Abs. 1 VTS, Art. 56 Abs. 1 und 3 VTS, Art. 67 Abs. 1 und 2 VTS, Art. 219 Abs. 2 lit. a und lit. f VTS
Es bestrafte ihn mit 16 Monaten Gefängnis und Fr. 3'000.-- Busse. Es schob den Vollzug der Freiheitsstrafe nicht auf. 
 
C. 
Auf Berufung von X.________ und der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich (II. Strafkammer) mit Urteil vom 6. Mai 2004 den Schuldspruch des Bezirksgerichts. Es bestrafte ihn mit 15 Monaten und 10 Tagen Gefängnis als Zusatzstrafe zum Strafbescheid des Untersuchungsamts Altstätten vom 25. September 2003 und ordnete eine ambulante Massnahme im Sinne von Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 StGB an, ohne den Vollzug der Freiheitsstrafe zu diesem Zwecke aufzuschieben. 
 
D. 
X.________ erhebt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts insoweit aufzuheben, als die Freiheitsstrafe nicht zu Gunsten der ambulanten Massnahme aufgeschoben wurde, und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Nach der Vorinstanz wird der gleichzeitige Vollzug von Strafe und Massnahme gemäss den gutachterlichen Ausführungen zwar als wenig sinnvoll betrachtet. Auf der anderen Seite werde aber auch festgehalten, dass der Erfolg der Massnahme bei Weiterführung der psychotherapeutischen Gespräche durch den Strafvollzug nicht grundsätzlich beeinträchtigt oder verhindert würde. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Behandlung bzw. eine klare Verminderung der Resozialisierungschancen, wie sie von der Rechtsprechung vorausgesetzt werde (BGE 129 IV 162 und 124 IV 247), liege nicht vor. 
 
Zudem müsse nach der Rechtsprechung (BGE 124 IV 247 und 120 IV 3) die Abnormität desto ausgeprägter sein und mithin ein Aufschub um so zurückhaltender gehandhabt werden, je länger die zu Gunsten der ambulanten Behandlung aufzuschiebende Freiheitsstrafe sei. Der Beschwerdeführer leide ohne Zweifel lediglich unter einer leichteren Form der Alkoholsucht. Unter diesen Umständen gehe die Generalprävention der Spezialprävention vor. Somit verbiete auch das Gleichheitsgebot einen Strafaufschub (angefochtenes Urteil S. 13). 
 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe in ihrem Fragenkatalog vom 9. September 2003 in Ziff. 4.4 (sowie nochmals mit der Ergänzungsfrage) - trotz der klar gestellten Hauptfrage, ob ein Strafvollzug den Erfolg einer ambulanten Massnahme verhindern oder erheblich beeinträchtigen würde - einen rechtlichen Hinweis auf BGE 120 IV 3 und darin erwähnte Entscheide angebracht, der für eine Medizinerin unverständlich sei. Demgegenüber hätte die Vorinstanz, um Art. 44 StGB richtig anwenden zu können, der Gutachterin zwingend die Fragen unterbreiten müssen, "ob und warum es sinnvoll sei, den Vollzug aufzuschieben und wie es sich konkret auswirken würde, wenn dem Täter der Aufschub nicht gewährt würde, was die konkreten Auswirkungen des Herausnehmens aus der momentanen stabilen Situation durch Anordnung des Vollzuges wären." Dies habe die Vorinstanz unterlassen. Nur im vollen Wissen dieser unbeantworteten Fragen hätte sie auf gesicherter Grundlage Art. 44 StGB richtig anwenden können. Im Übrigen betreffe dieser Hinweis Rechtsfälle mit Freiheitsstrafen von klar über 18 Monaten. Vorliegend sei der Ermessensspielraum eingeschränkt, weil eine Strafe von unter 18 Monaten zur Diskussion stehe, die (theoretisch) auch bedingt hätte gewährt werden können. 
 
3. 
Erfordert der Geisteszustand des Täters, der eine vom Gesetz mit Zuchthaus oder Gefängnis bedrohte Tat begangen hat, die damit im Zusammenhang steht, ärztliche Behandlung oder besondere Pflege und ist anzunehmen, dadurch lasse sich die Gefahr weiterer mit Strafe bedrohter Tat verhindern oder vermindern, so kann der Richter eine ambulante Behandlung anordnen, sofern der Täter für Dritte nicht gefährlich ist (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Der Richter kann den Vollzug der Strafe aufschieben, um der Art der angeordneten Behandlung Rechnung zu tragen (Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB). Dies gilt auch für die Behandlung von Trunk- und Rauschgiftsüchtigen (Art. 44 Ziff. 1 StGB). 
 
Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist der Strafaufschub anzuordnen, wenn eine tatsächliche Aussicht auf erfolgreiche Behandlung durch den sofortigen Vollzug der ausgefällten Freiheitsstrafe erheblich beeinträchtigt würde. Die Therapie geht vor, falls eine sofortige Behandlung gute Resozialisierungschancen bietet, welche der Strafvollzug klarerweise verhindern oder vermindern würde. Dabei sind einerseits die Auswirkungen des Strafvollzuges, die Erfolgsaussichten der ambulanten Behandlung und die bisherigen Therapiebemühungen zu berücksichtigen, anderseits aber auch das kriminalpolitische Erfordernis, Straftaten schuldangemessen zu ahnden bzw. rechtskräftige Strafen grundsätzlich zu vollziehen (BGE 129 IV 161 E. 4.1 mit Hinweisen). Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebots muss die Abnormität desto ausgeprägter sein und mithin ein Aufschub um so zurückhaltender gehandhabt werden, je länger die zu Gunsten der ambulanten Behandlung aufzuschiebende Freiheitsstrafe ist (BGE 120 IV 1 E. 2b mit Hinweisen). 
 
4. 
Die Vorinstanz verletzt mit dem Nichtaufschub des Vollzugs der Freiheitsstrafe nicht Art. 44 Ziff. 1 i.V.m. Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB. Insbesondere verletzt sie auch kein Bundesrecht, wenn sie die Gutachterin einerseits auf die einschlägige Rechtsprechung hinweist und ihr andererseits die vom Beschwerdeführer als notwendig erachteten Fragen nicht stellt. Der Hinweis auf diese Bundesgerichtsentscheide war möglicherweise nicht notwendig. Er war aber jedenfalls nicht irreführend und für eine Gutachterin verständlich. Die Fragen, welche die Vorinstanz gemäss den Vorstellungen des Beschwerdeführers der Gutachterin hätte stellen sollen, waren in Ziff. 4.4 des Gutachtens vom 18. November 2003 (kantonale Akten, act. 47) sowie in der Ergänzung vom 23. Dezember 2003 (act. 51) grundsätzlich bereits beantwortet. So hielt die Gutachterin fest, dass sie eine solche Massnahme im Strafvollzug als wenig sinnvoll erachte. Der Beschwerdeführer richtet sich im Übrigen eher gegen die Qualität des Gutachtens, was indessen mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden müsste. Der Einwand, die von der Vorinstanz in ihrem Hinweis erwähnten Entscheide beträfen Fälle mit klar über 18 Monaten, ist unbehelflich. Diese Entscheide enthalten die allgemein geltenden Grundsätze. Ferner ist auch eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten als "längere" Freiheitsstrafe zu bezeichnen. Es kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG; angefochtenes Urteil S. 12/13). 
 
5. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten vor Bundesgericht (Art. 278 Abs. 1 BStP). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 28. Februar 2005 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: