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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.500/2005 /ggs 
 
Urteil vom 7. September 2005 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Nay, Fonjallaz, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Fredy Fässler, 
 
gegen 
 
Bezirksamt Münchwilen, Im Zentrum 4, 
9542 Münchwilen, 
Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau, Postfach 339, Marktgasse 9, 9220 Bischofszell. 
 
Gegenstand 
Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK (Haftanordnung durch den ausserordentlichen Untersuchungsrichter), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Präsidenten der Anklagekammer des Kantons Thurgau vom 25. Juli 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 8. Juli 2005 nahm die Polizei X.________ in St. Gallen aufgrund eines Haftbefehls des Bezirksamts Münchwilen/TG fest und führte ihn diesem zu. Am 9. Juli 2005 verfügte der zuständige ausserordentliche Untersuchungsrichter die Untersuchungshaft, weil X.________ in dringendem Verdacht stehe, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen zu haben. Der Untersuchungsrichter nahm Flucht- und Kollusionsgefahr an. 
 
Am 19. Juli 2005 ersuchte X.________ um Haftentlassung. Er machte geltend, es fehle an der Flucht- und Kollusionsgefahr; ausserdem verstosse die Haftanordnung durch den ausserordentlichen Untersuchungsrichter gegen Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK
 
Mit Verfügung vom 25. Juli 2005 befand der Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau, die vom Bezirksamt Münchwilen am 9. Juli 2005 angeordnete Untersuchungshaft sei zulässig gewesen. Ausserdem stellte er fest, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr nach wie vor gegeben sei. 
B. 
X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, die Verfügung des Präsidenten der Anklagekammer aufzuheben. 
C. 
Der Präsident der Anklagekammer hat sich vernehmen lassen. Er beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen. 
 
Das Bezirksamt Münchwilen hat ebenfalls eine Vernehmlassung eingereicht. Es beantragt die Abweisung der Beschwerde. 
D. 
X.________ hat zu den Vernehmlassungen Stellung genommen. Er hält an seinen Rechtsbegehren fest. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht und die Fluchtgefahr nicht. Er macht geltend, der angefochtene Entscheid verletze Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK; die Anordnung der Untersuchungshaft durch den ausserordentlichen Untersuchungsrichter verletze seinen Anspruch auf unverzügliche Vorführung vor einen unabhängigen Richter. 
1.2 Einen Tag nach der Fällung des angefochtenen Entscheids hat das Bezirksamt Münchwilen das Verfahren an das Untersuchungsamt des Kantons St. Gallen abgetreten. Am 28. Juli 2005 hat der Haftrichter am Kreisgericht St. Gallen die Untersuchungshaft verlängert. Der Beschwerdeführer hat unter diesen Umständen kein aktuelles praktisches Interesse mehr an der Behandlung der Beschwerde. 
 
Das Bundesgericht verzichtet ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, wenn der gerügte Eingriff sich jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige verfassungsgerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre, so dass diese Voraussetzung eine Kontrolle der Verfassungsmässigkeit faktisch verhindern würde. Das Bundesgericht prüft demnach Beschwerden materiell trotz Wegfalls des aktuellen praktischen Interesses, wenn sich die aufgeworfenen Fragen jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen können und an deren Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und sofern diese im Einzelfall kaum je rechtzeitig verfassungsgerichtlich geprüft werden könnten (BGE 127 I 164 E. 1a mit Hinweisen). 
 
Die Frage, ob hier die Anordnung der Untersuchungshaft durch den ausserordentlichen Untersuchungsrichter Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK verletze, kann sich jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen. Sie ist von grundsätzlicher Bedeutung, weshalb - wie der Beschwerdeführer (Replik S. 3) zu Recht vorbringt - an ihrer Beantwortung ein öffentliches Interesse besteht. Würde das Bundesgericht in Fällen wie hier die Beschwerde nicht behandeln, könnte es zur Frage zudem kaum je rechtzeitig Stellung nehmen. 
 
Auf die Beschwerde ist daher einzutreten. 
2. 
2.1 Art. 5 Ziff. 3 EMRK verlangt, dass jede in strafprozessualer Haft gehaltene Person unverzüglich einem Richter oder einem anderen, gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Beamten vorgeführt werden muss. Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung muss es sich beim haftanordnenden Magistraten im Sinne von Art. 5 Ziff. 3 EMRK um eine unparteiische Instanz handeln, die von der Exekutive und den Parteien unabhängig und bei der Ausübung ihres Amtes nicht weisungsgebunden ist. Sie muss in einem justiziellen Verfahren entscheiden, den Inhaftierten persönlich anhören, insbesondere die Angemessenheit der Haft prüfen und nötigenfalls die Haftentlassung anordnen können. Nach der bundesgerichtlichen Praxis ist Art. 5 Ziff. 3 EMRK namentlich verletzt, wenn die haftanordnende Amtsperson in gleicher Sache auch noch für die Anklageerhebung zuständig ist (BGE 131 I 36 E. 2.3; 66 E. 4.3, mit Hinweisen). 
 
Im Fall Schiesser hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erwogen, dass Zürcher Bezirksanwälte die Voraussetzungen von Art. 5 Ziff. 3 EMRK grundsätzlich erfüllen könnten, sofern eine personelle Trennung zwischen haftrichterlicher Funktion einerseits und Untersuchungs- bzw. Anklagefunktion anderseits gewährleistet wird (Urteil vom 4. Dezember 1980 i.S. Schiesser gegen die Schweiz, Série A, vol. 34, Ziff. 31 = EuGRZ 1980, S. 201). Im Fall Jutta Huber hat der Europäische Gerichtshof eine Verletzung der Menschenrechtskonvention durch die Schweiz festgestellt, da der gleiche Zürcher Bezirksanwalt sowohl für die Haftanordnung als auch für die Anklageerhebung zuständig war (Urteil vom 23. Oktober 1990 i.S. Huber gegen die Schweiz, Série A, vol. 188, Ziff. 42 f. = EuGRZ 1990, S. 502). Entscheidend für die Beurteilung, ob der haftanordnende Magistrat ausreichend unabhängig erscheint, ist nach der Praxis des Europäischen Gerichtshofes der objektive Anschein im Zeitpunkt der Haftanordnung. Der Eindruck der Unvoreingenommenheit fällt grundsätzlich schon dahin, wenn aufgrund der Prozessordnung die Möglichkeit besteht, dass der haftanordnende Magistrat in der Folge Anklagefunktionen ausüben könnte (Urteil des EGMR vom 26. November 1992 i.S. Brincat gegen Italien, Série A, vol. 249-A = EuGRZ 1993, S. 389; EGMR vom 5. April 2001 i.S. H.B. gegen die Schweiz, JAAC 2001 Nr. 120 S. 1292, Ziff. 55, 57, 62 f.; EGMR i.S. Huber gegen die Schweiz, a.a.O., Ziff. 40, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 118 Ia 95 E. 3a S. 97; 117 Ia 199 E. 4b S. 201). 
 
 
Diese Praxis bestätigte und präzisierte der Europäische Gerichtshof (bezüglich des solothurnischen Untersuchungsrichters) im Fall H.B. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kann es nicht darauf ankommen, ob der haftanordnende Untersuchungsrichter in der Folge tatsächlich Anklagefunktionen ausübt, welche Gerichtsinstanz im Zeitpunkt der allfälligen Anklageerhebung zuständig ist und wer dort tatsächlich die Anklage vertritt. Falls im Zeitpunkt der Haftanordnung der spätere Erlass einer Schluss- bzw. Überweisungsverfügung des Untersuchungsrichters in Frage kommt, welche die faktische Bedeutung einer Anklageschrift hat, darf dieser Untersuchungsrichter in der gleichen Sache nicht als haftanordnender Magistrat tätig sein (Urteil vom 5. April 2001 i.S. H.B. gegen die Schweiz, a.a.O., Ziff. 58-63). Da eine entsprechende Überweisungs- und Schlussverfügung des Untersuchungsrichters im Zeitpunkt der Haftanordnung nicht ausgeschlossen werden konnte, erkannte der Europäische Gerichtshof im Fall H.B. auf eine Verletzung von Art. 5 Ziff. 3 EMRK durch die Schweiz. 
 
Gemäss Art. 31 Abs. 3 BV hat jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Der Wortlaut dieser Bestimmung geht über jenen von Art. 5 Ziff. 3 EMRK hinaus. Den Materialien lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass Bundesrat und Parlament mit Art. 31 Abs. 3 BV eine neue Rechtslage schaffen wollten, die von der bisherigen Praxis des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesgerichtes grundlegend abweicht. Klar erscheint lediglich, dass für die "Richterin" oder den "Richter" nach Art. 31 Abs. 3 BV mindestens die Anforderungen der Praxis zu Art. 5 Ziff. 3 EMRK zu gelten haben. Damit besteht für das Bundesgericht kein sachlich begründeter Anlass, von der bisherigen bewährten Rechtsprechung abzuweichen. Der Sinn und Zweck von Art. 5 Ziff. 3 EMRK und Art. 31 Abs. 3 BV besteht darin, zu vermeiden, dass eine objektiv befangen erscheinende Justizperson strafprozessuale Haft anordnet. Ein solcher Anschein ist nach der dargelegten Praxis gegeben, wenn ein haftanordnender Untersuchungsrichter Weisungen von Seiten der Anklagebehörde zu befolgen hätte oder wenn er in der Folge in der gleichen Sache Anklagefunktionen ausüben könnte (BGE 131 I 66 E. 4.8, mit Hinweisen). 
 
Nach der Rechtsprechung erfüllt der Eidgenössische Untersuchungsrichter die verfassungs- und konventionsrechtlichen Anforderungen an eine haftanordnende unabhängige Justizperson (BGE 131 I 66 E. 4). 
2.2 Gemäss § 1 Abs. 1 StPO/TG wird die Strafverfolgung unter anderem durch die Bezirksämter geführt. § 2 StPO/TG regelt die Aufgaben und Zusammensetzung der Bezirksämter. Gemäss § 2 Abs. 2 StPO/TG sind Leiter der Bezirksämter die Bezirksstatthalter. Jedes Bezirksamt hat einen Vizestatthalter. Der Regierungsrat kann in besonderen Fällen ausserordentliche Untersuchungsrichter einsetzen. Beim Untersuchungsrichter, der die Haft gegen den Beschwerdeführer angeordnet hat, handelt es sich um einen nach § 2 Abs. 2 StPO/TG eingesetzten ausserordentlichen Untersuchungsrichter. 
 
Gemäss § 6 Abs. 1 StPO/TG beurteilen die Bezirksämter durch Strafverfügung alle Übertretungen des eidgenössischen und kantonalen Rechts. Nach § 6 Abs. 2 Ziff. 4 StPO/TG beurteilen sie ferner durch Strafverfügung unter anderem Vergehen gemäss Artikel 23 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20). 
 
Gemäss § 136 StPO/TG wird die Strafverfügung rechtskräftig und gilt als Urteil, wenn nicht innert zehn Tagen nach Zustellung vom Verurteilten, der Staatsanwaltschaft, einem Opfer oder einem anderen Geschädigten Einsprache beim Bezirksamt erhoben wird (Abs. 1). Bei Verfügungen nach § 6 Abs. 1 StPO/TG klärt das Bezirksamt die erhobenen Einwendungen ab und trifft nötigenfalls die gebotene neue Verfügung. Hält das Bezirksamt an der Verfügung fest, gibt es dem Einsprecher Kenntnis und überweist die Akten mit Schlussbericht und Antrag an die Bezirksgerichtliche Kommission, welche ein neues Urteil fällt (Abs. 3). Bei Verfügungen nach § 6 Abs. 2 StPO/TG überweist das Bezirksamt die Akten ohne weiteres an die Bezirksgerichtliche Kommission; die Strafverfügung gilt als Anklageschrift (Abs. 4). Bei einer Strafverfügung nach § 6 StPO/TG handelt es sich faktisch um einen Urteilsvorschlag, den der Betroffene auf einfache Weise zur Überprüfung vor ein unabhängiges Gericht ziehen kann (Thomas Zweidler, Die Praxis zur thurgauischen Strafprozessordnung, Bern 2005, § 2 N. 6). 
2.3 Der Präsident der Anklagekammer legt (S. 8/9) dar, es sei ausgeschlossen, dass der ausserordentliche Untersuchungsrichter eine Strafverfügung nach § 6 StPO/TG erlasse. Diese Befugnis stehe einzig dem Bezirksstatthalter und dem Vizestatthalter zu. 
 
§ 6 StPO/TG trägt den Randtitel "Bezirksämter". Nach dieser Bestimmung sind "die Bezirksämter" zum Erlass der Strafverfügungen zuständig. § 2 StPO/TG trägt ebenfalls den Randtitel "Bezirksämter". Wie dargelegt, handelt es sich beim ausserordentlichen Untersuchungsrichter, der die Haft gegen den Beschwerdeführer angeordnet hat, um einen solchen nach § 2 Abs. 2 StPO/TG. Ist der ausserordentliche Untersuchungsrichter dem Bezirksamt zugeordnet, ist nicht einzusehen, weshalb es ihm verwehrt sein soll, eine Strafverfügung zu erlassen. Nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes steht ihm diese Befugnis zu. 
 
§ 53 KV/TG ändert daran nichts. Nach dieser Bestimmung üben die Strafgerichtsbarkeit unter anderem die Bezirksämter aus (Abs. 1 Ziff. 4); die Strafverfolgung unter anderem die Untersuchungsrichter (Abs. 2 Ziff. 4). Zunächst ist schon fraglich, ob sich § 53 Abs. 2 Ziff. 4 überhaupt auf die ausserordentlichen Untersuchungsrichter nach § 2 Abs. 2 StPO/TG erstreckt und nicht nur für die Untersuchungsrichter nach § 3 StPO/TG gilt. Im Übrigen ist mit § 53 Abs. 2 Ziff. 4 KV/TG nicht gesagt, dass die Untersuchungsrichter in jedem Fall nur die Strafverfolgung ausüben. Die Bezirksämter, die nach § 53 Abs. 1 Ziff. 4 KV/TG die Strafgerichtsbarkeit ausüben, sind nach der Thurgauer Strafprozessordnung ja auch nicht nur Strafgerichtsbehörde (§ 6 StPO/TG), sondern ebenso Strafverfolgungsbehörde (§ 1 f. StPO/TG). Aus § 53 KV/TG ist daher nicht zu schliessen, dass die ausserordentlichen Untersuchungsrichter der Bezirksämter keine Strafverfügungen nach § 6 StPO/TG erlassen können. 
 
Dem Beschwerdeführer wird nicht nur die Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen, sondern ebenso gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, da er sich rechtswidrig in der Schweiz aufgehalten habe (vgl. Befragungsprotokolle der Kantonspolizei Thurgau vom 12., 16. und 19. Juli 2005, je S. 1, sowie angefochtener Entscheid S. 12). Bei dieser Sachlage kam im Zeitpunkt der Haftanordnung der Erlass einer Strafverfügung durch den ausserordentlichen Untersuchungsrichter in Betracht. Zwar legt der Präsident der Anklagekammer (Vernehmlassung S. 7) sinngemäss dar, die Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer werde in einem Fall wie hier zusammen mit jener gegen das Betäubungsmittelgesetz beurteilt; eine gesonderte Strafverfügung werde also nicht erlassen. Damit lässt er ausser Acht, dass jedenfalls im Zeitpunkt der Haftanordnung nicht feststand, ob es überhaupt zu einer Anklage wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz kommen wird. Hätte sich der Verdacht der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht erhärtet und wäre nur jener der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer bestehen geblieben, wäre der Erlass einer Strafverfügung durch den ausserordentlichen Untersuchungsrichter gestützt auf § 6 Abs. 2 Ziff. 4 StPO/TG möglich gewesen. Hätte diesfalls der Beschwerdeführer Einsprache erhoben, so wären nach § 136 Abs. 4 StPO/TG die Akten an die Bezirksgerichtliche Kommission zu überweisen gewesen und hätte die Strafverfügung als Anklageschrift gegolten. Damit bestand im Zeitpunkt der Haftanordnung die Möglichkeit, dass der ausserordentliche Untersuchungsrichter später eine Anklagefunktion ausüben könnte. Im Lichte der angeführten Rechtsprechung bestand daher der Anschein der Befangenheit. 
 
Die Beschwerde ist schon deshalb gutzuheissen. 
2.4 Folgendes kommt hinzu: 
 
Gemäss § 4 Abs. 1 StPO/TG ist die Staatsanwaltschaft Anklage- und Aufsichtsbehörde. Sie überwacht die Strafuntersuchungen, kann jederzeit in diese eingreifen und Änderungen in der Zuständigkeitsregelung vornehmen. Sie kann Untersuchungen ganz oder zum Teil selber führen. 
 
Die Staatsanwaltschaft ist somit gegenüber dem Untersuchungsrichter weisungsbefugt. Dies ist auch im Schrifttum anerkannt (Zweidler, a.a.O., § 2 N. 10, § 3 N. 6 und § 4 N. 3). 
 
Der Präsident der Anklagekammer legt dem Bundesgericht mit der Vernehmlassung eine allgemeine Weisung des Leitenden Staatsanwalts des Kantons Thurgau vom 19. November 2004 an die Bezirksämter und das Kantonale Untersuchungsrichteramt vor. Der Leitende Staatsanwalt hat diese Weisung unter Hinweis auf BGE 131 I 36 erlassen. Ihre Ziffer 2 lautet wie folgt: 
"Das generell gegenüber den Untersuchungsrichtern/innen bestehende Weisungsrecht wird gegenüber jener/jenem, die/der mit einer allfälligen Haftanordnung befasst ist, ausdrücklich aufgehoben." 
Der Beschwerdeführer bemerkt dazu (Replik S. 5), die Aufhebung der Weisungsgebundenheit des Untersuchungsrichters mittels Weisung der Staatsanwaltschaft erscheine als paradox. Immerhin zeige diese Regelung, dass die derzeitigen kantonalen Gesetzesbestimmungen dem übergeordneten Recht nicht entsprächen und sich die Thurgauer Behörden dessen bewusst seien. Das geeignete Mittel, den Mangel zu beseitigen, liege jedoch nicht in einer innerdienstlichen Anweisung, sondern in einer Gesetzesänderung. 
 
Dem ist in der Sache zuzustimmen. Die allgemeine Weisung des Leitenden Staatsanwalts vom 19. November 2004 stellt eine Verwaltungsverordnung dar. Solche Verordnungen sind Dienstanweisungen generell-abstrakter Natur und enthalten Regeln für das verwaltungsinterne Verhalten der Beamten. Sie dienen der Schaffung einer einheitlichen Praxis und sollen den Beamten die Rechtsanwendung erleichtern. Da sie nicht vom verfassungsmässigen Gesetzgeber stammen, können sie keine von der gesetzlichen Ordnung abweichenden Bestimmungen vorsehen (BGE 121 II 473 E. 2b S. 478, mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 1P.479/1998 vom 16. Februar 1999 E. 3). 
 
Nach § 4 Abs. 1 StPO/TG gilt die Weisungsbefugnis der Staatsanwaltschaft gegenüber den Untersuchungsrichtern ohne Einschränkung (Zweidler, a.a.O., § 4 N. 3). Daran kann der Erste Staatsanwalt mit einer Weisung nichts ändern. Gemäss § 4 Abs. 4 StPO/TG sorgt er unter anderem für die Einheitlichkeit in der Strafverfolgung. Er kann damit im Hinblick auf die einheitliche Rechtsanwendung den Untersuchungsbehörden allgemeine Weisungen erteilen. Diese müssen sich aber an den Rahmen des Gesetzes halten. Wollte man im Kanton Thurgau das Weisungsrecht der Staatsanwaltschaft gegenüber den Untersuchungsrichtern beschränken, wäre § 4 Abs. 1 StPO/TG zu ändern. Dies stünde allein dem Gesetzgeber zu. Ziffer 2 der Weisung vom 19. November 2004 ist daher unbeachtlich. 
 
War der ausserordentliche Untersuchungsrichter danach weisungsabhängig, verletzt die Haftanordnung gegen den Beschwerdeführer auch aus diesem Grunde Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK
3. 
3.1 Die Beschwerde ist gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben, soweit der Präsident der Anklagekammer die Verfassungs- und Konventionsmässigkeit der Haftanordnung durch den ausserordentlichen Untersuchungsrichter bejaht hat. 
 
Da der Beschwerdeführer in der Sache durchdringt, braucht die Rüge, der Präsident der Anklagekammer habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, nicht mehr behandelt zu werden. Soweit der Beschwerdeführer Willkür und eine Verletzung seines Rechts auf persönliche Freiheit geltend macht, kommt dem keine selbständige Bedeutung zu. 
3.2 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). Der Kanton Thurgau hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist damit gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Präsidenten der Anklagekammer des Kantons Thurgau vom 25. Juli 2005 aufgehoben, soweit dieser die Verfassungs- und Konventionsmässigkeit der Haftanordnung durch den ausserordentlichen Untersuchungsrichter bejaht hat. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Der Kanton Thurgau hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Fredy Fässler, für das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren eine Entschädigung von Fr. 2'500.-- zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksamt Münchwilen und dem Präsidenten der Anklagekammer des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 7. September 2005 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: