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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_628/2012 
 
Urteil vom 29. Januar 2013 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Herrmann, 
Gerichtsschreiber Zingg. 
 
1. Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
2. Y.________, 
beide vertreten durch Advokat Prof. Dr. Daniel Staehelin, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Z.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Bulaty, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Arrest, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, vom 2. Juli 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ und Y.________ (Beschwerdeführer) stellten am 30. Dezember 2010 beim Bezirksgericht A.________ das Gesuch, es sei für eine Forderung von Fr. 155'538.50 nebst Zins der Liquidationsanteil von Z.________ (Beschwerdegegner) an der ungeteilten Erbschaft des am 23. Oktober 2010 mit letztem Wohnsitz in A.________ verstorbenen W.________ (Vater des Beschwerdegegners) mit Arrest zu belegen. Als Forderungsgrund wurde das Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 19. September 2002 angegeben, mit dem die Ehe des Beschwerdegegners mit der inzwischen verstorbenen Mutter der Beschwerdeführer geschieden worden war. 
 
Der Präsident I des Bezirksgerichts A.________ erliess am 3. Januar 2011 den Arrestbefehl. 
 
B. 
Mit Einsprache vom 20. Januar 2011 verlangte der Beschwerdegegner, den Arrestbefehl aufzuheben und eventualiter, die Beschwerdeführer aufzufordern, die dem Arrestbefehl zugrunde liegenden Urkunden vorzulegen und ihm eine Frist zur Stellungnahme dazu einzuräumen. Mit Entscheid vom 22. März 2011 hiess der Präsident I des Bezirksgerichts A.________ die Einsprache gut und hob den Arrestbefehl vom 3. Januar 2011 auf. 
 
C. 
Gegen diesen Entscheid erhoben die Beschwerdeführer am 31. März 2011 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau. Sie verlangten die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Bestätigung des Arrestbefehls. Mit Entscheid vom 2. Juli 2012 wies das Obergericht die Beschwerde ab. 
 
D. 
Am 30. August 2012 haben die Beschwerdeführer Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie verlangen, den Entscheid des Obergerichts vom 2. Juli 2012 aufzuheben und die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei die Einsprache gegen den Arrestbefehl abzuweisen und der Arrestbefehl zu bestätigen. Zudem ersuchen sie um aufschiebende Wirkung. 
 
Das Obergericht hat auf Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung verzichtet und der Beschwerdegegner hat um Abweisung des Gesuchs ersucht. Mit Präsidialverfügung vom 13. September 2012 ist der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. 
 
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, in der Sache aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die rechtzeitig erhobene Beschwerde (Art. 100 Abs. 1 BGG) richtet sich gegen einen Beschwerdeentscheid gemäss Art. 278 Abs. 3 SchKG. Er betrifft demnach eine Schuldbetreibungssache (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG), wobei der erforderliche Streitwert erreicht ist (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Der angefochtene Entscheid geht von einer Vorinstanz nach Art. 75 BGG aus und wird von der unterlegenen Partei angefochten (Art. 76 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist somit grundsätzlich zulässig. 
 
Der Entscheid gemäss Art. 278 Abs. 3 SchKG ist ein Endentscheid nach Art. 90 BGG (Urteil 5A_614/2011 vom 28. November 2011 E. 1; vgl. auch BGE 133 III 589 E. 1 S. 590). Er beschlägt ausschliesslich das jeweilige Arrestverfahren und befindet ebenso wenig wie der Arrest selbst endgültig über Bestand und Fälligkeit der Arrestforderung. Er gilt wie der Arrestentscheid (BGE 133 III 589 E. 1 S. 590 f.) als vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG (BGE 135 III 232 E. 1.2 S. 234). Damit kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Verfassungsrügen müssen in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 397 E. 1.4 S. 400 f.; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen). Dies bedeutet, dass anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und detailliert darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 135 III 232 E. 1.2 S. 234 mit Hinweisen). Wer sich insbesondere auf eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) beruft, kann sich daher nicht darauf beschränken, die Rechtslage aus seiner Sicht zu schildern und den angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen. Vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246). 
 
2. 
Das Obergericht hat erwogen, Arrestgegenstand sei der Liquidationsanteil des Beschwerdegegners an der ungeteilten Erbschaft seines Vaters. Vollstreckungsrechtlich sei der Liquidationsanteil eine Forderung. Forderungen seien am schweizerischen Wohnsitz des Gläubigers und Arrestschuldners belegen. Der Beschwerdegegner habe Wohnsitz in Peru. Habe der Gläubiger (Arrestschuldner) Wohnsitz im Ausland, werde aus Praktikabilitätsgründen Belegenheit am Sitz des Drittschuldners angenommen. Allerdings sei die Erbengemeinschaft im Verhältnis zum Erben nicht Drittschuldnerin, so dass Art. 49 SchKG nicht anwendbar sei. Deshalb könne der Liquidationsanteil nicht am Betreibungsort der Erbschaft, der regelmässig mit dem letzten Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Erblassers identisch sei, arrestiert werden (unter Hinweis auf BGE 118 III 62 E. 2b S. 66). Der letzte Wohnsitz des Erblassers sei deshalb für die Arrestzuständigkeit vorliegend nicht von Bedeutung. 
 
Sodann hat das Obergericht erwogen, gemäss Art. 2 der Verordnung des Bundesgerichts vom 17. Januar 1923 über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (VVAG; SR 281.41) sei das Betreibungsamt am Wohnort des Schuldners zur Pfändung oder Arrestierung des Anteilsrechts und des Ertrags zuständig. Da der Beschwerdegegner Wohnsitz in Peru habe, seien die Behörden in A.________ nicht zuständig für die Arrestierung des Liquidationsanteils des Beschwerdegegners an der ungeteilten Erbschaft seines Vaters. Daran ändere Art. 272 SchKG nichts, wonach der Arrest vom Richter des Orts bewilligt werde, wo die Vermögensgegenstände sich befinden. Arrestgegenstand sei der im Ausland belegene Liquidationsanteil und nicht die in der Schweiz gelegene Erbschaft. Auf die Belegenheit der Erbschaft und den letzten Wohnsitz des Erblassers (beides in der Schweiz) komme es nicht an, sondern allein auf die Belegenheit des zu arrestierenden Vermögensgegenstands. Somit könne der Liquidationsanteil aufgrund des Territorialprinzips in der Schweiz nicht arrestiert werden. 
 
3. 
Die Beschwerdeführer machen eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV; unten E. 3.1) und der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV; unten E. 3.2) geltend. 
3.1 
3.1.1 Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3 S. 319; 137 I 1 E. 2.4 S. 5 mit Hinweisen). 
 
3.1.2 Unter dem Gesichtspunkt der Willkür wenden sich die Beschwerdeführer in erster Linie dagegen, dass die Vorinstanz die in BGE 118 III 62 (insbesondere E. 2b S. 66) festgehaltenen Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet hat. Sie halten BGE 118 III 62 nicht für massgebend, da der Erblasser vorliegend letzten Wohnsitz in der Schweiz hatte und nicht - wie im genannten Bundesgerichtsentscheid - im Ausland. Der Liquidationsanspruch eines Erben mit Wohnsitz im Ausland könne somit entweder am letzten Wohnsitz des Erblassers in der Schweiz oder am Wohnsitz eines Miterben in der Schweiz lokalisiert und an diesem Ort arrestiert werden. 
 
Die Beschwerdeführer wiederholen damit im Wesentlichen ihren bereits vor Obergericht eingenommenen Standpunkt, auf den die Vorinstanz eingehend eingegangen ist (oben E. 2). Unter Willkürgesichtspunkten ist dazu Folgendes zu bemerken: 
 
Gemäss BGE 118 III 62 E. 2b S. 66 ist es unzutreffend, die Erbengemeinschaft im Verhältnis zum Erben als Drittschuldnerin zu betrachten und darauf auf die Anwendbarkeit von Art. 49 SchKG zu schliessen, wie dies noch in BGE 109 III 90 geschehen ist. Zusammen mit weiteren Gründen hat dies in BGE 118 III 62 dazu geführt, dass in der Schweiz kein Ort zur Verfügung stand, um den Liquidationsanteil des im Ausland wohnhaften Schuldners zu arrestieren. Es trifft zwar zu, dass in BGE 118 III 62 der Erblasser (der letzte Schah von Persien) im Unterschied zum vorliegenden Fall keinen Wohnsitz in der Schweiz hatte. Allerdings nahm die in BGE 118 III 62 vorgenommene Praxisänderung hinsichtlich der Beurteilung der Drittschuldnereigenschaft der Erbengemeinschaft ausdrücklich Bezug auf BGE 109 III 90, und in diesem Fall hatte der Erblasser Wohnsitz in der Schweiz. Es erscheint deshalb nicht als willkürlich, wenn die Vorinstanz diese Argumentation auch auf den vorliegenden Fall übertragen hat. Dies stimmt überein mit einem unpublizierten Urteil des Bundesgerichts, worin BGE 118 III 62 klargestellt und ausgeführt wird, dass es auf den letzten Wohnsitz des Erblassers oder die Belegenheit des Erbschaftsvermögens nicht ankommt, sondern nach dem klaren Wortlaut von Art. 2 VVAG auf den Wohnort des Schuldners (Urteil B.96/1996 vom 29. Mai 1996 E. 2 und 3). Der angefochtene Entscheid erscheint auch nicht deshalb als willkürlich, weil BGE 118 III 62 in der Lehre kritisiert worden ist (die Beschwerdeführer verweisen namentlich auf DANIEL STAEHELIN, Die internationale Zuständigkeit der Schweiz im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, AJP 1995, S. 267 Fn. 91; HANS REISER, in: Basler Kommentar, 2. Aufl., 2010, N. 57 zu Art. 275 SchKG, und PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, 2003, N. 49 zu Art. 272 SchKG). Dass die Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht mit derjenigen der Beschwerdeführer oder weiterer Autoren übereinstimmt, belegt keine Willkür. 
 
Die Beschwerdeführer machen ausserdem geltend, das Obergericht sei in Willkür verfallen, weil es nicht gesagt habe, wer anstelle der Erbengemeinschaft Drittschuldner sei. Was die Beschwerdeführer damit zu erreichen hoffen, bleibt unklar, weil sie selber das Kriterium der Drittschuldnereigenschaft an anderer Stelle als sekundär bezeichnen (vgl. auch Urteil B.96/1996 vom 29. Mai 1996 E. 3a und c, wo die Figur der Drittschuldnereigenschaft für den vorliegenden Zusammenhang als untauglich bezeichnet wird). Unzutreffend ist der weitere Vorwurf, die Vorinstanz habe die Belegenheit des Vermögensgegenstands im Ausland nicht begründet. Die Vorinstanz ist einlässlich darauf eingegangen, dass der Wohnsitz des Erblassers kein relevanter Gesichtspunkt sei, dass es stattdessen auf die Belegenheit des zu arrestierenden Vermögensgegenstands (des Liquidationsanteils) ankomme und weshalb dieser im Ausland belegen sei. Keine Willkür liegt schliesslich darin, dass die Vorinstanz die vollstreckungsrechtliche Belegenheit nicht nach den von den Beschwerdeführern für allein massgeblich gehaltenen Kriterien der praktischen Verwertbarkeit, der Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse und des Schutzes der Miterben und Erbschaftsgläubiger (unter Bezugnahme auf STAEHELIN, a.a.O., S. 261) bestimmt hat. 
 
Soweit die Beschwerdeführer schliesslich hilfsweise an den (Wohn-)sitz eines Miterben anknüpfen wollen, kann darauf nicht eingetreten werden: Ihre Tatsachenbehauptung, einer der Miterben (der Verein B.________) habe Sitz in A.________, findet im angefochtenen Urteil keine Stütze. 
 
3.2 Die Rüge der Verletzung von Art. 29a BV beziehen die Beschwerdeführer auf die von ihnen genannten und soeben behandelten drei Kriterien zur Bestimmung der vollstreckungsrechtlichen Belegenheit. Wenn diese drei Kriterien erfüllt seien, müsse eine Belegenheit in der Schweiz angenommen werden, um die Zwangsvollstreckung in der Schweiz zu ermöglichen, ansonsten eine Verletzung der Rechtsweggarantie vorliegen würde. Diese Rüge hat keinen eigenständigen Gehalt, sondern geht letztlich in der Rüge der willkürlichen Anwendung des SchKG auf. Der Anspruch auf gerichtliche Beurteilung gemäss Art. 29a BV steht im Übrigen unter dem Vorbehalt der üblichen Eintretensvoraussetzungen (Urteile 2C_703/2009 vom 21. September 2010 E. 4.4.2; 5P.319/2005 vom 9. November 2005 E. 4.1), und um solche geht es bei der Frage der Belegenheit der zu arrestierenden Vermögensgegenstände, da dadurch die Zuständigkeit des Arrestrichters bestimmt wird (Art. 272 Abs. 1 SchKG). Zudem lässt sich über Art. 29a BV nicht eine Notzuständigkeit für die Arrestlegung in der Schweiz schaffen, bloss weil die Zwangsvollstreckung im Ausland (hinsichtlich des Urteils des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 19. September 2002) allenfalls mit Schwierigkeiten verbunden ist. 
 
3.3 Die Beschwerde ist damit abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. 
 
4. 
Bei diesem Verfahrensausgang tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegner ist für seine Stellungnahme zur beantragten aufschiebenden Wirkung nicht zu entschädigen, da er insoweit unterlegen ist (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 6'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 29. Januar 2013 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg