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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_895/2009 
 
Urteil vom 19. Januar 2010 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiber Holzer. 
 
Parteien 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dieter Kehl, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft, Bundesgasse 35, 3011 Bern, 
vertreten durch Fürsprecherin Barbara Künzi-Egli, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 8. September 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1975 geborene A.________ war als Coiffeuse und Geschäftsführerin der T.________ GmbH bei der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft (nachstehend: die Mobiliar) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als am 17. September 2001 in einem Tunnel bei einem Bremsmanöver ein Personenwagen auf ihr Fahrzeug auffuhr. Dr. med. W.________, Neurologie FMH, an den die Versicherte von ihrem Hausarzt verwiesen wurde, diagnostizierte am 20. September 2001 aufgrund seiner klinischen Untersuchung vom Vortag ein Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule (HWS). Die Mobiliar anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses und erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Im Zuge ihrer Abklärungen holte die Versicherung ein interdisziplinäres Gutachten bei der medizinischen Begutachtungsstelle X.________ ein, wobei den Gutachtern unter anderem auch ein Bericht über eine privatdetektivliche Observation im Frühjahr 2003 zu Kenntnis gebracht wurde. Daraufhin stellte die Mobiliar ihre Leistungen mit Verfügung vom 8. April 2008 und Einspracheentscheid vom 11. August 2008 - unter Verzicht einer Rückforderung bereits ausbezahlter Leistungen - per 8. April 2003 ein. 
 
B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 8. September 2009 in dem Sinne teilweise gut, als das Datum der Leistungseinstellung auf den 5. Dezember 2005 festgelegt wurde. 
 
C. 
Mit Beschwerde beantragt A.________ sinngemäss, die Sache sei unter Aufhebung des Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides zu weiteren Abklärungen an die Mobiliar zurückzuweisen, eventuell sei die Mobiliar zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen auch über den 5. Dezember 2005 hinaus zu erbringen. 
Während die Mobiliar auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
 
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2. 
Die Zusprechung von Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung setzt grundsätzlich das Vorliegen eines Berufsunfalles, eines Nichtberufsunfalles oder einer Berufskrankheit voraus (Art. 6 Abs. 1 UVG). Der Unfallversicherer haftet jedoch für einen Gesundheitsschaden nur insoweit, als dieser nicht nur in einem natürlichen, sondern auch in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum versicherten Ereignis steht (BGE 129 V 177 E. 3 S. 181). Dabei spielt die Adäquanz als rechtliche Eingrenzung der sich aus dem natürlichen Kausalzusammenhang ergebenden Haftung des Unfallversicherers im Bereich organisch objektiv ausgewiesener Unfallfolgen praktisch keine Rolle, da sich hier die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt (BGE 134 V 109 E. 2 S. 111 f.; 127 V 102 E. 5b/bb S. 103). Objektivierbar sind Untersuchungsergebnisse, die reproduzierbar sind und von der Person des Untersuchenden und den Angaben des Patienten unabhängig sind. Von organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolgen kann somit erst dann gesprochen werden, wenn die erhobenen Befunde mit apparativen/bildgebenden Abklärungen bestätigt wurden und die hiebei angewendeten Untersuchungsmethoden wissenschaftlich anerkannt sind (Urteil 8C_806/2007 vom 7. August 2008, E. 8.2 mit zahlreichen Hinweisen). Sind die geklagten Beschwerden natürlich unfallkausal, nicht aber in diesem Sinne objektiv ausgewiesen, so ist bei der Beurteilung der Adäquanz vom augenfälligen Geschehensablauf auszugehen, und es sind gegebenenfalls weitere unfallbezogene Kriterien einzubeziehen (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.). Hat die versicherte Person einen Unfall erlitten, welcher die Anwendung der Schleudertrauma-Rechtsprechung rechtfertigt, so sind hierbei die durch BGE 134 V 109 E. 10 S. 126 ff. präzisierten Kriterien massgebend. Ist diese Rechtsprechung nicht anwendbar, so sind grundsätzlich die Adäquanzkriterien, welche für psychische Fehlentwicklungen nach einem Unfall entwickelt wurden (BGE 115 V 133 E. 6c/aa S. 140), anzuwenden (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.; vgl. auch Urteil 8C_583/2007 vom 10. Juni 2008, E. 2.2). 
 
3. 
Das kantonale Gericht hat in umfassender Würdigung der Akten, insbesondere auch gestützt auf das Gutachten der medizinischen Begutachtungsstelle X.________ vom 5. Dezember 2005 erwogen, nach dem Datum des Gutachtens allfällig noch bestehende Beschwerden seien nicht mehr adäquat kausal durch das Unfallereignis vom 17. September 2001 verursacht gewesen. Die Beschwerdeführerin bringt gegen diese Würdigung im Wesentlichen vor, die Vorinstanz habe zu Unrecht dem medizinischen Gutachten der Begutachtungsstelle X.________ hohen Beweiswert zuerkannt; dieses sei bereits aus formellen Gründen unbeachtlich. 
 
4. 
4.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass die Gutachter der medizinischen Begutachtungsstelle X.________ bei der Begutachtung Kenntnis des Ermittlungsberichtes des Privatdetektivs vom 20. Mai 2003 hatten. Unklar ist, ob diese Observation durch die Beschwerdegegnerin als Unfallversicherer gemäss UVG oder von ihr als Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers in Auftrag gegeben wurde. Diese Frage kann indessen offenbleiben, da die Verwendung des Berichtes als Beweismittel im Unfallversicherungs-Verfahren in beiden Fällen zulässig wäre (vgl. BGE 135 I 169 E. 4 f. S. 170 ff. bzw. BGE 129 V 323). Unbestritten ist im Weiteren, dass die Beschwerdeführerin erst im März 2006, mithin nach der Begutachtung durch die medizinische Begutachtungsstelle X.________ Einblick in den Ermittlungsbericht des Privatdetektivs genommen hat. 
 
4.2 Die Versicherte rügt, die Beschwerdegegnerin habe dadurch, dass sie den Gutachtern den Ermittlungsbericht, von dem die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis hatte, zur Verfügung gestellt hat, den Anspruch der Versicherten auf rechtliches Gehör verletzt und gegen das Fairnessgebot und das Gebot der Waffengleichheit verstossen. 
4.2.1 Wie die Beschwerdegegnerin zutreffend ausführt, muss die versicherte Person gemäss Art. 42 ATSG erst im Einspracheverfahren angehört werden. Da die angefochtene Verfügung vom 8. April 2008 stammt und die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt unbestrittenermassen längst Kenntnis aller relevanter Akten hatte, wurde ihr Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. 
4.2.2 Die Versicherte rügt weiter unter Hinweis auf Art. 6 EMRK eine Verletzung des Fairnessgebotes und des Gebotes der Waffengleichheit. Art. 6 EMRK garantiert jeder Person ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht; die in diesem Artikel enthaltenen Verfahrensgarantien sind indessen im Administrativverfahren nicht direkt anwendbar. Auch in diesem Verfahren sind jedoch sowohl Versicherungsträger als auch versicherte Person gehalten, nach Treu und Glauben zu handeln (Art. 5 Abs. 3 BV; Art. 2 Abs. 1 ZGB). Die Beschwerdeführerin rügt mit ihren Vorbringen sinngemäss ein treuwidriges Verhalten der Beschwerdegegnerin. 
4.2.3 Ob es, wie von der Versicherten sinngemäss geltend gemacht, tatsächlich treuwidrig wäre, wenn ein Versicherungsträger relevante Beweismittel, von welchen die versicherte Person weder Kenntnis hatte noch haben konnte, den Gutachtern zur Verfügung stellt, ohne zuerst die versicherte Person darüber zu unterrichten, kann vorliegend offenbleiben: Mit Schreiben vom 1. Oktober 2004 erklärte sich die Versicherung mit dem Vorschlag der Beschwerdeführerin einer Begutachtung durch die medizinische Begutachtungsstelle X.________ einverstanden und bat sie um Zustimmung zum vorgesehenen Fragenkatalog. Gleichzeitig führte die Beschwerdegegnerin aus, sie werde den Gutachtern neben den rein medizinischen Akten auch den Polizeirapport, die Garagenrechnungen und den Ermittlungsbericht zustellen. Somit hatte die Versicherte nach Erhalt dieses Schreibens und damit vor der Begutachtung durch die medizinische Begutachtungsstelle X.________ Kenntnis von der Existenz eines solchen Berichtes. Sie hätte folglich bereits im Herbst 2004 die Möglichkeit gehabt, Einsicht in die umstrittenen Aktenstücke zu verlangen. Nicht geklärt zu werden braucht vorliegend, aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin dies damals unterlassen hat; fest steht jedenfalls, dass der Beschwerdegegnerin in Bezug auf den Ermittlungsbericht und die Kenntnisgabe desselben an die Gutachter keine Treuwidrigkeit vorzuwerfen ist. 
 
4.3 Ist der Beschwerdegegnerin bezüglich der Einholung des Gutachtens der medizinischen Begutachtungsstelle X.________ keine Treuwidrigkeit vorzuwerfen, so hat auch das kantonale Gericht nicht gegen die in Art. 6 EMRK festgelegten Verfahrensgarantien verstossen, als es dieser Expertise Beweiswert zuerkannte. 
 
5. 
Das kantonale Gericht verneinte einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf Versicherungsleistungen für die Zeit nach dem 5. Dezember 2005 mit der Begründung, dass ein allfälliger Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 17. September 2001 und den geklagten Beschwerden nicht adäquat wäre. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist eine Prüfung der Adäquanz eines Kausalzusammenhanges auch dann zulässig, wenn allfällige berufliche Massnahmen noch nicht abgeschlossen sind (vgl. Urteile 8C_129/2009 vom 15. September 2009 E. 4.2 und 8C_304/2008 vom 1. April 2009 E. 3); entscheidend ist einzig, dass jedenfalls nach dem 5. Dezember 2005 von einer Fortsetzung der medizinischen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden konnte. Nach dem Gesagten (E. 4 hievor) ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Prüfung der Adäquanz (vgl. BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.) unter Einbezug des Gutachtens der medizinischen Begutachtungsstelle X.________ vorgenommen hat. In den übrigen Punkten wird die Adäquanzprüfung nicht substanziiert gerügt, so dass sich diesbezügliche Weiterungen erübrigen (vgl. Urteil 8C_216/2009 vom 28. Oktober 2009 E. 5.3). Da mangels eines adäquaten Kausalzusammenhangs kein Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen besteht, kann offenbleiben, ob das Gutachten der medizinischen Begutachtungsstelle X.________ in Bezug auf die Frage der Arbeitsfähigkeit der Versicherten nachvollziehbar und schlüssig ist; folglich ist die Beschwerde abzuweisen. 
 
6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 19. Januar 2010 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Ursprung Holzer